EU-Ratsvorsitz

EU-Ratsvorsitz
Logo der Tschechischen EU-Ratspräsidentschaft 2009

Der Präsident des Rats der Europäischen Union ist der Vorsitzende im Rat der Europäischen Union, auch Ministerrat genannt. Es handelt sich dabei entsprechend Art. 203 Satz 1 EG um einen Vertreter eines Mitgliedstaates auf ministerialer Ebene - in der politischen Praxis um den Minister des Landes, dessen Regierungschef im Europäischen Rat die Präsidentschaft innehat. Beide Positionen wechseln nach den derzeit gültigen Verträgen alle sechs Monate zwischen den EU-Mitgliedsländern nach einer festgelegten Reihenfolge, welche vom Europäischen Rat gemäß Art. 203 Satz 2 EG einstimmig geändert werden kann. In Bezug auf das Herkunftsland des Präsidenten wird zum Teil auch der Begriff EU-Ratsvorsitz verwendet. Der Präsident des Rats der Europäischen Union ist in seinem Land ein Teil der Exekutive, auf der Ebene der Europäischen Union jedoch Vorsitzender eines Teils der Legislative.

Da der Rat der Europäischen Union in verschiedenen Zusammensetzungen tagt (etwa als Wirtschaftsministerrat, Umweltministerrat etc.), nimmt in jeder dieser Zusammensetzungen ein anderer Minister den Vorsitz ein. Die wichtigste dieser Zusammensetzungen ist jedoch der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen, in dem sich die Außenminister treffen. Der Vorsitzende dieses Rates kann daher auch allgemein als Präsident des Rates der Europäischen Union bezeichnet werden.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Die Aufgaben des Präsidenten des Rats der Europäischen Union sind:

  • die Tagungen des Rates zu organisieren und zu leiten,
  • bei Problemen zwischen Mitgliedstaaten oder zwischen dem Rat und anderen Unionsinstitutionen Kompromissvorschläge in Abstimmung mit den betroffenen Parteien auszuarbeiten und
  • den Rat gegenüber anderen Institutionen und Organen der Union[1], sowie gegenüber anderen internationalen Organisationen und Drittstaaten zu vertreten.

Der gescheiterte Vertrag über eine Verfassung für Europa sah für den Vorsitz im Ministerrat eine Änderung vor. Demnach sollten jeweils drei EU-Mitgliedstaaten gemeinsam die Arbeiten des Vorsitzes wahrnehmen. Jedes der drei Länder hätte formal weiterhin über sechs Monate den Vorsitz gehabt; die damit verbundenen Aufgaben hätten aber unter den drei Ländern verteilt werden können.

Trotz des Scheiterns des Ratifikationsprozesses wurde diese Idee der Triopräsidentschaft bereits teilweise in die politische Praxis übernommen. Deutschland, Portugal und Slowenien haben so im Vorfeld ihres Vorsitzes ein gemeinsames Arbeitsprogramm verabschiedet. Ziel war es, durch eine Abstimmung der nationalen Initiativen und Schwerpunktsetzungen für mehr Kontinuität in der Ratsarbeit zu sorgen.

Trio-Präsidentschaft

Die drei Mitgliedstaaten, die die jeweils letzte, aktuelle und nächste Ratspräsidentschaft wahrnehmen, arbeiteten bis 2007 jeweils als sogenannte Troika informell zusammen. Seit Januar 2007 gilt aufgrund einer Veränderung in der Geschäftsordnung der Rates die sogenannte Triopräsidentschaft. Diese sieht vor, dass der Vorsitz im Rat jeweils für einen Zeitraum von 18 Monaten von einer Gruppe von jeweils drei Mitgliedsländern gewährleistet wird. Es nimmt also im Normalfall weiterhin jeweils ein Staat für sechs Monate den Vorsitz ein, die drei Staaten können aber untereinander auch andere Regelungen vereinbaren. Durch den – noch nicht ratifizierten – Vertrag von Lissabon soll die Triopräsidentschaft auch vertraglich festgeschrieben werden.

