Italienischer Faschismus

Italienischer Faschismus

Der Italienische Faschismus war eine rechtsgerichtete politische Bewegung, die im Jahre 1922 unter Benito Mussolini die Macht in Italien erlangte und für etwa zwanzig Jahre (Ventennio) behielt. 1943 reduzierte sich infolge der alliierten Invasion das Einflussgebiet des italienischen Faschismus auf die vom Deutschen Reich abhängige Italienische Sozialrepublik. 1945 endete der Faschismus in Italien mit der Befreiung durch die Alliierten.

Der italienische Faschismus galt als Modell für ähnliche Bewegungen, Parteien und Organisationen in verschiedenen Staaten und Regionen Europas, auch für den in Deutschland etablierten Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Wesentliche Kennzeichen

Benito Mussolini auf einem Propagandaplakat

Zunächst war Fascismo nur die Bezeichnung der politischen Bewegung, die aus den von Mussolini 1919 gegründeten Fasci Italiani di Combattimento („Bünde der Italienischen Kämpfer“) hervorging und 1922 die Macht in Italien eroberte.

Ihre wesentlichen Elemente waren:

  • Extrem nationalistische, populistische Herrschaftsform mit ausgeprägtem Führerkult.[1]
  • Radikaler, gewalttätiger Antikommunismus.[2]
  • Irredentismus, das Bestreben, weite Teile der kroatischen Ostküste der Adria für Italien zu annektieren.
  • Nachdrückliche Ästhetisierung von Politik und die Betonung des voluntaristischen Zuges der Politik, also des Vorrangs des Willens vor der Ökonomie. Der Faschismus knüpft hier an den Futurismus und seine Theorien an.[3]
  • Der umfassende Gebrauch von politischen Symbolen wie Fahnen, Marschkolonnen und Uniformen in rituellen Massenzeremonien.
  • Ein an der Antike ausgerichteter Traditionalismus, der sich besonders im Kult der römischen Vergangenheit äußerte, zugleich aber auch eine revolutionär-dynamische Selbstdarstellung und entsprechende, expansive Politikansätze.[4]
  • Ein korporatives Wirtschaftsmodell mit nach Produktionszweigen gegliederter Organisation, mit einem das Parlament ersetzenden Plenarorgan („Kammer der Fasci und der Korporationen“, Camera dei Fasci e delle Corporazioni, seit 1938/39) und einem aus Partei- und Staatsfunktionen gemischten Organ, dem Großen Faschistischen Rat (Gran Consiglio del Fascismo, seit 1922, seit 1928 Staatsorgan), an der Spitze.
  • Die ideologische Verherrlichung und Anwendung von Gewalt[5]; auch in der Tradition von Georges Sorel.[6]
  • Parteienkritik, wie sie etwa der Soziologe Robert Michels betrieb, und Selbstverständnis als (während der Bewegungsphase 1919 bis 1922) Anti-Partei, bzw. danach als Massenpartei eines neuartigen Typus.
  • Ob es sich beim italienischen Faschismus um eine autoritäre oder eine totalitäre Bewegung handelte, ist in der Forschung umstritten.[7]

Zwischen dem modernistisch-revolutionären und dem konservativ-traditionalistischen Flügel kam es immer wieder zu Spannungen. Mussolini schwankte lange zwischen den Positionen und hatte dabei vor allem in der Zeit zwischen 1921 und 1925 große Mühe, die gegensätzlichen Kräfte zusammenzuhalten. Gleichzeitig aber diente die widersprüchliche Selbstdarstellung und unklare Identität nach außen zur Bindung verschiedener gesellschaftlicher Strömungen an den Faschismus.

Erst die europäische politische Debatte der 1930er Jahre, seinerzeit vor allem von kommunistischer Seite, ließen den bis dahin auch in Deutschland üblichen Begriff Fascismus zugunsten des über Italien hinaus üblichen Begriffes Faschismus zurücktreten.

