Michel (Hilfskreuzer)

Michel (Hilfskreuzer)
War Ensign of Germany 1938-1945.svg
Schiffsdaten
Schiffstyp: Frachtmotorschiff
Auftragsvergabe: Gdynia America Line, Polen
Kiellegung: 1939
Stapellauf (Schiffstaufe): 1939
Indienststellung: 1939 als Frachter Bonn
1941 als HSK Michel (Schiff 28)
Bauwerft: Danziger Werft
Bau.Nr. 97
Umbau zum HSK 1939/1940: F. Schichau, Danzig
Reedereien: Auftrag: Gdynia America Line
übernommen von Norddeutscher Lloyd
Tage auf See (insges.) 522
Besatzung: erste Reise: 407
zweite Reise: 406
Baukosten: ??? Mio Złoty / Reichsmark
Technische Daten
Vermessung: 4.740 BRT
Wasserverdrängung als HSK: 10900 t
Länge: 132 m
Breite: 16.8 m
Tiefgang: 7.4 m
Maschinenanlage: 2 × 8-Zylinder MAN Diesel Motoren
Anzahl der Wellen: 1
Leistung: 6650 PS
Höchstgeschwindigkeit: 16 kn
Fahrbereich: 34000 sm bei 10 kn
Brennstoffvorrat: maximal 2500m³ Treiböl
Bewaffnung
Auf der ersten Fahrt
Kanonen: 6 × 15 cm (vom HSK Widder übernommen)
1 × 7,5 cm (Anhaltekanone)
Flak 4 × 3,7 cm (2 von Widder)
4 × 2 cm (alle von Widder)
Torpedorohre
Ø 53,3 cm
6 seitlich davon 2 unter der Wasserlinie
Minenkapazität: Keine
Flugzeuge: 2 Arado Ar 196 A-2
per Kran zu Wasser zu lassen
Außerdem: 1 Leichtes Schnellboot LS4 Esau
Kommandant
Kapitän zur See Hellmuth von Ruckteschell
Kapitän zur See Günther Gumprich

Die Michel (Handelsstörkreuzer 9), benannt nach dem Hamburger Michel, war ein im Zweiten Weltkrieg unter der Bezeichnung Schiff 28 für den Einsatz bei der Kriegsmarine vereinnahmtes polnisch-deutsches Handelsschiff. Bei der britischen Royal Navy war die Michel als Raider H bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Schiff war ursprünglich 1939 von der polnischen Gdynia America Line bei der Danziger Werft als Frachter in Auftrag gegeben worden und sollte den Namen Bielsko tragen. Nach der Besetzung Polens fiel die noch unfertige Michel in deutsche Hände. Vom Norddeutschen Lloyd noch 1939 unter dem Namen Bonn in Dienst gestellt wurde es 1940 von der Kriegsmarine requiriert und sollte in Danzig auf der Schichau-Werft zum Lazarettschiff (Schiff 26) umgebaut werden. Schließlich wurde das Schiff jedoch zum Handelsstörkreuzer umgebaut und am 17. September 1941 als Handelsstörkreuzer 9 (HSK 9) in Dienst gestellt.

Bewaffnung

Die Hauptbewaffnung der Michel bestand aus sechs 15-cm-Schnellfeuergeschützen, für die 1800 Granaten mitgeführt wurden. Je zwei Geschütze waren (immer eins auf jeder Seite) im Bug, auf dem Vorderschiff und in den Heckaufbauten versteckt, konnten aber, wenn es nötig war, innerhalb von Sekunden enttarnt werden. Diese Anordnung hatte den Nachteil, dass eine Breitseite nur drei Geschütze umfasste, während die anderen nicht eingesetzt werden konnten.

Außerdem verfügt die Michel über sechs Torpedorohre. Vier waren in Zwillingrohren beidseitig im Vorschiff versteckt, die andern beiden waren einzeln starr unterhalb der Wasserlinie angebracht. Es wurden 24 Torpedos mitgeführt.

