Leistungsunabhängiges Grundeinkommen

Leistungsunabhängiges Grundeinkommen

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist ein sozialpolitisches Finanztransfermodell, in dem jeder Bürger vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden Bürger gleiche finanzielle Zuwendung (Transferleistung) erhält, für die keine Gegenleistung erbracht werden muss. Prinzipiell identisch zum „Bürgergeld“ wird das Grundeinkommen jedoch meist in einer Höhe diskutiert, in der es bereits ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenzsichernd wäre.

Zu den vielen in Deutschland diskutierten Modellen eines bedingungslosen Grundeinkommens gehören zum Beispiel das Solidarische Bürgergeld (Althaus-Modell), das Ulmer Modell oder das Modell der von Götz Werner gegründeten Initiative Unternimm die Zukunft. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die auf Milton Friedman zurückgehende Negative Einkommensteuer[1], die jedoch nur Geringverdienern zugute kommt. In der Schweiz entwickelt die Initiative Grundeinkommen ein Modell der Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines Konzept

Das bedingungslose Grundeinkommen stellt ein Einkommen für alle dar, das eine Grundlage zur Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe darstellen soll, ohne dass eine sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung erfolgt und ohne dass eine Bereitschaft zur Arbeit gefordert wird.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist somit eine Form des Bürgergelds (Grundeinkommens). Eine andere Form ist die negative Einkommensteuer, die es in den USA als Earned Income Tax Credit und in Großbritannien (Working Families Tax Credit) gibt und auf einen Vorschlag Milton Friedmans aus dem Jahre 1962 zurückgeht[2]. Die Negative Einkommensteuer kann genau wie das bedingungslose Grundeinkommen so gestaltet werden, dass die Bereitschaft zur Annahme einer angebotenen Arbeit mit höherem Sozialtransfer leidet.[3] Das bedingungslose Grundeinkommen unterscheidet sich von einer staatlich organisierten Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen zu Verfügung steht, und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung verbunden ist.

Je nach Modell wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu einer Zahlung von EUR 1500,- pro Monat vorgeschlagen.[4] Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann aber auch unterhalb des Existenzsicherungsniveaus liegen.[5] Bedarfsgeprüfte Leistungen können dann auf diese Leistung aufstocken, um das Existenzminimum zu gewährleisten. Wer über mehr Geld als das Grundeinkommen verfügen möchte, könnte sich dies immer noch (z. B. durch Erwerbsarbeit) verdienen – es bestünde nur keine existenzielle Notwendigkeit mehr zur Erwerbsarbeit.

Modelle

Zur Finanzierung des Grundeinkommens ist in der Regel eine starke Vereinfachung und Neuordnung des Steuersystems vorgesehen sowie sehr viel weniger Aufwand und Bürokratie in der Sozialverwaltung, da bisherige Transferleistungen durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt würden. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente, Kindergeld und ähnliche Sozialleistungen würden schrittweise ersetzt und letztendlich wegfallen.

Zur Besteuerung gibt es im Wesentlichen zwei Modellansätze: Besteuerung des Konsums oder Besteuerung des Einkommens.

Besteuerung des Einkommens

Diese Modelle funktionieren ähnlich wie die negative Einkommensteuer, wobei nach der Transfergrenze Einkommen anders (geringer) besteuert wird. Einkommen bleibt weiterhin „subventioniert“ und es wird ein Anreiz gegeben, über die Transfergrenze zu kommen, um weniger Steuern zu zahlen. Die Finanzierung des Grundeinkommens basiert auf den Einnahmen jenseits der Transfergrenze. Das Grundeinkommen wird mit dem Einkommen verrechnet und Einkommen bleiben versteuert. Die Finanzierung basiert hier also hauptsächlich auf der Einkommensteuer.

