Liebschwitz

Liebschwitz
Liebschwitz
Stadt Gera
Koordinaten: 50° 50′ N, 12° 6′ O50.82666666666712.095277777778219Koordinaten: 50° 49′ 36″ N, 12° 5′ 43″ O
Höhe: 219 m ü. NN
Fläche: 3,27 km²
Einwohner: 1.587 (31. Jan. 2009)
Eingemeindung: 1. Juli 1950
Postleitzahl: 07551
Vorwahl: 0365

Liebschwitz ist ein Stadtteil von Gera und war bis zum 1. Juli 1950 eine eigenständige Gemeinde.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Im Südosten der Stadt Gera im Wipsetal am Fuße des Zoitzberges und am Ostufer der Weißen Elster gelegen.

Geologie

1779 begonnene Versuche, in Ortsnähe am Zoitzberg Kohlenlagerstätten zu erschließen, wurden 1790 eingestellt; die vorgefundenen Anthrazitvorkommen erwiesen sich als für Feuerungszwecke nicht geeignet.

Alter Dorfkern

Geschichte

Archäologische Funde vom Zoitzberg besagen, dass auf dem Berg schon in der Altsteinzeit Menschen gelebt haben. Keramikfunde weisen auf eine weitere Belegung der Anhöhe bis in die Jungsteinzeit hin. Der Abschnittswall wurde irgendwann eingeebnet. Spuren an Überresten bestätigen, dass die Erde-Holz-Befestigung durch Feuer eingeebnet wurde.[1] Erstmals wird der Ort 1209 als Lubschwitz in einer Urkunde des Bistums Naumburg bzw. im gleichen Jahr in einer weiteren der Vögte von Weida erwähnt; unter den Zeugen ist ein Ministeriale namens Gerhardus de Lubiswicz aufgeführt. Die Urbesiedlung der heutigen Gemarkung dürfte in sorbischer Zeit (8. bis 9. Jahrhundert n. Chr.) liegen. Bekannte frühzeitliche Siedlungsstätten sind eine Burg Ziegenberg (Bühl), südwestlich des Ortes gelegen; von ihr ist heute nichts mehr erhalten. Vermutet wird auch auf dem Berg hinter der Kirche eine mittelalterliche Wallburg namens Der Hayn, hier sind noch Andeutungen von Gräben und Wällen erkennbar. Von einer jungsteinzeitlichen, flachen Wallanlage auf dem Zoitzberg sind heute noch Teile erhalten, 1935 fanden hier Erschließungsgrabungen statt.

Ehemalige Waldschule, 2009 geschlossen

Ein Schulhaus im Ort wird erstmals 1639 erwähnt, 1832 wird im Oberdorf ein neues zweigeschossiges Schulhaus erbaut. 1905 erfolgt die feierliche Einweihung der Liebschwitzer Schule. Mit dem Schuljahr 2008/09 endete diese lange Tradition.

1554 wird das Liebschwitzer Rittergut mit den dazugehörigen Dörfern Grobsdorf, Lietzsch, Loitzsch, Niebra, Pösneck und Taubenpreskeln, sowie den sächsischen Anteilen der Dörfer Hilbersdorf, Lengefeld und Rückersdorf durch eine Verbriefung des Bistums Naumburg sächsische Enklave. Das Rittergut mit allen Vorwerken und Nebengütern wird später u.a. Besitz der Freiherren von Meusebach. 1745 erwirbt der aus dem Braunschweigischen stammende Königlich-Preußische Kriegs- und Domänenrat Johann Georg von Ziegenhierd den Rittergutsbesitz Liebschwitz. Im Napoleonischen Krieg werden 1806 marodierende französische Soldaten am Liebschwitzer Rittergut erschlagen, mit der Folge, dass die Franzosen das Rittergut plündern, sowie Pfarrhaus und Schmiede niederbrennen. Die Familie von Ziegenhierd intervenierte nach dem Frieden von Wien 1815 (>Wiener Kongress) erfolgreich gegen die Abtretung ihrer Gutsorte Liebschwitz, Lietzsch und Taubenpreskeln an Preußen, sie verblieben beim Königreich Sachsen – fortan das Ziegenhierdsche Ländchen genannt. 1834 sind für dieses Ziegenhierdsche Ländchen 880 Einwohner in 54 Häusern verzeichnet.

