- Code civil
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Der Code civil (CC) (1807–1815 und kurzzeitig zwischen 1853 und 1871 in Code Napoléon umbenannt) ist das französische Gesetzbuch zum Zivilrecht, das durch Napoléon Bonaparte am 21. März 1804 eingeführt wurde. Mit dem Code civil schuf Napoleon ein bedeutendes Gesetzeswerk der Neuzeit. In Frankreich ist es in wesentlichen Teilen noch heute gültig.
Er sollte nicht mit dem in 1810 erschienenen Code pénal verwechselt werden, in dem das Strafrecht kodifiziert ist. In den von Napoleon besetzten oder beeinflussten Gebieten wurden meist beide und auch die anderen der "Cinq Codes" eingeführt, auch wenn meist nur der Code civil erwähnt wird.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ersten Entwürfe zu einem Code civil entstanden in Frankreich bereits in den Revolutionsjahren 1793 bis 1797. Im Jahr 1800 berief Napoléon eine vierköpfige Kommission unter der Leitung von Jean-Jacques Régis de Cambacérès, die eine Rechtsvereinheitlichung schaffen sollte. An der Ausarbeitung des Code civil waren insbesondere Jean-Étienne-Marie Portalis (1746-1807), François Denis Tronchet, Félix-Julien-Jean Bigot de Preameneu (1747–1825) und Jacques de Maleville (1741–1824) maßgeblich beteiligt.
Bis dahin galt im Süden Frankreichs das geschriebene Recht (droit écrit), das alte römische Recht mit manchem Zopf, im Norden überliefertes Gewohnheitsrecht (droit coutumier), sowie für wenige Jahre ein Übergangsrecht der Französischen Revolution. Ziel der Kommission war es, eine Verbindung von kodifiziertem Recht und Gewohnheitsrecht und - vor allem - dem revolutionären Recht herzustellen. Das Gedankengut der Französischen Revolution zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat. Ein fünfbändiges Werk des Anwalts Jean Domat gilt als wichtige Quelle für den Code civil.
Geltungsbereich
Das Gesetzbuch wurde auch in anderen durch Frankreich in der Zeit von 1807 bis 1814 dominierten Staaten eingeführt (z.B. dem Königreich Westphalen, dem Großherzogtum Warschau, im Königreich der Niederlande und dem Königreich Italien).
In Deutschland galt der Code in den von Frankreich mit dem Frieden von Lunéville 1801 annektierten linksrheinischen (Département de la Roer, Département de la Sarre, Département des Forêts, Département de Rhin-et-Moselle, Département du Mont-Tonnerre) und den 1811 in das Imperium einverleibten nordwestdeutschen Gebieten (Département des Bouches de l'Elbe, Département des Bouches du Weser, Lippe-Département und Département Ems-Oriental) unmittelbar. In einigen Rheinbundstaaten (Königreich Westphalen, Herzogtum Arenberg-Meppen, Großherzogtum Frankfurt, Großherzogtum Berg, Herzogtum Anhalt-Köthen) wurde er ohne große Änderung eingeführt, in anderen teilweise in veränderter Gestalt, wie etwa im Großherzogtum Baden als „Badisches Landrecht“. In wieder anderen Staaten blieb es bei Entwürfen, so im Königreich Bayern und im Herzogtum Nassau.
In den seit dem Frieden von Campo Formio 1797 zu Frankreich gehörenden Gebieten Luxemburg und Belgien[1] blieb der Code auch nach deren späterer Unabhängigkeit in Geltung.
In der Schweiz galt der Code civil im Gebiet des Kanton Genf (bis 1912) und im Berner Jura zunächst unmittelbar. Er lag oder liegt auch den Zivilgesetzbüchern der Kantone Neuenburg, Waadt, Freiburg, Wallis und Tessin zugrunde.
