- Geschichte Kap Verdes
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Die Geschichte von Kap Verde, einem Inselstaat auf der Inselgruppe der Kapverdischen Inseln vor der westafrikanischen Küste, lässt sich im Wesentlichen in vier unterschiedliche Phasen gliedern. Die erste Phase in der Antike und dem Mittelalter ist dabei von den drei anderen zu trennen. Informationen über die erste Phase sind fast ausschließlich über sekundäre Quellen erhältlich, besonders aus Mythen aus dem Mittelmeerraum. Unter der Geschichte Kap Verdes versteht man daher die Abläufe seit der Entdeckung durch die Portugiesen zu Beginn der Neuzeit. Die erste Phase war die Geschichte in der Antike mit der an verschiedenen Stellen erfolgten Bezeichnung der Inselgruppe als Gorgaden und der mythologischen Deutung als frühere Insel der Gorgo. Fundierte Erkenntnisse über diese Zeit liegen nicht vor, alle Informationen gründen folglich auf Erzählungen, nicht aber auf historischen Dokumenten.
Die Entdeckung und Besiedlung der Kapverdischen Inseln in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch portugiesische oder in portugiesische Diensten stehende, zumeist italienische Seefahrer bildet die zweite Phase. Diese wurde gefolgt von der Entwicklung einer kreolischen Kultur und Sprache, die die Einflüsse des portugiesischen Mutterlandes mit dem kulturellen Erbe der vielen afrikanischen Sklaven verband. In die gleiche Zeit fiel die Vermischung der verschiedenen Bevölkerungsteile zur zahlenmäßig beherrschenden mulattischen Ethnie, vom Aussehen und von der Kultur her weder vollständig afrikanisch noch europäisch. Dies führte sowohl bei den Einheimischen wie auch bei Fremden schnell zum Empfinden einer typisch „kapverdischen“ Identität.
Letzte und bis heute andauernde Epoche der kapverdischen Geschichte war die durch die identitätsstiftende Kultur hervorgerufene Entwicklung eines eigenen Nationalbewusstseins und der Weg in die Unabhängigkeit, hin zu einem eigenständigen Staat mit den heutzutage wahrscheinlich demokratischsten Strukturen Afrikas. Die Geschichte ist eng verbunden mit der der Portugiesen, unter deren Kolonialherrschaft das Land oft zu leiden hatte und von der es sich schließlich nach einem langwierigen Kampf befreite.
Inhaltsverzeichnis
Name
Benannt wurden die Inseln nach dem fast auf dem gleichen Breitengrad liegenden Cabo Verde („grünes Kap“), der Westspitze Afrikas, nördlich von Dakar in Senegal gelegen.
Der Name gibt eindeutige Hinweise auf die Entdeckungsgeschichte und die antike und spätmittelalterliche Technik der Navigation. So folgten, bis zur Erfindung sicherer Bestimmungstechniken der geographischen Länge im 18. Jahrhundert, die Navigatoren der westafrikanischen Küste bis zum grünen Kap (im Altertum Hesperu ceras genannt), um die Inselgruppe in der Weite des Atlantiks nicht zu verfehlen.
Der antike Name Gorgaden bezieht sich auf die mythische Geschichte von Perseus, der dort der einzigen Sterblichen der drei Gorgonen-Schwestern, der griechischen Medusa und bei den Römern Gorgo, mit einem Trick, um nicht durch deren Anblick sofort versteinert zu werden, das Haupt abschlug. In der Antike wurde auch angenommen, dass auf dieser Insel der karthagische Seefahrer Hanno gelandet, zwei als gorillai bezeichnete weibliche Wesen getötet und gehäutet sowie deren Fell im Tempel der Tanit in Karthago ausgestellt habe – zusammen mit dem Bericht Hannos über seine Reise. Allerdings legt der überlieferte Bericht Hannos selbst und die Lage des besuchten Vulkans Theon Ochema nahe, dass sich dieses Ereignis im Golf von Guinea abgespielt hat und nicht auf den Kapverden.