Blick auf Liebschwitz
Im unteren Ort

Durch Flächentausch zwischen den 1920 gegründeten Ländern Thüringen und Sachsen gelangte 1928 die bis dahin sächsische Exklave Liebschwitz mit den umliegenden Dörfern zu Thüringen. Der entsprechende Staatsvertrag wurde am 1. April 1928 in der Liebschwitzer Gaststätte Apfelweinschänke (damals „Zum goldenen Apfel“) geschlossen; diese traditionsreiche Gaststätte findet bedauerlicherweise seit Anfang der 90er Jahre keinen neuen Pächter mehr und verfällt. Bis zur Eingemeindung nach Gera 1950 war Liebschwitz dem ehemaligen Landkreis Gera angehörig.

Außer einer kleinen Dorfmühle gehört zum Ort auch die Zoitzmühle am Elsterufer; sie ist bereits 1314 urkundlich nachgewiesen. 1834 wird nahe der Zoitzmühle am Mühlgraben eine Kammgarnspinnerei errichtet, die Liebschwitzer Zoitzmühle selbst wird 1884 samt dem dazugehörigen Wohnhaus durch einen Brand vollständig zerstört, später wieder aufgebaut. 1965 wurde die große Siloanlage errichtet. Ab 1812 bestand im Ort eine Brauerei (Rittergutsbrauerei). 1892 ließ deren damaliger Besitzer Spengler in Dorfmitte (Höhe heutiger Buswendeschleife) eine neue Brauerei errichten. Dieses Gebäude wurde nach Konkurs 1921 abgerissen. Die Verwaltungsgebäude und ein Lager blieben erhalten. Das Gebäude der Rittergutsbrauerei wurde 2003 abgerissen.

Durch ein verheerendes Hochwasser der Wipse werden im Jahr 1654 weite Teile des Ortes, das Rittergut, das Pfarrhaus und die Kirche schwer beschädigt, der Friedhof schlichtweg wegeschwemmt. Ein neuer wird nicht mehr angelegt, die Beisetzungen finden seitdem im zum Kirchspiel gehörenden nahegelegenen Taubenpreskeln statt. Durch ein schweres Hochwasser wird 1924 die bereits 1701 erwähnte überdachte Holzbrücke über die Weiße Elster irreparabel beschädigt, eine neue Betonbogenbrücke parallel zu dieser gelegen wird 1926 eingeweiht. Ihre Nutzbarkeit ist nur von kurzer Dauer, am 13. April 1945 wird sie von der Deutschen Wehrmacht gesprengt. 1951/52 erfolgt an ihrer Stelle der Neubau der Friedensbrücke. Diese wurde im Jahr 2000 durch einen Brückenneubau ersetzt.

Im weiteren Sinne ebenfalls ein Opfer der Launen der Natur wurde 1947 das Elsterwehr: Beim Versuch, die sich durch den extrem kalten Winter aufgestauten Eismassen zu sprengen, wird auch das Elsterwehr völlig zerstört. Das aus Holzspundwänden errichtete Ersatzwehr wird im Sommer 1953 zerstört.

1912 wird an der Elster eine Flussbadeanstalt mit Ruderbootverleih eingeweiht, 1936 anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Turngemeinde Liebschwitz (später Liebschwitzer Turnverein) erhält der Ort eine Turnhalle.

1919 beginnt die Elektrifizierung im Ort, die Freiwillige Feuerwehr wird 1921 gegründet.

1940 fallen die ersten Bomben auf Gera, genauer auf Neu Taubenpreskeln (Scherperstraße); drei Menschen werden getötet.