Geschichte

Mittelteil des faschistischen Mussolini-Reliefs am ehemaligen Haus des Faschismus, Gerichtsplatz in Bozen, Südtirol

Aufbau

Der Gründer des italienischen Faschismus, Benito Mussolini, hatte seine politischen Wurzeln in der Sozialistischen Partei Italiens (PSI), in der er den linkssyndikalistischen Flügel vertrat. Mussolini war unter anderem Chefredakteur der Parteizeitung Avanti!.

Obwohl Mussolini 1914 das Anti-Kriegsmanifest der PSI unterzeichnet hatte, gründete er kurz darauf die „Bünde der revolutionären Aktion“ (Fasci d’Azione Rivoluzionaria, FAR), die für den Kriegseintritt Italiens eintraten. Zusammen mit anderen rechtsgerichteten nationalistischen Gruppen wie beispielsweise der 1910 gegründeten Associazione Nazionalista Italiana vertrat Mussolini mit seiner Organisation das Ziel, auch die terre irredente („unerlöste Gebiete“) – die damals noch zu Österreich-Ungarn gehörenden italienischsprachigen Regionen Trient und Triest – Italien anzugliedern. Daraufhin wurde er aus der PSI ausgeschlossen. In der Folgezeit bekämpfte Mussolini mit seinen Kampfbünden sozialistische und kommunistische Parteien und Organisationen der entsprechend ausgerichteten Arbeiterbewegung mit oft massiven gewaltsamen Übergriffen.

Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich Mussolini im März 1919 in Mailand an der Gründung der Fasci di Combattimenti („Kampfbünde“), die eine autoritäre Ordnung und die Revision der Pariser Vorortverträge zugunsten Italiens forderten, zumal Frankreich und Großbritannien einige ihrer bei der Londoner Geheimkonferenz von 1915 gemachten Zusagen, die Italien zum Verlassen des Dreibunds mit Österreich-Ungarn und Deutschland und zum Kriegseintritt gegen die Mittelmächte bewogen hatten, nicht mehr einhalten wollten, was die Legende des „verstümmelten Sieges“ (Vittoria mutilata) schuf. Italien hatte Südtirol, das Trentino und Julisch Venetien vom zerfallenen Kaiserreich Österreich-Ungarn erhalten, also weit mehr als italienische Truppen im Laufe des Krieges hatten einnehmen können, aber weniger, als die nationalistischen Forderungen beinhalteten: Der Vertrag von London hatte vorgesehen, dass auch ein Großteil Dalmatiens, der albanische Hafen Valona, das türkisch-osmanische Gebiet von Antalya und angrenzende Gebiete bis einschließlich Konya dem Königreich Italien zugeschlagen werden sollten. Auch bei der Aufteilung der deutschen Kolonien war Italien leer ausgegangen.

Nachdem in den Nachkriegsjahren 1919 und 1920 Demonstrationen und Streiks, die vielfach mit gewaltsamen Fabrik- und Landbesetzungen endeten, die Wirtschaft Italiens lahmgelegt hatten, nutzte Mussolini die Angst vor einer bolschewistischen Revolution aus, um sich als Garant von Recht und Ordnung zu etablieren. Die Squadristi, die paramilitärischen Verbände der Fasci, übten unter seinem Oberbefehl Terror gegen Gewerkschafter, linke Parteien und unliebsame Politiker vor allem in Nord- und Mittelitalien aus.

Ebenfalls bereits 1919 schuf Gabriele D’Annunzio, Schriftsteller und Kampfpilot im Ersten Weltkrieg, mit der handstreichartigen Eroberung der jugoslawischen Hafenstadt Fiume (heute Rijeka) ein erstes „präfaschistisches“ System, das von einer korporativen Ordnung, Massenzeremonien und den Faschismus vorwegnehmender Symbolik gekennzeichnet war.

Die fasci wuchsen vor allem 1921 und 1922, nachdem sich ihnen gewerkschaftliche Landarbeiter-Verbände angeschlossen hatten, rasch zur größten Massenbewegung Italiens. Am 7. November 1921 wurde in Rom die Umwandlung der Fasci di Combattimento in die Partito Nazionale Fascista, eine umfassendere politische Vereinigung und Volkspartei, vollzogen. Mussolini wurde, als er 1922 beim Marsch auf Rom mit einem Putsch drohte, von König Viktor Emanuel III. zum Ministerpräsidenten ernannt.

