- Quadratischer Zahlkörper
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Ein quadratischer Zahlkörper ist eine algebraische Körpererweiterung der Form
mit einer rationalen Zahl d, die kein Quadrat in ist. Dies sind genau die Erweiterungen vom Grad 2 über .
Quadratische Zahlkörper sind, nach selbst, die einfachsten Zahlkörper.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Theorie der quadratischen Zahlkörper entwickelte sich aus dem Studium der binären quadratischen Formen. Euler und Fermat hatten bei ihren Untersuchungen zu diophantischen Gleichungen viele fundamentale Einzelergebnisse zusammengetragen, welche anschließend Raum für weitere Forschungen boten. In seiner Disquisitiones Arithmeticae knüpft Gauß im Abschnitt V an die Arbeiten von Fermat, Euler und Lagrange an und behandelt dort ausgiebig die Theorie der binären quadratischen Formen. Obwohl sich Gauß bei seiner Darstellung im Bereich der ganzen Zahlen bewegt, ist es aus heutiger Sicht eleganter, den Körper der rationalen Zahlen so quadratisch zu erweitern, dass eine Zerlegung der quadratischen Formen in Linearfaktoren vorgenommen werden kann. Eine solche Zerlegung sieht dann wie folgt aus:
Damit wird die Theorie der quadratischen Zahlkörper zu einem Bestandteil der Theorie der binären quadratischen Formen. Es lässt sich auf verschiedene Arten Körper der rationalen Zahlen zu einem umfassenden Körper erweitern.
So untersucht man etwa den Ring der ganzalgebraischen Zahlen; dies sind jene komplexen Zahlen, die Nullstelle eines nichttrivial normierten Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten sind. Zudem ist es sinnvoll, nur so viele der Zahlen hinzuzunehmen, wie für ein gegebenes Problem benötigt werden. Sei K der kleinste Teilkörper des Körpers der algebraischen Zahlen und seien endlich viele algebraische Zahlen, die in K enthalten sind. Dann schreibt man
und sagt der Körper K ist ein Erweiterungskörper oder eine Körpererweiterung von , der durch Adjunktion der Elemente aus entsteht.
Insbesondere ist (K, + ) eine abelsche Gruppe. Weil zudem die Multiplikation von Elementen aus K mit den Skalaren aus erklärt ist über
erhält man aus den Körperaxiomen für unmittelbar die Vektorraumaxiome, so dass K als ein Vektorraum über aufgefasst werden kann. Der Körper K besitzt über endlichen Grad, so dass K als -Vektorraum endlichdimensional ist.
Wird von einem algebraischen Element α erzeugt, dann hat K eine Basis und folglich die Dimension
wobei n gleich dem Grad des Minimalpolynoms fα entspricht, welches α als Nullstelle hat. Es lässt sich leicht zeigen, dass K Grad 2 über besitzen wenn das Minimalpolynom von α quadratisch ist. Somit ist K ein Zahlkörper.
Für einen Zahlkörper K bezeichnet
den Ganzheitsring von K bzw. den ganzen Abschluss von in K. Somit besteht aus allen Elementen, die in K ganzalgebraisch sind, d.h. es ist
Definition
Ein quadratischer Zahlkörper ist eine quadratische Erweiterung der rationalen Zahlen. Quadratische Zahlkörper entstehen also aus durch Adjunktion der Quadratwurzel .
Sei im Folgenden d eine von 0 und 1 verschiedene quadratfreie ganze Zahl. Dann heißt die Menge
ein quadratischer Zahlkörper.
Ist d > 0, so heißt K reellquadratischer Zahlkörper, sonst imaginärquadratischer Zahlkörper. Dabei ist eine willkürlich, aber fest gewählte komplexe Lösung der Gleichung X2 = d. Die zweite Lösung diese Gleichung führt zum gleichen Zahlkörper.
Eigenschaften
Es gilt, dass jedes Element von Nullstelle eines Polynoms vom Grad ist. Also ist jedes Element von K algebraisch. Man erhält somit einen Turm von Körpern:
Insbesondere ist eine -Basis von K, das heißt es ist
Nun besitzt der Körper K genau zwei Körperautomorphismen, zum einen die identische Abbildung
und zum anderen die Konjugationsabbildung:
Insbesondere ist eine Galoisgruppe der Ordnung 2. Für heißt σ(α) das konjugierte Element zu α.
Die beiden Größen Norm und Spur eines quadratischen Zahlkörpers K lassen sich nun aus seinem Körperautomorphismus σ darstellen über die Abbildungen:
und
Da die Einbettung σ einen Ringhomomorphismus bildet, wird die Spur additiv und die Norm multiplikativ. Durch Einsetzen erhält man:
Die Norm ist damit eine quadratische Form auf K. Aufgrund der Tatsache, dass die ganzalgebraischen Zahlen einen Ring bilden, ist offensichtlich ebenfalls ein Ring. Dieser übernimmt eine analoge Rolle in K, wie der Ring in , und es gilt . Also ist ein Unterring von K. Damit sind alle Elemente der Form stets gebraisch ganz und man erhält eine Inklusion von Ringen:
Dass diese nicht notwendigerweise isomorph zueinander sind, zeigt das nachfolgende
- Beispiel
- Betrachten wir die dritte Einheitswurzel . Diese ist eine Nullstelle des Polynoms und somit eine ganzalgebraische Zahl. Also ist , aber .
