- Wallonerkirche
-
Die Wallonerkirche (Sankt-Augustini-Kirche) ist eine evangelische Kirche im Magdeburger Stadtteil Altstadt. Die Kirche und das angebaute Gemeindezentrum werden sowohl von der evangelisch-lutherischen Altstadtgemeinde als auch von der evangelisch-reformierten Gemeinde Magdeburgs genutzt. Seit 2004 nutzt auch die Evangelische Studentengemeinde Räumlichkeiten der Kirche. Die Wallonerkirche ist neben dem Dom und der Sankt-Petri-Kirche die einzige noch erhaltene kirchlich genutzte historische Kirche der Magdeburger Altstadt.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Bei der Kirche handelt es sich um eine hochgotische, dreischiffige, mit sieben Jochen versehene, aus Bruchsteinen errichtete Hallenkirche. Sie ist 65 m lang und 20 m hoch. Als ehemalige Klosterkirche eines Bettelordens ist ihr Erscheinungsbild schlicht. Südlich der Kirche befanden sich ursprünglich Klostergebäude.
Daher sind auf dieser Seite nur vier schmale Fenster vorhanden. An der Südseite sind noch Reste des alten Kreuzgangs zu finden.
Der Langchor war ursprünglich gewölbt und wird heute von einer Holzbalkendecke überspannt. An der südlichen Seite des Chores befindet sich eine mit Kreuzrippengewölbe versehene Kapelle aus dem 14. Jahrhundert. Die Kirche verfügt zwischen Langhaus und Chor über einen kleinen achteckigen Turm aus dem 15. Jahrhundert.
Geschichte
Augustinerkloster
Die Grundsteinlegung zur Kirche erfolgte 1285 durch Brüder des Augustinerordens, die hier das Kloster Sankt Augustini gründeten. Der Legende nach soll der Heilige Martinus einem Bruder Heinrich, genannt Pfau, dreimal im Traum mit der Aufforderung erschienen sein, in Magdeburg das Kloster zu gründen. Der Papst Martin IV. hatte sich gegenüber der Stadt für die Aufnahme des Ordens eingesetzt.
Zunächst wurde noch 1285 die Martinskapelle errichtet. Ein wichtiger Förderer des Klosters in seiner Anfangszeit war um 1300 der Ritter Werner Feuerhake, der 1311 im Chor der wohl noch im Bau befindlichen Kirche beigesetzt wurde.
Im Jahr 1355 erwarb das Augustinerkloster Teile der Bibliothek des Klosters Berge. Hierunter befanden sich kommentierte Ausgaben der Paulusbriefe und Werke von Augustin und Origenes. Westlich der Martinskapelle entstand an der südlichen Wand des Chores ein zweigeschossiges Bibliotheksgebäude zur Unterbringung der Neuerwerbungen. In der unteren Etage des Gebäudes befand sich eine mit einem Kreuzrippengewölbe versehene Kapelle. Auf deren Schlussstein befand sich eine Darstellung von Christus auf dem Löwenthron.
Die Kirche selbst wurde 1366 als Hallenkirche fertiggestellt. Die Weihe erfolgte durch Erzbischof Dietrich.
Vom 1. September 1395 bis zum 31. August 1396 fand, bewilligt durch Papst Bonifatius IX., ein Jubiläums-Ablassjahr statt. Magdeburg war für den Umkreis von 50 Meilen zur Gnadenstätte ernannt worden. Zahlreiche Pilger erschienen in Magdeburg und im Kloster Sankt Augustini, um eine vollkommene Sündenvergebung zu erhalten. Die daraus entstehenden erheblichen Einnahmen für das Kloster wurden um 1400 zum Teil zur Errichtung eines kleinen achteckigen Turms, gekrönt mit acht Wetterfahnen, verwendet. Auch wurde an der Westseite der Kirche eine Vorhalle erbaut. Die Ordensregeln verboten den Bau eines sonst üblichen Westturms.
