- Geschichte der Kanarischen Inseln
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Die Geschichte der Kanarischen Inseln umfasst die weniger belegbare vorkoloniale und die weithin bekannte koloniale Geschichte, sowie die Ära bis in die Gegenwart der heute politisch zu Spanien, aber geografisch zu Afrika gehörenden Inselgruppe im Atlantik.
Inhaltsverzeichnis
Vorspanische Zeit
Mythische Orte in der Antike
Die Meerenge von Gibraltar, die wegen ihrer starken Strömungen gefürchtet war, bildete in der Antike die Grenze der gut bekannten Welt. Trotzdem gab es bereits in der griechischen Mythologie Berichte beispielsweise über Herakles, der im Laufe seiner Arbeiten über die Säulen des Herakles hinaus fahren musste. Er beschaffte für die Göttin Athene die Unsterblichkeit bringenden Äpfel der Hesperiden durch den Riesen Atlas, dem Herakles solange das Himmelsgewölbe abnahm. Ebenso wurde im Atlantik das Heim der Gorgo Medusa verortet, der Perseus das Haupt abschlug, wobei er sich mit einer Tarnkappe gegen ihren versteinernden Blick wappnete.
Historische Berichte
Erste historisch glaubhafte Berichte über Fahrten durch die Straße von Gibraltar ins Äußere Meer, gemeint ist der Atlantik, stammen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. von den karthagischen Seefahrern Hanno und Himilkon, von der Küstenbeschreibung (Periplus) des Pseudo-Skylax sowie bei Herodot über den Griechen Pytheas. Herodot berichtet in seinen Historien allerdings, dass die Phönizier schon um etwa 600 v. Chr. im Auftrag des ägyptischen Pharaos Necho II. von Ost nach West um Afrika segelten.
Die Römer erwähnten die Kanarischen Inseln erstmals ausdrücklich durch Pomponius Mela und Plinius Major; sie nannten sie Inseln der Glückseligen (Fortunatae insulae). Plinius Major bezieht sich dabei auf Beschreibungen des mauretanischen Königs Juba II., der im Jahre 40 v. Chr. auf die Fortunatae insulae gereist war. Im selben Text tritt erstmals der Begriff Canaria auf, wahrscheinlich als Eigenname der Insel Gran Canaria. Laut Plinius wurde der Insel der Name gegeben, da es dort viele große Hunde (lateinisch: Canis) gäbe, von denen die Abgesandten Jubas zwei ins heutige Marokko mitnahmen.[1] Die zwei Hirtenhunde stützen heute auf beiden Seiten das Wappen der Kanarischen Inseln. Der Ursprung des Wortes Canaria im lateinischen canis wird bezweifelt. Wahrscheinlicher erscheint die Rückführung auf das berberische Canarii, den Eigennamen eines berberischen Volksstammes aus dem Nordosten Afrikas. Plinius selbst erwähnte in einem anderen Text die Canarii, woraufhin das Wort möglicherweise ins Lateinische übernommen worden ist.
Plinius Major unterscheidet klar die vergleichsweise gut bekannten Fortunatae insulae von den Gorgonen-Inseln (Gorgaden, d. h. Kapverden, gegenüber dem als Hesperu Ceras bezeichneten Cap Vert in Senegal) und von den Hesperiden. Die Hesperiden liegen gegenüber dem Vulkan Theon Ochema (Götterwagen), den Hanno der Seefahrer besucht hatte. Der Vulkan wird meist mit dem Kamerunberg identifiziert und liegt fast genau südlich von Karthago. Nördlich der Kanaren liegen nach Plinius Major die Inseln Atlantis (Madeira) und die Purpur-Inseln - wahrscheinlich die ganze Madeira-Gruppe. Nach dem Geographen Statius Sebosus soll die Reise zu den Hesperiden 40 Schiffstage gedauert haben und die Insel Junonia (Lanzarote) 750 Meilen von Cádiz entfernt sein.
Die Lage und die Namen der einzelnen Kanarischen Inseln lassen sich - soweit bei Plinius Major noch doppeldeutig – aus dem vollständig erhaltenen Werk von Claudius Ptolemäus eindeutig ableiten, trotz zum Teil starker Verzerrungen und nachweisbaren Fehlern. Pomponius Mela zeigte als erster die exakte Position der Kanarischen Inseln auf einer Karte. Plutarch wurde von Sertorius über die Existenz der Inseln in Kenntnis gesetzt; Sertorius wollte sich wegen politischer Probleme dorthin zurückziehen. Danach treten die Kanaren in der Geschichte für tausend Jahre ab dem 4. Jahrhundert, kaum auf. Immerhin fuhr Brendan der Reisende im 6. Jahrhundert zur sogenannten Brendaninsel im Westen; er nannte sie terra repromissionis. Manche Vermutungen gehen dahin, dass hier eine der Kanaren gemeint sein könnte, jedoch ist nichts darüber belegbar.
Erste Besiedelung
Für die ursprüngliche Bevölkerung aller Kanarischen Inseln verwendet man den Sammelbegriff Guanchen. Zudem verwendet jede Insel eigene Namen für ihre Ureinwohner, dennoch werden sie alle gemeinsame Vorfahren gehabt haben. Sie dürften sprachlich zum Berberischen als Teilfamilie der Afroasiatischen Makro-Sprachfamilie gehört haben, auch heute noch vermischt mit den späteren spanischsprachigen Einwohnern auf den Inseln. Das konnte auch durch genetische Untersuchungen bestätigt werden.[2] Allen Theorien gemein ist die berberische Abstammung, die sich auf anatomische und sprachliche Gemeinsamkeiten der Guanchen und Berber stützt: Auf allen Kanarischen Inseln gibt es Ortsnamen, die klar der berberischen Sprache Tamazight entstammen, beispielsweise Tegueste, Tinajo, Tamaraseite und Teseguite. Vom Guanche selbst ist allerdings nur wenig überliefert.
Anzunehmen ist, dass spätestens seit der ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. erfolgenden Besiedlung der westmarokkanischen Küste durch phönizische (punische) Seefahrer, diese auch auf die Kanarischen Inseln aufmerksam wurden. Archäologische Funde bestätigen die Anwesenheit von Puniern und Römern auf den Kanaren.
Kurz nach der römischen Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v. Chr. befuhr im Auftrage des Siegers Scipio Aemilianus Polybios die westafrikanische Küste, wahrscheinlich etwa bis auf Höhe von Kap Juby, welches etwa auf den Breiten der Kanaren auf dem afrikanischen Festland liegt. Polybios stellte dort keine große Handelstätigkeit der Karthager mehr fest. Auch aufgrund des alternativen Transsahara-Handels über Land geriet so im Westen ein Großteil der westafrikanischen Küste, und der vorgelagerten Inseln südlich der Grenze der Provinz Mauretania Tingitana knapp südlich von Essaouira, in Vergessenheit. So blieb die steinzeitliche Kultur der Guanchen bis zur spanischen Eroberung Anfang des 15. Jahrhunderts erhalten.