  • Das bedingungslose Grundeinkommen nach dem Ulmer Transfergrenzenmodell wird grundsätzlich allen Bürgern in Höhe des vom Gesetzgeber festzulegenden Existenzminimums ausgezahlt. Finanziert wird das Bürgergeld aufkommensneutral aus einer Bürgergeldabgabe. Diese Abgabe ist ein fester Prozentsatz des Bruttoeinkommens, welche dann in einem Umlageverfahren verteilt wird.
  • Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus fordert ein Solidarisches Bürgergeld genanntes bedingungsloses Grundeinkommen von EUR 800,- brutto für jeden (abzüglich EUR 200,- für eine Basis-Krankenversicherung). Alle staatlichen Transferleistungen sollen damit gebündelt werden. Verbunden ist das Konzept mit einer umfangreichen Umgestaltung („Systemwechsel“) in der Steuer- und Sozialpolitik. Nach dem Althaus-Modell entstünden dem Staat jährlich Kosten in Höhe von 583 Milliarden Euro. Das heutige Sozialsystem kostet den Staat derzeit 735 Milliarden Euro pro Jahr. Damit wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen nach Althaus langfristig für den Staat günstiger als das heutige System. Allerdings ist darin eine Abschaffung der staatlichen Rentenversicherung vorgesehen, sodass bis zum Auslaufen der bisher erworbenen Rentenansprüche höhere Kosten zu erwarten sind.[6][7] Eine von Michael Opielka und Wolfgang Strengmann-Kuhn für die Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführte Untersuchung kam zur Feststellung, das Konzept von Althaus sei finanzierbar.[8][9]
  • Auf dem Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg im Oktober 2007 fiel die Entscheidung für die Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von EUR 420,- in Form einer negativen Einkommensteuer.[10] Dieses Sockelgrundeinkommen ist an keine Gegenleistung gekoppelt. Bei Bedürftigkeit sollen darauf auftstockend die Wohnkosten nach der gleichen Berechnung wie zur Zeit beim Arbeitslosengeld II übernommen werden.

Besteuerung des Konsums

Im Modell von Götz Werner wird Einkommen überhaupt nicht besteuert, weshalb jedes Bruttoeinkommen 1:1 als Nettoeinkommen ausbezahlt wird. Das Wernersche Modell schlägt zur Finanzierung des Grundeinkommens die Besteuerung von Dienstleistungen und Waren vor. Hierbei müsste das Steuersystem stark geändert werden; es würden ausschließlich (relativ hohe) Konsumsteuern anfallen. Die Finanzierung des Staates würde dann nicht mehr vor allem über die Einkommenssteuer stattfinden und die Arbeit wäre billiger. Das Modell von Götz Werner entspricht weitgehend dem amerikanischen Gesetzentwurf FairTax Act. Angestrebt wird eine Grundeinkommenshöhe von EUR 1.500,-, die über mehrere Stufen schrittweise erreicht werden soll.[11]

Rechtslage in Deutschland

Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein gesetzlicher Anspruch auf ein Grundeinkommen. Menschen, die zum Beispiel wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich persönlich oder sozial zu entfalten, haben aber einen rechtlich gesicherten Anspruch auf eine staatliche existenzielle Mindestsicherung, die als Minimalgarantie ein Soziokulturelles Existenzminimum gewährleisten muss.[12]

Ansätze zur Einführung

In Brasilien wurden unter Präsident Lula erste Schritte für ein Bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt. Zur Zeit erhalten lediglich die Ärmsten einen geringen Betrag, bis 2010 sollen die Zahlungen auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden.[13][14]

Dahingegen ist das oft in diesem Zusammenhang diskutierte Beispiel Alaskas, trotz der Bedingungslosigkeit der Auszahlung aus dem Alaska Permanent Fund, die dort jeder Bewohner erhält, kein „echtes“ Bedingungsloses Grundeinkommen, da der Betrag – von 1982 bis 2008 im Schnitt ca. 1100 USD pro Person und Jahr[15] – bei weitem nicht existenzsichernd ist.

In Namibia erhalten die Einwohner der Ortschaft Omitara ein bedingungsloses Grundeinkommen, um zu prüfen, welche Auswirkungen auf die Armut sich ergeben. Seit Januar 2008 zahlt die BIG Coalition Namibia den Bewohnern im Sozialprojekt Basic Income Grant (BIG) monatlich 100 N$ für insgesamt zwei Jahre aus. Gegebenenfalls soll ein bedingungsloses Grundeinkommen in Namibia zur Bekämpfung der Armut eingeführt werden.[16][17] Inzwischen liegt der erste Halbjahresreport vor mit einer deutschen Übersetzung der Zusammenfassung.[18]

Allgemeine Kritik

Zur speziellen Kritik an den einzelnen Modellen siehe den jeweiligen Hauptartikel.