Der heutige Name Kapverden leitet sich also von dem für die Anfahrt bestimmenden Navigationspunkt ab und ist kein etymologischer Hinweis auf natürliche Gegebenheiten wie Fauna oder Klima der Inseln. Diese Feststellung wird auch dadurch bestätigt, dass Christoph Kolumbus, der 1498 auf seiner dritten Reise nach Amerika die Kapverden streifte, anmerkte, dass die Bezeichnung wenig zum zumeist wüstenhaften und trockenen Charakter der Inselgruppe passe. Benannt wurde die Inselgruppe offiziell durch Antonio da Noli. Er taufte den Archipel auf den Namen Ilhas do Cabo Verde (Inseln des grünen Kaps).
Vorkoloniale Zeit
Die Kapverden in der Antike
Plinius der Ältere überliefert, dass die Seereise vom Cap Vert zu den Gorgaden nach Xenophon Lampsacenus zwei Schiffstage benötigt habe. Nach dem Geographen Sebosus betrage zudem die Schiffsreise von den Kanarischen Inseln über die Gorgaden bis zu den Hesperiden im Golf von Guinea 40 Tage. Auch Arrian gab für die Rückreise Hannos von den Hesperiden in seinem Werk Indica eine nötige Reisezeit von 35 Tagen an. Dass mit diesen Reisen wirklich der südliche Atlantik gemeint ist, kann eindeutig im Werk des Grammatikers Solinus mit seiner Zitierung von Plinius Maior nachgelesen werden.
Allerdings spricht keine dieser Quellen davon, dass die Inseln betreten oder darauf gar Siedlungen errichtet wurden.
Keine Erwähnung finden die Kapverden – im Gegensatz zum Kap Verde selbst (als „Hesperu ceras seu cornu“) – im Werk des Geographen Claudius Ptolemäus. Allerdings dürfte bereits vorher – nämlich spätestens nach der Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. – der punische Handel im Westatlantik zusammengebrochen sein. So fand bereits Polybios keine Hinweise mehr auf früheren Handel der Karthager, der von Herodot und Pseudo-Scylax sowie aufgrund archäologischer Hinweise in Marokko und Mauretanien eindeutig nachgewiesen werden kann.
Weitere postulierte Entdeckungen
Möglich ist, dass durch die vorherrschenden Winde und Meeresströmungen begünstigt die Inseln bereits zu einem wesentlich frühen Zeitpunkt undokumentiert durch Fischer der Mauren, Wolof, Serer oder Lebu (afrikanische Völker der senegalesischen oder guineischen Küste) entdeckt wurden.
Eventuell haben auch die Araber die Kapverden betreten. So berichtete der portugiesisch-brasilianische Historiker Jaime Cortesão von einer Legende, dass die Araber eine Insel namens Aulil oder Ulil ansteuerten, um dort Salz aus natürlich vorkommenden Salinen zu gewinnen. Diese Beschreibung deckt sich mit den naturräumlichen Gegebenheiten der Insel Sal und ist durch die relative Nähe zur westafrikanischen (mauretanischen) Küste denkbar.
In den Bereich der Fabeln einzuordnen ist dagegen, dass die Inselgruppe bereits 1420 durch den chinesischen Admiral Zheng He entdeckt wurde (dieser soll auch Amerika bereits vor Christoph Kolumbus erreicht haben).
Europäische Entdeckung und Erforschung
Die offiziell unbewohnten Inseln wurden 1456 oder 1458 von dem in portugiesischen Diensten fahrenden Venezianer Alvise Cadamosto oder dem Genuesen Antonio da Noli entdeckt. Entscheidende Dokumente und Anhaltspunkte, wer von den beiden der „wahre“ Entdecker war, fehlen allerdings. Cadamasto betrat die Kapverden zuerst auf der Insel Boa Vista. Die genaue Geschichte der Entdeckung ist ein unter Fachleuten wie Laien beliebtes und kontrovers diskutiertes Thema auf Kap Verde. Nach der Entdeckung der Inselgruppe erforschten die Kapitäne da Noli und Diogo Dias im Verlaufe des folgenden Jahrzehnts den Rest des Archipels.