Archäologie
Archäologische Funde legen nahe, dass auf dem Archipel höchstens seit dreitausend Jahren Menschen leben. Radiokohlenstoffdatierungen (C14) haben bisher bei Funden auf Teneriffa etwa das Jahr 800 v. Chr. ergeben. Wesentlich ältere Hinweise auf Lanzarote sind noch unklar. Der genaue Zeitpunkt und das Warum und Wie der Besiedlung liegen immer noch weitgehend im Dunkeln. Die zurzeit beste Quelle in deutscher Sprache zur Vorgeschichte der Kanarischen Inseln ist die Zeitschrift Almogaren des Institutum Canarium in Wien.
Erste Versuche der Eingrenzung des Ursprunges der kanarischen Urbevölkerung startete die ältere Anthropologie. Mit Hilfe der modernen Gentechnik konnte festgestellt werden, dass noch etwa 40 Prozent der heutigen einheimischen Bevölkerung, meist über die weibliche Linie, mit der Urbevölkerung verwandt sind.[2]
Da es auf keiner der Kanarischen Inseln irgendwelche Erzvorkommen gibt, waren die Ureinwohner dazu verurteilt, in einer Zwangs-Steinzeit zu leben. Doch trotz ihrer steinzeitlichen Kultur besaßen die Guanchen auf jeder Insel eine Schrift. Eine erste Veröffentlichung über sie aber kam erst 1870 von El Hierro[3]. Umfangreiche Forschung nach dem Ursprung dieser Schrift führte bis heute zu keinem eindeutigen Ergebnis, außer dass es sich um die Tifinagh-Schrift handelt, die heute nur noch von den Tuareg benutzt wird, in früheren Zeiten aber über ganz Nordafrika und in der Sahara verbreitet war[4].
Von der Eroberung zur Neuzeit
Spanische Eroberung
Um 1312 besuchte der Genuese Lancelotto Malocello die Insel Lanzarote und blieb dort bis etwa 1330. Er erreichte, dass die von ihm entdeckte und in Besitz genommene Insel auf der Weltkarte des Angelino Dulcert als Insula de Lanzarotus Marocelus eingezeichnet wurde. Seither trägt Lanzarote seinen Namen. Über diese zwei Jahrzehnte des Lancelotto Malocello auf Lanzarote ist wenig bekannt, wahrscheinlich betrieb er nur einen befestigten Handelsposten. Es besteht sogar die Annahme, dass ein anderer Lanzarotto Maroxello schon um 1230 die Inseln erreicht hatte[5]. Weitere mögliche Besucher der Inseln können die Schiffe der Brüder Vadino und Ugolino Vivaldi aus Genua im Jahre 1291 gewesen sein, über deren weiteres Schicksal aber nichts bekannt ist. Nachdem ihre beiden Galeeren die Meerenge von Gibraltar durchfahren hatten, verschwanden sie spurlos auf dem Atlantik. Außerdem besteht der nicht direkt belegbare Verdacht geheimer Sklavenjagden auf den Inseln durch mallorquinische Sklavenhändler[6]. Erst eine portugiesische Expedition im Jahre 1341, über deren Verlauf man gut informiert ist, lieferte konkrete Nachrichten über die Inseln. Der auf Latein verfasste Bericht des Steuermanns Niccoloso da Recco ist erhalten. Dieser ist das erste korrekte historische Dokument über einen europäischen Besuch auf den Kanaren.
Die Gesellschaftsstrukturen müssen bei diesen mehr oder weniger sporadischen Besuchen zumindest intakt geblieben sein, was sich später unter Jean de Béthencourt änderte[7]. Zuvor jedoch fand eine besondere Episode der Kirchengeschichte statt: es gibt eine Päpstliche Bulle von Papst Clemens VI. vom 7. November 1351, welche zur Gründung des ersten Episkopates in Telde auf Gran Canaria führte, um gewaltlos Einheimische zum Christentum zu bekehren. Die tragenden Kräfte dieser ersten Missionierung der christlichen Kirche waren fromme Händlerkreise von Mallorca, die en passant auch friedliche Handelskontakte mit den Ureinwohnern knüpfen wollten. Doch 1393 wurden die Inseln von einer sevillanischen Flotte überfallen, welche mit vielen Inselprodukten - und besonders Sklaven - in Spanien Gelüste nach dem Besitz des Archipels weckte. Auf Gran Canaria wurde dabei der Versuch der friedlichen Missionierung erfolgreich sabotiert. Die Ureinwohner von Gran Canaria konnten sich den Unterschied zwischen den christlichen Missionaren auf ihrer Insel und den christlichen Sklavenjägern vor ihren Küsten nicht mehr erklären. Um 1392/93 scheinen alle die mit den Patres eingewanderten Siedler von Mallorca in einem Anfall kollektiven Zorns erschlagen worden zu sein, die Patres selber wurden in den leeren Vulkanschlot von Sima Jinamar gestürzt, eine traditionelle Form der Todesstrafe in der Urgesellschaft Gran Canarias. Das Experiment der gewaltlosen christlichen Missionierung war gescheitert[8]. In der Chronik der späteren Eroberung, Le Canarien, zitiert ihr Autor Gadifer de la Salle aus dem (nicht erhaltenen) Abschiedsbrief der Missionare, der ihm bei einem Besuch auf Gran Canaria zugesteckt worden war[9].
Die endgültige Eroberung des Archipels, die damals südlichste Christianisierung, begann 1402 unter der Lehensherrschaft der kastilischen Könige durch den Normannen Jean de Béthencourt auf den Inseln Lanzarote, Fuerteventura und El Hierro. Gran Canaria konnte nur besucht werden, La Gomera wurde zwar betreten, konnte aber nicht unterworfen werden. 1402 begann auch die Erkundung der nächstgelegenen Küste Afrikas (heute Westsahara). Der adelige, aber inzwischen verarmte Gadifer de la Salle, wurde Béthencourts Teilhaber und militärischer Experte. Über die gesamte Eroberung gibt es eine Art Kriegstagebuch, die Chronik Le Canarien, verfasst von Gadifer de la Salle persönlich, denn er war als Soldat und Literat bekannt. Der später von Jean de Béthencourt betrogene La Salle hatte mit dieser Schrift in Frankreich für seine Rechte an den Inseln werben wollen. Sie wurde allerdings um 1630 aus Prestigegründen von der Familie Béthencourt gefälscht veröffentlicht, das Original der Schrift tauchte erst 1888 im British Museum auf.
