EU-Anleihe

EU-Anleihe

Als EU-Anleihe im Sinne dieses Artikels (auch Eurobonds, auch Euro-Staatsanleihe genannt) wird eine theoretische Art Staatsanleihen in der Europäischen Union oder der Eurozone bezeichnet, bei denen EU-Staaten gemeinsam Schulden am Finanzmarkt aufnehmen, die aufgenommenen Mittel unter sich aufteilen und gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung und Zinsen dieser Schulden haften würden. Gegenwärtig gibt es weder eine einheitliche Meinung, wie EU-Anleihen theoretisch ausgestaltet sein könnten, noch eine Beschlusslage, wonach solche zukünftig überhaupt eingeführt werden sollen.

Hintergrund der kontroversen Diskussion um mögliche EU-Anleihen ist die Staatsschuldenkrise einiger Euro-Staaten, die erhebliche jährliche Haushaltsdefizite aufweisen und übermäßig hohe Schuldenstände eingegangen sind. Es ist umstritten, ob EU-Anleihen als weiteres Finanzierungsinstrument für diese ohnehin stark verschuldeten Staaten deren Finanzlage verbessern würden oder die Finanzkrise sich in diesen Ländern dadurch noch weiter verschärfen würde.

Es ist auch umstritten, ob solche Anleihen der in Art. 125 AEU-Vertrag geregelten Nichtbeistands-Klausel widersprechen. Daneben werden sie von manchen Personen auch als Finanzierungsinstrument für den Haushalt der Europäischen Union diskutiert. EU-Projektbonds wurden bereits in der Vergangenheit als gemeinschaftliches Finanzierungsinstrument für einzelne Investitionsprojekte oder für kurzfristige Nothilfesituationen benutzt.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Grund der verstärkten öffentlichen Diskussion über Euro-Staatsanleihen ist, dass seit Einführung des Euro als Buchgeld einige Länder der Eurozone Haushaltsdefizite und Verschuldungsgrade in einer solchen Höhe aufgebaut haben, dass sie nur zu sehr teuren Zinsen neue Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen können und teilweise de facto auf Basis ihrer eigenen Bonität keinen Kapitalmarktzugang mehr haben.

Die Ausgabe von EU-Anleihen würde die Bereitschaft der Euroländer mit solideren Haushalten bzw. geringeren Verschuldungsgraden voraussetzen, für die mittels EU-Anleihen aufgenommenen Gelder der Krisenländer zu haften und dabei auf eine marktadäquate risikogerechte Verzinsung zu verzichten – mit anderen Worten: das Risiko einzugehen, für die Schulden von insolvenzgefährdeten Ländern zu haften und dafür keine oder eine geringere als die am Markt verlangte Gegenleistung fordern. De facto würde das dazu führen, dass relativ solide Staaten wie Deutschland, Österreich, die Niederlande und Frankreich für Zinsen und Rückzahlung von insolvenzgefährdeten Ländern wie Griechenland, Irland oder Portugal haften. Durch EU-Anleihen würde der Marktdruck von den insolvenzgefährdeten Ländern genommen, zu einer solideren Fiskalpolitik zurückzukehren, und damit die Ausfallwahrscheinlichkeit erhöht.

Vorschläge zu der Ausgestaltung von EU-Anleihen existieren in verschiedenen Varianten. Kritisch diskutiert werden

  • die maximale Höhe der Gesamtverschuldung, die mittels EU-Anleihen aufgenommen werden dürften,
  • die Auflagen an eine solide Fiskalpolitik der teilnehmenden Staaten,
  • die Art und Weise der Durchsetzung (automatische Sanktionen? Eingriffe in die Souveränität des Landes?)
  • die Art und Höhe von Sanktionen in dem Fall, dass Auflagen nicht eingehalten werden,
  • die Sicherheiten, die teilnehmende Staaten für den Fall ihres Zahlungsausfall hinterlegen sollten.

