Konstanz (Bistum)

Konstanz (Bistum)
Die mittelalterlichen Diözesen am Oberrhein

Das Bistum Konstanz mit Sitz in Konstanz am Bodensee bestand von etwa 585 bis 1821, als es aufgelöst wurde. Die zu Deutschland gehörenden Gebiete gingen in den neu gegründeten Bistümern Freiburg und Rottenburg auf, die zur Schweiz gehörenden Gebiete wurden den Bistümern Chur und Basel zur Verwaltung unterstellt.

Inhaltsverzeichnis

Gebiet

Sein Gebiet erstreckte sich vom Gotthardmassiv bis zum mittleren Neckar, vom Rhein bis an die Iller, womit es die flächenmäßig größte Diözese im Heiligen Römischen Reich war.

Die Diözese war (ab 1275) in 64 Dekanate und zehn Archidiakonate unterteilt: Schwarzwald, Rauhe Alb, Allgäu, Illergau, Burgund, Klettgau, Breisgau, Thurgau, Zürichgau, Aargau.

Geschichte

Erste Missionare am Bodensee

Detaillierte Bistumskarte von 1779

Als erste Missionare kamen bereits im 6. Jahrhundert die Mönche Fridolin, Landolin, Trudpert und Gallus zu den Alamannen an Rhein und Bodensee. Säckingen am Hochrhein und Schuttern in der Ortenau sind wohl die frühesten Klostergründungen. Dazu zählt auch das Kloster auf der Bodenseeinsel Reichenau, das um 724 der Wanderbischof Pirmin gegründet hat. Weitere Klöster, die nicht zuletzt durch ihre Schulen sehr bald zu Zentren christlichen Lebens wurden, entstanden in Gengenbach, Schwarzach, Mosbach und Ettenheimmünster.

Ebenfalls im 7. und 8. Jahrhundert kam das Christentum in die mainfränkischen Gebiete. Dort waren es insbesondere der Heilige Kilian und der Heilige Bonifatius mit ihren Helfern, die den Boden für die Kirche bereiteten. Eine große Ausstrahlung gewann in dieser Zeit das Benediktinerinnenkloster in Tauberbischofsheim durch die Heilige Lioba, die es seit etwa 750 als Äbtissin leitete.

Alemannenbistum

Wappen der Konstanzer Bischöfe

Um die Alemannen zu missionieren, wurde im 6. Jahrhundert, vermutlich 585 das Bistum Konstanz gegründet, indem der Bischofssitz von Vindonissa (Windisch) nach Konstanz verlegt wurde. Bis zum Jahr 780/782 gehörte die Diözese zur Kirchenprovinz Besançon, ab diesem Zeitpunkt zur Kirchenprovinz Mainz.

Zu den herausragendsten Bischöfen des frühen Mittelalters zählte der „Alemannenbischof“ Konrad von Konstanz (Amtszeit 934–975).

Im 7. Jahrhundert wird erstmals eine Bischofskirche erwähnt. Mit dem Bau des Münsters Unserer Lieben Frau wird 1054 begonnen, nachdem die ottonische Vorgängerkirche eingestürzt war.

Als im 11. Jahrhundert die Abtei Cluny in Burgund zum Ausgangs- und Mittelpunkt einer radikalen Reform des Klosterlebens wurde, breitete sich die Erneuerungsbewegung der Cluniazenser vom Kloster Hirsau aus auch im südwestdeutschen Raum aus und führte unter anderem zur Gründung des Klosters St. Peter im Schwarzwald, in dem heute das Priesterseminar des Erzbistums Freiburg untergebracht ist. Im Gefolge der zweiten, noch radikaleren Reformbewegung der Zisterzienser im 12. Jahrhundert entstanden unter anderem die einflussreiche Reichsabtei Salem, das Kloster Tennenbach und das Kloster Lichtenthal.

Konzil von Konstanz

Ins Zentrum des kirchlich-politischen Geschehens rückte Anfang des 15. Jahrhunderts die damalige Bischofsstadt Konstanz, als dort von 1414 bis 1418 das Konzil von Konstanz tagte. Es war von Kaiser Sigismund einberufen worden, um nach der Rückkehr der Päpste aus Avignon die umstrittene Frage nach dem rechtmäßigen Papst zu klären. Die Wahl fiel auf Kardinal Colonna, der sich als Papst dann Martin V. nannte. Die kirchlichen Bischöfe waren auch weltliche Herren des Fürstbistums Konstanz.

Reformation und Gegenreformation

Die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Martin Luther anbrechende Reformation breitete sich sehr schnell auch im südwestdeutschen Raum aus. Der Markgraf von Baden-Durlach und der in Heidelberg residierende Kurfürst der Pfalz gehörten zu den bedeutendsten Regenten, die die Reformation in ihren Gebieten einführten. Konstanz wurde 1527 reformiert; der Bischof floh nach Meersburg.