Nach dem Tode des erbenlosen Béthencourts um 1425 zerfiel der Besitz aller Inseln in viele Stücke. Die Siedler der Eroberer und die überlebenden Ureinwohner von Lanzarote, Fuerteventura und El Hierro vermischten sich und bildeten eine erste kleine Kolonialgesellschaft. Auch die Kirche nahm ihre Missionstätigkeit wieder auf. 1441 war der andalusische Laienbruder des Franziskanerordens Didakus, spanisch San Diego de Alcalá, auf die Inseln gereist und gründete als Missionar das Kloster Fortaventure auf Fuerteventura. Etwa um 1448 errangen die Familien de las Casas - Peraza aus Sevilla wieder alle Rechte über die Inseln. Daraufhin begann eine Zeit der Ausbeutung und Sklavenjagd auch auf den noch nicht eroberten Inseln und dem nahen Afrika. Gegen diese rücksichtslosen Feudalherren fand 1477 auf Lanzarote ein Aufstand statt, was letztendlich zur Auflösung der ersten kleinen Kolonialgesellschaften führte. Die Menschen von Lanzarote und Fuerteventura flohen nach Gran Canaria, das gerade erobert wurde, oder sogar bis nach Sevilla. Die Inseln wurden durch berberische Sklaven neu bevölkert, die die Feudalherren an der afrikanischen Küste jagten.
Hernán Peraza erbte 1478 als despotischer Herrscher La Gomera, das eher friedlich durchdrungen worden war. Peraza wurde 1488 von Einheimischen wegen seiner penetranten Versuche, sie als Sklaven zu verkaufen, erschlagen. Die vom Feudalherren von Gran Canaria, Pedro de Vera, auf Bitten der Witwe Beatriz de Bobadilla von dort aus gestartete Strafexpedition war von einer solchen Unverhältnismäßigkeit, selbst für die damalige Zeit, dass sie zu zornigen Protesten des Bischofs der Kanarischen Inseln, Juan de Frias, am kastilischen Hof von Isabel der Katholischen führten, dem die junge gomerische Gemeinde quasi unter der Kanzel weg als Sklaven verkauft worden war (was der eigentliche pekuniäre Hintergrund der Strafexpedition gewesen war). Die unangenehme Affäre löste eine innenpolitische Krise im gerade sich konsolidierenden Spanischen Königreich aus, und wahrscheinlich die erste Diskussion über die Rechte der Fremden, d. h. die Menschenrechte[10].
Bei dem Aufstand von 1477 nutzten die Katholischen Könige Ferdinand II. von Aragonien und Isabella I. von Kastilien des damals zusammenwachsenden Spaniens die Gelegenheit, die Rechte auch auf den noch zu erobernden Inseln La Palma, Gran Canaria und Teneriffa den bisherigen Feudalherren gegen eine Entschädigung abzunehmen. Es war eine dringende Maßnahme, denn Portugal, unter der Leitung von Heinrich dem Seefahrer, machte starke militärische und diplomatische Anstrengungen, die Inseln unter seine Herrschaft zu bringen. Die Feudalherrn waren zu schwach, sich gegen diese kombinierte Umarmungsstrategie zur Wehr zu setzen. Die übrigen atlantischen Archipele Azoren, Kapverden und Madeira, die ebenso wie die Kanaren westlich von Afrika liegen, waren de facto längst entdeckt und für den portugiesischen Thron in Besitz genommen worden. Isabella I. erlangte 1479 mit dem Vertrag von Alcaçovas die komplette Zugehörigkeit aller Kanarischen Inseln zu Kastilien, aber es war ihren Schiffen vertraglich untersagt, weiter nach Süden auf dem Atlantik vorzudringen. Dies hing damit zusammen, dass Portugal in der Navigation und Entdeckerrolle allgemein, als auch in der Eroberung der Gebiete in Afrika und Asien, die absolute Vormachtstellung innehatte, denn Portugal strebte seit geraumer Zeit die Entdeckung des Seeweges nach Indien an, was unter Führung Vasco da Gamas 1498 schließlich gelang. In letztgenanntem Vertrag handelten Alfons V. und Isabella I. die Einflusssphären im Atlantik aus und beendeten einen der vielen Erbfolgekriege zwischen Kastilien und Portugal. Der portugiesische König Alfons V. erklärte seinen Verzicht aller Ansprüche auf den kastilischen Thron, Isabella erkannte die portugiesische Hegemonie über alle Gewässer und Ländereien südlich von Kap Bojador an, dafür überließ Portugal wiederum Spanien endgültig die Kanaren (zur weiteren Aufteilung portugiesischer und spanischer Interessengebiete siehe Vertrag von Tordesillas, 1494).
Darauf begann die spanische Politik auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten, hauptsächlich dem Zuckerrohranbau, der noch freien Kanarischen Inseln Gran Canaria, Teneriffa und La Palma aufmerksam zu werden. Schon im Juni 1478, vor Abschluss des Vertrages von Alcaçovas 1479, kam Feldhauptmann Juan Rejón im Auftrag der Katholischen Könige nach Gran Canaria, gründete Las Palmas und begann die Eroberung der Insel, die allerdings erst 1483 von Pedro de Vera abgeschlossen werden konnte. Alonso Fernández de Lugo, der schon auf Gran Canaria mitgekämpft hatte, unterwarf La Palma bis 1493 und beendete die Conquista 1496 schließlich mit der dritten größeren Schlacht auf Teneriffa, der Schlacht von La Victoria de Acentejo. Das bedeutete die endgültige Unterwerfung Teneriffas und damit der letzten aller Kanarischen Inseln. Seit diesen Eroberungszügen gehören die Inseln endgültig zu Spanien und stellten eine Art Miniaturmodell für die spätere Eroberung Amerikas dar.
Die Kultur der Altkanarier, der Guanchen, wurde im 15. Jahrhundert teils unterdrückt, teils löste sie sich überraschend schnell auf, denn die meisten Überlebenden, beispielsweise auf Teneriffa, ein überaus neugieriges und intelligentes Volk, nahmen die herrlichen Neuerungen der für sie modernen Zivilisation nach dem Friedensschluss bewundernd an. Nur wenige Unbeugsame leisteten noch Jahrzehnte Widerstand in den abgelegenen Tälern der weitgehend leeren Insel, so dass heute nur noch wenig von der alten Kultur und Sprache überliefert ist, was auch auf die enormen Verluste im Verlauf der Jahrhunderte durch Brände, Plünderungen und Entsorgung in den Inselarchiven zurückzuführen ist. Zu ihren Überbleibseln gehören in Stein gemeißelte Petroglyphen, Tänze, Speisen und wenige Reste ihrer alten Sprache, dem Guanche[11]. Obwohl viele Guanchen in den drei großen Schlachten der Eroberung Teneriffas (La Matanza de Acentejo und La Laguna 1494, La Victoria de Acentejo 1495) getötet worden waren, und viele an eingeschleppten Krankheiten starben, stellten sie immer noch den größten Teil der Bevölkerung Teneriffas, mit der Fernández de Lugo die neue Kolonie für die Spanischen Könige aufbauen sollte. Er musste sich also recht diplomatisch verhalten, denn es ging um viel Geld. Der arbeitsintensive Zuckerrohranbau und die Zuckerherstellung boomten. Willige Arbeitskräfte waren gefragt. Die meisten Überlebenden, vielfach Frauen, vermischten sich teilweise durch Heirat mit den eingewanderten Spaniern, zumeist Männer. So entwickelte sich auf Teneriffa, teils auch auf Gran Canaria, eine neue, stabilere, multikulturelle Kolonialgesellschaft. Schon nach kurzer Zeit erhielten einige Guanchensippen eigene Rechte. Anderen Sippen, die keinen Widerstand gegen die Eroberung geleistet hatten, wurden gar Ländereien gegeben. Am 29. Mai 1537 stellte die päpstliche Bulle Sublimis Deus von Papst Paul III. den Sklavenhandel unter Strafe. Daraufhin wurde er ebenfalls von König Karl I. von Spanien noch im gleichen Jahr verboten.