Reformation
1516 suchte der Distriktsvikar des Augustinerordens, Martin Luther, das Kloster zwecks Visitation auf. 1524 predigte Luther hier. Während seines Aufenthalts in Magdeburg wohnte er auch in einer der Klosterzellen. Noch im selben Jahr übergab der letzte Prior des Klosters die Klosteranlage der Stadt Magdeburg. Das Kloster war damit aufgelöst.
Die Anlage dient nun verschiedensten weltlichen Zwecken. So waren hier zeitweise ein Gymnasium, ein Armenhospital, ein Zucht- und Spinnhaus, die Stadtbibliothek und eine Kanonen- und Glockengießerei untergebracht.
Dreißigjähriger Krieg
Bei der weitgehenden Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen unter Tilly am 10. Mai 1631 wurde die Klosteranlage nur verhältnismäßig geringfügig beschädigt. Die Kirche verlor zwar durch ein Feuer das Dach, das Kirchengewölbe und auch das sonstige Innere der Kirche blieben unbeschädigt. Die Kirche wurde daher ab dem 1. Adventsonntag 1632 wieder für Gottesdienste genutzt.
Die notwendigen Instandsetzungsarbeiten an der Kirche unterblieben jedoch aus Geldmangel. Eindringende Nässe und Frostschäden führten 1639 zum teilweisen Einsturz des Gewölbes. Wegen Baufälligkeit musste daher die Nutzung der Kirche eingestellt werden.
Einzug der wallonischen Gemeinde
Auf den Befehl des Kurfürsten Friedrich Wilhelm wurde die Ruine 1690 an wallonische protestantische Glaubensflüchtlinge übergeben. Es erfolgte eine am 2. Dezember 1694 abgeschlossene Restaurierung. Die Kirche wurde nun von der wallonisch-reformierten Gemeinde genutzt und wird seit dieser Zeit als Wallonerkirche bezeichnet.
An Pfingsten 1699 erfolgte die Weihung einer neuen 500 Pfund schweren Glocke. Der Kurfürst hatte sich mit einer Stiftung von 200 Talern an der Glocke beteiligt. Im Jahr 1754 wurde eine von Philipp Wilhelm Grüneberg geschaffene Orgel eingeweiht, die fast 100 Jahre bis 1850 genutzt wurde.
In der Zeit des siebenjährigen Kriegs und der französischen Besatzung diente die Klosteranlage als Mehlspeicher und Lager für Proviant. 1851 begannen Reparaturarbeiten, um die Kirche wieder für religiöse Zwecke herzurichten. Am 13. März 1853 erfolgte die Übergabe an die Kirchengemeinde. Anlässlich der 200-Jahrfeier der wallonisch-reformierten Gemeinde wurde 1894 eine Heizung installiert und ein Lettner errichtet. 1904 folgte der Einbau einer neuen Orgel und die farbliche Gestaltung der nördlichen Kirchenfenster.
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Bei dem schwersten Bombenangriff auf Magdeburg im Zweiten Weltkrieg am 16. Januar 1945 wurde auch die Wallonerkirche stark beschädigt.
Wiederaufbau in der DDR
Um einen Einsturz des Turmes zu verhindern, wurde 1951 der Triumphbogen zwischen Chor und Kirchenschiff zugemauert. Im Jahr 1961 begann der Wiederaufbau der Kirche, wobei die gewölbte westliche Eingangshalle nicht wiedererrichtet wurde. Der erste Gottesdienst konnte wieder am 20. Oktober 1968 gefeiert werden. Zugleich fand die Grundsteinlegung für das benachbarte evangelische Gemeindezentrum statt.