Noch zu diesem Zeitpunkt hatte die faschistische Bewegung keine einheitliche Organisationsstruktur. Es gab mehrere, oft an lokale Anführer gebundene „Kristallisationskerne“. Während sich die Gruppierungen in den ländlichen Regionen weiterhin als militärische Organisationen begriffen, begann in den mittelitalienischen Städten schnell die Formierung als politische Bewegung. Die ländlichen Faschisten verstanden sich als progressive Kader-Bewegung und wandten sich entschieden gegen Ansätze der Entwicklung zu einer Volkspartei, was nach dem Marsch auf Rom zu Spannungen mit Mussolini führte.
Dieser stützte sich innerhalb der Bewegung mehr auf die städtischen Gruppen, insbesondere in Rom und Neapel. Bis 1924 besetzten sie nach und nach die Führungspositionen in der sich nun ausformenden Parteistruktur. Das Mussolini-Lager wurde zudem durch zahlreiche etablierte Politiker verstärkt, die sich ihm nach 1922 anschlossen. Trotzdem kam es immer wieder zu Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den ländlichen „Extremisten“ und der städtischen „Duce-Partei“. Dabei scheiterten mehrere Versuche, Arbeiterorganisationen über die Landarbeiter hinaus in die Partei zu integrieren.

Führerkult

In den Jahren 1924 und 1925 brachen die internen Machtkämpfe offen aus. Mussolini reagierte darauf, indem er zunehmend nicht mehr nur als Anführer der Bewegung, sondern als Duce („Führer“) ganz Italiens auftrat. 1925 stellten die „Extremisten“ für kurze Zeit den Generalsekretär der faschistischen Partei und setzten getreu ihrer Kader-Idee Aufnahmebeschränkungen durch. Schließlich versuchten sie Ende 1925, einen Streik zu organisieren, der sich auch gegen Mussolini wandte.
Nach dessen Scheitern wurden parteiinterne Wahlen abgeschafft und die „Extremisten“ aus wichtigen Positionen entfernt. In den folgenden Jahren scheiterten mehrere Versuche, die alten Eliten sowie Offiziere in die Partei zu integrieren. Der Zulauf kam vor allem aus der Beamtenschaft. Eine Dominanz über alle gesellschaftlichen Bereiche wie die NSDAP in Deutschland erreichte die faschistische Partei Italiens daher nie.

1925 verbot Mussolini die Sozialistische Partei und antifaschistische Organisationen und schuf mit seinem Führerkult – dem mussolinismo – ein Modell für andere faschistische Diktaturen. Der Duce präsentierte sich als Mann des Volkes: Arbeiter, Vater, Sportler, Frauenheld, Soldat, mit Uniform und martialischem Auftreten. Der Großmachtanspruch des antiken Römischen Reiches blieb leitende Idee des italienischen Faschismus und führte namentlich zum Überfall auf Äthiopien 1935. Ab 1938 verfolgte der Faschismus auch offiziell eine antisemitische Politik, die auch aus eigenem Antrieb entstand, und nicht nur auf deutschen Druck.

Imperialismus

Italienisches Kolonialreich 1939
Italienisches Kolonialreich 1941

Die Politik des Faschismus zielte darauf ab, Italien als Großmacht zu etablieren. Dazu gehörte unter anderem die Einverleibung weiterer Gebiete an der Adriaküste im Zeichen des Irredentismus. Der Vertrag von Rom (1924) besiegelte die Annexion der Stadt Fiume an das Königreich, nachdem der Grenzvertrag von Rapallo bereits 1920 den Dazugewinn von Zara bedeutet hatte.

Vor allem aber sollte sich Italien als die bestimmende Macht im Mittelmeerraum (Mare Nostrum) etablieren und sich als Kolonialmacht behaupten. Bereits 1924 wurde Italien das Jubaland zugeschlagen, um es dafür zu entschädigen, dass es an der Aufteilung des deutschen Kolonialbesitzes nicht beteiligt worden war. In Folge des – mit äußerst brutalen Mitteln geführten – Abessinienkrieges konnte ganz Abessinien erobert werden.