Christoph Kolumbus
Christoph Kolumbus machte auf der Insel La Gomera seine letzte Zwischenstation, bevor er am 6. September 1492 zu seiner Reise nach Indien aufbrach, mit der er aber, wie bekannt, Amerika erreichte. Die kleine Flotte von Kolumbus hielt sich zuvor fast vier Wochen zwischen den Inseln Gran Canaria und La Gomera auf, wobei sie technische und logistische Unterstützung von den Inseln erhielt. Die Karavelle La Pinta hatte einen schweren Ruderschaden und leckte. Kolumbus ließ auch die Takelung dieses Schiffes und möglicherweise die der Karavelle La Niña ändern. Diese Reparaturen wurden auf Gran Canaria durchgeführt, wahrscheinlich in der Bucht von Gando, wo heute der Flughafen Gran Canaria liegt. Merkwürdigerweise wird der Aufenthalt der kleinen Flotte des Kolumbus in der einschlägigen älteren und neueren Literatur weitgehend übergangen, obwohl es offensichtlich ist, dass ohne die Stützpunkte auf den Kanarischen Inseln Amerika außerhalb der Reichweite der damaligen Schiffstechnik lag. Die Schiffe waren noch zu klein und zu langsam, um die entsprechenden Mengen an Proviant und Wasser für sehr lange Reisen aufnehmen zu können, zumal eine übergroße Besatzung an Bord war, weil Tag und Nacht gesegelt wurde. Wahrscheinlich war die Fahrt von Palos de Moguer zu den Kanarischen Inseln eher eine Testfahrt zur Erprobung der Schiffe und zum Trainieren der Mannschaft. Die eigentliche Reise zu den Indias ging erst von La Gomera los, wie schon Fernando Kolumbus, Sohn Christoph Kolumbus' und erster Biograph seines Vaters, anmerkte.[12]
Auf seiner zweiten Reise steuerte Christoph Kolumbus El Hierro an. Nachdem er frischen Proviant und dann auch günstigen Wind hatte, startete seine Flotte von 17 Schiffen nach 19 Tagen auf der Insel, am 3. Oktober 1493, von der Bahía de Naos aus in die Neue Welt.
Bevölkerung mit Aus- und Einwanderungen
Zur Zeit der spanischen Eroberung, die fast ein Jahrhundert (1402 bis 1496) andauerte, war die Einwanderung im Verhältnis zur Urbevölkerung relativ groß, obwohl man davon ausgeht, dass am Ende nur wenige Siedler geblieben sind. Man vermutet nur etwa 300 Familien jeweils auf Gran Canaria und Teneriffa, die sich mit den Ureinwohnern vermischten. Um 1600 wurden 500 Sklaven auf die Inseln verkauft, wobei es sich allerdings um Nachkommen nach Sevilla verkaufter Sklaven handelte, also Guanchen. Im Grunde kann man die Kanaren zu dieser Zeit als unterbesiedelt bezeichnen, da Amerika attraktiver schien.
Mitte des 16. Jahrhunderts überstieg die Bevölkerung der Kanarischen Inseln die Zahl von 35.000 Einwohnern nicht. Die Bevölkerung konzentrierte sich zu etwa drei Vierteln auf die Inseln Gran Canaria und Teneriffa. Teneriffa war mit 9.000 bis 10.000 Einwohnern die am stärksten bevölkerte Insel. Etwa 2.500 davon stammten von den Guanchen ab und kamen von Teneriffa, Gran Canaria oder La Gomera.
Auf Gran Canaria gab es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwei Phasen, die sich jeweils durch einen starken Bevölkerungszuwachs am Anfang und einen Stillstand am Ende auszeichnen. Zu Beginn des Jahrhunderts lebten weniger als 3.000 Einwohner auf der Insel. Insbesondere durch die durch die Zuckerrohrwirtschaft angetriebene Einwanderung von der iberischen Halbinsel und die Einschleppung afrikanischer Sklaven wuchs die Zahl der Einwohner bis 1550 auf 8.000. Am Ende des Jahrhunderts hielt sich diese Zahl jedoch kaum und sank zu Anfang des 17. Jahrhunderts sogar auf etwa 6.000 Einwohner ab. Die Ursache dafür waren Piratenüberfälle in den 1590er Jahren, Epidemien, Missernten und die Auswanderung, die der wirtschaftliche Zusammenbruch nach Ende der Zuckerrohrwirtschaft mit sich brachte.
Die übrigen Inseln wiesen am Ende des 16. Jahrhunderts folgende Bevölkerungszahlen auf: La Palma 5.580 Einwohner, La Gomera 1.265 Einwohner, El Hierro 1.250 Einwohner, Lanzarote weniger als 1.000 Einwohner und Fuerteventura etwa 1.900 Einwohner.
Das 17. Jahrhundert war - im Gegensatz zu dem, was auf der iberischen Halbinsel geschah - eine Periode demografischen Wachstums. Die Bevölkerung der Kanaren stieg von 41.000 im Jahre 1605 auf 105.075 im Jahre 1688, die sich mit einem Anteil von etwa 70 Prozent auf die westlichen Inseln konzentrierte. Teneriffa und Gran Canaria waren mit 50.000 bzw. 22.000 Einwohnern weiterhin die meistbevölkerten Inseln. Von den kleineren Inseln war La Palma die einzige, die die Einwohnerzahl von 14.000 überschritt. Der Rest der Inseln erfuhr wichtige Zuwächse, die die Einwohnerzahlen auf etwa 4.000 pro Insel anwachsen ließen.