Die Wallonerkirche ist heute das letzte reformierte Kirchengebäude Magdeburgs. Die im Zweiten Weltkrieg beschädigte Deutsch-Reformierte Kirche (St. Pauli) wurde bereits 1955 abgerissen, während die 1705 erbaute Französisch-Reformierte Kirche 1960 gesprengt wurde. Die 1681 gegründete Deutsch-Reformierte Gemeinde und die 1687 gegründetene Französisch-Reformierte Gemeinde schlossen sich 1950 entsprechend mit der wallonisch-reformierten Gemeinde zu vereinigten Evangelisch-reformierte Gemeinde zusammen. Dies nutzt seit dem 3. August 1975 die südliche Kapelle als Raum für ihre Gottesdienste. Am 25. Oktober des gleichen Jahres begann die Nutzung des Chors durch die evangelisch-lutherische Altstadtgemeinde. Ein aus der St. Ulrich-Kirche Halle stammender spätgotischer Schnitzaltar wurde zugleich geweiht. 1976 wurde ebenfalls aus der Ulrichskirche in Halle (Saale) auch ein 1430 in Magdeburg gegossenes Taufbecken aufgestellt.
Der Kirchenturm wurde 1978 vom Blitz getroffen und musste von 1980 bis 1991 saniert werden.
Nachwendezeit
Am 19. Juni 1994 wurde eine neue Orgel eingeweiht. Das Schleifladeninstrument wurde von der Orgelbaufirma A. Schuster & Sohn (Zittau) erbaut und hat 17 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[1]
I Hauptwerk C–f3 1. Prinzipal 8' 2. Rohrflöte 8' 3. Oktave 4' 4. Spitzflöte 4' 5. Mixtur IV 2' 6. Oktave (aus Nr. 5) 2' 7. Quinte (aus Nr. 5) 11/3' II Brustwerk C–f3 8. Gedackt 8' 9. Spillpfeife 4' 10. Prinzipal 2' 11. Nasat 22/3' 12. Terz 13/5' 13. Cymbel II 1/3' Tremulant Pedal C–f1 14. Subbass 16' 15. Spitzprinzipal 8' 16. Choralbass 4' 17. Fagott 8' - Koppeln: II/I, I/P, II/P
1998 begann eine Restaurierung des Schnitzaltars.Seit 2004 befindet sich in den renovierten Nebenräumen die Evangelische Studentengemeinde.
Literatur/Quelle
- Hans-Joachim Krenzke: Kirchen und Klöster zu Magdeburg. Stadtplanungsamt Magdeburg, 2000.
- Sabine Ullrich: Magdeburg - Architektur und Städtebau. 2001, ISBN 3-929330-33-4.
Einzelnachweise
- ↑ Informationen zur Orgel der Wallonerkirche
Weblinks
Commons: Wallonerkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Evangelisch-reformierte Gemeinde
- Altstadtgemeinde
- Kirchspiel Altstadt-Martin Magdeburg
- Evangelische Studentengemeinde Magedeburg
52.1344211.64624Koordinaten: 52° 8′ 4″ N, 11° 38′ 46″ OAgnetenkloster | Alexiuskapelle | Alte Synagoge | Kreuzkirche | Dom | Franziskanerkloster | Gottes-Garten-Haus | Heilige Geist | Hoffnungskirche | Immanuelkirche (Prester) | Kirche der Pfeifferschen Stiftungen | Kloster Berge | Kloster Magdeburg | Luther | Magdalenenkapelle | Kloster Mariae Magdalenae | Martin-Gallus-Kirche | Martinikirche | Martinskirche | Mauritiuskloster | Neuapostolische Kirche Magdeburg-Süd | Neuapostolische Kirche Magdeburg-Neustadt | Ölbergkapelle | Reformationskirche | Sankt Adalbert | Sankt Agnes | Sankt Ambrosius | Sankt Andreas | Sankt Briccius | Sankt Egidius | Sankt Eustachius und Agathe | Sankt Gangolfi | Sankt Georg | Sankt Gertraud | Sankt Gertrauden | Sankt Jakobi | Sankt Johann Baptist | Sankt Johann der