Weiterhin war das Schiff mit einer 10,5-cm-Flak 38 auf dem Achterdeck ausgestattet, für die 400 Schuss vorhanden waren. Auch verfügte es über vier mittlere 3,7-cm-Flugabwehrkanonen (8000 Schuss) und vier leichte 2-cm-Flugabwehrkanonen (8000 Schuss).

Die 15-cm-Geschütze sowie zwei der vier 3,7-cm-Flugabwehrkanonen und alle vier 2-cm-Flugabwehrkanonen wurden aus der kurz zuvor zurückgekehrten und ausgemusterten Widder übernommen. Lediglich die 10,5-cm-Flak und zwei der 3,7-Flugabwehrkanonen waren neu.

Zur Aufklärung von feindlichen Schiffen, die eine potentielle Beute oder Gefahr waren, führte die Michel, wie die meisten deutschen Hilfskreuzer, zwei Wasserflugzeuge des Typs Arado Ar 196 A-1 mit. Diese befanden sich im hinteren Laderaum und wurden mit einem Kran ausgesetzt und wieder eingeholt.

Auch ein Schnellboot des Typs LS 4 befand sich an Bord. Dieses schnelle und wendige Beiboot, das mit einer 2-cm-Flak (400 Schuss, in Plexiglaskuppel) und zwei Torpedorohren (Ø 45cm) im Bug bewaffnet war, war speziell für den Einsatz auf Hilfskreuzern entworfen worden und deshalb besonders leicht sowie selbst bei starken Seegang einsetzbar. Es wurde, wie die beiden Flugzeuge, im hinteren Laderaum gelagert und war wie diese mit einem Kran ein- und ausladbar.

Besatzung

Als erster Kommandant der Michel wurde 1940 Korvettenkapitän Hellmuth von Ruckteschell bestimmt, der bereits Kommandant der Widder gewesen war und somit große Erfahrung in der Handelskriegsführung mitbrachte. Dieser wählte die Besatzung der Michel persönlich aus, sodass diese einen Großteil der Offiziere und Mannschaften der Widder umfasste.

Bevor die Besatzung im Dezember 1940 auf das Schiff kam, wurde sie in speziellen Trainingskursen auf das Leben an Bord vorbereitet.

Während die meisten die üblichen Marinekurse besuchten, wurden einige Besatzungsmitglieder in besondere Kurse geschickt, in denen sie Malen, Zeichnen, Bildhauerei, Theater, verschiedene Instrumente und sogar Puppenspielen lernten. Dies geschah auf Befehl von Ruckteschells, der die Auswirkungen einer langen Reise auf die Besatzung kannte und für Abwechslung sorgen wollte. Auch der Leiter einer Musikschule wurde verpflichtet, der Chorleiter und Leiter des Schiffsorchesters sein sollte.

Name

Als Schiff 28 Anfang 1941 in Dienst gestellt werden sollte, fragte Admiral Raeder bei Kapitän von Ruckteschell an, welchen Namen er dem Schiff geben wolle, da es üblich war, dass der Kommandant dem Hilfskreuzer einen Namen gab.

Dieser antwortete, dass er dem Schiff den Namen Michel geben wollte.

Es gibt mehrere Theorien, wie von Ruckteschell auf diesen Namen kam. Eine ist, dass sich Michel auf den Deutschen Michel bezogen habe. Einer anderen Theorie nach soll sich der Name auf den Erzengel Michael bezogen haben, der als Schutzheiliger der Deutschen gegen den Teufel kämpft.

Obwohl der Name bei der Besatzung sehr beliebt war, stieß er in offiziellen Kreisen in Berlin auf wenig Gegenliebe, da weder der häufig karikierten Deutsche Michel noch der christliche Erzengel als passende Namensgeber erschienen.