Da es zu der Fiskalpolitik schon bestehende vertragliche Regelungen (60%-Verschuldungsgrenze, 3%-Defizitgrenze) gibt, geht es dabei im Wesentlichen um eine bessere Kontrolle und abgesichertere Umsetzung der vorhandenen fiskalpolitischen Regelungen.

Die wirtschaftlich stärkeren EU-Staaten sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Einführung von Eurobonds zu einer Erhöhung ihrer Zinslast führt, weil sich ihre Bonität durch die zusätzlich übernommenen Haftungen (= Bürgschaften) verschlechtern würde. Die wirtschaftlich schwächeren Staaten erhoffen sich davon Zugang zu besseren Kreditbedingungen, vor allem niedrigere Zinsen.

EU-Mitgliedstaaten ohne übermäßige Haushaltsdefizite und Verschuldungsgrade, insbesondere Deutschland, lehnen EU-Anleihen ab; ebenso junge und relativ arme EU-Staaten wie die Slowakei und Slowenien. EU-Staaten mit übermäßigen Haushaltsdefiziten und Verschuldungsgraden, aber auch einige wirtschaftlich solide Staaten wie Luxemburg, sowie die Europäische Kommission und ein Teil des Europäischen Parlaments befürworten sie hingegen (Stand Dezember 2010).[1]

Geschichte

Am 1. Januar 1999 wurde der Euro gesetzliche Buchungswährung. Er ersetzte die frühere Korbwährung Europäische Währungseinheit (ECU) in einem Umrechnungsverhältnis von 1:1. Ab dem 2. Januar notierten die europäischen Börsen sämtliche Wertpapiere in Euro (siehe auch: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion). Da die Wechselkurse unwiderruflich festgelegt waren, konnten ab dem 1. Januar 1999 (bzw. Griechenland 1. Januar 2001) einzelne Länder nicht mehr abwerten.

Vorschlag einer Anleihe auf den EU-Haushalt

Der Vorschlag, den Haushalt der Europäischen Union auch durch EU-Staatsanleihen zu finanzieren, wurde zuerst 2003 von Jacques Delors auf die politische Agenda gesetzt, fand aber schon damals keine Mehrheit. Als EU-Kommissionspräsident hatte Delors Ende der 1980er Jahre wesentlich den Plan für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion mitgestaltet. Auch der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi befürwortete die Idee. Die politische Mehrheit war jedoch weiterhin gegen diese Idee, auch der Europäische Rat stellte sich dagegen. Es wurde befürchtet, dass EU-Anleihen letztlich zu einer von den Mitgliedstaaten nicht gewollten Ausweitung des EU-Haushalts sowie einer ungewünschten höheren Gesamtverschuldung des EU-Raums führen würde.[2]

Ende 2008 brachten einige Politiker vor dem Hintergrund der globalen Wirtschaftskrise den Vorschlag erneut in die politische Diskussion ein. Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Gruppe sowie die sozialdemokratische Fraktion wollten durch Anleihen der EU die Verschuldungskapazität des EU-Raums erhöhen, um mit den Mitteln aus der erweiterten Verschuldung insbesondere gemeinsame konjunkturpolitische Maßnahmen durchzuführen. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), insbesondere aber Deutschland, Frankreich und weitere EU-Staaten, die die Hauptlast und das Hauptrisiko dabei tragen sollten, lehnten diesen erneuten Vorstoß ab, die schon eingetretenen Überschuldungen in einigen EU-Staaten durch weitere Schuldenaufnahmen im EU-Raum lösen zu wollen.

Vorschlag einer EU-Anleihe für nationale Haushalte

Spätestens ab 2010 nahmen die breite Öffentlichkeit und die weltweiten Finanzmärkte die Staatsschuldenkrise im Euroraum als einen finanzwirtschaftlichen Schock wahr. Griechenland wies in 2010 überraschend eine schwerwiegende finanzielle Notlage aus, nachdem es in den Jahren zuvor die Entwicklung dahin mit falschen Statistiken verharmlost hatte. Zusätzlich zu Griechenland gerieten in der Eurozone die sogenannten PIIGS-Staaten (=Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) zunehmend mit stark defizitären Haushalten und hohen Verschuldungsgraden in eine finanzielle Schieflage.