Konstanz blieb jedoch nicht lange reformiert: 1548 zwangen die Habsburger die Stadt zur Rekatholisierung. Sie wurde ihres Status als freie Reichsstadt enthoben und nach Vorderösterreich eingegliedert. Der Bischof kehrte zwar offiziell nach Konstanz zurück, seine Residenz verblieb jedoch bis zum Ende des Bistums in Meersburg. Um 1600 sorgten vor allem die Jesuiten, die man nach Konstanz holte, für die Wiedererstarkung des katholischen Glaubens.

Säkularisation und Auflösung

Das Konstanzer Münster, rund 800 Jahre Kathedralkirche des Bistums Konstanz

Die rationalistische Geistesströmung aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der vor allem durch Kaiser Franz II. Joseph geförderte aufgeklärte Absolutismus wirkten über das zu Vorderösterreich gehörende Freiburg in den südwestdeutschen Raum hinein. Einen sich bis heute auswirkenden grundlegenden Umbruch brachten dann die Napoleonischen Kriege und die Säkularisation von 1803. Die politische Neuordnung im Südwesten Deutschlands hatte auch eine Neuordnung der reichskirchlichen Territorien zur Folge. Das Hochstift Konstanz fiel nach § 5 des Reichsdeputationshauptschlusses (RDH) mit dessen Ratifizierung (27. April 1803) an die Markgrafschaft Baden; bereits durch Patent vom 16. September 1802 hatte der Markgraf von Baden das Hochstift provisorisch in Besitz genommen.

Der kirchliche Sprengel des Bistums blieb von der staatsrechtlichen Neuordnung zunächst unberührt (§ 62 RDH); allerdings war die Ausübung der kirchlichen Leitungsbefugisse in Württemberg und Baden durch das Bestreben der Regierungen, eine Art „landesherrliches Kirchenregiment“ auch über die katholische Kirche zu errichten (Einrichtung „katholischer Abteilungen“ in den Kultusministerien) nur eingeschränkt möglich; namentlich in Württemberg haben sich die verbleibenden kirchlichen Befugnisse des Konstanzer Diözesanbischofs auf die mit der Weihegewalt verbundenen Aufgaben beschränkt.

In Konstanz wirkte im Sinne des aufklärerischen Josephinismus vor allem der Generalvikar Ignaz Heinrich von Wessenberg unter Bischof Karl Theodor von Dalberg. Nach Dalbergs Tod wählte das Domkapitel 1817 Ignaz von Wessenberg als Nachfolger. Papst Pius VII. erkannte die Wahl nicht an. Die Bulle Provida solersque vom 16. August 1821 erklärte das Bistum Konstanz für aufgelöst. Es sollte in den neu gegründeten Bistümern Freiburg im Breisgau und Rottenburg (heute Rottenburg-Stuttgart) aufgehen. Die schweizerischen Teile des Bistums Konstanz wurden zuerst provisorisch vom Abt von Beromünster verwaltet und dann den Bistümern Basel und Chur unterstellt. Wessenberg übte sein Amt unter dem Schutz der badischen Landesherren noch bis 1827 aus, da die Nachfolgebistümer Freiburg und Rottenburg erst 1828 nach langem politischem Ringen zwischen Baden und dem Vatikan besetzt werden konnten.

Wie überstürzt das größte Bistum der römisch-katholischen Kirche jenseits der Alpen aufgelöst worden ist, um Wessenberg loszuwerden, zeigt die Tatsache, dass die schweizerischen Kantone Glarus, Ob- und Nidwalden, Uri und Zürich bis auf den heutigen Tag als Gebiete des ehemaligen Bistums Konstanz vom Bischof von Chur provisorisch administrativ verwaltet werden. Der Kanton Thurgau kam zum Bistum Basel, der Kanton St. Gallen bildet seit 1823/47 das Bistum St. Gallen, dem auch die beiden Halbkantone von Appenzell als Apostolische Administratur unterstellt sind.

Das Bistum war am Ende seines Bestehens sehr aufgeklärt und liberal; auch fünfzig Jahre nach seiner Auflösung bildete sich noch Widerstand gegen das Erste Vatikanum. Im Bistum Konstanz befindet sich heute noch das Kernland der alt-katholischen und christkatholischen Kirche in Deutschland und der Schweiz. Viele Kirchenlieder und Traditionen in den heutigen römisch-katholischen Bistümern Freiburg, Rottenburg-Stuttgart, Chur und St. Gallen stammen aus der Blütezeit unter Bischof Dalberg und Bistumsverweser Wessenberg.

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Göpfert: Das Bistum Konstanz - um 600 bis 1821 - Geschichte und Bedeutung. Ernst Knoblauch, Markdorf 2005.
  • Helmut Maurer: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Konstanz 2: Die Bischöfe vom Ende des 6. Jh. bis 1206, in: Germania Sacra, Hrsg. Max-Planck-Institut für Geschichte, 2003, ISBN 3-11-017664-5

Weblinks


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