1939 ging Italien das als „Stahlpakt“ bezeichnete Kriegsbündnis mit dem Deutschen Reich ein. Mussolini proklamierte zwar noch 1939 die „Nichtkriegführung“ (non belligeranza) Italiens, das angekündigte „entscheidende Gewicht“ (peso determinante) seines Landes warf er aber schon im Juni 1940 in den Kampf, als England und Frankreich der Krieg erklärt wurde.

Das angestrebte Imperium

Als Kriegsziel wurde abermals die Schaffung eines italienischen Imperiums erklärt. Italien würde sein Territorium auf Nizza, Korsika, Malta, die gesamte Küste Dalmatiens mitsamt Albanien, Kreta und weitere griechische Inseln ausweiten. Zu den bisherigen Kolonien würden Tunesien, Ägypten (mit Sinai-Halbinsel), Sudan und Teile Kenyas hinzukommen, um eine Landverbindung von Libyen nach Äthiopien sicherzustellen. Auch die Territorien von Britisch- und Französisch-Somaliland sowie Teile Französisch-Äquatorialafrikas sollten somit in Besitz genommen werden, mit der Türkei und arabischen Staaten Vereinbarungen über Einflusszonen getroffen werden. Zudem sollten die strategisch wichtigen Stützpunkte Aden und Perim unter italienische Kontrolle gelangen.

Die italienischen Operationen waren jedoch nicht erfolgreich: Der Angriff gegen das bereits geschlagene Frankreich blieb in den Alpen stecken; die Offensive gegen die Briten in Nordafrika Ende 1940 und der Feldzug gegen Griechenland scheiterten und konnten nur durch das Eingreifen der deutschen Wehrmacht überdeckt werden. Die neuere Forschung schreibt die desaströsen Ergebnisse vor allem dilettantischer strategischer Planung und maßloser Selbstüberschätzung insbesondere des „Duce“ selbst zu. 1941 nahm ein italienisches Expeditionskorps am deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion teil. Gleichzeitig erreichte die Ausdehnung Italiens und seiner kolonialen Besitztümer auch dank deutscher Unterstützung ihren Höhepunkt. Bald darauf scheiterte die letzte deutsch-italienische Offensive in Nordafrika. Die Kette der Niederlagen für das faschistische Regime setzte sich nun fort: Nach der Kapitulation der Achsentruppen in Tunesien im Mai 1943 eroberten Amerikaner und Briten die Inseln Lampedusa und Pantelleria und landeten im Juli 1943 in der Operation Husky auf Sizilien. Der Traum eines italienischen Imperiums war zerplatzt.

Judenverfolgung

Seit der Hälfte des 19. Jahrhunderts war es auch in Italien zu einem Aufkeimen des Antisemitismus gekommen, an dem auch die katholische Kirche nicht unbeteiligt war. In der italienischen Gesellschaft war dieser aber nicht so tief verwurzelt wie etwa in der deutschen. Nach der Machtergreifung durch die Faschisten im Jahr 1922 konnten die italienischen Juden ihre gesellschaftliche Stellung halten. Ihnen war es auch nicht verwehrt, dem Partito Nazionale Fascista beizutreten: Etwa zweihundert Juden waren schon beim Marsch auf Rom dabei. Einige von ihnen brachten es zu hohen Ämtern in der Partei, so Aldo Finzi (der 1942 aus der Partei ausgeschlossen wurde, sich der Resistenza anschloss und beim Massaker der Ardeatinischen Höhlen ermordet wurde) oder Guido Jung, italienischer Finanzminister von 1932 bis 1935.