Daher riet Raeder von Ruckteschell, einen anderen Namen zu wählen, und schlug selbst Götz von Berlichingen vor. Dieser lehnt den Namen jedoch ab und verwies auf dessen bekannten Satz: „Er aber, sag's ihm, er kann mich im Arsche lecken!“.

Angesichts der sturen Haltung von Ruckteschells gab Raeder schließlich nach und taufte das Schiff am 7. September 1941 persönlich auf den Namen Michel.

Einsatz

Erste Fahrt

Am 9. März verließ die Michel Kiel, verholte zuerst nach Cuxhaven und dann nach Vlissingen.

Von dort aus sollte sie als Sperrbrecher 26 getarnt den Ärmelkanal durchqueren, um in La Rochelle letzte Vorbereitungen für eigentliche Mission zu treffen.

Am Abend des 13. März, also nur 300 Stunden nach dem erfolgreichen Kanaldurchbruch der Schlachtschiffe Scharnhorst und Gneisenau, lief die Michel alias Sperrbrecher 26 in Begleitung von neun Minenräumbooten sowie den Torpedobooten Iltis, Jaguar, Seeadler, Falke und Kondor aus Vlissingen aus.

Schon nach wenigen Stunden wurde der Konvoi von mehreren Motortorpedobooten angegriffen, die jedoch mit Hilfe der leichten Flugabwehrkanonen und der Begleitboote ausgeschaltet werden konnten. Wenig später wurde der Verband von neun Motortorpedobooten und fünf Zerstörern attackiert, die nur mit Hilfe naher Küstenbatterien und der enttarnten Hauptgeschütze der Michel abgewehrt werden konnten. Dies hatte jedoch zur Folge, dass die Royal Navy jetzt über die Existenz eines weiteren Hilfskreuzers Kenntnis hatte.

Nur geringfügig beschädigt und mit nur einem gefallenen Offizier erreichte der Konvoi am 14. März Le Havre und am folgenden Tag Saint-Malo, wo Treibstoff und Munition nachgefüllt wurden. Am 17. März erreichte die Michel La Rochelle, wo sie am 20. März ablegte, um im Zentralatlantik Handelskrieg zu führen. Später sollte mit dem weiter südlich operierenden Hilfskreuzer Thor in den Indischen Ozenan vorstoßen.

Am 5. April wurde der Äquator überquert, und elf Tage später, am 16. April, traf man mit dem Tanker Charlotte Schliemann zusammen, um die Treibstoffvorräte aufzufüllen. Um nicht entdeckt zu werden, tarnte sich die Michel von nun an als norwegischer Frachter.

Am 19. April wurde das erste feindliche Handelsschiff gesichtet. Es handelte sich um den britischen Tanker Patella der Anglo-Saxon Petroleum Co., der mit 10.000 t Öl auf dem Weg von Trinidad nach Südafrika war. Nach einem Warnschuss und dem Hissen der Reichskriegsflagge erhöhte der Tanker jedoch seine Geschwindigkeit und sendete RRR, das Notsignal bei einem Angriff durch einen Hilfskreuzer (Raider). Nach weiteren Schüssen, die unter anderem die Brücke und den Funkraum zerstörten, ergab sich die Besatzung; das Schiff wurde mit Sprengladungen versenkt. Die Michel nahm 60 Überlebende auf.

Drei Tage später, am 22. April, wurde ein weiterer Tanker gesichtet, und von Ruckteschell beschloss, das mitgeführte Schnellboot Esau zum Einsatz zu bringen. Die Michel folgte dem Schiff ungesehen bis in die Nacht hinein und bestimmte Geschwindigkeit und Kurs. In der Nacht wurde die Esau zu Wasser gelassen. Diese fuhr in einem großen Bogen ungesehen um das feindliche Schiff herum und wartete im Schutze der Dunkelheit auf den Tanker. Im Morgengrauen schoss die Esau zwei Torpedos auf den Tanker ab, der in einem Feuerball explodierte. Die herannahende Michel konnte 13 Überlebende retten, die das Schiff als 8684 BRT große Connecticut der US-amerikanischen Texas Company identifizierten, die ebenfalls nach Südafrika unterwegs gewesen war.