Die Finanzmärkte spiegelten das gestiegene finanzielle Risiko von Anleihen dieser Staaten wider, erkennbar an einer immer deutlicheren Zinsdifferenz zwischen den Zinsen, die Euro-Staaten mit übermäßigen Haushaltsdefiziten und Verschuldungsgraden für Kredite zahlen mussten relativ zu den geringeren Zinsen der Anleihen der finanziell solider wirtschaftenden Euro-Staaten. Auch die zunehmenden Preise für Credit Default Swaps der PIIGS-Staaten waren ein Indiz für die gestiegene Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls dieser Staaten aus Sicht der Märkte.

Während der Staatsschuldenkrise der PIIGS-Staaten beschloss der Europäische Rat an einem einzigen Wochenende im Mai 2010 einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus („Euro-Rettungsschirm“), mit dem den stark verschuldeten Euro-Staaten in erheblichem Ausmaß unterstützt werden sollten. Dieser Schirm basiert auf multilateralen Kreditgarantien der Mitgliedstaaten, ohne dass dafür gesamteuropäische Anleihen ausgegeben wurden. Insbesondere in Deutschland wurde und wird dies von vielen Seiten als ein Verstoß gegen die Nichtbeistands-Klausel („No-Bailout-Klausel“) kritisiert.

Im Zusammenhang mit der Debatte über eine Reform der Währungsunion brachten ab Ende 2010 insbesondere Jean-Claude Juncker und der italienische Wirtschaftsminister Giulio Tremonti den Vorschlag EU-Anleihen erneut vor. Er sah nun nicht mehr Anleihen auf den EU-Haushalt vor, sondern Euro-Anleihen, die die Kreditbedarfe der Mitgliedstaaten der Eurozone decken sollen und für die alle Kreditnehmer gemeinschaftlich – über den von ihnen aufgenommenen Betrag hinaus – haften sollten. Zur Ausgabe dieser Anleihen solle eine neue Institution, die Europäische Schuldenagentur gegründet werden.[3] Jeder Mitgliedstaat sollte Euro-Anleihen maximal bis zu einem bestimmten Prozentsatz des nationalen Bruttoinlandsprodukts begeben können (vorgeschlagen wurden zunächst eine Schuldenquote von 60 % wie im Maastricht-Vertrag, später 40 %), darüber hinausgehende Schulden sollte jeder Staat weiterhin selbst und alleine tragen. Die Vorsitzenden der großen Fraktionen im Europäischen Parlament unterstützen diesen Vorschlag, allerdings mit unterschiedlicher Entschlossenheit.[1] Guy Verhofstadt, Vorsitzender der liberalen Fraktion ALDE, schlug zudem vor, dass Staaten, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht einhielten, vom System der Euro-Anleihen ausgeschlossen werden sollten. Damit sollte dieser besser durchsetzbar werden.[1] Im Dezember 2010 sprachen sich auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Europas, Poul Nyrup Rasmussen,[4] sowie die deutschen SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück mittelfristig für die Einführung von Euro-Anleihen aus.[5]