Im Jahre 1462 übertrug König Alfons V. die Inseln an seinen Bruder Prinz Ferdinand, der später die Insel Santiago zweiteilte, die Verwaltung an portugiesische Adlige übertrug und die Insel zur Besiedlung freigab. Die europäische Besiedlung begann in Ribeira Grande („großer Bach“, heute Cidade Velha) an der Südseite Santiagos. Die ersten Siedler waren portugiesische Exilanten und begnadigte Straftäter, flämische und genuesische Abenteurer sowie sephardische Juden von der Iberischen Halbinsel.
Kolonialzeit
Besiedlung und Gründung der Kolonie
Zum ersten Gouverneur der Inseln wurde der im Auftrag des portugiesischen Prinzen Heinrich des Seefahrers fahrende Kapitän António da Noli ernannt. Er begann 1461 die Besiedlung der Inselgruppe im Namen der portugiesischen Krone mit einer kleinen portugiesischen Militärstation auf der Hauptinsel Santiago (portugiesisch São Tiago) sowie auf der Insel Fogo. Im Jahre 1462 wurde auf Santiago die Stadt Ribeira Grande (heute Cidade Velha), die erste permanent bewohnte europäische Siedlung in den Tropen, gegründet. Militärisch und wirtschaftlich spielte Kap Verde bereits ab 1461 eine Rolle als portugiesische Militärstation und Vorposten für weitere Entdeckungsfahrten um Afrika sowie zur Gewinnung von rosella tinctoria, einer Färberflechte mit Vorkommen in Santo Antão.
Wenig später erhielten die hauptsächlich aus der Algarve stammenden Siedler das königliche Recht, schwarze Sklaven von der westafrikanischen Küste auf die Inseln zu bringen und mit ihnen zu handeln. Sie sollten das Leben der Kolonisten erleichtern. Mit ihnen wurden auch der Abbau des Salzes auf Sal sowie der Anbau von Zuckerrohr, Kaffee und tropischen Früchten in der aufkommenden Plantagenwirtschaft bewerkstelligt. Die Bewohner von Kap Verde erhielten ferner das königlich verbriefte Monopol für den Sklaven- und weiteren Handel an der Westküste Afrikas. Die versklavten Schwarzen waren hauptsächlich Balanta, Papel, Bijagó und Mende von der guineischen und ghanaischen Küste. Ausgeschlossen vom Handelsmonopol war der Handel mit Waffen, Eisen, Schiffen und nautischen Geräten, außerdem musste eine 25prozentige Gewinnsteuer an den portugiesischen Hof abgeführt werden.
Viele Siedler waren ohne Familien oder Partnerinnen ausgewandert und vermischten sich schon bald mit den versklavten Teilen der Bevölkerung. Der Anteil der Mulatten an der Gesamtbevölkerung stieg rasant an. Viele dieser Mulatten (Lançados) siedelten sich an der afrikanischen Westküste an, besonders in Guinea. Sie bildeten dort eine besser gestellte Mittelschicht unter den Einheimischen und waren im Wesentlichen für die Expansion des Sklavenhandels ins Hinterland verantwortlich. Diese Lançados waren die ersten deutlichen Anzeichen für Kap Verde als Mittelpunkt des frühneuzeitlichen Westafrikahandels.
Ausbau der Kolonie
Von 1500 bis etwa 1620 spielte die Insel Santiago eine bedeutende Rolle im transatlantischen Sklavenhandel als Umschlags- und Versorgungsstation. Die Sklaven wurden in Santiago in drei Kategorien gehandelt: boçais („dumm“, sie sprachen nur ihre afrikanische Muttersprache), ladino („Lateiner“, diese konnten bereits Kreol und waren getauft) und naturais („einheimisch“, in Kap Verde geborene Sklaven). 1495 wurde in Ribeira Grande mit der Kirche Unsere Mutter vom heiligen Rosenkranz das erste christliche Gotteshaus südlich der Sahara errichtet, kurz darauf wurden auch ein Seminar und ein Konvent errichtet sowie später die wahrscheinlich erste Kathedrale in Afrika. Mit der Entsendung eines Generalgouverneurs erhielt die Insel außerdem den offiziellen Status einer portugiesischen Kolonie. 1513 fand der erste Zensus in Kap Verde statt. Gezählt wurden 162 Einwohner, darunter 58 Weiße, 16 freie Schwarze und zwölf Priester, der Rest waren Soldaten und Strafgefangene. Zur gleichen Zeit lebten auf der Insel ungefähr 13.000 Sklaven.