1941, zu ihrem hundertjährigen Jubiläum, bezog die Maschinenfabrik Moritz Jahr ihre neue Fabrikanlage in Liebschwitz. Sie wurde 1948 in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt.

Liebschwitzer Kirche mit Rundchor

Sehenswürdigkeiten

  • Kirche aus dem Jahr 1677, erbaut in der Nähe eines 1654 durch Hochwasser zerstörten Vorgängerbaues. 1995/96 wurde das Gebäude neu eingedeckt.
  • Arboretum an der ehemaligen Berufsschule Liebschwitz, größtes Schul-Arboretum Thüringens.

Politik

Liebschwitz hat seit 1995 eine Ortschaftsverfassung und einen Ortsteilrat (bis II/2009 Ortschaftsrat). Ortsteilbürgermeister ist seit 2004 Michael Schleicher (parteilos).

Entwicklung der Einwohnerzahl

  • 1843: 315
  • 1939: 1293
  • 2009: 1587
Datenquelle: Stadtarchiv Gera, Stadtverwaltung Gera.

Verkehr

  • Liebschwitz wird abzweigend von der Bundesstraße 92 mit der am Ort vorbeiführenden Landesstraße L 2321 (Zwickauer Straße) bzw. die RVG-Linie 219 erschlossen.
  • ÖPNV-Anbindung GVB-Buslinie 16 bis Zwötzen, ab dort mit der Straßenbahnlinie 1 Richtung Innenstadt.
  • Nächstgelegener Bahnhof ist Gera-Liebschwitz (auf Taubenpreskelner Flur)

Kultur

  • Freiwillige Feuerwehr, gegründet 1921.
  • Heimatstube Liebschwitz, seit 2001 (1 x monatl. Sa. geöffnet)

Sport

  • SV 1861 Liebschwitz e.V. mit Sportplatz und Sportheim an der Zwickauer Straße. Angebotene Sportarten: Fußball, Gymnastik, Schach.

Bildung

Zuständige Grundschulen sind seit dem Schuljahr 2009/10 in Schulgebäudeunion in Zwötzen die

  • Grundschule 9 Zwötzener Schule und
  • Montessori-Grundschule Waldschule Liebschwitz.

Die nächstgelegene Regelschule ist die

  • Staatliche Regelschule 4 in Lusan.

1982 wurde am Kreisbetrieb für Landtechnik eine Berufsschule mit Internat übergeben, das 2010 geschlossene Berufsschulzentrum Liebschwitz mit Internat für Berufe in den Bereichen Gartenbau, Floristik, Metall, Textil, Leder.

Einzelnachweise

  1. Michael Köhler:,Thüringer Burgen und befestigte vor- und frühgeschichtliche Wohnplätze,Jenzig-Verlag,2001, ISBN3-910141-43-9,S.280

Literatur

  • Bauch, Stefan: Liebschwitz - eine Chronik 1209 - 2009. Gera-Liebschwitz 2009
  • Brodale, Klaus und Heidrun Friedemann: Das war Gera im 20. Jahrhundert. Gudensberg 2002.
  • Cannabich, Johann Günther Friedrich: Neueste Kunde von Baden, Nassau, Hohenzollern, Lippe, Waldeck, Anhalt und den Reußischen Ländern. Weimar 1827.
  • Hahn, Ferdinand: Geschichte von Gera und dessen nächster Umgebung. Gera 1855.
  • Klotz, Johann Christoph: Beschreibung der Herrschaft und Stadt Gera. Schleiz 1816.
  • Mues, Siegfried: Gera. Ein historischer Spaziergang. Horb 1993.
  • Rosenkranz, Heinz: Ortsnamen des Bezirks Gera. Greiz 1982.
  • Winderlich, Carl: Deutschland. Handbuch für die Kunde des Vaterlandes. Leipzig 1852.
  • o.A.: Hof- und Staatskalender für das Fürstentum Reuß j. L. Gera 1864.
  • Mitteilungen des geschichts- und Altertumsforschenden Vereins. Altenburg, div.

Weblinks

 Commons: Gera-Liebschwitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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