Binnen weniger Jahre galt er von Lissabon bis Warschau und von Holland bis zur Küste der Adria. Mit der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde seine erfolgreiche Verbreitung keineswegs gebremst: Vor allem in West- und Südeuropa (1865 Rumänien), aber auch in Nord- und Südamerika (1808/1825/1870 Louisiana, 1825 Haiti, 1830 Bolivien, 1845 Dominikanische Republik, 1866 Niederkanada, 1867 Québec, 1869 Argentinien, 1870 Mexiko, 1876 Paraguay) oder Afrika (1875 Ägypten, auch im Magreb und den ehemaligen französischen Kolonien) orientierten sich die Gesetzbücher am Code civil. Zwar stellten einige auf revolutionären Wurzeln beruhende Regelungen zugleich auch Schwächen dar: Der gleiche Erbanspruch aller Kinder führte in vielen Gegenden zur Teilung des Grundbesitzes in unrentable Parzellen; Frauen wurden einem männlichen Vormund unterstellt und damit schlechter gestellt als zuvor; die (nun staatlich garantierte) Ehescheidung bevorteilte einseitig den Mann. Dennoch war ein besseres, im Geist der Aufklärung geschriebenes, Gesetzeswerk in Deutschland lange nicht in Sicht – auch das Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) war dem Code civil nicht ebenbürtig.
Weitergeltung als „Rheinisches Recht“ in deutschen Ländern
Nach der Niederlage Napoleons galt der Code in vielen deutschen Gebieten (insbesondere am linken Rheinufer) zunächst fort. In Preußen wurde das ALR lediglich in den rechtsrheinischen altpreußischen Gebieten zum 1. Januar 1815 wieder eingeführt (nicht jedoch im linksrheinischen altpreußischen Teil des Herzogtums Kleve und in der altpreußischen Grafschaft Moers). Aufgrund der Empfehlung einer sog. Rheinischen Immediat-Justiz-Kommission verordnete 1818 Friedrich Wilhelm III., dass die in den Rheinprovinzen bestehende Gesetzgebung im Wesentlichen beibehalten werden sollte.
Während des 19. Jahrhunderts galt das französische Recht in Deutschland als sogenanntes „Rheinisches Recht“ daher insbesondere
- im linksrheinischen und bergischen preußischen Rheinland (Rheinischer Appellationsgerichtshof Köln bzw. Rheinischer Revisions- und Kassationshof Berlin, ab 1850 fünfter („Rheinischer“) Zivilsenat des Preußischen Obertribunals Berlin),
- in der bayerischen Pfalz (Appellationshof Zweibrücken, Oberappellationsgericht München),
- in Rheinhessen (Obergericht Mainz),
- in hessen-homburgischen Meisenheim (Ober-Appellations- und Kassationsgericht Darmstadt, ab 1866 preußisches Ober-Appellationsgericht Kassel bzw. Preußisches Obertribunal Berlin),
- im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld (Oberappellationsgericht Oldenburg),
- im sachsen-coburg-saalfeldischen bzw. ab 1826 sachsen-coburg und gothaschen Fürstentum Lichtenberg (Appellationsgericht Gotha, ab 1834 preußisch) und
- als „Badisches Landrecht“ in Baden (Badisches Oberhofgericht Mannheim, später in Karlsruhe) weiter,
- ab 1871 kam als Geltungsgebiet das Reichsland Elsass-Lothringen (Obergericht Colmar) hinzu.
1871 nach der Annexion Elsass-Lothringens gehörte etwa 1/6 des Reichsgebiets zum Anwendungsbereich des „rheinischen“ Zivilrechts. Beim Reichsgericht in Leipzig galt ab 1879 der zweite Zivilsenat als „Rheinischer Senat“.
Ablösung durch das BGB
Erst 1900 wurde der Code civil dort, wo er im Deutschen Reich noch galt, vom Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) abgelöst.