Täufer | Sankt Johannis | Sankt Josef | Sankt Katharinen | Sankt Laurentius | Sankt Maria Hilf | Sankt Marienstift-Kapelle | Sankt Mechthild | Sankt Nicolai | Sankt Nikolai | Sankt Norbert | Sankt Pauli | Kloster Sankt Peter und Paul | Sankt Petri | Sankt Petri (Beyendorf) | Sankt Petri (Olvenstedt) | Sankt Sebastian | Sankt Sebastian (Lemsdorf) | Sankt-Sophie | Sankt Stephani | Sankt Stephanus | Sankt Thomas (Pechau) | Sankt Ulrich und Levin | Kloster Unser Lieben Frauen | Walloner
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Wallonerkirche (Magdeburg) — Die Wallonerkirche (Sankt Augustini Kirche) ist eine evangelische und evangelisch reformierte Kirche im Magdeburger Stadtteil Altstadt. Wallonerkirche Inhaltsverzeichnis … Deutsch Wikipedia
Wallonerkirche Magdeburg — Die Wallonerkirche (Sankt Augustini Kirche) ist eine evangelische und evangelisch reformierte Kirche im Magdeburger Stadtteil Altstadt. Wallonerkirche Inhaltsverzeichnis … Deutsch Wikipedia
Magdeburger Straßen/W — Nachfolgend werden Bedeutungen und Umstände der Namengebung von Magdeburger Straßen und ihre Geschichte aufgezeigt. Aktuell gültige Straßenbezeichnungen sind in Fettschrift angegeben, nach Umbenennung oder Überbauung nicht mehr gültige… … Deutsch Wikipedia
Magdeburger Frühjahrsmesse — Wappen Deutschlandkarte … Deutsch Wikipedia
Magdeburger Straßen/N — Nachfolgend werden Bedeutungen und Umstände der Namengebung von Magdeburger Straßen und ihre Geschichte aufgezeigt. Aktuell gültige Straßenbezeichnungen sind in Fettschrift angegeben, nach Umbenennung oder Überbauung nicht mehr gültige… … Deutsch Wikipedia
Magdeburger Straßen/K — Nachfolgend werden Bedeutungen und Umstände der Namengebung von Magdeburger Straßen und ihre Geschichte aufgezeigt. Aktuell gültige Straßenbezeichnungen sind in Fettschrift angegeben, nach Umbenennung oder Überbauung nicht mehr gültige… … Deutsch Wikipedia
Pfälzer Kolonie — Die Pfälzer Kolonie war ein gesondertes Gemeinwesen innerhalb der Stadt Magdeburg. Die Kolonie bestand von 1689 bis 1808 als eine von drei, räumlich nicht abgegrenzten, Bürgergemeinden in der Stadt. Bei ihren Mitgliedern handelte es sich um nach… … Deutsch Wikipedia
Sankt-Jakobi-Kirche Magdeburg — Die Sankt Jakobi Kirche war eine Kirche im Magdeburger Stadtteil Altstadt. Die Kirche war dem Heiligen Jakobus geweiht. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Lage 3 Gestaltung 4 Reste und Erinnerungen an die Sankt Jakobi Kirche … Deutsch Wikipedia
Список русских православных храмов и приходов Западной Европы — В список включены храмы и приходы, устроенные на средства Российской империи или русской эмиграции и/или придерживающиеся русской богослужебной традиции. Содержание 1 Австрия 2 Бельгия 3 Болгария … Википедия
Kloster Beatä Mariä Magdalenä — Das Kloster Mariae Magdalenae war ein Kloster in der Magdeburger Altstadt. Es war der Heiligen Maria Magdalena geweiht. Es befand sich in der Nähe der noch heute bestehenden Magdalenenkapelle. Geschichte Die Klostergründung erfolgte um das Jahr… … Deutsch Wikipedia