Bereits 1532 erhielt die Siedlung Ribeira Grande Stadtrechte und der portugiesische König errichtete dort ein eigenständiges Bistum für Kap Verde, die klerikale Verwaltung der Inseln lag, wie für die anderen portugiesischen Kolonien auch, in den Händen des Christusordens. Der durch den Sklavenhandel gestiegene Wohlstand lenkte auch die Augen von Piraten und Freibeutern auf die Inseln. So wurde Ribeira Grande 1582 und 1585 durch Sir Francis Drake geplündert und gebrandschatzt. Die bei den Überfällen englischer, französischer und niederländischer Freibeuter entflohenen Sklaven bildeten im Inneren Santiagos kleine Gemeinschaften, die das Überleben in Freiheit sichern sollten (bekannt sind diese Gruppen als badius). 1582 waren nur zwölf Prozent der Bewohner auf den Kapverden Freie.
Aufstieg zur prosperierenden Kolonie
Trotz immer wiederkehrender Dürren, Hungersnöte und Seuchen sowie Piratenüberfälle entwickelte sich die Inselgruppe aufgrund des Sklavenhandels in den nächsten Jahrhunderten wirtschaftlich gut. 1620 begann der Handel der Engländer mit dem Salz der Inseln Maio und Sal. Durch die häufige Anwesenheit englischer Frachter wurde die Stadt Vila do Maio auch als Porto Inglês („englischer Hafen“) bekannt. Durch die zunehmende Bedeutung Brasiliens für das portugiesische Königshaus verlor die Kolonie Kap Verde immer mehr an Wichtigkeit. Nach dem Bau der Kathedrale in Ribeira Grande und der Errichtung eines kapverdischen Bistums begann die Missionierung der afrikanischen Westküste von Kap Verde aus, allerdings wurde erst 1975 ein Kapverder als Bischof investiert. Nachdem die Stadt 1712 durch die Franzosen fast völlig zerstört wurde, verlor sie immer mehr an Bedeutung gegenüber Praia, das schließlich 1770 neue Hauptstadt der Kapverden wurde, da es einfach besser gegen Übergriffe zu schützen war.
Um 1740 wurden die Inseln Versorgungspunkt für amerikanische Sklavenhändler und Walfänger, von denen viele für ihre Besatzung in Kap Verde warben. Dies ist der Beginn einer rein männlichen Emigration in die USA, wo noch heute eine große kapverdische Gemeinde lebt. Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts kam es vermehrt zu starken Dürreperioden; an den daraus resultierenden Hungersnöten starben Tausende. Ein weiterer wesentlicher Teil der Wirtschaftsleistung bestritt die kapverdische Textilindustrie. Die von den afrikanischen Sklaven mitgebrachte Webtechnik, die auf Kap Verde noch weiter verfeinert wurde, produzierte begehrte Tauschobjekte an der Küste Afrikas. Da der nicht königlich lizenzierte Handel an der Küste für Kapverdier bei Todesstrafe verboten war, wurden die Textilien zum beliebten Tauschobjekt für den Schmuggel und Schwarzhandel, da ihr Wert sehr hoch lag und ihre Herkunft sehr schlecht nachzuweisen war. So wurden zwischen 1766 und 1776 95.000 barafulas (kapverdische Ganzkörpertextilien) an die guineische Küste exportiert. 1774 kam es wiederum zu einer großen Hungersnot, es verhungerten rund 22.000 Personen, auf Brava und Maio starb der gesamte Viehbestand. Die Bevölkerungszahl Fogos sank von 5700 auf 4200.