Öffentlich äußerte sich Mussolini zu Rassentheorien und Antisemitismus sehr kritisch. Eine seiner Geliebten, Margherita Sarfatti, war selber Jüdin. Vor einer Versammlung ausländischer Journalisten erklärte Mussolini im November 1927:

„Faschismus bedeutet Einigkeit, Antisemitismus dagegen Destruktion. Faschistischer Antisemitismus oder antisemitischer Faschismus sind deshalb eine krasse Absurdität. Wir in Italien finden es höchst lächerlich, wenn wir hören, wie die Antisemiten in Deutschland durch den Faschismus an die Macht kommen wollen. Auch von anderen Ländern kommt zu uns die Nachricht, daß ein antisemitisch gefärbter Faschismus Boden zu gewinnen sucht. Wir protestieren energisch dagegen, daß der Faschismus auf diese Weise kompromittiert wird. Der Antisemitismus ist ein Produkt der Barbarei, während der Faschismus auf der höchsten Zivilisationsstufe steht und dem Antisemitismus diametral entgegengesetzt ist.“

An diesem Standpunkt habe Mussolini konsequent festgehalten, schreibt Hugo Valentin im Jahr 1937.[8] Aber schon zu Beginn der 1930er Jahre wurden erste Anzeichen eines staatlich verordneten Antisemitismus auch in Italien sichtbar.[9] Das Gesetz über die israelitischen Gemeinschaften (Legge Falco) brachte nicht nur die Reorganisation der Kultusgemeinschaften mit sich, sondern auch eine verstärkte Kontrolle und Einmischung durch den Staat. Unter anderem sollte der Anteil an jüdischen Führungskräften dadurch beschränkt werden. Dies hinderte Italien vorerst aber nicht daran, aus dem Deutschen Reich geflüchtete Juden aufzunehmen bzw. ihre Weiterreise nach Palästina zu ermöglichen.

Nach Adolf Hitlers Machtübernahme in Deutschland kam es auch in Italien zu einer Reihe antijüdischer Publikationen. Faschistische Zeitschriften wie Il Tevere, Giornalissimo, Quadrivio zeichneten sich durch ihren radikalen Antisemitismus aus. Die 2009 veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1932-38 seiner Geliebten Clara Petacci zeigen einen Mussolini, der sich privat sehr antisemitisch äußerte.[10] Im Vorfeld des Abessinienkrieges kam es zu einem weiteren Erstarken des Rassismus. Den Wendepunkt in der Judenpolitik des faschistischen Regimes brachte schließlich das Jahr 1938. Auch auf Druck des Deutschen Reiches setzte der erstarkte antisemitische Flügel des Partito Nazionale Fascista (unter anderem Roberto Farinacci, Telesio Interlandi, Paolo Orano und Giovanni Preziosi) ein Manifest der Rasse auf (Manifesto della razza), das in den Rassengesetzen (leggi razziali) gipfelte. Die Juden wurden als außereuropäische, unitalienische, und deshalb nicht assimilierbare Bevölkerung definiert.[11]

Die Juden in Italien (39.000 Staatsbürger und 11.200 Ausländer) wurden fortan registriert und ausgegrenzt. Als Mussolini im Juli 1943 gestürzt wurde, gab es kaum einen Beruf mehr, den Juden legal ausüben durften. Ab September 1943 wurden in der Italienischen Sozialrepublik die Juden enteignet, in Konzentrationslager eingewiesen und dann über Durchgangslager in die deutschen Vernichtungslager im Osten deportiert. Dabei arbeiteten deutsche und italienische Behörden eng zusammen. Es blieb aber kein Einzelfall, dass sich italienische Militärkommandierende weigerten, an den antijüdischen Aktionen der nationalsozialistischen Truppen teilzunehmen.[12]

Insgesamt wurden etwa 9.000 Juden unter der Herrschaft des Faschismus in deutsche Konzentrationslager deportiert und getötet.[13]

Absetzung Mussolinis und Kampf in Italien

Unter dem Eindruck der verheerenden Niederlagen 1942 und 1943 wurde Mussolini 1943 vom Großen Faschistischen Rat, dem faschistischen Exekutivorgan, abgesetzt. Diese Absetzung erfolgte systemkonform mit einfachem Mehrheitsbeschluss, da der Rat die höchste Instanz des faschistischen Staates war. Mussolini wurde inhaftiert. König Viktor Emanuel III. übernahm den Oberbefehl über die Streitkräfte und beauftragte Marschall Badoglio, eine Militärregierung zu bilden. Dieser erklärte die faschistische Partei und ihre Gliederungen per Gesetz für aufgelöst.