Ratspräsidentschaften

Bisher haben folgende Länder mit ihrem jeweiligen Außenminister als Präsidenten den Vorsitz im Rat der Europäischen Union wahrgenommen:

Zyklus Jahr Ratspräsidentschaft Regierungschef (Vorsitzender des Europäischen Rats) Außenminister (Vorsitzender des Rats für Allgemeine Angelegenheiten) Internetpräsenz Hauptartikel
1 1958 Belgien Belgien Victor Larock
BR Deutschland BR Deutschland Siegfried Balke
1959 Frankreich Frankreich Maurice Couve de Murville
Italien Italien Giuseppe Pella
1960 Luxemburg Luxemburg Eugène Schaus
Niederlande Niederlande Joseph Luns
2 1961 Belgien Belgien Paul-Henri Spaak
BR Deutschland BR Deutschland Gerhard Schröder (CDU)
1962 Frankreich Frankreich Maurice Couve de Murville
Italien Italien Emilio Colombo
1963 Luxemburg Luxemburg Eugène Schaus
Niederlande Niederlande Joseph Luns
3 1964 Belgien Belgien Hendrik Fayat
BR Deutschland BR Deutschland Gerhard Schröder
1965 Frankreich Frankreich Maurice Couve de Murville
Italien Italien Amintore Fanfani
1966 Luxemburg Luxemburg Pierre Werner
Niederlande Niederlande Barend Biesheuvel
4 1967 Belgien Belgien Renaat Van Elslande
BR Deutschland BR Deutschland Willy Brandt
1968 Frankreich Frankreich Maurice Couve de Murville
Italien Italien Giuseppe Medici
1969 Luxemburg Luxemburg Pierre Grégoire
Niederlande Niederlande Joseph Luns
5 1970 Belgien Belgien Pierre Harmel
BR Deutschland BR Deutschland Walter Scheel
1971 Frankreich Frankreich Maurice Schumann
Italien Italien Aldo Moro
1972 Luxemburg Luxemburg Gaston Thorn
Niederlande Niederlande Norbert Schmelzer
6 1973 Belgien Belgien Pierre Harmel
Dänemark Dänemark Ivar Nørgaard
1974 BR Deutschland BR Deutschland Walter Scheel
Frankreich Frankreich Jean Sauvagnargues
1975 Irland Irland Garret FitzGerald
Italien Italien Mariano Rumor
1976 Luxemburg Luxemburg Gaston Thorn
Niederlande Niederlande Max van der Stoel
1977 Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Anthony Crosland, später David Owen
7 Belgien Belgien Henri Simonet
1978 Dänemark Dänemark Knud Børge Andersen
BR Deutschland BR Deutschland Hans-Dietrich Genscher
1979 Frankreich Frankreich Jean François-Poncet
Irland Irland Michael O'Kennedy
1980 Italien Italien Attilio Ruffini
Luxemburg Luxemburg Colette Flesch
1981 Niederlande Niederlande Chris van der Klaauw
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Peter Carrington
8 1982 Belgien Belgien Leo Tindemans
Dänemark Dänemark Uffe Ellemann-Jensen
1983 BR Deutschland BR Deutschland Hans-Dietrich Genscher
Griechenland Griechenland Grigoris Varfis
1984 Frankreich Frankreich Roland Dumas
Irland Irland Peter Barry
1985 Italien Italien Giulio Andreotti
Luxemburg Luxemburg Jacques Poos
1986 Niederlande Niederlande Hans van den Broek
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Geoffrey Howe
9 1987 Belgien Belgien Leo Tindemans
Dänemark Dänemark Uffe Ellemann-Jensen
1988 BR Deutschland BR Deutschland Hans-Dietrich Genscher
Griechenland Griechenland Theodoros Pangalos
1989 Spanien Spanien Francisco Fernández Ordóñez
Frankreich Frankreich Roland Dumas
1990 Irland Irland Gerard Collins
Italien Italien Gianni De Michelis
1991 Luxemburg Luxemburg Jacques Poos
Niederlande Niederlande Hans van den Broek
1992 Portugal Portugal João de Deus Pinheiro
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Douglas Hurd
10 1993 Dänemark Dänemark Poul Nyrup Rasmussen
Belgien Belgien Jean-Luc Dehaene Willy Claes