Am Morgen des 1. Mai wurde die 10.307 BRT große Menelaus der britischen Blue Funnel Line südlich von St. Helena gesichtet. Die Michel gab sich als britisches Patrouillenboot aus und forderte den Passagierdampfer auf, anzuhalten. Der Kapitän der Menelaus weigerte sich jedoch und forderte von der Michel, den Erkennungscode zu senden. Da dies nicht möglich war, befahl von Ruckteschell, das Feuer zu eröffnen und die Esau zu Wasser zu lassen. Die Menelaus begann daraufhin, Notsignale auf allen Frequenzen zu senden und sich mit Höchstgeschwindigkeit von der Michel zu entfernen, sodass sie bald außer Reichweite war. Da sie auch den Torpedos der Esau auswich, ließ von Ruckteschell mit Blick auf die bald eintreffenden feindlichen Kriegsschiffe abdrehen. Dies war das einzige Mal während des Zweiten Weltkriegs, dass ein von einem Hilfskreuzer angegriffenes Schiff entkommen konnte.

Nach diesem Misserfolg ließ von Ruckteschell die Michel Kurs nach Süden setzen, in das vormals von der in den Indischen Ozean ausgewichenen Thor überwachte Gebiet, um sich erneut mit dem Tanker Charlotte Schliemann zu treffen. Das Rendezvous fand am 8. Mai statt. Die Michel erhielt neuen Treibstoff und gab die Gefangenen an die Charlotte Schliemann ab.

Am 20. Mai wurde auf der Route Montevideo-Kapstadt ein weiterer Frachter entdeckt. Es handelte sich um den 4.245 BRT großen norwegischen Frachter Kattegat, der im Ballast auf dem Weg nach La Plata war. Da mit den ersten Salven Brücke, Maschinenraum und Funkraum zerstört wurden, konnte der Frachter weder entkommen noch ein Notsignal funken. Es gab keine Verletzten und alle 20 Männer konnten auf die Michel übernommen werden, bevor die Kattegat mit Sprengladungen versenkt wurde.

Zwei Wochen später fing der Funker der Michel das Notsignal eines Liberty-Frachters ab, der weiter nördlich einen Maschinenschaden erlitten hatte. Obwohl man drei Tage entfernt war, entschied von Ruckteschell, Kurs auf den Frachter zu setzen, und entdeckte ihn am 5. Juni, als die Besatzung es gerade geschafft hatte, den Motorschaden zu beheben. Obwohl die Esau das Schiff torpedierte und beide Torpedos trafen, gelang es nicht, das Schiff zu versenken. Stattdessen sendete das jetzt als 7.176 BRT große George Clymer identifizierte Schiff einen Notruf ab und besetzte die Bordkanone. Da ein britischer Kreuzer angekündigt wurde, beschloss man auf der Michel, hinter dem Horizont abzuwarten. Der Kreuzer stellte sich als HMS Alcantara heraus, die bereits gegen die Thor gekämpft hatte und dabei schwer beschädigt worden war. Diese nahm die Besatzung der sinkenden George Clymer auf und entfernte sich, bevor die Michel eingreifen konnte.

Am 11. Juni entdeckte der Ausguck den 5.187 BRT großen britischen Frachter Lylepark, der mit Flugzeugteilen auf dem Weg von Kapstadt nach New York war. Der Frachter wurde ohne Vorwarnung unter Beschuss genommen und nach kurzer Zeit versenkt. Die Michel nahm 22 der 27 Besatzungsmitglieder auf.