Nur Ruinen bleiben nach der Schlacht um Monte Cassino, bei der im Mai 1944 insgesamt 32.000 Soldaten fielen.

Das Deutsche Reich versuchte darauf, die Schwarzhemden in Italien wieder an die Macht zu bringen: Am 12. September 1943 befreiten deutsche Fallschirmjäger in der Kommandooperation Eiche mit Lastenseglern den auf dem Gran Sasso von königstreuen italienischen Truppen gefangengehaltenen Duce Mussolini. Norditalien wurde bis nach Rom durch deutsche Truppen besetzt und in diesem Gebiet eine Marionettenregierung unter Mussolini installiert, die Italienische Sozialrepublik. Diese Parallel-Regierung blieb mit Deutschland verbündet, erklärte seinerseits dem von den Alliierten besetzten Teil Italiens den Krieg und bekämpfte in Norditalien echte oder vermeintliche Partisanen.

In den folgenden knapp zwei Jahren wurde vor allem Mittelitalien von den schweren Kämpfen entlang der nur langsam vorrückenden Front – Befreiung Roms am 4. Juni 1944 – teilweise völlig verwüstet. Kommunistische, sozialistische, katholische und liberale Partisanen der Resistenza kämpften dort gegen die deutschen Truppen. Später wurde dieser Kampf vom Gros der Italiener als „nationaler Befreiungskrieg“ empfunden. Daneben hat sich auch der aus der ursprünglich neofaschistischen Geschichtsschreibung stammende Begriff des „Bürgerkriegs“ etabliert, der in Italien kontrovers diskutiert wird.

Anfang April 1945 wurde Mussolini von kommunistischen Partisanen gefangengenommen und standrechtlich erschossen.

Am 29. April 1945 kapitulierten die deutschen Streitkräfte bedingungslos.

Gesellschaftliche Verarbeitung

Nach Kriegsende wurde in Italien die Zeit des Faschismus – die Beseitigung demokratischer Strukturen, die Zusammenarbeit mit den deutschen Nationalsozialisten und die aktive Beteiligung an der Vertreibung und Ermordung von einem Viertel der italienischen Juden – vollkommen anders rezipiert und verarbeitet als in Deutschland. Ursachen dafür waren nicht nur der im Vergleich zum Nationalsozialismus geringere Wirkungsradius der faschistischen Innen-, Außen- und Militärpolitik, sondern auch das Ausbleiben eines internationalen Kriegsverbrecherprozesses, wie der Nürnberger Prozesse. Diese Entwicklung war wiederum bedingt durch den intern herbeigeführten Sturz des Regimes, während dieser in Deutschland erst mit der Niederlage und Kapitulation erfolgte.

Heute wird die Person Benito Mussolinis an seinen Wirkungsstätten, dem Amtssitz der von ihm geführten Sozialrepublik in Salò am Gardasee, der Familiengruft in Predappio oder in einem Mussolini-Museum in der Nähe von Forlì, teils von neofaschistischen Gruppierungen mystifiziert und ein Personenkult gepflegt. Die Verherrlichung des Faschismus ist nach geltender italienischer Rechtslage zwar strafbar, zu einer konsequenten Anwendung kommen diese Gesetze jedoch nicht.

Als bekennende neofaschistische Politikerin galt Alessandra Mussolini, die Enkelin des ehemaligen Diktators. Sie ist heute Abgeordnete der Regierungspartei Popolo della Libertà.

