- Via Francigena
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Als Via Francigena, auch Frankenstraße oder Frankenweg, werden im weiteren Sinne die alten Fernstraßen bezeichnet, die Pilger auf ihrem Weg von Franken nach Rom zur Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus, nutzten. Oft findet sich dafür auch – auf das Ziel bezogen – die Bezeichnung „Via Romea“.
Obwohl bereits im Itinerarium Burdigalense (334) ein Pilgerweg nach Rom beschrieben wurde und auch durch die Annales Stadenses, eine zwischen 1240 und 1256 von dem Abt Albert von Stade aufgezeichnete Chronik über sämtliche Routenverbindungen zwischen Mittel- und Nordeuropa und Rom, viele Wege von Franken nach Rom belegt sind, hat sich die Nennung einer Strecke unter dieser Bezeichnung eingebürgert:
Es handelt sich dabei um den Weg von Canterbury nach Rom, der in den Aufzeichnungen des Erzbischofs Sigerich der Ernste von Canterbury (994) beschrieben wurde.
Im Jahr 1994 hat das European Institute of Cultural Routes – auf Antrag des italienischen Tourismusministeriums – den Pilgerweg von Canterbury nach Rom als Europäische Kulturstraße deklariert, dem die nachfolgende Beschreibung entspricht.
Inhaltsverzeichnis
Der Straßenverlauf nördlich der Alpen
Von Canterbury über Calais verlief die Straße über Arras, Licques, Wisques, Camblain l'Abbey, Arras, Laon, Reims, Châlons-sur-Marne, Bar-sur-Aube, Besançon und Pontarlier nach Lausanne und Saint-Maurice in der Schweiz, um am Großen Sankt Bernhard die Alpen zu überqueren.
Zubringerwege in Deutschland
Es sind heute zwei Hauptstrecken als Zubringer zur Via Francigena bekannt. Von Ost nach West sind dies:
Von Stade kommend über den Brennerpass in Österreich. Wichtige Ort an diesem Weg sind Würzburg, Rothenburg, Augsburg, Innsbruck, Trento, Verona, Bologna und Florenz.
Dieser Weg gabelt sich in Augsburg zum Gotthardpass. Wichtige Stationen sind Konstanz, Chur und Mailand.
In Stade beginnt auch ein zweiter Weg, der über Paderborn in Mainz auf die Rhein-Achse trifft und über Worms, Speyer, Straßburg und Basel zum Großen Sankt Bernhard führt, wo er auf die Via Francigena trifft.
In Mainz trifft der aus Utrecht (NL) und über Köln der Rhein-Achse folgende Westzweig auf die alte Pilgerstraße.
Der Straßenverlauf südlich der Alpen
In Italien verlief die Via Francigena durch das Aostatal, Ivrea, Vercelli, über Pavia, Piacenza, Fiorenzuola d’Arda, Fidenza bis nach Parma, um von dort über Fornovo di Taro, Cassio, Berceto den Apennin am Passo della Cisa zu überqueren.
Hinter Pontremoli teilte sich der Weg in zwei Routen, um die Apuanischen Alpen zu umgehen, eine westliche, die über Luni/Sarzana, Carrara und Massa verlief, und dabei teilweise die alte Via Aurelia nutzte, und eine, die entlang der Ostseite der Berge führte. Beide Strecken trafen in Lucca wieder zusammen.
Von Lucca aus ging es dann südöstlich auf die Via Pisana (die Römerstraße von Florenz nach Pisa) und den Arno zu, der bei San Genesio (das 1248 zerstört wurde) und San Miniato gekreuzt beziehungsweise überquert wurden; von hier aus folgte die Via Francigena dem Tal der Elsa (Valdelsa) auf mehreren Routen, die in Poggibonsi wieder aufeinandertrafen, um sich kurz oberhalb wieder zu trennen. Zwei Routen führten entlang der beiden Ufer der Elsa, am rechten Ufer über Castelfiorentino und Certaldo, am linken Ufer direkt und ohne größere Orte zu berühren; eine dritte Route zweigte von der letzteren ab und ging durch die Hügellandschaft der Toskana, wobei die Orte Gambassi Terme und San Gimignano berührt wurden.
Auf dieser Strecke kreuzte die Via Francigena mehrfach die aus etruskischer Zeit stammende Via Volterrana, die von Nordosten (Fiesole) kommend auf zwei Routen auf Volterra zustrebte: die nördliche Volterrana kreuzte in Castelfiorentino und Gambassi Terme (vor Gambassi Terme waren Francigena und Volterrana einige Kilometer identisch), die südliche Volterrana nördlich von Certaldo und südlich von San Gimignano.