Die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Preise sind bei keinem Modell vorhersehbar, von ihnen hängt jedoch die Tauglichkeit des Modells ab. Mit keinem Modell wird Arbeit abgeschafft, da Güter (und Dienstleistungen) auch weiterhin produziert werden müssen.[19]

Kritiker verweisen darauf, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen ein Anreiz zu einer verstärkten Einwanderung sein könne.[20]

Der Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Heiner Flassbeck meint, mit dem BGE werde „eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt“. Die eigentlichen Profiteure seien Gutverdiener, die es nicht brauchen.[21] Jedoch würden eher Geringverdiener davon profitieren, da der derzeitige Abstand vom Hartz-IV-Regelsatz zum Einkommen des Geringverdieners sich eher demotivierend auswirkt. Beim Grundeinkommen jedoch darf jeder dazuverdiente Euro vollständig einbehalten werden.

Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beruht die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. Die psychologischen Effekte seien ein starkes Sinken der Arbeitsmotivation, besonders bei den „Schlechterverdienenden“, sowie die Ausbreitung einer innovationsfeindlichen „Rentnermentalität“. Dass die Arbeit nicht ausgehe, zeigten Vollbeschäftigungsländer von der Schweiz bis Neuseeland. Vielmehr habe sich die Zahl der Arbeitsplätze durch Automatisierung vermehrt.[22]

Aktuelle Diskussionen

Deutschland

  • In der CDU diskutiert derzeit eine Kommission das Modell von Dieter Althaus. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte in einem Interview, er halte das Modell zwar für visionär, weil „jede Form von Sozialbürokratie wegfalle: keine Formulare mehr, keine Bedürftigkeitsprüfung.“ Allerdings könne ein Bürgergeld aber auch dazu führen, dass Menschen „sich endgültig aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen.“[23] Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Vorsitz von Bernhard Vogel hält das Konzept für finanzierbar.[9]
  • Bei Bündnis 90/Die Grünen wird das bedingungslose Grundeinkommen intensiv diskutiert. Auf dem baden-württembergischen Landesparteitag im Oktober 2007 gab es eine klare Mehrheit für eine negative Einkommensteuer zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens (in Höhe von EUR 420,- für Erwachsene)[10] Auf dem Bundesparteitag im November setzte sich allerdings der Vorschlag einer Grünen Grundsicherung im Form einer Reform des bisherigen Systems bedarfsgeprüfter Transfers (mit einer vergleichbaren Erhöhung des ALG II), für das Grundeinkommen stimmten 40% der Delegierten. Gleichwohl sind im Beschluss des Bundesparteitags mehrere Grundeinkommenselemente enthalten: die schrittweise Einführung eines Grundeinkommens für Kinder (bedingungslose Kindergrundsicherung), der Öko-Bonus (ein Grundeinkommen finanziert aus Ökosteuern), ein temporäres Grundeinkommen (Brückenexistenzsicherung) und beim Arbeitslosengeld II der Verzicht auf jegliche finanziellen Sanktionen, die dazu führen, dass das Einkommen unterhalb des Existenzsicherungsniveaus sinkt.[26]
  • Die Linksfraktion im Bundestag hat sich für das Modell der bedarfsorientierten Grundsicherung entschieden. Einzelne Abgeordnete halten allerdings weiterhin am Bedingungslosen Grundeinkommen fest, beispielsweise Katja Kipping, ehemalige Sprecherin des Netzwerks Grundeinkommen. Innerhalb der Partei herrscht eine rege Diskussion zwischen Anhängern des BGE und der bedarfsorientierten Grundsicherung. Vor allem die Strömungen emanzipatorische Linke (für ein BGE) und die Sozialistische Linke (für eine bedarfsorientierte Grundsicherung) treten in der Diskussion hervor.[27][28] Die Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaft(en) Grundeinkommen der Partei beschäftigen sich zudem mit dem BGE.[29]
  • Die FDP fordert das „liberale Bürgergeld“, das kein Grundeinkommen darstellt, da es eine Arbeitsverpflichtung enthält.[30]

