Corps Littuania Königsberg

Corps Littuania Königsberg
1911

Littuania war ein Kösener Corps an der Albertus-Universität zu Königsberg (Preußen). Mit dem Stiftungsdatum 31. Januar 1894 war sie aus der freien Landsmannschaft Littuania hervorgegangen. Littuania suspendierte 1936 und erlosch 2001.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Littuania I-III

Lithuania I wurde 1820 als landsmannschaftliche Vereinigung im Rahmen der Allgemeinen Burschenschaft (1819-1833) an der Albertina (Königsberg) gegründet. Der Name bezieht sich auf die ostpreußische Landschaft Kleinlitauen. Littuania musste sich 1822 im Zuge der Demagogenverfolgung nach dem Karlsbader Beschlüssen vom August 1819 auflösen. Betroffen war hiervon auch die Königsberger Burschenschaft I, eine von sieben sog. Allgemeinheiten, die schon im Dezember 1819 verboten wurde. Ebenfalls in der Allgemeinen Burschenschaft entstanden die inoffiziellen Kränzchen Lithuania II (1823-1825) und Lithuania III (1827-1828). Zu den Mitgliedern der Lithuania III gehörten Eduard Simson und Johann Jacoby, der ihr ein Biedermeierdasein empfohlen hatte.

Littuania IV

Die Geschichte der Corpslandsmannschaft (1829) und des späteren Corps Littuania (1894) ist bemerkenswert, weil sie Deutschlands Polarisierung in konservative und liberal-fortschrittliche Richtungen im 19. Jahrhundert exemplarisch widerspiegelt. Wohl keine andere Korporation hatte vergleichbare Konflikte um den Progress zu bestehen.

Am 19. Dezember 1828 konstituierte sich die Corpslandsmannschaft Littuania IV. Ihre Mitglieder kamen überwiegend von den Gymnasien in Tilsit und Gumbinnen. Ihr erster Senior und späteres Ehrenmitglied war stud. iur. Gustav von Saltzwedell.[1]

Die Lithuania wählte die Farben grün-weiß-rot, ein Wappen mit dem steigenden Littauer-Schimmel und den Wahlspruch „Durate et vosmet rebus servate secundis!“ aus der Aeneis von Vergil. 1836 nahm sie, dem Beispiel der anderen Königsberger Landsmannschaften folgend, die Corpsverfassung an.

Seit den 1840er Jahren bestand ein Kartell mit dem Corps Saxo-Borussia Heidelberg. 4 Littauer und 6 Silber-Litthauer wurden Sachsen-Preußen: B. Kaeswurm, v. Deutsch, Th. Kaeswurm, v. Bötticher und K. v. Saucken (in den KKL 1910 bei Saxo-Borussia nicht geführt), Siegfried, v. Glasow, v. Staegen, v. Sperber und E. v. Saucken.

1848 teilte sich der Bund. Das kleinere Corps hielt zu den corpsstudentischen Grundsätzen (Fuchsenzeit und Satisfaktion) und ersetzte das Weiß im grün-weiß-roten Band durch Silber („Silber-Litthauer“). Die größere „Verbindung“ stand zum Progress und gewährte allen Mitgliedern die gleichen Rechte. Sie behielt die Farben grün-weiß-rot („Tuch-Littauer“). Ab 6. März 1861 nannte sie sich „Landsmannschaft Littuania“.[2][3]

Es gab also an der Albertus-Universität zwei verschiedene Korporationen mit demselben Stiftungstag und dem gleichem Wappen, was die Freundschaften unter den „Couleurbrüdern“ nicht hinderte; die innere Spaltung des Bundes wurde aber nie überwunden.

Silber-Litthuania

Bernhard Kaeswurm († 1890) [4]
SC zu Königsberg (1920)
Münzstr. 3

Vier Silber-Litthauer und andere Königsberger Studenten gründeten 1851 das Corps Baltia Königsberg.[5] Die Silber-Litthauer standen im Kartell mit Saxo-Borussia und waren an der Stiftung der befreundeten Hansea Bonn beteiligt. Später waren sie auch mit Marchia Berlin befreundet. 1866 musste das Corps der Silber-Litthauer endgültig suspendieren, weil der gewünschte Nachwuchs ausblieb; er schloss sich weißen Corps im Reich an oder ging zur Preußischen Armee, die durch die Heeresvermehrung immer mehr Offiziere brauchte.