Die Ursache dieses ungleichen Wachstums war der wirtschaftliche Aufschwung Teneriffas und La Palmas durch die Umstellung auf die stark exportfähige Weinwirtschaft. Gleichzeitig litten die östlichen Kanaren noch immer unter dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Zuckerrohrs, Piratenangriffen, Epidemien und der Auswanderung nach Teneriffa und La Palma. Dies alles erklärt den Stillstand der Bevölkerungszahlen, der erst im letzten Drittel des Jahrhunderts endete.
Das demografische Wachstum setzte sich während des 18. Jahrhunderts fort. Die inselübergreifende Bevölkerung stieg von 105.075 am Ende des 17. Jahrhunderts auf 194.516 im Jahre 1802. Die Verteilung der Bevölkerung war wiederum ungleich: Mehr als zwei Drittel konzentrierten sich auf großen Inseln Teneriffa und Gran Canaria, während sich El Hierros Bevölkerungszahlen im gesamten Zeitraum des Jahrhunderts nicht veränderten. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Jahrhunderten stieg diesmal jedoch die Bevölkerung der östlichen Inseln stark an, da die westlichen unter einer Weinkrise litten, die zur Auswanderung nach Amerika führte[13].
Die Auswanderung von den Kanarischen Inseln nach Amerika war im Verlauf der langen Geschichte der spanischen Kolonien in Amerika zeitweise verboten oder gefördert, mal illegal, mal legal. Aber über 500 Jahre, bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, lief die Auswanderung immer weiter. Für bestimmte Gegenden Lateinamerikas war die kanarische Auswanderung entscheidend für ihre Besiedlung. Die wichtigsten Ziele waren in Lateinamerika an erster Stelle Venezuela, Kuba und Hispaniola, weniger Uruguay und der Norden Mexikos. Gründe waren die Angriffe der Korsaren und Piraten auf die Inseln, der Zusammenbruch der jeweiligen Monokulturen (Zuckerrohr, Wein, Cochenille), Hunger durch lange Dürreperioden und folgenschwere Vulkanausbrüche, wie 1706 die Zerstörung des wichtigsten Hafens Garachico auf Teneriffa und von 1730 bis 1736 umfangreiche Ausbrüche auf Lanzarote. Doch insbesondere die fortschreitende Konzentration auf wenige Familien der innerkanarischen Besitzverhältnisse trieb die wachsende Bevölkerung der Kanarischen Inseln in die Emigration. Noch im 18. Jahrhundert wanderte ein Teil der kanarischen Bevölkerung nach Louisiana aus. In Amerika (und heute noch auf Kuba) wurden sie Isleños genannt. Eine letzte große illegale Auswanderungswelle, hauptsächlich in Richtung Venezuela, fand zwischen 1936 und 1945 statt, in der Zeit während und insbesondere nach dem Spanischen Bürgerkrieg. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Emigration legalisiert, so dass in wenigen Jahren die enorme Anzahl von etwa 100.000 Menschen (von etwa 700.000) die Inseln in Richtung Venezuela verließen. Venezuela wird auf den Kanaren deshalb häufig als Die achte Insel bezeichnet. Viele dieser Auswanderer, oder ihre Kinder bzw. Enkel, sind mittlerweile zurückgekehrt, oder versuchen die Rückkehr. Durch den jahrhundertelangen Austausch zwischen den Kanariern auf beiden Seiten des Atlantiks sind viele Elemente der südamerikanischen Kultur und des Sprachgebrauches auf den Inseln heimisch geworden, das kanarische Spanisch hat seine Spuren in Lateinamerika hinterlassen. So haben sich heute zahlreiche Elemente, besonders des karibischen Spanisch, mit dem Spanisch der Inseln vermischt.
Gesellschaft
Die kanarische Gesellschaft wies die üblichen Merkmale europäischer Gesellschaften auf: Die Bevölkerung bestand hauptsächlich aus Landwirten, in der Regel ohne eigenen Landbesitz, die Gesellschaftsordnung wies Privilegien für die adligen und kirchlichen Eliten aus, es gab einen zahlenmäßig großen Klerus und Sklavenwirtschaft.
Der Adel bestand aus Nachkömmlingen der Anführer der Eroberung der Kanarischen Inseln. Ihre wirtschaftliche Macht erschöpfte sich im Besitz weitläufiger Landgüter und dem Export von Produkten wie Zucker im 16. Jahrhundert und Wein im 17. Jahrhundert. Die dadurch erwirtschafteten Einkünfte flossen in die Verwaltung kirchlicher Güter, Ländereien und Werke. Sie kontrollierten die politische und militärischen Kräfte und konzentrierten sich auf die großen Bevölkerungszentren auf den Inseln wie Las Palmas, La Laguna und La Orotava. Obwohl sie Allianzen mit dem Mittelstand schlossen, insbesondere mit zugewanderten Familien, bildeten sie eine in sich geschlossene, endogame gesellschaftliche Gruppierung.
Der Klerus war stark besetzt. Während des 16. und 17. Jahrhunderts bildeten sich dank der Schirmherrschaft des Adels und dem kommerziellen Mittelstand zahlreiche religiöse Orden. Von der zahlenmäßigen Stärke kündet der Überfluss an Konventen in den Hauptstädten der Inseln, wie etwa in La Laguna, Las Palmas, La Orotava, Telde, Garachico, Santa Cruz de La Palma und Teguise. Der Klerus war befreit von Steuern und empfing von den Bauern den Zehnten. Vom Zehnten profitierte jedoch nur der hochrangige Klerus (Bischöfe, Kanoniker, Dekane), während der niedrige Klerus in denselben misslichen Umständen lebte wie der Großteil der übrigen Bevölkerung. Die untätige Bevölkerungsgruppe wurde vom Rest der Gesellschaft getragen, so dass sie insbesondere während der wirtschaftlichen Krisen eine ökonomische Last darstellte.
Der Dritte Stand war eine lose Ansammlung verschiedener Bevölkerungsgruppen, die sich in ihrer Beschäftigung und ihrem Einkommen unterschieden, aber gleichsam alle Abgaben zu leisten hatten und bis auf wenige Ausnahmen von einträglichen Ämtern ausgeschlossen waren. Die einzelnen Untergruppen waren Mittelstand, Landwirte, Handwerker, Randgruppen und Sklaven.