Siehe auch

Literatur

Geschichte
  • Alberto De Bernardi: Una dittatura moderna. Il fascismo come problema storica. 2. Aufl. Mondadori, Mailand 2001, ISBN 88-424-9646-4.
  • Richard J. Bosworth: The Italian dictatorship. Problems and perspectives in the interpretation of Mussolini and Fascism. Arnold Press, London 1998, ISBN 0-340-67727-9.
  • Renzo De Felice: Mussolini. Einaudi, Turin 1965–1997 (8 Bde.).
  • Emilio Gentile: The Italian road to totalitarianism. Taylor & Francis, London 2009, ISBN 978-0-7146-5487-4.
  • Mario Isnenghi: L'Italia del fascio. Giunti, Florenz 1996, ISBN 88-09-21014-X.
  • Malte König: Faschismus in Italien. Entstehung, Konsolidierung, Zusammenbruch und Aufarbeitung. In: Der Bürger im Staat 60.2 (2010), S. 143–151.
  • Brunello Mantelli: Kurze Geschichte des italienischen Faschismus. 4. Aufl. Wagenbach, Berlin 2008, ISBN 978-3-8031-2300-8.
  • Denis M. Smith: Modern Italy. A political history. University Press, New Haven, Conn. 1997, ISBN 0-300-07377-1 (früherer Titel Italy).
  • Angelo Tasca: Glauben, Kämpfen, Gehorchen. Aufstieg des Faschismus in Italien. („Nascita e avvento del fascismo“). Edition Promedia, Wien 2001, ISBN 3-900478-12-0.
  • Nicola Tranfaglia: La prima guerra mondiale e il fascismo. UTET, Turin 1995, ISBN 88-02-04947-5 (Storia d'Italia; 22).
  • Hans Woller: Rom, 28. Oktober 1922. Die faschistische Herausforderung, München 1999.
Soziologische und sozialhistorische Ansätze
  • Ruth Ben-Ghiat: Fascist modernities. Italy, 1922–1945. University Press, Berkeley Calif. 2001, ISBN 0-520-24216-5 (Studies on the history of society and culture; 42).
  • Mabel Berezin: Making the fascist self. The political culture of interwar Italy. University Press, Ithaca N.Y. 1997, ISBN 0-8014-8420-0.
  • Simonetta Falasca Zamponi: Fascist spectacle. The aesthetics of power in Mussolini's Italy. Neuaufl. University Press, Berkeley Calif. 2000, ISBN 0-520-20623-1 (teilw. Dissertation, Universität Berkeley 1992).
  • Emilio Gentile: The sacralization of politics in Fascist Italy. („Culto del littorio“). University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-674-78475-8.
  • Victoria De Grazia: The culture of consent. Mass organizing of leisure in Fascist Italy. University Press, Cambridge 1981, ISBN 0-521-23705-X.
  • Jens Petersen, Wolfgang Schieder (Hrsg): Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat, Wirtschaft, Kultur. SH-Verlag, Köln 1998, ISBN 3-89498-021-4 (Italien in der Moderne; 2).
  • Petra Terhoeven: Liebespfand fürs Vaterland. Krieg, Geschlecht und faschistische Nation in der italienischen Gold- und Eheringsammlung 1935/36. Niemeyer, Tübingen 2003, ISBN 3-484-82105-1 (zugl. Dissertation, TU Darmstadt 2002).
  • Paola S. Salvatori: La seconda Mostra della Rivoluzione fascista. In: Clio, XXXIX, 3, 2003, S. 439–459.
  • Paola S. Salvatori: La Roma di Mussolini dal socialismo al fascismo (1901–1922). In: Studi Storici, XLVII, 2006, 3, S. 749–780.
  • Paola S. Salvatori: L’adozione del fascio littorio nella monetazione dell’Italia fascista. In: Rivista italiana di numismatica e scienze affini, CIX, 2008, S. 333–352.
Verhältnis zum Nationalsozialismus
  • Maurizio Bach: Die charismatischen Führerdiktaturen. Drittes Reich und italienischer Faschismus im Vergleich ihrer Herrschaftsstrukturen. Nomos Verlag, Baden-Baden 1990, ISBN 3-7890-2106-7.
  • Malte König: Kooperation als Machtkampf. Das faschistische Achsenbündnis Berlin-Rom im Krieg 1940/41. SH-Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-89498-175-4 (Italien in der Moderne; 14).
  • Sven Reichardt: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Faschismus und in der deutschen SA. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-13101-6 (zugl. Dissertation, FU Berlin 2000).
  • Sven Reichardt, Armin Nolzen (Hrsg.): Faschismus in Italien und Deutschland. Studien zu Transfer und Vergleich. Göttingen 2005.
  • Wolfgang Schieder: Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland., Göttingen 2008.
  • Thomas Schlemmer, Hans Woller: Der italienische Faschismus und die Juden. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Jg. 53 (2005), Heft 2, S. 165-201.

