Kreis Niederung

Kreis Niederung
Landkreis Niederung. Kreisgrenzen bis 1920 in rot, heutige litauisch-russische Grenze in gelb. Diese Grenzziehung entspricht auch der nördlichen Kreisgrenze nach Abtrennung des Memellands 1920.
Wappen des Kreises Niederung / Elchniederung

Der Kreis Niederung (1938 umbenannt in Kreis Elchniederung, ab 1939 Landkreis Elchniederung) war ein preußischer Landkreis in Ostpreußen und bestand von 1818 bis 1945. Er umfasste am 1. Januar 1945 219 Gemeinden, darunter zwei mit mehr als 2000 Einwohnern, (Heinrichswalde und Kaukehmen), sowie fünf Gutsbezirke. Kreisstadt war Heinrichswalde.

Das ehemalige Kreisgebiet gehört heute ganz überwiegend zum Rajon Slawsk in der russischen Oblast Kaliningrad. Der nördliche Zipfel um die Gemeinde Leitgirren liegt im Distrikt Memel in Litauen.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Der Landkreis lag im Norden Ostpreußens. Er grenzte im Norden an den Landkreis Heydekrug, im Nordosten an den Landkreis Tilsit, im Osten an den Landkreis Ragnit, im Südosten an den Landkreis Insterburg, im Süden an den Landkreis Labiau und im Westen an das Kurische Haff.

Den größten Teil des Kreisgebiets nahm die Elchniederung ein, nach der der Kreis 1938 dann auch benannt wurde. Durch diese Niederung fließt der Gilgestrom, ein Mündungsarm der Memel, der beim Dorf Gilge knapp südlich der Kreisgrenze in das Kurische Haff mündet.

Zwei große Waldgebiete lagen im Kreisgebiet: die Ibenhorster Forst am Haffufer und die Schneckensche Forst im Süden den Kreisgebiets.

Obwohl östlich außerhalb des Kreisgebiets gelegen, war die Stadt Tilsit der wichtigste Zentralort der Region. Im Kreisgebiet selbst gab es keine Städte.

Verkehr

Bahnhof von Groß Skaisgirren (Kreuzingen)

Der Kreis wurde erst 1891 durch die Strecke Tilsit−Labiau der Preußischen Staatsbahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Nach der Jahrhundertwende ergänzten Schmalspurbahnen das Schienennetz, vor allem die Elchniederungsbahn, die bis zum Kurischen Haff führte und unter anderem in Heinrichswalde, Wilhelmsbruch und Groß Skaisgirren Bahnhöfe besaß.

Durch das Kreisgebiet verlief die Reichsstraße 138, die von Tilsit schnurgerade nach Südwesten führte und bei Taplacken auf die Reichsstraße 1 nach Königsberg mündete. Allerdings war nur der äußerste Südosten des Kreisgebiets (Schillkojen und Groß Skaisgirren) durch diese Reichsstraße erschlossen und besaß damit eine gute Straßenverbindung in die Provinzhauptstadt.

Verwaltungsgeschichte

Nach der Neuorganisation der Kreisgliederung im preußischen Staat nach dem Wiener Kongress entstand mit dem 1. September 1818 der Kreis Niederung im Regierungsbezirk Gumbinnen in der preußischen Provinz Preußen (nicht: Ostpreußen).

Dieser umfasste die Kirchspiele:

Die Kirchspielgrenzen und die Grenzen der politischen Gemeinden waren nicht immer identisch. So gehörte z.B. ein Teil des Kirchspiels Weidenau zum Kreis Tilsit-Ragnit. Das Landratsamt war ursprünglich in Kaukehmen, wechselte aber später nach Heinrichswalde. Seit dem 3. Dezember 1829 gehörte der Kreis – nach dem Zusammenschluss der bisherigen Provinzen Preußen und Westpreußen – zur neuen Provinz Preußen mit dem Sitz in Königsberg i. Pr. Nach der Teilung der Provinz Preußen in die neuen Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurde der Kreis Niederung am 1. April 1878 Bestandteil Ostpreußens.

Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages verlor der Kreis Niederung am 10. Januar 1920 die nördlich des Memeler Mündungsarmes Ruß liegenden Landgemeinden Groß Schilleningken, Heinrichsfelde, Klein Schilleningken, Leitgirren und den Gutsbezirk Perwallkischken an das Memelgebiet. Die Landgemeinden traten zum dortigen Kreis Heydekrug und der Gutsbezirk zum neuen Kreis Pogegen. Die beim Deutschen Reich verbliebenen südlichen Restteile des Kreises Heydekrug wurden vorläufig von Heinrichswalde aus mitverwaltet. Zum 1. Juli 1922 wurden diese Gebiete zwischen Gilge und Ruß auch förmlich dem Kreise Niederung eingegliedert. Im übrigen gab der Kreis Niederung die Amtsbezirke Brettschneidern und Kellminen, ferner die Landgemeinden Puskeppeln (Gut Puskeppelies), Skroblienen, Smaledumen und die Gutsbezirke Blausden und Pauperischken an den neuen Kreis Tilsit-Ragnit ab.

Zum 30. September 1929 fand im Kreis Niederung entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle bisher selbstständigen Gutsbezirke bis auf fünf aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Am 7. September 1938 änderte sich die Kreisbezeichnung in Elchniederung. Zum 1. Januar 1939 führte der Kreis Elchniederung entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis.

Zum 1. Oktober 1939 wechselten die Gemeinden Elchwinkel und Skirwiet aus dem Landkreis Elchniederung in den Landkreis Heydekrug, der seit dem 22. März 1939 wieder zu Ostpreußen gehörte. Am 12. Oktober 1944 wurde der Kreis Elchniederung von der deutschen Bevölkerung und den Behörden geräumt. Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet durch die Rote Armee besetzt und wurde danach Teil der Sowjetunion. Das Territorium des früheren Landkreises wird seither als Rajon Slawsk in der Oblast Kaliningrad verwaltet.

Landräte

Kommunalverfassung

Der Landkreis Niederung gliederte sich zunächst in Landgemeinden und – bis zu deren nahezu vollständigem Wegfall – in selbstständige Gutsbezirke.

Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle Gemeinden.

Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 die im Deutschen Reich gültige Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Diese waren in Amtsbezirken zusammengefasst.

Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Preußische Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Ortsnamen

Die meisten Ortsnamen im Kreis waren baltischen Ursprungs. 1938 fanden im Kreis Elchniederung umfangreiche Änderungen von Ortsnamen statt, da den Nationalsozialisten viele „nicht deutsch genug“ erschienen. Die neuen Bezeichnungen waren lautliche Angleichungen, Übersetzungen oder freie Erfindungen, zum Beispiel:

  • Alt Lappienen: Rauterskirch,
  • Argelothen: Argendorf,
  • Demmenen: Demmen,
  • Groß Karzewischken: Sprosserweide,
  • Groß Skaisgirren: Kreuzingen,
  • Groß Wannaglauken: Großwalde (Kr. Elchniederung),
  • Jedwilleiten: Neuschleuse,
  • Kaukehmen: Kuckerneese,
  • Kiauken: Wartenfeld,
  • Neu Lappienen: Rautersdorf,
  • Noragehlen: Urbansprind,
  • Oschweningken: Breitenhof,
  • Parwischken: Parwen,
  • Sausseningken: Milchhof,
  • Schakuhnen: Schakendorf (Ostpr.),
  • Skirbst: Heideckshof,
  • Skirwieth: Skirwiet,
  • Spucken: Stucken,
  • Tawellningken: Tawellenbruch,
  • Warschlauken: Warschfelde,
  • Weidgirren: Gerhardshöfen.

Diese Umbenennungen blieben eine kurze Episode wenige Jahre vor dem Untergang des deutschsprachigen Ostpreußen, da in Dokumenten aus den Kriegsjahren jedoch die „neuen“ Namen verwandt wurden, ist für eine Zuordnung auch die Kenntnis dieser kurzlebigen Bezeichnungen wichtig.

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