Österreich

  • Das Liberale Forum fordert eine „bedingungslose Grundsicherung“ in der Höhe von EUR 750,- pro Monat für jedermann. Diese soll anstatt bisheriger Sozialleistungen wie Kindergeld, Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Pension ausbezahlt werden.[36]
  • Auch die Kommunistische Partei Österreichs führt eine intensive Diskussion über die Forderung nach einem „bedingungslosem Grundeinkommen“. Im Gegensatz zum LIF sieht die KPÖ aber in einem solchen Grundeinkommen eine wichtige Maßnahme zur Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die mit einer steuerpolitischen Trendumkehr einhergehen soll.[37]

Schweiz

  • Die „Initiative Grundeinkommen“ wurde im Januar 2006 von Daniel Häni und Enno Schmidt gegründet und hat ihren Sitz in Basel. Deren Ziel ist es die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens bekannt zu machen und die Möglichkeit einer Volksinitiative in der Schweiz zu ermitteln.[38]

Geschichte

In Thomas Morus’ Roman Utopia (1516) wurde statt der Bestrafung von Dieben vorgeschlagen, allen Menschen des Landes eine Art Lebensunterhalt zu zahlen, um Diebstahl vorzubeugen.[39]

Juan Luís Vives (1492–1540) entwickelte die Gedanken von Thomas Morus zu einem garantierten Minimaleinkommen weiter. Grundlage war nicht Gerechtigkeit, sondern eine effektivere Ausübung der moralisch benötigten Nächstenliebe. Die geforderte Hilfe war bei Vives allerdings an den Beweis eines Arbeitswillens gekoppelt.[39]

Das Denken von Vives hatte später Einfluss auf die Ideen von Montesquieu: „Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt.“[39]

Thomas Paine (1737–1809) entwickelte seine Idee in einem Bericht, der an das Direktorat gerichtet war: „Es gibt eine unwiderlegbare Sache, dass die Erde, in ihrem natürlichen und unkultivierten Zustands war, und immer wieder sein wird, was die gemeinsame Armut der Menschheit ist. Jeder Besitzer von kultiviertem Land schuldet der Gemeinschaft eine Bodenmiete (ich kenne keinen besseren Ausdruck, um die Idee zu beschreiben) für das Land, das er besitzt, und diese Bodenmiete fließt in einen Fond, die bei diesem Umsetzungsplan vorgeschlagen wird.“ Aus diesem Fonds „soll an jede Person, die 21 Jahre alt wird, eine Summe von 15 Pfund Sterling bezahlt werden, als Teil einer Entschädigung, für den Verlust seiner oder ihrer natürlichen Erbschaft durch die Einführung eines Grundbesitzsystems. Außerdem eine Summe von 10 Pfund Sterling pro Jahr, an alle Personen, die heute 50 Jahre oder älter sind und an alle anderen, wenn sie dieses Alter erreichen – bis zum Tod.“[39] Zahlungen, darauf besteht Paine, sollen an alle Personen entrichtet werden – egal, ob reich oder arm, weil es statt der natürlichen Erbschaft ist, welche, als Recht, jeden Menschen angeht, unabhängig vom Besitz, den er angesammelt oder von Verstorbenen geerbt hat.

Was nach Ansicht Paines den gleichberechtigten Besitz der Erde rechtfertigt, ist ein bedingungsloses Einkommen für alle, aber kein garantiertes Einkommen. Zahlreiche Reformer des 19. Jahrhunderts, wie William Cobbett (1827), Samuel Read (1829) und Poulet Scrope (1833) in England legten es soweit aus, dass die Basis eher ein garantiertes Einkommensschema ist als öffentliche Fürsorge. Der bekannteste Vertreter unter ihnen ist der französische Schriftsteller Charles Fourier (1836: 490–2). In La Fausse Industrie (1836) begründet Fourier, dass der Verstoß jeder Person gegen ein fundamentales Naturrecht – wie jagen, fischen, Früchte sammeln oder ihr Vieh auf dem Gemeinschaftsbesitz – auf das hindeutet, dass die „Zivilisation“ jedem einen Lebensunterhalt schuldet, der keine Möglichkeit hat, seine Bedürfnisse zu decken.[39]

Ein Anhänger Fouriers, Victor Considérant macht einen Schritt in die Richtung eines wirklichen Grundeinkommens, indem er betont, dass, wenn Arbeit ein attraktives Danke an das Phalanstère-System bedeute, „dann wird es fähig sein, ein Minimaleinkommen an den Armenteil der Gesellschaft abzugeben, mit der Gewissheit, dass sie mehr verdienten, als die Aufwendungen am Ende eines Jahres.“[39]