Am 21. Juni traf die Michel mit dem von der Atlantis erbeuteten Blockadebrecher Doggerbank zusammen, an den sie ihre 124 Gefangenen abgab.[1] Zu den beiden Schiffen stieß am nächsten Tag noch der Tanker Charlotte Schliemann, von dem sie mit Treibstoff versorgt wurden. Nach dem Treffen lief die Michel nach Norden, um im Golf von Guinea nach weiteren Frachtern Ausschau zu halten, die diese Strecke fuhren, um deutschen U-Booten auszuweichen.

Am 15. Juli sichtete man vor der Küste Angolas einen großen Passagierdampfer. Es handelte sich um die 7999 BRT große Gloucester Castle (Kapitän Herbert H. Rose) der Union-Castle Line. Das unbewaffnete und nicht eskortierte Schiff transportierte nichtmilitärische Fracht, Post und Passagiere von Birkenhead nach Kapstadt. In der Nacht näherte sich die Michel unter Verdunklung, um gegen 19.00 Uhr aus nächster Nähe das Feuer zu eröffnen. Das Schiff fing sofort Feuer und sank nach kurzer Zeit. Obwohl das Beiboot Esau zur Rettung der Schiffbrüchigen eingesetzt wurde, konnten nur 61 der 154 Passagiere und Besatzungsmitglieder gerettet werden. Unter den Toten waren auch sechs Frauen und zwei Kinder.

Weniger als 24 Stunden später wurden zwei weitere Schiffe entdeckt. Es handelte sich um zwei auf parallelem Kurs fahrende Tanker, und so entschloss sich von Ruckteschell, beide gleichzeitig bei Nacht anzugreifen. Der näher liegende Tanker, die 7983 BRT große William F. Humphrey, die sich auf dem Weg von Kapstadt nach Trinidad befand, wurde von der Michel beschossen und mit drei Torpedos versenkt, während die weiter entfernte 7.984 BRT große Aramis von der Esau zwar torpediert, aber nur beschädigt wurde. Erst am Abend erreichte die Michel den fliehenden Tanker und versenkte ihn.

Am 9. August traf die Michel vor der brasilianischen Küste mit dem Hilfskreuzer Stier zusammen, und die Kapitäne beschlossen zunächst, künftig gemeinsam vorgehen. Da von Ruckteschell jedoch die Taktik Horst Gerlachs, des Kapitäns der Stier ablehnte, gingen Stier und Michel dann doch getrennte Wege.

Der 14. August bescherte der inzwischen wieder vor St. Helena patrouillierenden Michel schnelle Beute. Der 5.874 BRT große Brite Arabistan, im Ballast unterwegs von Kapstadt nach Trinidad, wurde zerstört. Das Schiff sank innerhalb weniger Minuten. Nur ein Besatzungsmitglied konnte gerettet werden.

Am 23. August traf die Michel ein letztes Mal mit der Charlotte Schliemann zusammen, um Treibstoff zu ergänzen, bevor sie um das Kap der Guten Hoffnung herum in den Indischen Ozean vorstieß. Hier wurde am 10. September das US-amerikanische Schiff American Leander versenkt. Es war 6.778 BRT groß und mit 2.000 t Gummi, 850 t Kokosnüssen und 20 t Opium an Bord auf dem Weg von Kapstadt nach Punta Arenas. Das Schiff wurde in der Nacht aus nächster Nähe versenkt. Von den 58 Besatzungsmitgliedern überlebten 47 und wurden von der Michel aufgenommen.