Es gibt eine sehr einfache Möglichkeit, die ganzalgebraischen Zahlen in einem quadratischen Zahlkörper zu identifizieren, denn eine Zahl liegt genau dann in , wenn seine Spur und Norm ganze Zahlen sind.
Da abzählbar unendlich ist, ist auch abzählbar unendlich, da nur endlich viele Nullstellen hat. Das heißt, auch die Menge der algebraischen Zahlen ist von der Kardinalität abzählbar unendlich. Somit gibt es nur abzählbar viele Elemente in , die über algebraisch sind, also nur abzählbar viele quadratische Zahlkörper.
Es bleibt noch die Frage nach der Form der ganzalgebraischen Elemente aus . Dabei hängen die vielfältigen Varianten der Elemente x und y von der Kongruenzklasse d modulo 4 ab. Als quadratfreie Zahl kann d von vornherein nur kongruent 1, 2 oder 3 mod 4 sein. Es gilt nun
- Es sei quadratfrei und der zugehörige quadratische Zahlkörper, dann gilt
- Beispiel
- Die dritte Einheitswurzel liegt wegen in und ist vom Typ . Hingegen besitzen die ganzen Gaußschen Zahlen in wegen der Kongruenz die Form .
Einheiten
Ein erster wesentlicher Unterschied von reell- und imaginärquadratischen Zahlkörpern besteht bezüglich ihrer Einheiten. So ist z.B. die Einheitengruppe des Rings die zyklische Gruppe der Ordnung 2. Die Beschreibung der Einheitengruppe des Ganzheitsrings hängt jedoch davon ab, ob K reell- oder imaginärquadratischen ist. So ist die Einheitengruppe für imaginärquadratische Zahlkörper endlich und wir können sie beschreiben mit:
- Sei d < 0 und der zugehörige quadratische Zahlkörper. Für die Einheitengruppe imaginärquadratischer Zahlkörper gilt
Im Falle des reellquadratischen Zahlkörpers ist die Beschreibung der Einheitengruppe sehr viel aufwändiger. Es zeigt sich, dass jeder reellquadratische Zahlkörper unendlich viele Einheiten besitzt. Dabei läuft die Bestimmung der Einheitengruppe auf die Lösung der Pellschen-Gleichung hinaus. Man kann nun mittels des Dirichletschen Schubfachprinzips zeigen, dass diese Gleichung unendlich viele Einheiten (Lösungen) liefert. Da des Schubfachprinzip bedauerlicherweise nicht konstruktiv ist, gelingt die Bestimmung der Einheiten bis heute nur mittels der Kettenbruchapproximation.
Konstruktion quadratischer Zahlkörper
Ein klassisches Beispiel der Konstruktion eines quadratischen Zahlkörpers ist es, den eindeutig bestimmten quadratischen Zwischenkörper eines von einer primitiven p-ten Einheitswurzel gebildeten Kreisteilungskörpers zu nehmen, p eine ungerade Primzahl. Die Eindeutigkeit folgt daraus, dass die Galoisgruppe von isomorph zu und damit zyklisch ist. Durch Betrachten der Verzweigung erkennt man, dass der quadratische Zwischenkörper gleich mit ist; die Diskriminante von ist nämlich eine p-Potenz, und daher muss dies auch für die Diskriminante des quadratischen Zwischenkörpers gelten. Nach obiger Aussage muss daher sein, da sonst auch 2 verzweigt ist. Dasselbe gilt auch für beliebige Potenzen einer ungeraden Primzahl.
Der Körper besitzt dagegen genau die drei Körper , und als quadratische Zwischenkörper; dies liegt daran, dass die Galoisgruppe der Erweiterung nicht mehr zyklisch ist (siehe prime Restklassengruppe).
Für den Spezialfall d = − 1 erhält man den Quotientenkörper der Gaußschen Zahlen, für d = − 3 den Quotientenkörper der Eisenstein-Zahlen. Diese beiden Zahlkörper sind die einzigen quadratischen Zahlkörper, die zugleich Kreisteilungskörper sind.
Nichteindeutigkeit der Primfaktorzerlegung
Im Jahre 1843 machte Peter Dirichlet Ernst Eduard Kummer auf die Nichteindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in gewissen Zahlenringen aufmerksam . Kummer hatte bei seinem vermeintlichen Beweis zur Fermatschen-Vermutung, welcher die algebraischen Zahlen einbezog, den Fundamentalsatz der Zahlentheorie auch für alle algebraischen Zahlen als erwiesen angesehen, sodass diese ebenfalls eine eindeutige Zerlegung wie die gewöhnlichen ganzen Zahlen besitzen. Dass dieser aber schon im Ring nicht mehr gegeben ist, kann leicht für die Zahl 21 gezeigt werden.