1848 veröffentlichte Joseph Charlier seine Solution du problème social ou constitution humanitaire, die man als erste Formulierung betrachten kann, welche ein garantiertes Grundeinkommen beinhaltet.[39] Unter dem Namen „Minimum“ oder „revenu garanti“ (später „Staatsdividende“), schlug er vor, jedem Einwohner mit bedingungslosen Rechten eine quartalsmäßige (später eine monatliche) Zahlung zu geben, deren Höhe jährlich durch die Vertreter der Staatsregierung festgelegt wurde. In einem späteren Buch benennt er es in „Staatsdividende“ um.[40] Diese Art System, so argumentiert er, würde „die Dominanz des Kapitals über die Arbeiterklasse“ beenden. Würde es nicht zu Faulheit führen? „Großes Glück für die Faulen: sie werden mit einem Taschengeld abgespeist. Die Pflicht der Gesellschaft reicht nicht über die Zusicherung eines gerechten Anteils des Genusses, was die Natur ihr zur Verfügung stellt – ohne jemandem das Recht zu nehmen.“ Alles über dem Minimum müsse verdient werden.[39][41]

Der Zeitgenosse von Charlier, John Stuart Mill, fügte zu der zweiten Ausgabe seines Buches Prinzipien der politischen Ökonomie folgendes hinzu und ging damit auf den Fourierster Vorschlag eines ungeprüften Grundeinkommens ein: Die geschickteste Kombination aller Arten von Sozialismus, und mit der größtmöglichen Objektivität, ist allgemein als Fourierismus bekannt. Dieses System betrachtet nicht die Aufhebung von Privateigentum, oder sogar der Erbschaft; im Gegenteil, er zieht sie auf offene Weise mit ein – als Elemente der Verteilung von Waren und Kapital, sowie von Arbeit. […] In der Verteilung ist ein bestimmtes Minimum für den Lebensunterhalt jedes Mitglieds einer Gemeinschaft bestimmt, ob arbeitsfähig oder nicht. Der Restbetrag der Produktion wird in bestimmten Verhältnissen geteilt, um im Voraus unter den drei Elementen bestimmt zu werden: Arbeit, Kapital und Talent.[39]

Erste konkrete Konzepte für ein garantiertes Grundeinkommen wurden unter anderen von Josef Popper-Lynkeus[42] ausgearbeitet. In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.

Erich Fromm plädierte 1955 in The sane Society (dt. Wege aus einer kranken Gesellschaft) für ein arbeitsunabhängiges Grundeinkommen als Erweiterung bestehender Sozialversicherung und begründete dieses u.a. mit dem Recht, aus persönlichen Gründen eine Arbeit auszuschlagen, ohne Hunger oder soziale Ächtung zu erleiden. Jeder Bürger habe den Anspruch auf ein Existenzminimum im Sinne dieses Grundeinkommens. Die Vorschläge Fromms lassen sich vor dem Hintergrund einer breiten Diskussion in den USA und Kanada verstehen. Dort erreichte die in den 60er und 70er Jahren anhaltende Diskussion ihren Höhepunkt, als US-Präsident Lyndon B. Johnson 1967 eine Kommission einrichten ließ, die sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigte. Es gab Pilotprojekte in den USA und Kanada, die eine negative Einkommenssteuer in die Tat umsetzten (s. Bsp. das Mincome in Dauphin, Kanada). Obwohl die Studien zeigten, dass ein befürchteter Rückgang des Arbeitsangebotes nur in sehr geringem Umfang stattfand, war eine flächendeckende Umsetzung gesellschaftspolitisch nicht durchsetzbar.

Milton Friedman sah[2] die negative Einkommensteuer als Chance, sozialstaatliche Bürokratie und Mißbrauchsvorwürfe zu reduzieren.