Siehe auch: Corps Marchia Breslau, Corps Marchia Halle

Wieder im SC

Unterstützt von Masovia, aber gegen 68 Stimmen in den eigenen Reihen beantragte die freie Landsmannschaft Littuania 1894 erfolgreich, als Corps in den SC zu Königsberg aufgenommen zu werden.[6] 27 Silber-Litthauer (darunter 16 ehemalige Tuchlittauer) schlossen sich dem „neuen“ Corps an. Die in Würzburg weiterstudierenden Mediziner der Landsmannschaft Littuania gingen allesamt als Verkehrsgäste zur dortigen Landsmannschaft Makaria im Coburger Landsmannschafter Convent.

1913 stellte das Corps mit Kurt Riedel den Vorsitzenden des Kösener Congresses.

Vor und nach dem Ersten Weltkrieg versuchte Littuania mehrere Male, eine Rückdatierung auf 1829 zu erreichen. Das führte zu erbitterten Auseinandersetzungen im Senioren-Convent und scheiterte am Widerspruch des KSCV.[7]

Als „Sonderbevollmächtigter des Führers des deutschen Corpsstudententums“ (Max Blunck) suspendierte Alfred Funk, der „Führer“ von Littuanias Altherrenschaft, im März 1934 das Corps Baltia II zu Königsberg (Preußen). Dessen ungeachtet wurde Littuania von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und musste am 17. Mai 1936 wie alle anderen Corps suspendieren.

Im Zweiten Weltkrieg verlor Littuania 49 Corpsbrüder; 36 fielen, 13 blieben vermisst oder kamen in Gefangenschaft um.

Corpshäuser

Littuanias erstes Corpshaus stand neben dem Haus der Hansea in der Münzstraße. Beide Häuser hatten direkten Zugang zum Schloßteich, der mit der Anlage der Promenade verlorenging. „Von einem Fenster der Kneipe aus konnte man über einen Laufsteg um den Schaukasten des Fotografen bis zum Littauerhaus gelangen.[8] Dort kam es zu den berühmten Einbrüchen in die amouröse Interessensphäre unserer Nachbarn … [Der Hessen-Nassauer Otto] Koopmann zog es vor, sich als Akrobat zu betätigen. Er sprang aus einem Fenster des 1. Stocks auf die mit Granitsteinen gepflasterte Münzstraße, auf der zudem noch die Schienen der Straßenbahn lagen, und kam auch immer gut unten an, wofür er von den Zuschauern jeweils eine Flasche Sekt bekam.“ [9]

Das zweite Corpshaus im Hintertragheim 25 wurde 1934 gekauft.

Albertina

Nach dem Krieg lebte Littuanias Tradition wieder auf; acht Littauer, neun Balten und fünf Hanseaten gründeten am 12. März 1950 das Corps Albertina im SC zu Hamburg. Der Name erinnert an die Albertus-Universität, die 1945 unter sowjetische Herrschaft kam und seit 2005 Russländische Immanuel-Kant-Universität Kaliningrad heißt.

2010 wurde bekannt, dass im polnischen Staatsarchiv Olsztyn (Allenstein) Akten der Littuania im Bestand zur Albertus-Universität erhalten sind.[10]

Befreundete Corps

Als Littuania 1894 in den Königsberger SC aufgenommen wurde, verlegten die drei anderen Corps den Weg in die etablierten Kösener Kreise. Deshalb hatte sie es mit dem Aufbau von Verhältnissen im Reich sehr schwer und kam schließlich über Makaria München in das Süddeutsche Kartell.