Als Partikularrecht konnten Teile des Code civil in einigen deutschen Gebieten fortgelten. So galt bis zum Erlass der Nachbarrechtsgesetze in Nordrhein-Westfalen vom 15. April 1969 und in Rheinland-Pfalz vom 1. Januar 1971 gebietsweise weiter das Nachbarschaftsrecht des Code civil. Auf alte Rechtsverhältnisse ist manchmal heute noch das im Zeitpunkt ihrer Entstehung geltende frühere Recht anzuwenden, so griff etwa noch 2003 das OLG Zweibrücken in einem Wegerechtsstreit in der ehemaligen bayerischen Pfalz auf altrechtliche Regelungen des Code civil zurück.[2]
Inhalt
Maximen
Der Code civil garantierte allen männlichen Bürgern:
(die wesentlichen Forderungen der französischen Revolution: Liberté=Freiheit, Egalité=Gleichheit, Fraternité=Brüderlichkeit)- Gleichheit vor dem Gesetz
- Freiheit für jeden
- Schutz des Privateigentums
- Vollkommene Trennung von Staat und Kirche (Laizismus)
- Abschaffung des Zunftzwangs
- Gewerbefreiheit und freie Berufswahl
- Schaffung der juristischen Basis für die Marktwirtschaft
- Aufzeichnung von Geburten und Todesfällen (Personenstandswesen)
Aufteilung und Gliederung
Der Code civil war bei seinem Inkrafttreten 1804 in drei Bücher unterteilt:
- Livre Ier: Des personnes / Über die Personen (Art. 7 - 515-8 Code civil)
- Livre II: Des biens et des différentes modifications de la propriété / Von den Sachen und den verschiedenen Beschränkungen des Eigentums (Art. 516 -710 Code civil)
- Livre III: Des différentes manières dont on acquiert la propriété / Von den verschiedenen Arten, das Eigentum zu erwerben (Art. 711 - 2283 Code civil)
Den drei Büchern ist ein titre préliminaire ("De la publication, des effets et de l'application des lois en général / Von der Veröffentlichung, der Wirkung und der Anwendung der Gesetze", Art. 1 - 6 Code civil) vorangestellt, der das Inkrafttreten, grundlegende Prinzipien (Rückwirkungsverbot, Justizverweigerungsverbot, Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte) und Kollisionsnormen (Internationales Privatrecht) enthält. Im Jahr 2002 wurde, systematisch an fragwürdiger Stelle, ein viertes Buch ("Dispositions applicables à Mayotte / Auf Mayotte anwendbare Vorschriften", Art. 2284 - 2285 Code civil) angehängt, welches die Anwendung des Code civil auf das Übersee-Territorium Mayotte regelt. Durch ordonnance vom 23. Mai 2006 wurde dieses Buch durch ein neues viertes Buch über Sicherheiten (sûretés) ersetzt, so dass der Code heute aus folgenden fünf Büchern besteht:
- Titre préliminaire: Art. 1 bis 6
- Livre premier. Des personnes: Art. 7 bis 515-8
- Livre deuxième. Des biens et des différentes modifications de la propriété: Art. 516 bis 710 (enthält das Sachenrecht)
- Livre troisième. Des différentes manières dont on acquiert la propriété: Art. 711 bis 2283 (enthält das Erbrecht und Schuldrecht)
- Livre quatrième. Des sûretés: Art. 2284 bis 2488
- Livre cinquième. Dispositions applicables à Mayotte: Art. 2489 bis 2534.
Diverses
In Frankreich sind von den jetzt gültigen 2.285 Artikeln des Code civil noch 1.200 in Übereinstimmung mit dem Urwerk. Eine umfassende Reform des Gesetzbuches ist aber schon seit einigen Jahren im Gespräch. Der Grund der Verzögerung war die Hoffnung der Schaffung eines europäischen Zivilgesetzbuches.
In 22 Staaten wurde im Jahr 2004 das 200-jährige Jubiläum des Code civil öffentlich gefeiert.
Zitate
„Ich gebe Ihnen sechs Monate; macht mir einen Code civil!“
– Napoléon Bonaparte, Arrêté consulaire vom 24. thermidor des Jahres VIII (13. August 1800)
„Als ich Die Kartause von Parma schrieb, las ich jeden Morgen zwei oder drei Seiten des Code civil um mich einzustimmen.“
– Stendhal, Brief an Honoré de Balzac vom 30. Oktober 1840
Siehe auch
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Codex Maximilianeus bavaricus civilis
- Kodifikation
- Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
- Preußisches Allgemeines Landrecht (ALR)
- Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht (Schweiz)
Literatur
- Alfons Bürge: Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert - zwischen Tradition und Pandektenwissenschaft, Liberalismus und Etatismus, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-465-02815-5
- Elisabeth Fehrenbach: Der Einfluß des "Code Napoléon" auf das Rechtsbewußtsein in den Ländern des rheinischen Rechts. In: Joseph Jurt (Hrsg.): Wandel von Recht und Rechtsbewußtsein in Frankreich und Deutschland. Berlin-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-87061-806-X, S. 133-141.
