Graf Hertling

Graf Hertling
Georg von Hertling

Georg Freiherr (seit 1914: Graf) von Hertling (* 31. August 1843 in Darmstadt; † 4. Januar 1919 in Ruhpolding, Oberbayern) war ein deutscher Politiker (Zentrumspartei) und Philosoph. Vom 1. November 1917 bis zum 30. September 1918 war er Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Georg von Hertling als Reichstagsabgeordneter, 1911

Georg Friedrich Freiherr von Hertling, ein aus einer katholischen, rheinpfälzischen Familie stammender Sohn eines hessischen Hofgerichtsrates, studierte Philosophie in München, Münster und Berlin, wo er 1864 promovierte. Nach seiner Habilitation 1867 in Bonn wurde der bekennende Katholik wegen des Kulturkampfes dort erst 1880 auf eine außerordentliche Professur berufen, eine Erfahrung, die dazu beitrug, dass sich Hertling führend an der Gründung der "Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland" beteiligte, deren Präsident er bis zu seinem Tode 1919 blieb. Weiterhin war Hertling einer der Vordenker der Bewegung der katholischen Studentenverbindungen. Er trat 1862 der K.D.St.V. Aenania, später dem K.St.V. Arminia bei. Seine Rede auf dem Katholikentag 1863 in Frankfurt, auf der er die Begriffe Religion, Wissenschaft und Freundschaft als Leitsätze eines katholischen Verbindungsstudenten vorstellte, gilt als Auslöser für die Gründung des Würzburger Bundes, aus dem später die Verbände Cartellverband und Kartellverband hervorgingen. Hertling erhielt 1882 einen Ruf auf eine ordentliche Professur nach München.

Inzwischen war neben die akademische auch eine politische Tätigkeit getreten, Hertling gehörte von 1875 bis 1890 und von 1896 bis 1912 als Vertreter des Zentrums dem Reichstag an, wo er sich erst sozialpolitischen, später vor allem außen- und finanzpolitischen Fragen widmete. Von 1909 bis 1912 war er, der sich für die Aussöhnung des deutschen Katholizismus mit dem preußisch-protestantisch geprägten Nationalstaat einsetzte, Vorsitzender der Zentrumsfraktion.

Am 9. Februar 1912 berief der Prinzregent Luitpold Hertling zum Vorsitzenden des bayerischen Staatsministeriums; die Beauftragung eines Vertreters der Mehrheitsfraktion im Landtag mit dem Amt des Ministerpräsidenten deutete auf eine beginnende Parlamentarisierung Bayerns hin.

Während des Ersten Weltkriegs unterstützte Hertling die Positionen des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg und lehnte nach dessen Sturz 1917 die Übernahme der Reichskanzlerschaft zunächst ab. Erst nach dem Scheitern von Bethmanns Nachfolger Georg Michaelis übernahm der körperlich bereits hinfällige Hertling[1] doch noch die Ämter des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten. Die Regierung Hertling schien einen weiteren Schritt zur Parlamentarisierung des Reiches darzustellen, da der neue Kanzler sein Regierungsprogramm vorab mit den Mehrheitsparteien des Reichstages abstimmen musste und mit dem Linksliberalen Friedrich von Payer als Vizekanzler und dem Nationalliberalen Robert Friedberg als stellvertretender Ministerpräsident zwei altgediente Parlamentarier als Verbindungsmänner zu den Parteien in die Kabinette aufgenommen wurden. Doch gelang es in der Folgezeit Hertling weder gegen die Oberste Heeresleitung einen Frieden ohne Annexionen durchzusetzen, noch die von den Mehrheitsparteien geforderte Reform des Dreiklassenwahlrechts in Preußen voranzutreiben. Am 3. Oktober 1918 wurde Hertling als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident von Prinz Max von Baden abgelöst.

Aus Hertlings Ehe mit Anna von Biegeleben (1845–1919) gingen ein Sohn und fünf Töchter (davon eine früh verstorben) hervor.

Hertling war Großneffe von Bettina von Arnim und Clemens Brentano. Die Schauspielerin Gila von Weitershausen ist seine Urenkelin.

Literatur

  • Markus Arnold: „Für Wahrheit, Freiheit und Recht. Georg von Hertling - Sein Beitrag zur Entstehung und bleibenden Gestalt der Katholischen Soziallehre“, (Contributiones Bonnenses, Reihe II, Band 2), Bernstein-Verlag, Gebr. Remmel, Bonn 2009, ISBN 978-3-9809762-1-3
  • Winfried Becker: „Georg von Hertling 1843-1919. Jugend und Selbstfindung zwischen Romantik und Kulturkampf.“, Schöningh 1981, ISBN 3-506-79931-2
  • Winfried Becker: „Georg von Hertling 1843-1919“, Schöningh 1998, ISBN 3-506-70868-6

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Hertling – von Hause aus Philosophieprofessor – war schon immer ein etwas blutleerer Politiker gewesen, ein Mann, dessen Stärke im Verhandeln, nicht im Handeln lag. Jetzt war er ein Greis von 74 Jahren, der bei Abendsitzungen manchmal einschlief und wegen einsetzender Blindheit beim Aktenlesen die Unterstützung eines Vorlesers benötigte.“ – Klaus Epstein: Der Interfraktionelle Ausschuss und das Problem der Parlamentarisierung 1917–1918. In: HZ 191, 1960, S. 562–584, hier S. 582.

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