1994 Griechenland Griechenland Andreas Papandreou Karolos Papoulias
Deutschland Deutschland Helmut Kohl Klaus Kinkel
1995 Frankreich Frankreich François Mitterrand, ab 17. Mai Jacques Chirac Alain Juppé, ab 17. Mai Hervé de Charette
Spanien Spanien Felipe González Javier Solana
1996 Italien Italien Lamberto Dini, ab 18.05. Romano Prodi Susanna Agnelli, ab 18.05. Lamberto Dini
Irland Irland John Bruton Dick Spring
1997 Niederlande Niederlande Wim Kok Hans van Mierlo
Luxemburg Luxemburg Jean-Claude Juncker Jacques Poos
1998 Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Tony Blair Robin Cook
11  OesterreichÖsterreich Österreich Viktor Klima Wolfgang Schüssel
1999 Deutschland Deutschland Gerhard Schröder Joschka Fischer
Finnland Finnland Paavo Lipponen Tarja Halonen presidency.finland.fi
2000 Portugal Portugal António Guterres Jaime Gama
Frankreich Frankreich Lionel Jospin Hubert Védrine
2001 Schweden Schweden Göran Persson Anna Lindh eu2001.se
Belgien Belgien Guy Verhofstadt Louis Michel eu2001.be
2002 Spanien Spanien José María Aznar López Josep Piqué i Camps
Dänemark Dänemark Anders Fogh Rasmussen Per Stig Møller
2003 Griechenland Griechenland Kostas Simitis Georgios Andrea Papandreou
Italien Italien Silvio Berlusconi Franco Frattini
2004 Irland Irland Bertie Ahern Brian Cowen eu2004.ie
Niederlande Niederlande Jan Peter Balkenende Bernard Bot
2005 Luxemburg Luxemburg Jean-Claude Juncker Jean Asselborn eu2005.lu
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich Tony Blair Jack Straw eu2005.gov.uk
12 2006  OesterreichÖsterreich Österreich Wolfgang Schüssel Ursula Plassnik eu2006.at
Finnland Finnland Matti Vanhanen Erkki Tuomioja eu2006.fi
2007 Deutschland Deutschland Angela Merkel Frank-Walter Steinmeier eu2007.de Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007
Portugal Portugal José Sócrates Luís Amado eu2007.pt Portugiesische EU-Ratspräsidentschaft 2007
2008 Slowenien Slowenien Janez Janša Dimitrij Rupel eu2008.si Slowenische EU-Ratspräsidentschaft 2008
Frankreich Frankreich Nicolas Sarkozy Bernard Kouchner ue2008.fr Französische EU-Ratspräsidentschaft 2008
2009 Tschechien Tschechien Mirek Topolánek
Jan Fischer (ab 9. Mai)
Karl zu Schwarzenberg
Jan Kohout (ab 9. Mai)
eu2009.cz Tschechische EU-Ratspräsidentschaft 2009
Schweden Schweden Fredrik Reinfeldt Carl Bildt se2009.eu Schwedische EU-Ratspräsidentschaft 2009
2010 Spanien Spanien ... ... ... ...
Belgien Belgien ... ... ... ...
2011 Ungarn Ungarn ... ... ... ...
Polen Polen ... ... ... ...
2012 Dänemark Dänemark ... ... ... ...
Republik Zypern Zypern ... ... ... ...
2013 Irland Irland ... ... ... ...
Litauen Litauen ... ... ... ...
2014 Griechenland Griechenland ... ... ... ...
Italien Italien ... ... ... ...
2015 Lettland Lettland ... ... ... ...
Luxemburg Luxemburg ... ... ... ...
2016 Niederlande Niederlande ... ... ... ...
Slowakei Slowakei ... ... ... ...
2017 Malta Malta ... ... ... ...
Vereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich ... ... ... ...
2018 Estland Estland ... ... ... ...
Bulgarien Bulgarien ... ... ... ...
2019  OesterreichÖsterreich Österreich ... ... ... ...
Rumänien Rumänien ... ... ... ...
2020 Finnland Finnland ... ... ... ...
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Einzelnachweise

  1. Europäisches Parlament: "Europapolitik im Duett: die Ratspräsidentschaft und das Parlament" (Europarl-Website)

Weblinks


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