Dietrich von Weyer

Dietrich von Weyer

Dietrich oder Theodor von Weyer (auch: Weier, Wier, Wierus) (* um 1540/42 im Herzogtum Brabant oder in Arnheim; † 1604, vermutlich in Heppenheim an der Wiese) war ein niederländisch-deutscher Jurist, kurfürstlicher Rat und Gesandter der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dietrich Weyer war der Sohn des Arztes und Gegners der Hexenverfolgung Johann Weyer (1515/16–1588) und dessen erster Frau Judith Wintgens († 1572).

Studium

Er immatrikulierte sich 1556 an der Universität Köln und studierte 1559 zusammen mit seinem Bruder Heinrich (um 1545–1591) an der neugegründeten Académie de Genève. 1560 hörten beide Brüder den Gräzisten Adrianus Turnebus (1512–1565) am Collège de France in Paris. In Bourges wohnte Dietrich Weyer im Haus des Professors für Rechtswissenschaft Hugo Donellus (1527–1591), anschließend wechselte er nach Orléans. 1561 schrieb er sich als „Theodoricus Wierius Clivensis“ in Padua ein, wechselte später nach Bologna. 1564 wurde er in Pisa als „Theodorus Wierus Sicamber, f[ilius] Joannis doctor“ zum Dr. jur. utr. promoviert. Als promovierter Jurist schrieb er sich 1565 noch einmal in Köln ein.

Niederrhein

1571 bestätigte Weyer die Verpfändung einer Sammlung von Juwelen der Gräfin Maria von dem Bergh (1539–1599) im Namen ihres Bruders Graf Johann VI. von Nassau (1536–1606) für 1.000 Reichstaler an Wilhelm Kaaff, Bürger von Köln[1] und stand vielleicht im Dienst ihres Mannes Wilhelm IV. von dem Bergh-’s-Heerenberg (1537–1586), der die Kritik Johann Weyers an der Hexenverfolgung teilte.[2]

Pfalz-Lautern und Kurpfalz

Unter Pfalzgraf Johann Kasimir (1543–1592) war Dietrich Weyer bis etwa 1579 Rat von Pfalz-Lautern. Um die Jahreswende 1572/73 versuchte Weyer, eine bewaffnete Unterstützung der Kurpfalz für Wilhelm I. von Oranien (1533–1584) zu erreichen. Im Mai und Juni 1573 hielt er sich in Wesel bei seinem Vater auf und schrieb von dort an die Grafen Johann VI. (1536–1606) und Ludwig von Nassau-Dillenburg (1538–1574).

Bereits Anfang des Jahres 1574 war Weyer in einer diplomatischen Mission in Frankreich gewesen. Als 1574 Kanzler Christoph Prob († 1579)[3] aus Altersgründen ausschied, berief Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (1515–1576) Christoph Ehem (1528–1592) zum neuen kurpfälzischen Kanzler und Dietrich Weyer zum kurpfälzischen Oberrat.

Nach dem Tod König Karls IX. (1550–1574) wurde Weyer am 22. Juli 1574 von Johann Kasimir und Kurfürst Friedrich III. auf eine weitere Reise nach Frankreich geschickte. Er reiste über Metz nach Paris, um zunächst die Mutter des abwesenden Königs Heinrich III. (1551–1589), Caterina de’ Medici (1519–1589), für die protestantische Seite zu gewinnen. Als dieser Versuch erfolglos blieb, reiste er Heinrich III. über Lyon entgegen. Auf savoyischem Gebiet wurde er von Heinrich III. empfangen. Als Gegenleistung für die Gewährung freier Religionsausübung für die Hugenotten bot Weyer ein Bündnis der Kurpfalz mit Frankreich an. Heinrich III. antwortete ausweichend und stellte ihm einen endgültigen Bescheid in Lyon in Aussicht. Im September erteilten ihm Caterina de’ Medici und Heinrich III. in Lyon eine Abfuhr.