Als die Michel am 11. September wieder in den Atlantik zurückkehrte, um sich mit verschiedenen Versorgungsschiffen zu treffen, spürte sie das neue 7.241 BRT große Frachtschiff Empire Dawn auf, das sich ebenfalls auf dem Weg nach Trinidad befand. Obwohl es bereits gestellt war und die Mannschaft das Schiff verließ, ließ Kapitän von Ruckteschell weiter feuern und tötete die Hälfte der 44 Mann starken Besatzung. Dies war einer der Anklagepunkte, in deren Folge von Ruckteschell nach dem Krieg für schuldig befunden und zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Nachdem man am 21. September von dem Blockadebrecher Tannenfels versorgt worden war und die Gefangenen an diesen abgegeben hatte, kam es am 24. zu einem erneuten Treffen mit der Stier und der Uckermark. Danach nahm die Michel wieder Kurs auf den Indischen Ozean. Am 14. November traf die Michel mit dem Tanker Brake zusammen, von dem sie Treibstoff erhielt. Vier Tage später begegnete man den Blockadebrecher Rhakotis, der auf dem Weg zurück nach Frankreich war und das Kriegstagebuch der Michel übernahm.

Der 29. November brachte der Michel ihre nächste Beute. Der 5.882 BRT große Frachter Sawokla, mit Jute auf dem Weg von Colombo nach Kapstadt unterwegs, wurde in der Nacht auf Gegenkurs entdeckt und sofort unter Beschuss genommen. Zwei Torpedotreffer der Esau ließen das Schiff schnell sinken. Von den 59 Seeleuten konnten 39 gerettet werden.

Am 8. Dezember wurde ein weiterer Frachter versenkt. Die Besatzung des griechischen Schiffs Eugenie Livanos (4.816 BRT) feierte gerade das Nikolausfest, als das Schiff von zwei Torpedos der Esau getroffen und versenkt wurde. 19 Matrosen verschiedener Nationalitäten wurden gerettet. Kurz darauf erhielt von Ruckteschell den Befehl, dass das Schiff in europäische Gewässer zurückkehren solle, um die Rückfahrt mit dem geplanten Ausbruch des Hilfskreuzers Coronel zu koordinieren. Am 26. Dezember erhielt von Ruckteschell die Nachricht, dass er das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen bekommen habe.

Am 3. Januar erhielt die Michel Order, in den Atlantik zurückzukehren. Am selben Tag meldete der Ausguck ein Schiff, welches am Abend eingeholt und mit Hilfe von vier Torpedos, je zwei von Michel und Esau, versenkt wurde. 27 der 29 Seeleute konnten gerettet werden, die das Schiff als 7.040 BRT große Empire March identifizierten, die mit Eisen, Tee und Erdnüssen auf dem Weg von Durban nach Trinidad gewesen war. Sechs Tage später erreichte die Michel die Nachricht, dass sie nicht versuchen solle, die alliierte Blockade Europas zu brechen, sondern stattdessen nach Japan ausweichen solle. Im nächsten Monat durchfuhr die Michel den Indischen Ozean und erreichte am 10. Februar das japanisch kontrollierte Batavia und am 18. das ebenfalls japanisch besetzte Singapur, wo die Gefangenen an japanische Schiffe abgegeben wurden.

Am 2. März erreichte die Michel Kobe. Hier wurde sie vom deutschen Marineattaché Admiral Paul Wenneker und von Kapitän zur See Günther Gumprich empfangen. Letzterer war Kommandant des Hilfskreuzers Thor gewesen, der kurz zuvor im Hafen von Yokohama explodiert war.

Ergebnis

Als die Michel am 2. März 1943 in Kobe ankerte, endete eine Fahrt, die am 9. März 1942 in Kiel begonnen und 358 Tage gedauert hatte. Auf dieser Feindfahrt waren 14 feindliche Handelsschiffe mit insgesamt 99.386 Bruttoregistertonnen versenkt worden.

Die Michel verlor auf der Fahrt kein Besatzungsmitglied. Die Michel wurde in der Mitsubishi Werft repariert und neu ausgerüstet. Kapitän Hellmuth von Ruckteschell, der schon auf See unter Migräne und Herzproblemen gelitten hatte, entschied sich am 23. März das Kommando abzugeben. An seiner Stelle wurde Günther Gumprich neuer Kommandant der Michel.