Der Mittelstand setzte sich hauptsächlich aus europäischen Einwanderern zusammen, die sich auf den Kanaren niedergelassen hatten. Sie bezogen ihre gehobene wirtschaftliche und gesellschaftliche Position aus Produktion und Vertrieb von Zucker und Wein und standen eng mit der Führungsschicht in Verbindung. Der Bauern machten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung aus und unterschieden sich darin, ob sie eigenen Landbesitz hatten oder als Tagelöhner auf fremden Gütern arbeiteten. Sie waren auf Gedeih und Verderb dem Ernteerfolg ausgeliefert und sahen sich entsprechend häufig mit Hungersnöten und Epidemien konfrontiert. Die Zahl der Handwerker auf den Inseln war gering, denn die Bevölkerungszahl war niedrig und der Großteil der Bevölkerung verrichtete anfallende Arbeiten selbst. Nur für wenige Aufgaben wurden Küfer, Schmiede, Zimmerleute und ähnliche Spezialisten benötigt. Die Handwerkerschaft beschränkte sich auf große Siedlungen. Innerhalb der Gruppe der Handwerker gab es Randgruppen, die sich unangesehenen Aufgaben widmeten: Scharfrichter, Fleischer und Hebammen. Ferner gab es Vagabunden und Bettler, deren Zahl mit Steigen und Fallen der Konjunktur einherging. Sklaven spielten eine bedeutende Rolle in der Gesellschaftsordnung. Die teils von den Guanchen abstammenden oder aus Afrika eingeführten Leibeigenen führten landwirtschaftliche oder häusliche Arbeiten aus. Berberische Sklaven waren in großer Zahl auf Lanzarote und Fuerteventura anzutreffen, wo sie den Mangel an einheimischer Bevölkerung ausglichen. Sie stammten aus Raubzügen an der benachbarten afrikanischen Küste zum Fangen sklavischer Arbeitskräfte. Die schwarzen Sklaven wurden in den Zuckerrohrplantagen auf Teneriffa, Gran Canaria und La Palma eingesetzt. Die Sklaven spielten zahlenmäßig bei der Zusammensetzung der Bevölkerung keine große Rolle; als der Zuckerrohranbau abgeschafft wurde, reduzierte sich ihre Anzahl durch Freilassung erheblich. Freigelassene Sklaven standen auf der untersten Stufe der Gesellschaft, ihre Nachkommen vermischten sich jedoch mit den anderen Bevölkerungsgruppen.
Piraterie
Der Kanarische Archipel, mit einigen großen Seehäfen, stellte für etwa 300 Jahre das wichtigste Bindeglied auf den bedeutenden Handelsrouten für Segelschiffe zwischen Europa und Amerika dar. Das machte die Inselgruppe von Anfang an für Piraten interessant. Schon 1553 gelang es dem französischen Korsaren François LeClerc Santa Cruz de La Palma auszuplündern. Ein Jahr später versuchte der Franzose Durand de Villegaingnong das Gleiche, musste sich aber geschlagen geben. Jacques Sores, auch Franzose, griff 1570 ebenfalls La Palma an. Eine holländische Flotte von über 70 Schiffen kreuzte 1599 vor Gran Canaria auf. Unter dem Kommando des Admirals Pieter van der Does gelang es den Holländern zwar an Land zu kommen und Las Palmas einzunehmen, scheiterten aber unter vielen Verlusten bei einem Versuch ins Innere der Insel vorzudringen an der listigen Verteidigungsstrategie der kanarischen Verteidiger. Ein vorangegangener Überfall auf San Sebastián de la Gomera endete für Pieter van der Does ebenfalls in einer Niederlage. Bereits 1571 wurde San Sebastián von Jean Capdeville dem Erdboden gleich gemacht. Im Laufe der Jahrhunderte wurden auf einigen Inseln Festungen zum Schutz gegen Piraten errichtet, wie das Castillo de San Gabriel bei Arrecife auf Lanzarote. Hier ereignete sich 1618 der letzte schwere Überfall algerischer Piraten, bei dem viele Einheimische aus der Cueva de los Verdes verschleppt und als Sklaven verkauft wurden.
Auch England versuchte mehrfach die Inseln einzunehmen, da es nahezu die Herrschaft über die Weltmeere errungen hatte. William Harper griff 1593 Lanzarote und Fuerteventura an. Sir Francis Drake wurde 1585 und noch einmal 1595 vor Las Palmas erfolgreich abgewehrt. Walter Raleigh überfiel 1595 Fuerteventura und Teneriffa, sowie 1616 die Stadt Arrecife. Ein Angriff des Admiral Blake auf Teneriffa schlug 1657 fehl. John Jennings musste sich bei einem Angriff auf Santa Cruz de Tenerife 1706 geschlagen geben, genauso wie Woodes Rogers zwei Jahre später. 1744 griff Charles Windon San Sebastián de la Gomera und La Palma an. Admiral Horatio Nelson bedrohte 1797 mit sieben großen Kriegsschiffen Santa Cruz de Tenerife und wollte mit etwa 700 Mann per Handstreich zunächst das zentrale Fort der Stadt stürmen. Der Plan gründete sich auf die Unwahrscheinlichkeit, gerade die stärkste, zentrale Stellung des Hafens anzugreifen, aber die Verteidiger hatten ihn trotzdem erahnt. Die daraufhin umpostierte Hafenartillerie versenkte eines seiner größeren Landungsschiffe und viele der Landungsboote. Die vollkommen durchnässte und fast munitionslose Truppe, die es trotzdem an Land geschafft hatte, wurde von den kanarischen Milizen mitten in Santa Cruz eingeschlossen, so dass der schwer verwundete Nelson aufgeben musste, denn bei dieser Eroberungsaktion hatte er nicht nur 226 seiner Leute verloren, die bei der verunglückten Landung ertranken oder erschossen worden waren, sondern auch seinen rechten Arm, als er an der Spitze seiner Soldaten die kleine Mole von Santa Cruz entern wollte. Die Splitter einer berstenden Kanonenkugel trennten ihm fast den rechten Unterarm ab. Nur mit viel Glück schaffte es sein Boot wieder zurück zu den Schiffen, wo der verletzte Arm bis zur Schulter amputiert werden musste, von einem französischen Arzt mit einer einfachen Säge auf einem Kajütentisch. Die gefangenen überlebenden Engländer schickte General Antonio Gutierrez, der Nelsons Angriffsplan erraten hatte, mit einer noblen Geste zurück. Heute erinnert die mächtige alte Bronzekanone El Tigre im Militärmuseum von Santa Cruz, die dem Glauben nach den entscheidenden Schuss abgefeuert haben soll, der Nelson den Arm kostete, an seine einzige Kapitulation[14].
Wirtschaft
Während drei Jahrhunderten stellte die Landwirtschaft die wirtschaftliche Triebfeder der Kanarischen Inseln dar. Der gewöhnliche Anbau diente dazu, die Bevölkerung zu ernähren, doch Zuckerrohr und Wein waren für den Export bestimmt.