Verschiedene Regierungen – insbesondere Deutschland, aber auch Frankreich, Österreich und die Niederlande – lehnten den Vorschlag erneut ab, da durch die Euro-Anleihen Moral Hazard drohe: Durch die „Vergemeinschaftung“ der Schulden sinke der Anreiz für einzelne Staaten, eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik zu betreiben, da sich die Zinslast für eine schlechtere Kreditwürdigkeit auf alle Mitgliedstaaten verteile.[1] Zudem wird befürchtet, dass Euro-Anleihen für die wirtschaftlich stärkeren Staaten zu einer höheren Kreditlast führen, da sie neben ihrerer eigenen auch für die Rückzahlung der Kredite der unsolideren Staaten haften sollten. 2010 betrug der durchschnittliche Zinssatz für Staatsanleihen in der Eurozone mehr als drei Prozent, der für deutsche Bundesanleihen nur zwei Prozent (was bei einer Inflationsrate von 2 % einer Realverzinsung von Null entspricht).[6] Aus dieser Differenz ergäbe sich[7] eine jährliche Zusatzbelastung für Deutschland von 17 Milliarden Euro. Nach anderen Berechnungen würde die tatsächliche Mehrbelastung für Deutschland niedriger ausfallen, falls durch den größeren Umfang eines Euro-Anleihenmarktes der Zinssatz für Euro-Anleihen niedriger wäre als der Durchschnittswert der heutigen Staatsanleihen im Euroraum.[8] Die Bundesregierung nenne nicht die zinsliche Mehrbelastung als Ablehnungsgrund, sondern die geringeren Anreize für eine solide Haushaltspolitik und die notwendigen Veränderungen am AEU-Vertrag seien ausschlaggebend für ihre Ablehnung der Anleihen.[9]

Im Juni 2011 kündigte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Einführung von Eurobonds an, sofern das Europäische Parlament zuvor dem sogenannten „Sixpack“ zur Stärkung der wirtschaftlichen Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und der Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zustimme. Über dieses Gesetzespaket war es zu einem Konflikt zwischen dem Parlament und dem Rat der EU gekommen, nachdem Deutschland und Frankreich an wichtigen Stellen Abschwächungen erreicht hatten.[10] Das Parlament drohte daraufhin mit einer Ablehnung des Pakets, die Währungskommissar Olli Rehn durch seinen Vorschlag zu verhindern suchte.[11]

Nach einem zweiten Rettungspaket für Griechenland im Juli 2011 und Vorbereitungen der EU, den bislang provisorischen Euro-Rettungsschirm vom Mai 2010 in das permanente Instrument des Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) zu überführen, ratifizierte der Deutsche Bundestag diese Beschlüsse

Angesichts der Verschärfung der Staatsschuldenkrise im Euroraum im August 2011 wiederholten einige Staaten ihren Wunsch nach Eurobonds; die Gegner betonen weiterhin deren Gefahren. So wiederholte Giulio Tremonti, seinerzeit italienischer Wirtschaftsminister im Kabinett Berlusconi IV, anlässlich der Verabschiedung eines italienischen Sparpaketes am 12. August den Wunsch Italiens nach EU-Anleihen.[12] Zugleich sprach sich auch der britische Finanzminister George Osborne für die Einführung von gemeinsamen Anleihen der Eurozone (nicht der EU insgesamt) aus, und die französische Regierung lockerte ihre frühere Ablehnung.[13]

Wirtschaftswissenschaftliche Debatte

Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist die Bewertung von Eurobonds umstritten. Während die eindeutige Mehrheit deutscher Ökonomen vor ihrer Einführung warnen,[14] sprach sich in einer europaweiten Umfrage unter sechzig Ökonomen die Mehrheit dafür aus.[15] Die zusätzlichen Kosten, die auf wirtschaftsstarke Staaten wie Deutschland zukämen, werden unterschiedlich bewertet. Kritiker gehen von einem unausweichlichen Zinsanstieg für Deutschland aus. Während sie vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung auf bis zu 47 Milliarden Euro jährlich beziffert werden,[16] gehen einzelne Ökonomen wie Robert von Heusinger davon aus, dass aufgrund der höheren Liquidität sogar Deutschland ökonomisch von Eurobonds profitieren könnte.[17] Die meisten Schätzungen liegen zwischen diesen beiden Extremen. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit zusätzlichen Kosten von bis zu 2,5 Milliarden Euro im ersten Jahr einer Einführung, im folgenden Jahr in doppelter Höhe. Nach zehn Jahren würde die Mehrbelastung zwischen 20 und 25 Milliarden Euro liegen. Die Experten des Finanzministeriums gehen davon aus, dass die Zinsen für Euro-Bonds verglichen mit Bundesanleihen um rund 0,8 Prozentpunkte steigen würden.[18]