- Barbara Dölemeyer, Heinz Mohnhaupt und Alessandro Somma (Hrsg): Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs (Rechtsprechung, 21). Klostermann, Frankfurt am Main 2006.
- Elisabeth Fehrenbach: Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht - die Einführung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten. Göttingen 1974, ISBN 3-525-35964-0
- Murad Ferid, Hans Jürgen Sonnenberger: Das französische Zivilrecht, Band 1 - 4, 2. Aufl., Heidelberg 1993 ff.
- Thomas Gergen: Le Code civil en Allemagne: genèse et rôle du Code civil en Bade (1809), in: C. Witz: Le Bicentenaire du Code civil - 200 Jahre Code civil. Saarbrücker Kolloquium zum 50-jährigen Bestehen des CJFA, Baden-Baden 2006, S. 39-55, ISBN 3-8329-1749-7
- Jan Jelle Kähler: Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815). Peter Lang, Frankfurt a.M. 2007. ISBN 3-631-55876-7.
- Hans-Jürgen Puttfarken, Judith Schnier: Der Code Napoléon damals und heute – eine Betrachtung aus deutscher Sicht. In: Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (ZVglRWiss), 105. Bd. (2006), S. 223-242
- Werner Schubert (Hrsg.): 200 Jahre Code civil. Die napoleonische Kodifikation in Deutschland und Europa. Böhlau, Köln 2005. ISBN 3-412-35105-9.
- Werner Schubert (Hrsg.): Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zivilrecht, Gerichtsverfassungsrecht und Zivilprozessrecht. Böhlau, Köln 1977, ISBN 3-412-04976-X
- Eckhard Maria Theewen: Napoléons Anteil am Code civil, Duncker & Humblot, Berlin 1991, ISBN 3-428-07048-8 In: Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte. Band 2 (Zugleich Dissertation an der Universität zu Köln, 1989)
- Hans-Joachim Vergau: Der Ersatz immateriellen Schadens in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts zum französischen und zum deutschen Deliktsrecht, Universitätsverlag Potsdam 2006 ISBN 3-939-46938-6
- Karl D. Wolff (Hrsg.): Code Napoléon - Napoleons Gesetzbuch. Stroemfeld Verlag, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-87877-573-3, (Faksimile der Ausgabe Straßburg 1808).
Weblinks
Wiktionary: Code civil – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen- Der Code civil im Volltext auf Französisch auf dem Server Legifrance der französischen Regierung. Auf Legifrance sind ebenfalls englische und spanische Übersetzungen verfügbar.
- Code Napoléon / Napoleons Gesetzbuch, Édition seule officielle pour le Grand-Duché de Berg / Einzig officielle Ausgabe für das Großherzogthum Berg, Düsseldorf 1810 (deutsch und französisch) in der Digitalen Bibliothek des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte
- Karin Wiedemann: „200 Jahre Code civil des Français“ in den Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins, Nr. 1/2004 vom 15. März 2004
- 200 Jahre Code civil im Rheinland - Eine Ausstellung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz ab 4. August 2005.
- Massimo Meccarelli, Stefano Solimano, Hans-Peter Haferkamp (Hrsg.): Wahrnehmung und Anwendung des französischen Rechts als Vorbild im Europa des 19. Jahrhunderts - Beiträge in mehreren Sprachen
- Markus Hofmann: „Das Handbuch des frühen Kapitalisten. Der Code Napoléon als Faksimileausgabe“, Neue Zürcher Zeitung, 6. Februar 2002
- Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königlich-Preussischen Rheinprovinzen. Bd. 1, Abth. 1.1820 - Bd. 102 = N.F. Bd. 95. 1906; Generalreg. 1/106 (1913) in der Digitalen Bibliothek des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte
Einzelnachweise
- ↑ Der französische Code Civil wurde in Belgien am 21. März 1804 eingeführt (Publikation am 3. September 1807, in-Kraft-treten am 13. September 1807), Gesetz No: 1804032150. Der Belgische Code Civil hat im flämischen Teil Belgiens die Bezeichnung: "Burgerlijke Wetboek". Der Belgische Code Civil hat bis heute einen, dem französischen Code Civil sehr ähnlichen, Aufbau.
- ↑ OLG Zweibrücken, Az.: 3 W 79/03; vgl. auch OLG Köln Az.: 27 U 223/92 u.a.
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