Das Hauptprodukt des Anbaus für den Eigengebrauch war Getreide. Die Getreideproduktion nahm im 16. Jahrhundert stark zu, denn die Feldfrüchte stellten das Hauptnahrungsmittel der Kanaren dar; dementsprechend viele Bauern waren mit ihrem Anbau beschäftigt. Angebaut wurden Weizen, Gerste und in kleinem Umfang auch Roggen. Einige Inseln, beispielsweise Lanzarote, Teneriffa, Fuerteventura und La Palma, erwirtschafteten Überschüsse, die von Inseln mit defizitärem Getreideanbau importiert wurden. Während des 17. Jahrhunderts änderte sich die Situation. Obwohl der Getreideanbau seinen Stellenwert behielt, gerieten einige Inseln, allen voran Teneriffa, wegen des verstärkten Weinanbaus auf die defizitäre Seite, so dass sie von Fuerteventura, Lanzarote und sogar Marokko Getreide nachkaufen mussten. Im 18. Jahrhundert erlaubte die Weinbaukrise den Getreidemärkten Teneriffas und La Palmas eine Erholungsphase, die Verluste durch den Weinbau konnten jedoch trotz intensiver Suche nach Absatzmärkten in Holland und später den Vereinigten Staaten nicht ausgeglichen werden. Zur gleichen Zeit breiteten sich mit Kartoffeln, Mais und Tomaten neue, aus Amerika eingeführte Anbauprodukte aus, die rasch an Bedeutung gewannen und Abwechslung in die bisher einseitige Ernährung der Kanaren brachte. Der große Erfolg dieser neuen Anbauprodukte ließ die kanarische Wirtschaft von neuem erstarken, während vulkanische Aktivität auf Lanzarote dem Weinbau einen Aufschwung bescherte.
Der für den Export bestimmte Anbau entwickelte sich parallel zu dem für den Eigenverbrauch. Direkt nach der Eroberung und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde von Madeira aus der Zuckerrohranbau eingeführt. Besonders auf Gran Canaria nahm er einen hohen Stellenwert ein und belegte große Teile der nördlichen und östlichen Ländereien, bis zu einer Höhe von 500 Metern über NN, aber auch auf Teneriffa, La Palma und La Gomera war er von Bedeutung. Zuckerrohr wurde mit Hilfe von Bewässerungsanlagen angebaut und verbrauchte große Wassermengen. Weil er den Boden auslaugte mussten ständig neue Anbauflächen gerodet werden. Zum Auskochen des Zuckers aus dem Zuckerrohrbrei wurden große Mengen Holz benötigt. Alle drei Ressourcen - Wasser, Boden und Holz - waren knapp auf den Kanarischen Inseln und verteuerten das Endprodukt Zucker. Zucker und Zuckerrohr wurden neben der iberischen Halbinsel nach Flandern, Frankreich und Genua exportiert. Die Kontrolle dieses Wirtschaftszweiges lag bei ausländischen Kaufleuten, besonders Genuesen und Flamen. Der Zuckerrohranbau lohnte sich für die Kanaren, bis er auch in Amerika eingeführt und von dort aus nach Europa exportiert wurde. Die niedrigeren Kosten der amerikanischen Herstellung ließen den Zuckermarkt Mitte des 16. Jahrhunderts zusammenbrechen, was schwerwiegende Auswirkungen auf die kanarische Gesellschaft hatte.
Wegen der Zuckerkrise wurde Ende des 16. Jahrhunderts der Wein als Hauptprodukt der kanarischen Exportlandwirtschaft eingeführt. Einführung und Höhepunkt der Weinwirtschaft fielen mit einem Preishoch bei Wein zusammen, so dass dieser Produktionszweig lohnend war. Weinbau wurde vor allem auf Teneriffa und La Palma betrieben, wo die Anbaufläche auf Kosten der Landwirtschaft für die Eigenversorgung vergrößert wurde. Die Weinproduktion Teneriffas belief sich Ende des 17. Jahrhunderts auf 30.000 Fässer jährlich, wobei ein Fass 480 Litern entsprach. Der Wein wurde nach Flandern, Frankreich und auf das spanische Festland exportiert, vor allem aber nach England, wo der kanarische Wein großes Ansehen genoss. Auch in den englischen Kolonien in Amerika wurde kanarischer Wein verkauft. Die Weinwirtschaft lag zunächst in Händen bekehrter Juden und einiger Kaufleute aus Sevilla, später kamen englische, holländische und französische Kaufleute hinzu. Der Niedergang des Weinbaus folgte ab 1680, als portugiesische Weine die kanarischen vom britischen Markt drängten. Die daraufhin folgende Wirtschaftskrise machte sich vor allem in Teneriffa bemerkbar, indem große Teile der Bevölkerung auf die anderen kanarischen Inseln, oder in amerikanische Kolonien, auswanderten und die Bevölkerungszahl in der Folge stagnierte.
Die Inseln mit Exportbeziehungen ins Ausland - Teneriffa, La Palma und Gran Canaria - fungierten als Zwischenhändler für die anderen Inseln. Der größte Teil des wirtschaftlichen Austauschs mit dem Ausland betraf Europa. Im 16. und 17. Jahrhundert importierten die Kanaren Stoffe, Werkzeuge, Luxusgüter und verschiedene Fertigwaren und exportierten neben Zucker und Wein, Orseille, Getreide und Leder. Während dieser Zeit gab es zudem Handel mit Amerika, der wegen des Casa de Contratación großteils illegal war. Nach Amerika exportierten die Kanaren Wein, Essig, Birnenkonserven, Quitten, Trockenfrüchte und ähnliches. Im Gegenzug importierten sie Kakao, Tabak, brasilianisches Holz und Möbel. Die Freihandelsgesetze des 18. Jahrhunderts verstärkten den Handel mit Amerika. Besondere Bedeutung kommt dem königlichen Erlass von 1718 zu, der die Handelsbeziehungen zwischen den kanarischen Inseln und Amerika auf besondere Weise legalisierte: Pro 100 Tonnen exportierter Handelsgüter mussten fünf kanarische Familien mit je fünf Mitgliedern nach Amerika auswandern. Der Erlass legte damit eine Handelspraxis schriftlich nieder, die unter dem Namen Bluttribut, tributo de sangre, bereits seit 1678 praktiziert wurde.
19. Jahrhundert bis heute
1812 hatte das spanische Parlament in Cádiz verfassungsmäßig eine neue Verwaltungsebene eingerichtet, demzufolge entstanden die ersten Stadt- bzw. Gemeindeverwaltungen (Ayuntamientos) auch auf den Kanaren.
Wirtschaftliche Probleme, hervorgerufen durch die Rückkehr des absolutistischen Königs Ferdinand VII. im Jahr 1814, der die zuvor fortschreitende Liberalisierung der Wirtschaft und die neue verfassungsrechtliche Ordnung von 1812 in Spanien umwarf, veranlassten Königin Isabella II. die Kanarischen Inseln 1852 zur Freihandelszone zu erklären. Die gewährten Zollvorteile führten wieder zu einer Belebung der kanarischen Wirtschaft.