Befürworter argumentieren, Euro-Anleihen bekämen im Vergleich zu herkömmlichen Staatsanleihen und wegen der gesamtschuldnerische Haftung einen höheren Status, was sich vorteilhaft für alle auswirken würde. Der Anleihemarkt könnte unter Teilnahme aller Mitgliedstaaten der Eurozone, wenn sich die Staaten an die Verschuldungsgrenze von 60 % hielten (was bisher nicht funktioniert hat), ein Volumen von 5600 Milliarden Euro haben (der Markt für US-amerikanische Staatsanleihen umfasst 8300 Milliarden US-Dollar). Das gemeinschaftliche Ausfallrisiko bei maximal 60% Verschuldungsgrad pro Land wäre dann geringer als das jetzige konsolidierte Ausfallrisiko aller Nationalstaaten zusammen, bei denen derzeit teilweise erhebliche Überschuldungen auftreten. Aus dem geringeren Ausfallrisiko würden sich niedrigere Zinsen ergeben. Zugleich wird aber auch die Notwendigkeit betont, die Staatsschuld nicht über eine gewisse Grenze hinaus zu überdehnen: Jegliche Verschuldung über eine definierte Staatsschuldenquote hinaus würde statt der erwarteten Vorteile eher einen schlechteren Status, ein höheres Ausfallrisiko und eine geringere Liquidität bedeuten, was zu höheren Zinsen führen würde. Der Zugang zu Eurobonds müsse deshalb mit bestimmten Bedingungen verbunden werden.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung befürwortet in seinem Jahresgutachten 2011/2012 (veröffentlicht am 9. November 2011) für einen 'Europäischen Schuldentilgungsfonds' aus.[19]

Ablehnende Fachleute argumentieren, dass gerade durch die Vergemeinschaftung von Schulden und Zinskosten mittels EU-Anleihen die nationale Verantwortung für eine solide Haushaltsführung und Verschuldungspolitik weiter geschwächt würde. Sie weisen auf die bestehenden Erfahrungen hin, dass schon nach der Einführung des Euro manche Euro-Staaten nicht einer exzessiven Fiskal- und Schuldenpolitik widerstehen konnten, obwohl es vertragliche Vereinbarungen zur 3% Defizit- und 60% Verschuldungsgrenze gab. In der Folge würde mit der Einführung von EU-Anleihen den Defizit- und Schuldensündern ihre unsolide Haushalts- und Verschuldungspolitik vereinfacht, indem ihnen die Zinskosten für exzessive Politiken subventioniert würden und die Bürde der Rückzahlung übermäßiger Schulden durch Haftung der solideren Länder abgenommen würde. Sie betonen auch, dass die Kostenschätzungen von nur einigen Milliarden Euro an jährlichen Zusatzkosten für solide Staaten stark untertrieben sind, da diese im expliziten Haftungsfall mehrere 1000 Milliarden Euro zahlen müssten. Im jetzigen nur impliziten Haftungsfall der Staatsschuldenkrise im Euroraum, bei dem die Haftung vorab gar nicht vereinbart war, mussten die solideren Staaten schon mehrere 100 Milliarden Euro an Liquidität und Bürgschaften zur Rettung der unsolideren Staaten zahlen, um Staatsbankrotte in der Eurozone abzuwenden.

EU-Projektbonds

In kleinem Umfang existierten gemeinschaftlich abgesicherte Anleihen unter der Bezeichnung Neues Gemeinschaftsinstrument bereits in den 1970er und 1980er Jahren. Sie wurden jedoch lediglich für einzelne Investitionsprojekte oder für kurzfristige Nothilfesituationen, etwa nach Erdbeben in Italien und Griechenland, eingesetzt.[2] Solche „gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens“ sind von Art. 125 AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehen, während ansonsten die wechselseitige Haftungspflicht der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten füreinander durch die Nichtbeistands-Klausel ausgeschlossen ist.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso schlug im Dezember 2010 die Wiedereinführung solcher EU-Projektbonds in größerem Umfang vor,[20] Energiekommissar Günther Oettinger regte im Februar 2011 an, den Ausbau der transeuropäischen Energienetze durch gemeinsame Projektbonds zu finanzieren.[21]

Bundestagspetitionen

Seit 12.9. läuft eine Bundestagspetition gegen die Eurobonds.