Wirtschaftlicher Niedergang zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert
Ab 1747 hatten die Inseln mit regelmäßig wiederkehrenden Dürreperioden zu kämpfen. Die Entwaldung der Inseln durch Holznutzung und Überweidung hatten diese austrocknen lassen, der Prozess der Desertifikation hatte begonnen, dessen Folgen man heute noch auf einigen Inseln sehen kann. Während dreier großer Dürreperioden im 18. und im 19. Jahrhundert verhungerten über 100.000 Menschen auf dem Archipel. Als mehrheitlich von Sklaven bevölkerte Kolonie bekamen die Kapverden bei keiner Dürrekatastrophe Hilfe durch die portugiesische Regierung. Auch die Abschaffung der Sklaverei traf die Wirtschaft der Inseln schwer. Sie verloren ihren bedeutendsten Wirtschaftsfaktor und glitten nach und nach in die ökonomische Bedeutungslosigkeit ab.
Durch die schwierige Lage nahm die Emigration immer mehr zu. Erstes beliebtes Ziel der Auswanderer von Kap Verde waren die Küstenstädte in den neuenglischen Staaten Massachusetts und Rhode Island. Dieses Ziel war durch amerikanische Walfänger bedingt, die ab 1810, auf der Suche nach guten Fanggründen, die Gewässer um Kap Verde ansteuerten und große Teile ihrer Besatzungen auf Brava und Fogo anwarben. Später wanderten auch viele Kapverder nach Europa oder Westafrika aus, so gibt es in Portugal, Frankreich, den Niederlanden, Guinea-Bissau, dem Senegal und der Elfenbeinküste bedeutende kapverdische Gemeinden.
Im Anschluss belebte lediglich der Salzhandel unter englischer Kontrolle die ansonsten dahinsiechende Wirtschaft, bis 1850 der große natürliche Hafen der Stadt Mindelo auf São Vicente aufblühte. Englische Kohlehandelsgesellschaften machten aus ihm den viertgrößten Kohlehafen zur Versorgung der rasant wachsenden transatlantischen Dampfschifffahrt. Als der Kohlehandel ab den 1880ern bereits im Schwinden war, ersetzten neun auf São Vicente zusammenlaufende transatlantische Unterseekabel einen Teil der Bedeutung der Insel und der Stadt Mindelo. Nach diesem kurzen Aufschwung am Ende des 19. Jahrhunderts brach die Wirtschaft im Verlauf des Ersten Weltkrieges aufgrund des eingeschränkten Schiffsverkehrs endgültig zusammen. Auch Seuchen und Vulkanausbrüche trugen ihren Teil zur Verelendung der Inseln bei, ohne dass der portugiesische Staat irgendwelche Maßnahmen ergriff.
Kap Verde zur Zeit des „Estado Novo“ unter Salazar
Unter dem repressiven Druck der Geheimpolizei PIDE errichteten 1926 der Professor António de Oliveira Salazar und der General Marcelo Caetano eine faschistische Militärdiktatur. In den 1930er Jahren erholte sich die Wirtschaft etwas, eine professionelle Saline mit zugehöriger Eisenbahn wurde von einer französischen Firma auf Sal ausgebaut und eine Konservenfabrik für Thunfisch in Santa Maria eröffnet. Obwohl die Kapverder von den portugiesischen Kolonialherren traditionell schlecht behandelt wurden, ging es ihnen aufgrund ihrer etwas helleren Hautfarbe (bedingt durch die starke Vermischung mit eingewanderten Portugiesen) doch besser als den übrigen von Portugal kolonisierten Afrikanern. So gab es auf Kap Verde die erste Schule für höhere Bildung in den portugiesischen Kolonien. Auch lag die Analphabetenquote nur bei rund 70 Prozent gegenüber 95 Prozent in Portugiesisch-Guinea (heute Guinea-Bissau).
Der Autonomiestatus änderte sich 1951 durch die Anbindung ans portugiesische Mutterland als portugiesische Überseeprovinz. Schwarzafrikanische Einwohner von Kap Verde hatten nun die Möglichkeit, bei Erfüllung gewisser Kriterien, rechtlich als Assimilado anerkannt zu werden. Dieser Status gewährte eine weitgehende Gleichberechtigung mit den Portugiesen in Mutterland.