1821 erklärte man die Kanaren zu einer spanischen Provinz mit der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife, welche sich allerdings mit Las Palmas de Gran Canaria um diesen Titel stritt. Daraus resultierte von 1840 bis 1873 eine Teilung der Inselgruppe in eine westliche und eine östliche Zone. Der Politiker und Führer der „Kanarischen Liberalen Partei“ (Partido Liberal Canario) mit Sitz auf Gran Canaria, Fernando Léon y Castillo, setzte sich mehr und mehr für die Vormachtstellung seines Gebietes ein. Das sieht man heute als Auslöser für die endgültige Teilung des Archipels an. Am 11. Juli 1912 wurde das „Gesetz der Inselräte“ (Ley de Cabildos) verabschiedet, in dem verfassungsmäßig die Inseln von ihren eigenen Inselregierungen (Cabildos) verwaltet werden sollten. Trotzdem hielt der Streit an, so dass am 21. September 1927 die beiden Provinzen Las Palmas und Santa Cruz de Tenerife ausgerufen wurden.
1931 entstand in Spanien die Zweite Republik nach demokratischen Gesichtspunkten, die aber die Konflikte im Lande nicht lösen konnte. Die Republik wurde durch das Franco-Regime gewaltsam aufgelöst. Nachdem 1936 Francisco Franco seines Amtes als Oberbefehlshaber der Armee enthoben wurde, ernannte man ihn zum Militärkommandeur (Kapitängeneral) auf den Kanarischen Inseln und in Spanisch-Marokko. Als nach der Ermordung des konservativen Politikers José Calvo Sotelo große Teile der rechtsgerichteten und faschistischen spanischen Armee gegen die Regierung revoltierten, und Franco nach dem Übersetzen von Gran Canaria aus den Oberbefehl über die Truppen in Spanisch-Marokko am 19. Juli 1936 übernahm, begann der Spanische Bürgerkrieg (1936–1939).
1964 bildet sich in Algier, Algerien, eine Unabhängigkeitsbewegung mit Namen „Movimiento por la Autodeterminación e Independencia del Archipiélago Canario (MPAIAC)“ (Bewegung für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Kanaren), deren Generalsekretär Antonio de León Cubillo Ferreira eine Republik der Guanchen, der früheren Bevölkerung, anstrebte. Man wollte sich in erster Linie vom Franco-Regime abspalten. Nach dem Ende der Militärherrschaft des Generals Francisco Franco, unter der auch die eigenständige Kultur der Kanaren unterdrückt und vernachlässigt wurde, entwickelte sich Spanien ab 1975 rasch zu einer pluralistischen Demokratie. In diesem Rahmen bildeten sich auch einige kanarische Regionalparteien. Diese plädierten beispielsweise für eine Unabhängigkeit oder eine politische Hinwendung zu den Staaten Nordafrikas. Damit waren diese Parteien aber kaum mehrheitsfähig.
Die Inseln bilden zusammen seit 16. August 1982 eine der siebzehn Autonomen Gemeinschaften (span.: comunidades autónomas) Spaniens. Die Städte Santa Cruz de Tenerife und Las Palmas de Gran Canaria sind gemeinsam Hauptstädte der Autonomen Gemeinschaft. Der Sitz des Ministerpräsidenten (Presidente del Gobierno) wechselt mit jeder Legislaturperiode. Das Parlament der Kanarischen Inseln hat seinen ständigen Sitz in Santa Cruz de Tenerife. Erstmals in der Geschichte der Inseln konnte man am 30. Mai 1983 Personen in eine eigene politische Institution frei wählen. Seitdem ist der 30. Mai hier ein gesetzlicher Feiertag.
Als Spanien 1986 der Europäischen Union beitrat, verweigerten dies die Kanaren aus Furcht vor wirtschaftlichen Einbrüchen. Erst nachdem die Kanaren 1991 einer Vollmitgliedschaft zustimmten, traten sie 1992 endgültig in die EU ein. Seitdem gilt auf den Inseln das Recht der Europäischen Gemeinschaft, wobei in einigen Bereichen vorteilhaftere Sondervorschriften gelten, die der großen Entfernung zum übrigen Territorium der EU Rechnung tragen und die Nachteile der Insellage ausgleichen sollen. Ebenso gehört die Inselgruppe zum europäischen Zollgebiet, wobei sie in einigen Bereichen von Sonderbedingungen profitieren und eine Reihe von Hilfsprogrammen und Subventionen erhalten. Als Währung löste der Euro am 1. Januar 2002 die Peseta ab.
Einzelnachweise
- ↑ Plinius der Ältere: Naturalis historia, VI, 202–205
- ↑ a b Gentests bestätigen berberische Herkunft der Ureinwohner der Kanaren
- ↑ Mauro S. Hernández Pérez. El Julán. Gobierno de Canarias, 2002
- ↑ Renata A. Springer Bunk. La escritura líbico-bereber en Canarias, Centro de la Cultura Popular Canaria-Tenerife, 2001
- ↑ María José Vázquez de Praga y Chueca: Redescubrimiento y conquista de las Afortunadas, Theatrum Naturae, Madrid, 2003
- ↑ Antonio Rumeu de Armas: El obispado de Telde, Ayuntamiento de Telde, 2001
- ↑ Alejandro Cioranescu: Juan de Bethencourt, act, Tenerife 1982
- ↑ Antonio Rumeu de Armas: El Obispado de Telde, Patronato de la Casa de Colón, Madrid-Las Palmas, 1960
- ↑ Le Canarien. Manuscritos, Transcripción y Traducción. Instituto de Estudios Canarios, La Laguna/Tenerife, 2003
- ↑ Alejandro Cioranescu: Doña Beatriz de Bobadilla, Santa Cruz de Tenerife, 1989
- ↑ Josef Dominik Wölfel: Monumenta Linguae Canariae, Graz, 1965
- ↑ Antonio Tejera Gaspar: Los cuatro viajes de Colón y las Islas Canarias, 1492-1502, Ed. Francisco Lemus, 2000
- ↑ Quelle aller Einwohnerzahlen
- ↑ Antonio Rumeu de Armas. Canarias y el Atlántico. Gobierno de Canarias e.a., 1991. 5 Bände
Literatur
- Hans Biedermann: Die Spur der Altkanarier. Burgfried-Verlag, Hallein 1983. (Eine immer noch aktuelle Zusammenfassung der zahlreichen Vermutungen um die Besiedlung der Inseln)
- Carlos Calvet: Geschichte und Mythen der Kanaren - Spuren einer längst untergegangenen Kultur. Bohmeier Verlag, Leipzig 2007, ISBN 978-3-89094-517-0
- John Mercer: Canary Islanders: Their Prehistory, Conquest and Survival. R. Collings, London 1980, ISBN 978-0860361268
- Carlos Müller: Die Kanarischen Inseln. Reisen durch die Zeit. Dagmar Drewes Verlag, Celle 2005, ISBN 3-936269-39-4. (Bebilderte Geschichte der Kanarischen Inseln mit umfangreicher Bibliographie. Webseite des Buches)
Weblinks
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