Namhafte Littauer

Landsmannschaft Lithuania (1820-1821)
Johann Jacoby (1805-1877), Arzt, Vorkämpfer der Judenemanzipation und eines demokratischen preußischen Rechtsstaats
Julius Albert Siehr (1801-1876), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Littauer-Kränzchen (1821-1828)
Wilhelm Jordan (1819-1904), Schriftsteller und Politiker
Julius Eugen Constantin Marcus (1806-1865), Rektor in Gumbinnen, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Gustav von Saltzwedell (1808-1897), Regierungspräsident, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Heinrich von Schirmeister (1817-1892), Landrat, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Hermann Schmalz (1807-1879), Landrat, Professor in Dorpat
Rudolf von Schön (1810-1891), General der Kavallerie
Eduard von Simson (1810-1889), „Der erste deutsche Verfassungsvater“ (Manthey 2005)
Corpslandsmannschaft Littuania (1829-1848)
Siegfried von Brünneck-Bellschwitz (1814-1871), Landrat, Mitglied des Konstituierenden Reichstags des Norddeutschen Bundes
Rudolf Lipschitz (1832-1903), Mathematiker
Anton von Wegnern (1809-1891), Regierungspräsident (Bromberg), Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
Corps der Silber-Litthauer (1864 im KSCV)
Gustav von Deutsch (1825-1878), Oberst im Sezessionskrieg
Karl von Gamp-Massaunen (1846-1918), Mitglied des Reichstags
Heinrich von Schirmeister (s. o.)
Adolf Richard Stellmacher (1831−1907), Reichsgerichtsrat
August Wittich (1826-1897), Stadtarchivar und Stadtbibliothekar in Königsberg, Stifter des Corps Baltia
Corps Littuania im KSCV (1894)
Eduard Louis Busch (1854-1932), Richter am Reichsgericht
Alexander Dorner (1893-1957), Kunsthistoriker (ausgeschieden)
Julius Eichelbaum (1850-1921), Richter am Reichsgericht
Alfred Funk (1897-1943), Landgerichtsdirektor
Hans-Werner Janz (1906-2003), 1948 Ärztlicher Direktor der Wahrendorff´schen Anstalten[11]
Franz Katluhn (1865-1942), Senatspräsident am Reichsgericht
Ernst Ludwig Krantz (1851-1918), Richter am Reichsgericht
Hans Loeffke (1906-1974), Gründer des Ostpreußischen Landesmuseums Lüneburg
Lothar Selke (1909-1980), Journalist und Studentenhistoriker
Ernst Siehr (1869-1945), Mitbegründer der Deutschen Demokratischen Partei, 1920-1932 Oberpräsident in Ostpreußen

Literatur

  • Otto Fünfstück: Littuania dir gehör´ ich. Hamburg 1966
  • John Koch: Zur Geschichte der Silberlitthauer. Deutsche Corpszeitung, 42. Jahrgang, Mai 1925, S. 78-84
  • Max Pauly: Chronik der Landsmannschaft Littuania während ihres 60jährigen Bestehens, 1829-1889. Königsberg i. Pr. 1889
  • Walter Passauer: Corpstafel der Littuania zu Königsberg. Königsberg 1935
  • Lothar Selke: Zur Erinnerung an das 150jährige Bundesfest der Littuania: 31. Januar 1829 - 31. Januar 1979, München 1979
  • Rüdiger Kutz: „Durate et vosmet rebus servate secundis!“ Kurzer Überblick über die Geschichte des erloschenen Kösener Corps Littuania Königsberg. Einst und Jetzt, Bd. 54 (2009), S. 289-300.
  • Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg i. Pr. (1970–1985). Erstmals vollständige, bebilderte und kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden mit einem Anhang, zwei Registern und einem Vorwort von Franz-Friedrich Prinz von Preussen, herausgegeben von Rüdiger Döhler und Georg von Klitzing, München 2010, ISBN 978-3-00-028704-6

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Kösener Corpslisten 1930, 88, 1
  2. W. Fabricius: Die Deutschen Corps, Frankfurt am Main, 1926 S. 401 ff.
  3. S. Schindelmeiser: Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg/Pr., Bd. 1. München 2010, ISBN 978-3-00-028704-6
  4. KKL 1910, 139, 9; 140, 233; 120, 314; 145, 194
  5. Kösener Corpslisten 1930, S. 837
  6. siehe Philipp Zorn
  7. Im Fechtbericht der Littauer aus dem Sommersemester 1929 heißt es: „In der zweiten Hälfte des Sommersemesters wurden 48 Partien gefochten, davon 33 CB-Partien, 3 Rezeptionen und 12 F-Partien. Unter den gefochtenen CB-Partien befinden sich acht PP-Partien, die den Abschluß einer langen ununterbrochenen Reihe von PP-Partien gegen Masovia bilden. Masovia eröffnete das PP aus einem ganz geringfügigen Grund am 25. Nov. 1926. Es wurden eine Schlägerchargenforderung, zehn persönliche Forderungen und 104 PP-Partien gefochten, insgesamt 117 Partien.“
  8. In den unteren Räumen von Hanseas Corpshaus hatte der Kgl. Hofphotograph J. S. Schroeder seinen Laden. Zum Garten hin war ein großer Glaskasten angebaut, in dem Aufnahmen bei Tageslicht gemacht werden konnten. Blitzlicht und Scheinwerfer gab es noch nicht (Ossig 1967).
  9. Corpszeitung der Hessen-Nassauer, Nr. 74 (1971), S. 55 ff.
  10. Polnisch: Archiwum Państwowe w Olsztynie, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. November 2010, S. N 3
  11. H.-W. Janz: ... der Geist der Treue als der eigentliche innere Wert. In: Kurt U. Bertrams: Als Student in Königsberg. Erinnerungen bekannter Korporierter. Hilden 2006, S. 128-146

Weblinks

 Commons: Corps Littuania Königsberg – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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