Das Anliegen der rechten Diktatur in Bezug auf die Kolonien bestand darin, diesen den größtmöglichen Nutzen für Portugal abzuringen. Zur Erreichung dieser Ziele wurde auch rigorose Gewalt eingesetzt (Pijiguitimassaker). Die Unabhängigkeitsbestrebungen waren auf Kap Verde zwar wesentlich schwächer ausgeprägt als in den Festlandskolonien, dennoch waren kapverdische Intellektuelle wie Amílcar Cabral stark in den Freiheitskampf eingebunden, viele Kapverdier kämpften in Guinea-Bissau. 1956 gründete Cabral mit anderen Panafrikanisten zusammen die PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und Kap Verdes, später PAICV). Während des Estado Novo erlangte Kap Verde eine traurige Berühmtheit durch das Konzentrationslager Tarrafal auf der Insel Santiago, in dem viele Aufständische aus den Kolonien und Regimekritiker aus dem Mutterland inhaftiert waren. Das Lager Chão Bom wurde zu einem viel behandelten Thema in der kapverdischen Poesie und in den melancholischen Liedern des Morna. Die portugiesischen Kolonien fochten den mit Abstand längsten Unabhängigkeitskampf aller afrikanischen Kolonien aus, der schließlich nach der Nelkenrevolution mit der Unabhängigkeit aller portugiesischen Kolonien in Afrika endete.
Unabhängigkeitskampf unter Amílcar Cabral
In den 50er Jahren formierten sich an den portugiesischen Universitäten Zirkel panafrikanisch eingestellter Studenten aus den Kolonien. Zu ihnen gehörten Amílcar Cabral, Eduardo Mondlane, Gründer der Frente de Libertação de Moçambique (Befreiungsfront von Mosambik, FRELIMO) und Agostinho Neto, erster Präsident des Movimento Popular de Libertação de Angola (Volksfront zur Befreiung Angolas, MPLA). Viele kapverdische Intellektuelle, allen voran Cabral, prägten die gemeinsame antifaschistische, antikoloniale und panafrikanische Bewegung, die am 25. April 1974 das faschistische Salazar-Regime in Portugal zu Fall brachte. 1956 gründete Cabral, ein in Guinea geborener Sohn von Kapverdern, die PAIGC. Nach dem Massaker an streikenden Hafenarbeitern (Pijiguitimassaker) begann der von der Partei organisierte bewaffnete Widerstand gegen die Kolonialmacht, der 13 Jahre andauerte.
Weitverbreitete Unruhen zwangen die neue Regierung Portugals, Verhandlungen über die Unabhängigkeit der Kolonien aufzunehmen. Unter Vorsitz eines portugiesischen Hohen Kommissars kam es zur Bildung einer Übergangsregierung und zu Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung, bei denen – trotz Teilnahme weiterer Parteien – die Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde (PAIGC, Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde) dominierte und alle Sitze in der verfassunggebenden Versammlung errang. Wie ihr Name sagt, erstrebte diese Partei die Vereinigung mit Guinea-Bissau. Am 20. Januar 1973 wurde Cabral in seinem Hauptquartier in Conakry von Agenten der Kolonialregierung erschossen, andere Quellen besagen, dass er von einem ehemaligen guineischen Weggefährten aus Eifersucht oder Rache erschossen wurde. Problem der Partei war, dass ihre Führungsriege zum größten Teil aus Kapverdern bestand, wobei die Bevölkerung Guineas im Vergleich zu der von Kap Verde ungleich größer war. Sein Nachfolger wurde sein Halbbruder Luís Cabral.