1575 war Dietrich Weyer Amtmann von Kaiserslautern. Im Mai besprach er sich in Köln mit dem französischen Gesandten General Caspar von Schonberg (1540–1599) und Graf Albrecht VII von Schwarzburg-Rudolstadt (1537–1605), dem Schwager Wilhelms von Oranien, über den Friedensvertrag von Breda.[4] Anschließend nahm er an der Besprechung zwischen Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg und den Gesandten der Kurpfalz, Hessens und Braunschweig-Wolfenbüttels im Schloss Hambach teil, bei dem nach dem Tod von Karl Friedrich von Jülich-Kleve-Berg (1555–1575) besonders über das weitere Vorgehen im Bistum Münster gesprochen wurde, wenn Bischof Johann Wilhelm (1562–1609) sein Amt als neuer Thronanwärter auf Jülich-Kleve-Berg aufgeben würde.[5]

Im September 1575 schloss Dietrich Weyer für Pfalzgraf Johann Kasimir mit Heinrich I. von Bourbon, Prinz von Condé (1552–1588), dem Anführer der Protestanten während der Hugenottenkriege, in Heidelberg einen Vertrag über die Anwerbung eines Heeres von 15.000 Mann ab. Weyer und der kurpfälzische Rat Dr. Peter Beutterich (um 1545–1587) nahmen dafür eine Obligation des Prinzen über 50.000 Escus entgegen.[6] Der Sekretär Heinrich I. und Gesandte am kurpfälzischen Hof Michel de la Huguerye (um 1545–1616) unterstellte Weyer, sich bei Vertragsabschluss unsauberer Mittel bedient zu haben. Huguerye berief sich dabei auf den Advokaten François d’Averly, Herr von Minay[7], der in Heidelberg für Charlotte de Bourbon-Montpensier (1546/47–1582), seit Juni 1575 die Ehefrau von Wilhelm I. von Oranien, tätig war.[8]

Im Mai 1577 hatte Weyer zusammen mit Beutterich und Johann Kasimirs Kämmerer Steuerburg von Löwenstein (1552–1619)[9] in Heidelberg eine Unterredung mit den britischen Gesandten Philip Sidney (1554–1586).

1578 wirkt Weyer bei der „brüderlichen Vergleichung“ zwischen dem reformierten Johann Kasimir und dem lutherischen Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz (1539–1583) mit. 1579 vertrat er Johann Kasimir als Amtmann zu Lautern auf dem Weißenburger Landrettungstag. Danach schied er – möglicherweise in Zusammenhang mit der gleichzeitigen Entlassung des Rates Liz. jur. Wenzeslaus Zuleger (1530–1596) – aus dem Dienst von Pfalz-Lautern aus.

Pfalz-Veldenz-Lützelstein

1581/82 bis 1588 wird Dr. Dietrich Weyer als Ober-Amtmann („Archisatrapa“) des Pfalzgrafen Georg Johann I. von Veldenz-Lützelstein (1543–1592) erwähnt, der in Lützelstein im Elsass und in Lauterecken residierte.

Anfang des Jahres 1584 bemühte sich Weyer in Verhandlungen mit Heinrich IV. von Navarra (1553–1610) – damals noch Anführer der hugenottischen Partei –, Georg Gustav von Pfalz-Veldenz (1564–1634), dem Sohn Georg Johann I., einen Bischofsstuhl in Frankreich zu verschaffen.[10] Im Sommer 1584 führt er im Auftrag Georg Johann I. geheime Verhandlungen mit Erzbischof Ernst von Bayern (1554–1612) in Köln.[11]

Weyer war in zahlreiche Unternehmungen involviert, die der verschuldete Graf Georg Johann I. von Veldenz in diesen Jahren mit Parma, Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529–1595) und anderen über ein Importmonopol für Steinkohlen-Handel, Kanalbauten und Schiffbarmachungen, Verwertung seiner Erfindungen in der Bergwerkstechnik und andere mögliche Geldquellen anstrengte. Gegenüber Johann Kasimir dementierte Weyer 1586, dass es bei den Gesprächen von Georg Johann I. mit seinem „Vetter“ Wilhelm V. von Bayern (1548–1626) in Mittenwald und Innsbruck um eine mögliche lukrative Heirat gegangen sei.[12]