In Poggibonsi wiederum kamen nicht nur die drei Streckenführungen der Francigena zusammen, hier stieß auch noch die Via Regia Romana dazu, die zuvor weitgehend mit der südlichen Volterrana identisch war, von dieser dann aber in Barberino Val d’Elsa abzweigte, um direkt auf Poggibonsi zuzulaufen.
Hinter Poggibonsi teilte sich die Francigena erneut in zwei Strecken, die östliche lief an der Burg Staggia Senese vorbei, die westliche über Monteriggioni; nach dem erneuten Zusammenlaufen der beiden Routen ging es dann auf Siena zu.
Die letzten Stationen der Via Francigena waren dann Abbadia San Salvatore, Acquapendente, Bolsena, Montefiascone, Viterbo, Vetralla, Capranica, Ronciglione, Sutri, Nepi und schließlich der Petersplatz in Rom.
Die Bedeutung der Via Francigena
Nachdem der Frankenkönig Karl der Große 774 das Langobardenreich erobert hatten, ließen er und seine Nachfolger den Abschnitt zwischen Pavia und Rom als kaiserliche Straße ausbauen, an der dann auch Klöster und Bischofssitze angelegt wurden, um den Pilgerstrom zu versorgen - Rom gehörte neben Santiago de Compostela und Jerusalem zu den drei wichtigsten Pilgerzielen im Mittelalter, das Pilgerzeichen war ein Schlüssel.
In der Nähe Pavias in Richtung Piacenza befinden sich die Ronkaldischen Gefilde, auf denen sich Anfang des 11. Jahrhunderts das Heer sammelte, das den Kaiser zur Krönung nach Rom begleitete und schützen sollte. Kaiser Friedrich I. Barbarossa ließ 1154 und 1158 hier Reichstage abhalten.
Neben der religiösen und politisch-militärischen Wert erhielt die Via Francigena bald auch eine ökonomische Bedeutung: sie war die Hauptschlagader, die Italien mit dem übrigen Europa, vor allem Westeuropa, verband. Bald brachten fränkische Adelige (darunter die Guidi und die Gherardesca) die ökonomischen und kulturellen Zentren entlang der Via Francigena in ihre Gewalt, wie beispielsweise San Gimignano und Colle di Val d’Elsa.
Die Bedeutung der Via Francigena schwand dann mit der Macht der deutschen Kaiser in Italien, dem Aufstieg der Städte Genua, Pisa und Florenz, die die Francigena weiträumig umging, und der Verlagerung der Warenströme auf die alten römischen Straßen (Via Aurelia und Via Cassia) die jetzt den wirtschaftlichen Gegebenheiten besser zustatten kamen. Das Ende der ökonomischen Bedeutung der Via Francigena war dann auch das Ende der ökonomischen Bedeutung der nur an ihr liegenden Städte, wie zum Beispiel San Gimignanos.
Bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 20 Kilometern pro Tag benötigte der Pilger für die insgesamt etwa 1.600 Kilometer lange Distanz zu Fuß 80 Tage.
Literatur
- Reinhard Gattinger, Georg Kerschbaum: Via Francigena - Zu Fuß nach Rom. EUROVIA, Wien 2005, ISBN 3-200-00500-9 (DVD-Dokumentation).
- Reinhard Zweidler: Der Frankenweg - Via Francigena. Der mittelalterliche Pilgerweg von Canterbury nach Rom Theiss, Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1755-6.
- Bettina Dürr: Himmlische Reisen. Auf Spuren von Pilgern und Mönchen durch das alte Italien Bastei, Bergisch Gladbach 2000, ISBN 3-404-14356-6.
- Christian Jostmann: Nach Rom zu Fuß. Geschichte einer Pilgerreise. Beck, München 2007, ISBN 3-406-55739-2.
- Berthold Burkhardt: Via Jakobi & Via Francigena, Auf Pilgerwegen nach Rom Jakobsweg-Team Winnenden 2008, ISBN 978-3-9812350-0-5.
- Association Internationale Via Francigena (Hrsg.): Gd S.Bernardo-Roma+Arles-F-Vercelli. Association Internationale Via Francigena, Vollèges 2003 (Guide Vademecum B, italienisch)
- Günther Kromer: Via Francigena. Auf dem Frankenweg von Canterbury nach Rom. Der Pilger-Reiseführer. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2009, ISBN 978-3-7022-2984-9.
Siehe auch
- Sigerich der Ernste (mit ausführlicher Liste seiner Reisestationen)
Weblinks
Commons: Via Francigena – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienKategorien:- Pilgerweg
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