Richard Buckminster Fuller stellte 1981 in seinem Buch Critical Path ebenfalls Überlegungen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen an: Arbeitslosigkeit beruhe unmittelbar auf der technischen Möglichkeit einer Ephemerisierung. Nach Auffassung des US-Ökonomen Jeremy Rifkin wird durch die digitale Revolution langfristig die Arbeit verschwinden. Daraus stelle sich die Frage, womit ein Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten soll.[43][44]

Der französische Sozialphilosoph André Gorz meinte ebenfalls, dass seit Jahrhunderten immer mehr Arbeiten durch Maschinen übernommen werden. Der dadurch bewirkte Anstieg der Produktivität führe dazu, dass selbst bei zunehmender Produktion weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird. Die Vorstellung von Vollbeschäftigung werde zur Illusion. Deshalb befürwortete Gorz ein Grundeinkommen, welches ermöglicht, zu leben, ohne zu arbeiten. Jeder Mensch erhalte eine monetäre Grundlage, sich selbst zu verwirklichen.[45]

Ethische Aspekte

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wird auch unter ethisch-moralischen Aspekten diskutiert.[46]

Befürworter leiten das Ziel eines Bedingungslosen Grundeinkommens aus der Menschenwürde ab: Das grundgesetzliche Verbot der Zwangsarbeit werde durch den ökonomischen Zwang zur Arbeit um der Selbsterhaltung willen ausgehebelt. Die Befürworter möchten damit Freiheit für die persönliche Entfaltung des Individuums schaffen und somit neue Lebenskonzepte in sozialen und künstlerischen Bereichen ermöglichen.

Gegner befürchten, ein bedingungsloses Grundeinkommen werde Bürger häufiger als derzeit zur Untätigkeit verleiten, da der materielle Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit sinke. Wenn sich insbesondere für Menschen mit bisher geringem Einkommen Arbeit materiell kaum lohne, würden sich unter anderem nicht mehr genug Menschen finden, um niedrig entlohnte und besonders unangenehme Arbeiten auszuführen.