1588 verweigerte Weyer die Ratifikation des „Heidelberger Vertrages“ zwischen Georg Johann I., Georg Gustav, Johann Kasimir und anderen Mitglieder des pfälzischen Hauses über die Auslösung des 1584 von Georg Johann I. für 400.000 Gulden an Karl III. von Lothringen (1543–1608) verpfändeten Pfalzburg.

Burggraf von Starkenburg (Kurpfalz)

1591/92 wurde Dietrich Weyer von Johann Kasimir in die Kurpfalz zurückgeholt. Er wurde als „Diethrich von Weyher“ nobilitiert und war bis etwa 1596 Burggraf und Amtmann von Starkenburg, einem an die Kurpfalz verpfändetem Mainzer Amt in der Nähe von Heidelberg.

1591 reiste Dietrich von Weyer nach Polen, Düsseldorf und Preußen, um Anna von Preußen (1576–1625), mögliche Erbtochter der Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, als Braut für Friedrich IV. von der Pfalz (1574–1610) zu gewinnen. Er schlug vor, um „schier oder morgen schimpf und herzleid und verweis zu vermeiden“, dass Herzogin Maria Eleonore (1550–1608) mit ihren Töchtern Anna und Marie von Preußen (1579–1649) zum Baden nach Ems kommen solle, damit man die mögliche Braut in Augenschein nehmen könne. Man entschied sich dann allerdings 1593 für eine Heirat Friedrich IV. mit Prinzessin Luise Juliana von Oranien-Nassau (1576–1644) und 1594 für eine Heirat Annas mit Johann Sigismund von Brandenburg (1572–1620), dem Sohn des Administrators des Stiftes Magdeburg Joachim Friedrich von Brandenburg (1546–1608).

Nach dem Tod Johann Casimirs wurde Weyer, gegen den sich Johann I. von Pfalz-Zweibrücken (1550–1604) schon im Februar 1592 ausgesprochen hatte, als Reformierter von dem lutherischen Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz (1574–1610) als kurpfälzischer Rat entlassen.

Republik der Sieben Vereinigten Provinzen

1596 bis 1600 war Dietrich Weyer Agent (Gesandter) der Republik der Sieben Vereinigten Provinzen im Reich. 1596 forcierte er den Gedanken eines Bündnisses von Brandenburg-Preußen mit Holland. Auf dem Weg nach Holland wurde Weyer im Mai 1596 bei Wesel von spanischen Reitern des Erzherzogs Albrecht VII. von Österreich (1559–1621) abgefangen. Instruktionen, die er bei sich trug, ließen angeblich darauf schließen, dass von Brandenburg und Pfalz-Zweibrücken-Neuburg eine Entführung von Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg und seiner Schwester Sibylle (1557–1627) aus Hambach in die Niederlande geplant worden war. Der brandenburgische Agent und spätere Düsseldorfer Bürgermeister Johann von Megen († 1639) wurde nach Hambach gelockt, als Mitverschwörer ins Gefängnis geworfen und vor dem Hauptgericht in Jülich wegen Landesverrat angeklagt. Er wurde im September gegen Kaution freigelassen.[13]

Im Sommer 1596 wurde Weyer von den Generalstaaten nach Kopenhagen zur Krönung von Christian IV. von Dänemark und Norwegen (1577–1648) geschickt. Die Gesandtschaft erwirkte eine Bestätigung alter Privilegien. Im Mai 1597 wurde Weyer beauftragt, mit den „administrateurs“ des Stiftes Magdeburg wegen eines Bündnisses zu verhandeln; Administrator war Joachim Friedrich von Brandenburg.[14]

Weyers Nachfolger als Agent der Generalstaaten wurde von 1602 bis 1622 Dr. jur. Pieter Cornelisz. van Brederode (1558–1637)[15].