Seit 8.9. läuft eine Bundestagspetition für die Eurobonds.

Literatur

  • Forum: Common Euro Bonds: Necessary, Wise or to be Avoided?, mit Beiträgen von Paul De Grauwe/Wim Moesen, Wim Kösters und Thomas Mayer, in: Intereconomics, Mai/Juni 2009, S. 132–141.
  • Norbert Horn: Die Reform der Europäischen Währungsunion und die Zukunft des Euro, in: NJW 2011, 1398–1404.
  • Norbert Horn: Rechtsfragen einer Schuldenordnung für EU- und Euro-Staaten – Externe Anleihen und Bankkredite, in: Wirtschaftsdienst 2010, Zeitgespräch: Wege aus der europäischen Staatsschuldenkrise, S. 797–800.
  • Dietmar K. R. Klein: Warum denn keine Euro-Bonds?, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 2011, S. 9.
  • Toralf Pusch, Marina Gruševaja: Leistungsbilanzungleichgewichte in der EU – Herausforderung für die Fiskalpolitik?, in: Wirtschaftsdienst 2011, 465–471.
  • Hans-Werner Sinn/Timo Wollmershäuser: Target-Kredite, Leistungsbilanzsalden und Kapitalverkehr: Der Rettungsschirm der EZB, in: ifo Schnelldienst, Sonderausgabe Juni/2011, S. 1–29.
  • Nicolas Sonder: Solidarität in der Währungsunion: Griechenland, Irland und kein Ende?, in: ZRP 2011, 33–36.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d EU-Parlamentarier sprechen sich für Euro-Bonds aus. In: Spiegel Online. 14. Dezember 2010.
  2. a b Rezession trifft Europa – EU-Bonds regen Diskussionen an. In: EurActiv. 19. November 2008.
  3. Bundesregierung lehnt neue Rettungsidee ab. In: Focus. 6. Dezember 2010.
  4. 'Leaders putting national interest ahead of Europe,' says EU Parliament. In: EUobserver. 18. Dezember 2010.
  5. Germany must lead fightback. In: Financial Times. 14. Dezember 2010.
  6. Keine Chance für Eurobonds beim EU-Gipfel. In: Stuttgarter Zeitung. 14. Dezember 2010.
  7. wenn man unrealitsischerweise ceteris paribus annähme
  8. Gefährliche Bürgschaften. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 14. Dezember 2010.
  9. Berlin gegen Kauf von Staatsanleihen über Euro-Schirm. In: Reuters. 13. Dezember 2010.
  10. EU-Wirtschaftsregierung: Rat verärgert Parlament. In: EurActiv. 21. Juni 2011.
  11. Wirtschaftsregierung: Rehn lockt EU-Parlament mit Eurobonds. In: EurActiv. 23. Juni 2011.
  12. am 12. November trat Silvio Berlusconi zurück; sein Nachfolger Mario Monti bildete das Kabinett Monti
  13. Handelsblatt: Tremonti erneuert Ruf nach Eurobonds; Der Spiegel: Europäer drängen Merkel zu Euro-Bonds.
  14. EurActiv: German economists say 'Nein' to 'disaster' eurobonds
  15. EurActiv: Bankers, economists see eurobonds as inevitable.
  16. Handelsblatt: Was Eurobonds Deutschland wirklich kosten.
  17. Robert von Heusinger: Die Kosten für Euro-Bonds.
  18. Regierung rechnet mit Milliardenkosten durch Euro-Bonds
  19. Gutachten Seite 109ff.: www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de
  20. Barroso verspricht Fortschritte bei EU-Projektbonds. In: EurActiv. 15. Dezember 2010.
  21. Oettinger will Stromnetz mit EU-Anleihe finanzieren. In: Spiegel Online. 4. Februar 2011.

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