Unabhängigkeit
Unabhängigkeit und Einparteienstaat
Am 24. September 1973 erklärte die PAIGC einseitig die Unabhängigkeit Guinea-Bissaus und Kap Verdes als gemeinsamer Staat von Portugal, der Staat wird schnell von den USA und anderen antikolonialistisch eingestellten Staaten anerkannt (Ostblock). Die Anerkennung durch Portugal erfolgt ein Jahr später nach der Nelkenrevolution. Luís Cabral, ein Kapverder und Halbbruder des ermordeten Amilcar, wurde erster Präsident des Landes. Knapp ein halbes Jahr später stürzten portugiesische Militärs in Lissabon das Salazar-Regime (Nelkenrevolution), die Einstellung der portugiesischen Regierung und Öffentlichkeit zu seinen Kolonien änderte sich grundlegend, es wird nicht mehr für sinnvoll erachtet, die Unabhängigkeitsbestrebungen zu unterdrücken. In Boston erklären die Anwälte Aguinaldo Veiga, Roy Teixeira und António Cardoso Kap Verde am 22. Februar 1975 für unabhängig. Vor dem betreffenden Hotel kam es zu Gegendemonstrationen der Schwesterpartei der marxistisch orientierten PAIGC, der PAIGC-USA. Diese protestierte vehement gegen die Anerkennung der kapitalistisch gesinnten Anwaltsgruppe kapverdischer Anwälte als Sprecher des kapverdischen Volkes. Die Anwälte wollten die Machtübergabe Portugals an die PAIGC verhindern. Aus diesem Treffen entstand die Partei UCID.
Am 5. Juli 1975 wurde die Unabhängigkeit von Portugal ausgerufen und die linksnationale Befreiungsbewegung PAIGC wurde zur alleinregierenden Partei. Erster Staatspräsident wurde Aristides Pereira, ehemaliger Generalsekretär der Partei, Ministerpräsident der Befehlshaber der Truppen in Guinea, Pedro Pires. Der neue Staat wurde noch am Tag seiner Gründung von vielen Nationen anerkannt, unter anderem von den USA. Ein Jahr später eröffnete Kap Verde in Washington seine erste Botschaft. Ihre Mehrheit bei den Wahlen nutzte die PAIGC zum Ausbau des Einparteiensystems und zum Ausbau ihrer Macht. So wurden freie Gewerkschaften verboten und eine Einheitsgewerkschaft gegründet und Kap Verde zum Einparteienstaat erklärt. Nachdem Portugal nun keinerlei Verantwortung für das Land mehr trug, wurden die essentiellen Probleme erst deutlich sichtbar. Nur 20 Prozent der benötigten Nahrungsmittel können die Inseln selbst produzieren, 25 Prozent des nationalen Bruttosozialprodukts wurden durch Devisen der Emigranten bestritten.
Trennung von Guinea-Bissau
1981, nach einem antikapverdisch geprägten Putsch in Guinea-Bissau durch Nino Vieira, löste sich die Partei auf. Die Spannungen zwischen den Kapverden und Guinea-Bissau beruhen auf der gemeinsamen Kolonialgeschichte, so lag die Kolonialverwaltung beider Gebiete in Guinea-Bissau, der Außenhandel jedoch wurde von Kapverdern kontrolliert, die durch den daraus entstandenen Reichtum einen Führungsanspruch ableiteten, der durch die Bevölkerungsverhältnisse nicht gedeckt wurde. Auch die ethnischen Unterschiede, auf Kap Verde lebten wesentlich mehr Menschen europäischer Abstammung, führte zu Differenzen. Der Präsident der Union, Luís Cabral, ein Kapverder, konnte noch rechtzeitig nach Kap Verde fliehen. Während sie in Guinea-Bissau den Namen beibehielt, benannte sie sich in Kap Verde in PAICV Partido Africano da Independência de Cabo Verde um. Bei den Wahlen 1985 erhielt die PAICV zwar 94,5 Prozent aller Stimmen, doch wurden Stimmen laut, die eine Demokratisierung forderten. Ministerpräsident Pires begann den Prozess der Öffnung (Abertura) für mehr Demokratie. Kap Verde erhielt in den 80er Jahren den höchsten Pro-Kopf-Anteil aller westafrikanischen Länder an Entwicklungshilfe (246 US-Dollar pro Einwohner und Jahr).