Das Grabmal des „holländischen Kriegskommissars“ Dietrich von Weier befindet sich in der Evangelischen Pfarrkirche von Worms-Heppenheim; Heppenheim an der Wiese im Oberamt Alzey gehörte 1604 zur Kurpfalz.

Quellen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Rijksarchief Gelderland Arnheim (0214 Huis Bergh, Regesten Nr. 3154)
  2. Vgl. Johann Weyer: De praestigiis daemonum et incantationibus ac veneficiis, Basel: Johann Oporinus Nachfolger 2. Aufl. 1577, S. 717f.
  3. Zu Christoph Prob vgl. Kurt Stuck: Personal der kurpfälzischen Zentralbehörden in Heidelberg 1475–1685 unter besonderer Berücksichtigung der Kanzler (Schriften zur Bevölkerungsgeschichte der pfälzischen Lande), Ludwigshafen 1986, S. 76.
  4. Brief von Kurfürst Friedrich III. an Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (1532–1592), datiert Heidelberg 17. Mai 1575. In: Guillaume Groen van Prinsterer (Hrsg.): Archives ou correspondance inédite de la maison d’Orange-Nassau, Band I/5 1575–1577, Leiden: S. und J. Luchtmans 1838, S. 200f.
  5. Max Lossen: Der Kölnische Krieg, Band I Vorgeschichte 1561–1581, Gotha: Perthes 1882, S. 273.
  6. Kurpfälzische Aktennotiz, datiert Straßburg 25. September 1575 (MS. P.C. 399). In: G. Groen van Prinsterer (Hrsg.): a. a. O., S. 317f.
  7. Auch Franciscus Averlius Minaeus aus den Ardennen; sein mitreisender Bruder George d’Averly war „Pasteur“.
  8. Alphonse de Ruble: Memoires inedits de Michel de la Huguerye, Bd. I 1570–1577, Paris: Renouard 1877, S. 350f.
  9. Später hessen-kasseler Rat, Oberamtmann, Oberst und Kommandant von Ziegenhain.
  10. Vgl. Brief von Zuleger an Johann VI. von Nassau-Dillenburg (1536–1606), datiert Hedesheim 9. März 1584. In: F. Bezold: a. a. O., Bd. II, S. 199f.
  11. Vgl. Brief Georg Johann I. an Ernst von Bayern, datiert Stuttgart 28. September 1584. In: Ebenda, S. 232f.
  12. Vgl. Ebenda, S. 407f.
  13. Beer von Lahr: Original-Denkwürdigkeiten eines Zeitgenossen am Hofe Johann Wilhelm's III., Düsseldorf: J. H. C. Schreiner 1834, S. 52–56.
  14. Generaale Index op de Registers der Resolutien van de Heeren Staaten van Holland en Westvriesland … 1591 tot … 1599, o. O. 1771, passim.
  15. Auch Peter von Brederode aus ’s-Gravenhage, Sohn des Haager Bürgermeisters Cornelis Sybrantsz. van Brederode, verheiratet seit 1595 mit Marie Guerreau (1569-1636), einer Nichte von Dionysius Gothofredus, 1605 im Namen Moritz' von Oraniens Taufpate von Graf Philipp Moritz von Hanau-Münzenberg (1605-1638), erreichte 1618 die Beteiligung von vier Schweizer Städten an der Dordrechter Synode, 1622 Flucht aus dem Reich, danach Gesandter bei der Eidgenossenschaft; vgl. Robert Feenstra: Pieter Cornelisz. van Brederode (1558[?]-1637) als rechtsgeleerd schrijver. In: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 412 (1959), S. 412-468.
  16. Pfalz-Zweibrückischer Amtmann in Lichtenberg, 1565 Ober-Amtmann in Kaiserslautern, 1566 auf dem Augsburger Reichstag, später lothringischer Rat, dann Kommandant der Festung Ehrenbreitstein.

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