Weblinks

 Commons: Italienischer Faschismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Clemens Zimmermann: Das Bild Mussolinis. Dokumentarische Formungen und die Brechungen medialer Wirksamkeit. In: Gerhard Paul: Visual History. Ein Studienbuch, S. 225 f. („Mussolinis Selbstdarstellung und die mit ihr verbunden Ästhetisierung, Spektualisierung und Personalisierung von Politik (in einer spezifischen Form von Versammlungsöffentlichkeit) stellten wesentliche Kennzeichen politischer Kultur des Faschismus dar. […] Der ‚Mussoliniismus‘ wurde schrittweise zum Charakteristikum der Selbstdarstellung des Systems, zur Hauptbedingung seines Zusammenhalts.“)
  2. Ernst Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche. Action française – Italienischer Faschismus – Nationalsozialismus, Taschenbuchausgabe, Piper, München 1984, S. 253 ff. u.ö.
  3. Manfred Hinz: Die Zukunft der Katastrophe. Mythische und rationalistische Geschichtstheorie im italienischen Futurismus, S. 1–18 und 89–111.
  4. Benito Mussolini: La Dottrina del Fascismso. 1933. („Lo Stato fascista è una volontà di potenza e d'imperio. La tradizione romana è qui un'idea di forza. Nella dottrina del fascismo l'impero non è soltanto un'espressione territoriale o militare o mercantile, ma spirituale o morale. […] Per il fascismo la tendenza all'impero, cioè all'espansione delle nazioni, è una manifestazione di vitalità; il suo contrario, o il piede di casa, è un segno di decadenza:“)
  5. Jens Petersen: Kriminalität und politische Gewalt im faschistischen Italien. Ein deutscher Blick auf ein italienisches Problem. In: Sigrid Schmitt und Michael Matheus (Hrsg.): Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit. S. 119. („In der historischen besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, die Gewalt als einen ‚fundamentalen Bestandteil‘, ja als die ‚eigentliche Substanz des Faschismus‘ zu betrachten.“)
  6. Klaus von Beyme: Politische Theorien im Zeitalter der Ideologien. S. 685.
  7. Vgl. zum Beispiel Wolfgang Schieder, Das Deutschland Hitlers und das Italien Mussolinis. Zum Problem faschistischer Regimebildung, in: Gerhard Schulz (Hrsg.), Die große Krise der dreißiger Jahre. Vom Niedergang der Weltwirtschaft zum Zweiten Weltkrieg, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1985, S. 54; Karsten Krieger, Faschismus, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Klett-Cotta, Stuttgart 1997, S. 454.
  8. Hugo Valentin: Antisemitenspiegel: der Antisemitismus: Geschichte, Kritik, Soziologie, Wien 1937, S. 72.
  9. Brunello Mantelli: Rassismus als wissenschaftliche Welterklärung. Über die tiefen kulturellen Wurzeln von Rassismus und Antisemitismus in Italien und anderswo, in: Christof Dipper (Hrsg.): Deutschland und Italien 1860–1960 (= Schriften des Historischen Kollegs – Kolloquien 52), Oldenbourg, München 2005, S. 207.
  10. Tagebücher der Geliebten, Welt Online, 19. November 2009, abgerufen am 27. November 2009.
  11. Gli ebrei rappresentano l’unica popolazione che non si è mai assimilata in Italia perchè essa è costituita da elementi razziali non europei, diversi in modo assoluto dagli elementi che hanno dato origine agli Italiani.
  12. Der dunkle Kontinent, Der Spiegel 21/2009, 18. Mai 2009.
  13. Carlo Moos: Ausgrenzung, Internierung, Deportationen, Antisemitismus und Gewalt im späten italienischen Faschismus (1938–1945), Chronos Verlag, Zürich 2004, ISBN 3-0340-0641-1.

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