So ist einerseits und andererseits . Dass die Zahlen in alle irreduzibel und nicht zueinander assoziiert sind, sieht man mit Hilfe der Norm folgendermaßen ein. Angenommen die Zahl 3 wäre zerlegbar. Etwa mit , wobei keine Einheiten seien. Dann ist und folglich müssen sein. Nun sind α,β von der Form mit und damit folgt, dass die Norm ist. Nun ist die Gleichung aber offensichtlich unlösbar in den ganzen Zahlen, was im Widerspruch zu unserer Annahme steht. Also ist die Zahl 3 in irreduzibel und man beweist analog, dass es auch die Zahlen sind. Dass die Zahlen 3 und 7 nicht zueinander assoziiert sind, ist klar. Genauso können und als Konjugierte nicht zueinander assoziiert sein. Angenommen, die Zahlen 3 und 7 seien zu assoziiert, dann wären die Brüche . Da aber sowohl die Spur von als auch von nicht ganzzahlig sind, können die Elemente somit nicht in liegen. Also sind die Zahlen nicht zueinander assoziiert. Folglich liegen für die Zahl 21 zwei verschiedene Primfaktorzerlegungen in vor.
Wir sehen also, dass der Fundamentalsatz der Zahlentheorie und damit die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung im Allgemeinen nicht mehr vorausgesetzt werden kann.
Probleme dieser Art sind heute mit der Kummerschen Idealtheorie in den Griff zu bekommen. Geleitet von den komplexen Zahlen bestand Kummers Absicht darin, einen erweiterten Bereich neuer idealer Zahlen zu schaffen, sodass diese sich eindeutig in das Produkt idealer Primzahlen zerlegen lassen. Die von Kummer entwickelte Theorie der idealen Zahlen wurde durch den deutschen Mathematiker Richard Dedekind systematisiert und man bezeichnet heute die idealen Zahlen einfach als die Dedekindschen Ideale des Ringes . Das Fundamentaltheorem der Dedekindschen Idealtheorie liefert nun die Verallgemeinerung des Satzes der eindeutigen Primfaktorzerlegung und zeigt einen Weg auf, mit der Mehrdeutigkeit der Primfaktorzerlegung umzugehen und eine Analogie zum Fundamentalsatz der Zahlentheorie wieder herzustellen. (Siehe dazu etwa Dedekindring).
Primidealzerlegung
Dass die Primidealzerlegung eines Hauptideals , für eine Primzahl p, nicht willkürlich sein kann, folgt schon aus der Norm . Das heißt zerfällt entweder in ein Primideal oder in das Produkt zweier (nicht notwendigerweise verschiedener) Primideale der Norm p. Eine ungerade Primzahl p heißt in
- träge, wenn ein Primideal ist,
- zerlegt, wenn mit Primideale ,
- verzweigt, wenn für ein Primideal .
Der dritte Fall tritt genau für die (endlich vielen) Primteiler der Diskriminante auf. Die anderen beiden Fälle treten in einem gewissen Sinne »gleichhäufig« auf; dies folgt aus dem Chebotarevschen Dichtigkeitssatz.
Man findet nun ohne großen Aufwand, dass für die Diskriminante eines quadratischen Zahlkörpers:
Man beachte, dass stets gilt.
Mit Hilfe der Diskriminante und des Legende-Symbols lässt sich eine übersichtliche Beschreibung des Verhaltens von ungeraden Primzahlen in einem quadratischen Zahlkörper geben:
Satz (Zerlegungsgesetz): Für eine ungerade Primzahl p in gilt: Ist , dann ist und p ist verzweigt,
Ist , dann ist p zerlegt,
Ist , dann ist p träge.
Beweis: Siehe: Zerlegungsgesetz
Bemerkung: Die Primzahl 2 wurde ausgeschlossen. Es gilt aber, dass 2 in träge ist, wenn . Sie ist zerlegt, wenn , und sie ist verzweigt, falls .
Die Aussage für die Trägheit gilt auch für die Zerlegung in Primelemente; im Allgemeinen lassen sich solche Aussagen aber genau dann auf Primelemente fortsetzten, wenn Hauptidealring ist, also eindeutige Zerlegung in Primelemente besitzt, oder äquivalenterweise Klassenzahl 1 hat.
- Beispiel
Betrachten man beispielsweise . Dann erhalten wir durch mehrfache Anwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, dass die Primzahl 37 in träge ist. Denn .
Literatur
- Alexander Schmidt: Einführung in die algebraische Zahlentheorie. 1. Auflage. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-45973-6.
- Michael Artin und Annette A’Campo: Algebra. Nachdruck der 1. Auflage. Birkhäuser Verlag, Basel 1998, ISBN 978-3-7643-5938-6.
- Jürgen Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Nachdruck der 1. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-37547-0.
- D. A. Zagier: Zetafunktionen und quadratische Körper: Eine Einführung in die höhere Zahlentheorie. 1. Auflage. Springer, Berlin 1981, ISBN 978-3-540-10603-6.
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