Einführung des Mehrparteiensystems und Demokratisierung
Der Einparteienstaat fand sein Ende durch eine Verfassungsänderung im Jahre 1990, durch die ein Mehrparteiensystem eingeführt wurde. Im gleichen Jahr gründete die Opposition die Bewegung für Demokratie (Movimento para a democracia, MpD). Diese wurde in den ersten demokratischen freien Wahlen 1991 stärkste Kraft mit überwältigender absoluter Mehrheit (78 Prozent). António M. Monteiro, ehemaliger Vorsitzender des höchstens kapverdische Gerichts, wurde zum Präsidenten der „zweiten Republik“ und verfolgte im darauf folgenden Jahrzehnt eine neoliberal marktwirtschaftsorientierte Politik und die Dezentralisierung in Landkreise (Concelhos).
Verfassungsänderungen im Jahre 1993 stärkten die Position des Ministerpräsidenten und wiesen dem Präsidenten eine Rolle als Repräsentant und moralische Institution, ähnlich der westeuropäischer Demokratien zu. 1995 brach auf Kap Verde die Cholera aus. 10.000 Infektionen und 210 Todesfälle machen deutlich, dass das Land noch immer zur dritten Welt gehört. Durch die Wahlen zur Nationalversammlung von 2001 kehrte die PAICV mit einem sozialdemokratischen Profil in die Regierung zurück. Neuer Präsident wurde Pedro de Verona Rodrigues Pires. 1996 nahm erstmals in der Geschichte ein kapverdisches Team an den Olympischen Spielen in Atlanta teil.
Aktuelle Situation und Zukunft
Bei den Parlamentswahlen im Januar 2006 konnte die PAICV ihren Vorsprung zu einer soliden absoluten Mehrheit (41 von 72 Sitzen) ausbauen und im Februar 2006 wurde Präsident Pedro Pires in direkter Wahl bestätigt. Hauptziele der neuen Regierung bleiben die Armutsbekämpfung und Steigerung der Effizienz von Staat und Wirtschaft. Größtes Wachstum erfährt die Wirtschaft im Bereich Tourismus, insbesondere auf der sonst eher öden Insel Sal, die kaum fruchtbare Böden, jedoch viele exzellente Sandstrände und für Surfer geeignete Meeresabschnitte besitzt. Auch die ehemals als Salinen benutzten Anlagen sollen in nächster Zeit in sogenannte Heilbäder umgewandelt werden. Der spanische Tourismuskonzern RIU baut auf Sal zurzeit sein zweites Riesenhotel. Größtes Problem bleibt nach wie vor, insbesondere auf Sal, die Versorgung mit Trinkwasser, die gebauten Meerwasserentsalzungsanlagen decken inzwischen nicht einmal mehr den Bedarf der Einheimischen.
Siehe auch
- Geschichte Afrikas
- Portugiesische Kolonialgeschichte
- Estado Novo
- Portugiesischer Kolonialkrieg
- Nelkenrevolution
- Wappen der Kolonien Portugals
Literatur
- Bord Held (Hrsg.): Kapverdische Inseln, Essen 1988
- Holger Matthews: Kapverdische Inseln, Zürich 1989
- Autor unbekannt: Kapverdische Inseln, Stuttgart 1991
- A. H. de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs, Stuttgart 2001
- Heinrich Loth: Das portugiesische Kolonialreich, Berlin (Ost) 1982
Weblinks
Allgemeines
- George E. Brooks: Cabo Verde: Gulag of the South Atlantic: Racism, Fishing Prohibitions, and Famines. History in Africa, 33, African Studies Association 2006, S. 101–135
- Grundinformationen auf der Seite der TACV (deutsch)
- Chronologischer Abriss der Geschichte Kap Verdes (englisch)
- Text über die Geschichte Kap Verdes (englisch)
- Ausführliche Informationen auf worldstatesmen.org (englisch)
Spezielle Themen
- Artikel "Was ist Kreol" (deutsch)
- Die Rolle Kap Verdes im U-Boot-Krieg (deutsch)
- Wie starb Cabral? - Theorien über das Ende eines Freiheitskämpfers (deutsch)
- Kapverdier auf amerikanischen Walfangschiffen (englisch)
- Chronologie des Freiheitskampfes der portugiesischen Kolonien (englisch)
- O quilombo de Julangue - Über Dörfer entlaufener Sklaven (portugiesisch)
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