Zweite Fahrt

Nachdem die Michel in Kure wieder einsatzbereit gemacht worden war, ließ ihr neuer Kapitän am 1. Mai 1943 den Anker lichten, und die Michel setzte Kurs auf den Indischen Ozean, wo sie westlich von Perth kreuzte. Zu dieser Zeit war sie der letzte noch auf See befindlicher Hilfskreuzer, nachdem die Thor Ende November 1942 in Yokohama explodiert war.

Am 14. Juni entdeckte eines der Aufklärungsflugzeuge ein Schiff westlich der Michel, dem diese folgte, um es am Abend einzuholen. Günther Gumprich, der Tagangriffe mit der Thor, welche über bessere Geschütze und eine größere Breitseite verfügt hatte, gewöhnt war, missfiel die „Ruckteschellsche“ Taktik des überraschenden Nachtangriffs. Da die vorhandenen Mittel auf der Michel sehr begrenzt waren, stimmte er widerwillig zu, einen nächtlichen Überraschungsangriff zu starten. Das inzwischen als 7.715 BRT großer Norweger Höegh Silverdawn identifizierte Schiff, das mit Fleisch und militärischem Gerät auf dem Weg von Fremantle nach Basra unterwegs war, wurde wie gewohnt bei Nacht ohne Vorwarnung beschossen und mit zwei Torpedos versenkt. Die 47 Mann starke Besatzung konnte gerettet werden. Sechs der elf Passagiere verloren ihr Leben.

Der von der Michel versenkte Tanker Ferncastle

Das nächste Schiff wurde zwei Tage später, am 17. Juni, gesichtet. Es handelte sich um den 9.940 BRT großen norwegischen Tanker Ferncastle. Nachdem das Schiff den ganzen Tag über beschattet worden war, näherte man sich in der Nacht und ließ die Esau zu Wasser. Nachdem diese den Tanker mit ihren Torpedos getroffen hatte, glaubte der Kapitän der Ferncastle zuerst an einen U-Boot-Angriff und ließ die Geschütze bemannen, erkannte jedoch , als sich die Michel näherte, die Hoffnungslosigkeit der Lage und ließ die Besatzung das Schiff verlassen. Von den 37 Seeleuten der Ferncastle starben fünf beim Angriff. 13 wurden von der Michel gerettet, während weitere 19, unter ihnen der Kapitän, mit einem Rettungsboot entkamen und 30 Tage später die Küste Madagaskars erreichten. Da die Ferncastle einen Notruf absetzen hatte können und viele der Überlebenden entkommen waren, beschloss Gumprich, in den Pazifik auszuweichen, wo die Michel erfolglos vor der chilenischen Küste kreuzte. Erst am 1. August wurde wieder ein Schiff gesichtet, jedoch nicht angegriffen, da Gumprich vermutete, dass es sich um einen Hilfskreuzer handelte.

Am 29. August meldete der Ausguck die Sichtung eines amerikanischen Kreuzers, der fälschlich als Schiff der Pensacola-Klasse identifiziert wurde, woraufhin Gumprich sofort nach Norden abdrehen ließ. In Wirklichkeit war es jedoch der Leichte Kreuzer USS Trenton, der zur Omaha-Klasse gehörte. Am 10. August wurde wieder ein Handelsschiff entdeckt. Der 9.977 BRT große Norweger India, auf dem Weg von Peru nach Sydney, wurde bis in die Nacht hinein verfolgt. Man näherte sich dem Tanker im Schutz der Dunkelheit und versenkte ihn. Da die erste Salve bereits die Öltanks in Brand schoss, verwandelte sich das Schiff bald in ein flammendes Inferno. Keiner der 41 Seeleute überlebte den Untergang.

Einen ungewöhnlichen Zusammenstoß mit feindlichen Schiffen hatte die Michel am 29. September. Mitten in der Nacht geriet die Michel in einen von Zerstörern eskortierten Konvoi in Richtung Hawaii. Obwohl nicht enttarnt, beschloss Gumprich, sich behutsam aus dem Konvoi zu lösen, was auch gelang.