Götz Werner ist der Auffassung, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde nach den Gesetzen freier Märkte dazu führen, dass bisher schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser bezahlt werde bzw. attraktiver gestaltet werde. Für notwendige oder weithin gewünschte Arbeiten würden zwangsläufig ansprechende und lohnende Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und für ausreichend attraktive beziehungsweise lukrative Arbeitsangebote fänden sich im Mittel und mittelfristig immer genug Arbeitswillige.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Milton Friedman. »Kapitalismus und Freiheit«; Piper Verlag, München 2006; 3. TB-Auflage, S. 227–231
  2. a b [1] DIE ZEIT 16/2007 Wie sich der verstorbene Nobelpreisträger Milton Friedman schon im Jahr 1962 ein Grundeinkommen vorstellte. Er nannte es »negative Einkommensteuer
  3. Jodie T. Allen: Negative Income Tax. In: David R. Henderson: Concise Encyclopedia of Economics. 2007
  4. WDR: Vier Modelle im Vergleich. 26. Januar 2007.
  5. Basic Income Earth Network: About Basic Income
  6. Der Tagesspiegel: Zwei Lager, eine Idee. 21. Juli 2006
  7. Wikinews: Bürgergeld für alle fordert Thüringens Ministerpräsident Althaus (CDU). 23. Juli 2006
  8. Michael Opielka & Wolfgang Strengmann-Kuhn: Das Solidarische Bürgergeld. Finanz- und sozialpolitische Analyse eines Reformkonzepts – Studie im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. 30. September 2006 (PDF; 949 KB)
  9. a b die tageszeitung: 800 Euro für jeden? CDUler findet’s gut. 25. Oktober 2006
  10. a b Beschluss der 22. Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg: Armut bekämpfen, Bildung verbessern, Chancen eröffnen. 12.–14. Oktober 2007 (PDF)
  11. Unternimm die Zukunft: Finanzierung und Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens
  12. Bundesverfassungsgericht: Urteil BVerfGE 40, 121 [133] – Waisenrente II. Beschluß des Ersten Senats vom 18. Juni 1975. In: Deutschsprachiges Fallrecht (DFR). zuletzt bearbeitet am 2. April 2007. Abgerufen am 8. November 2008.
  13. Vgl. ka-news.de: „44 Millionen Brasilianer erhalten heute bereits ein fast vollständig aus einer Kapitaltransaktionssteuer finanziertes Grundeinkommen; die Initiative ging von Suplicy aus. Zusammen mit Präsident da Silva plant er [Eduardo Suplicy] nun die endgültige Einführung eines gesetzlichen Grundeinkommens in Brasilien bis zum Jahre 2010“.
  14. lateinamerikanachrichten.de Almosen für alle!: Brasilien garantiert seit diesem Jahr seinen Einwohnern eine Grundrente
  15. apfc.org The Permanent Fund Dividend
  16. Allgemeine Zeitung: Grundeinkommen für Squatter-Gruppe. 8. August 2007
  17. epo.de: Bedingungsloses Grundeinkommen 
hilft den Menschen wieder auf die Beine
  18. basic income network südtirol:Halbjahresbericht der BIG Coalition Namibia | Zusammenfassung auf deutsch
  19. Werner Rätz: Für ein bedingungsloses Grundeinkommen sind Finanzierungsmodelle unvermeidlich, aber schädlich! In: Newsletter Netzwerk Grundeinkommen. Nr. 9, November 2006 (PDF)
  20. Z. B. Richard Hauser: Alternativen einer Grundsicherung – soziale und ökonomische Aspekte. In: Zeitschrift Gesellschaft Wirtschaft Politik. Jg. 55, 2006, S. 331–348 (Online-Zusammenfassung).
  21. die tageszeitung: Nur ein großes Kuddelmuddel. 15. Dezember 2006. Siehe hierzu die Antwort von Wolfgang Strengmann-Kuhn in derselben Ausgabe: Grundeinkommen ist finanzierbar.
  22. Gerd Habermann: Freibier für alle, täglich: das „BGE“. In: ZKN Mitteilungen. Mai 2007, S. 291 (PDF; 2,6 MB)
  23. Der Tagesspiegel: „Ich verspüre keine Fesselung“. 29. Oktober 2006
  24. Berliner Morgenpost: SPD-General Heil flirtet mit den Liberalen. 29. Oktober 2006
  25. Friedrich-Ebert-Stiftung: Das Grundeinkommen in der gesellschaftspolitischen Debatte.
  26. 27. Ordentliche Bundesdelegiertenkonferenz: Aufbruch zu neuer Gerechtigkeit!. 23.–25. November 2007 (PDF)
  27. Schreiben der EmaLi an die Sozialistische Linke. 14. März 2007
  28. Ralf Krämer: Antwort der Sozialistischen Linken. 26. August 2006
  29. Website der BAG Grundeinkommen
  30. Ergebnisbericht der Kommission Bürgergeld – Negative Einkommensteuer: Das Liberale Bürgergeld: aktivierend, transparent und gerecht. 28. Januar 2005 (PDF; 266 KB)
  31. AG Genug für Alle auf der Website von attac
  32. Website des Netzwerks Grundeinkommen
  33. 77. Vollversammlung des DBJR: Zukunft der Arbeit und soziale Sicherheit – Jugendpolitisches Eckpunktepapier. 3./4. Dezember 2004 (PDF)
  34. Pressemitteilung des DBJR: Jugendpolitisches Eckpunktepapier zu Fragen der Zukunft verabschiedet – Grundeinkommen für alle. 3. Dezember 2004
  35. Deutscher Bundestag: Reformvorschläge in der Sozialversicherung – Bedingungsloses Grundeinkommen vom 10.12.2008. Abgerufen am 18. Februar 2009.
  36. LIF: Grundsicherung: Existenzsicherung statt Statussicherung. Abgerufen am 8. November 2008.
  37. KPÖ: Es ist genug für alle da! Ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen ist möglich.. Abgerufen am 8. November 2008.
  38. http://www.initiative-grundeinkommen.ch
  39. a b c d e f g h i Basic Income Earth Network: About Basic Income – History of Basic Income, Part One
  40. La Question sociale résolue, précédée du testament philosophique d’un penseur. Weissenbruch, Brüssel 1894, S. 252
  41. BIEN: http://www.basicincome.org/bien/aboutbasicincome.html#history Three Origins
  42. Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage. Leipzig 1912
  43. Das Ende der Arbeit. ISBN 3-596-16971-2, S. 205-208
  44. Stuttgarter Zeitung: „Langfristig wird die Arbeit verschwinden“. 29. April 2005
  45. Peter Liebl: Referat: André Gorz, Arbeit zwischen Misere und Utopie. Website von attac, 22. Mai 2006
  46. Siehe z.B. das Streitgespräch zwischen Mathias Greffrath und Wolfgang Engler in der taz: „Eine Revolution im Denken und Handeln“. 1. Dezember 2006

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