Der Untergang

Da es keine im Pazifik operierenden deutschen Versorger mehr gab, sah sich Grumprich gezwungen, zurück nach Japan zu laufen, um neuen Treibstoff zu laden. Auf dem Weg nach Yokohama wurde die Michel in der Nacht zum 17. Oktober vom US-amerikanischen U-Boot USS Tarpon entdeckt. Über Wasser fahrend folgte die Tarpon der Michel und begab sich in Schussposition. Um 1.56 Uhr schoss sie vier Torpedos ab, von denen zwei die Michel trafen. Diese stoppte, fuhr dann jedoch weiter und lief direkt auf das U-Boot zu, welches jedoch abtauchte und hinter der Michel wieder auftauchte, um einen zweiten Fächer zu schießen. Ein Torpedo traf die Michel am Heck, löste eine große Explosion aus und ließ die Michel in wenigen Minuten untergehen. Von den 373 Männern und Offizieren an Bord starben 263. Unter ihnen war auch Kapitän Günther Gumprich.

Versenkungen

Erste Fahrt

Name Typ Land Datum Tonnage in BRT Ladung/Passagiere
Patella Tanker Vereinigtes Königreich 19. April 1942 7.469 9.911 t Öl
Connecticut Tanker USA 22. April 1942 8.684 Gasolin
Kattegat Frachter Norwegen 20. Mai 1942 4.245 Keine
George Clymer Frachter USA 6. Juni 1942 7.176 24 Flugzeuge u.a.
Lylepark Frachter Vereinigtes Königreich 11. Juni 1942 5.186 militärische Nachschubgüter
Gloucester Castle Passagierschiff Vereinigtes Königreich 15. Juli 1942 8.006 Fracht, Post und Passagiere
William F. Humphrey Tanker USA 16. Juli 1942 7.893 keine
Aramis Tanker Norwegen 17. Juli 1942 7.984 keine
Arabistan Frachter Vereinigtes Königreich 14. August 1942 5.874 keine
American Leader Frachter USA 10. September 1942 6.778 850 t Kokosöl 400 t Kopra, 100 t Gewürze, 200 t Fett und 20 t Opium
Empire Dawn Frachter Vereinigtes Königreich 11. September 1942 7.241 keine
Sawokla Frachter USA 29. November 1942 5.882 Jute, Rohleinen
Eugenie Livanos Frachter Griechenland 8. Dezember 1942 4.861 alkoholische Getränke
Empire March Frachter Vereinigtes Königreich 2. Januar 1943 7.040 Eisen, Tee, Jute und Erdnüsse

Insgesamt: 14 Schiffe mit 99.368 BRT

Zweite Fahrt

Name Typ Land Datum Tonnage in BRT Ladung
Hoegh Silberdawn Frachter Norwegen 15. Juni 1943 7.715 Fleisch, militärische Ausrüstung und Fahrzeuge, Flugzeugtreibstoff
Ferncastle Tanker Norwegen 17. Juni 1943 9.940 Benzin
India Tanker Norwegen 11. September 1943 9.977 Öl

Insgesamt: 3 Schiffe mit 27.632 BRT

Literatur

  • Jochen Brennecke: Die deutschen Hilfskreuzer im Zweiten Weltkrieg. Gefürchtet, aber geachtet. 2. überarbeitete Auflage. Koehlers Verlagsgesellschaft, Herford 1976, ISBN 3-7822-0119-1.
  • Erich Gröner: Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945. Band 3: U-Boote, Hilfskreuzer, Minenschiffe, Netzleger, Sperrbrecher. Bernard & Graefe Verlag, Koblenz 1985, ISBN 3-7637-4802-4.

Einzelnachweise

  1. 54 von der britischen Patella. 22 von der britischen Lylepark, 32 von der norwegischen Kattegat und 16 von der amerikanischen Connecticut.

Weblinks


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