Franz Josef Messner

Franz Josef Messner
Franz Josef Messner

Franz Josef Messner (* 8. Dezember 1896 in Brixlegg/Tirol; † 23. April 1945 in Mauthausen) war ein österreichischer Geschäftsmann, brasilianischer Konsul, brasilianischer Handelsattaché und ab 1937 Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Semperit AG bis zu seinem Tod 1945 als österreichischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Messner wurde geboren als Sohn des Gemischtwarenhändlers Josef Messner und dessen Frau Amalia Messner, geborene Ginther. Die Volksschule besuchte er in Brixlegg, dann acht Jahre das Gymnasium in Hall in Tirol mit Matura. 1915 trat er 18-jährig, freiwillig beim 1. Regiment der Tiroler Kaiserjäger in Innsbruck ein und absolvierte einen Indentantur-Kurses in Wien. Danach war er beim Korpskommando 7 in Temesvár, 1916 wurde er zum Gouverneur nach Bukarest versetzt und 1917 als kommerzieller Referent zum Militärgouverneur nach Odessa. Im November 1918 erfolgte die Flucht von dort nach Brest-Litowsk, dort wurde er durch polnische Legionäre gefangengenommen und inhaftiert bis Januar 1919. Nach Befreiung durch die Armee „von der Goltz“ kehrte er heim nach Brixlegg. Während der Militärdienstzeit studierte er vier Semester Export-Akademie/Hochschule für Welthandel. Seine erste zivile Stelle war bei dem österreichischen Warenverkehrsbüro in Wien, Sommer 1919 wurde er nach Belgrad versetzt als Filialleiterstellvertreter, 1919 erfolgte der Ruf der Landesregierung Tirol auf den Direktionsposten der Landeseinkaufsstelle in Innsbruck. Nach Liquidierung dieser Stelle war er drei Jahre später Direktor bei der Handelsgesellschaft „Habung“ in Wien übernahm eine Tätigkeit in Dakar. Am 21. Januar 1922 heiratete in Wien Franziska Theresia Kristinus (* 21. Januar 1889; † 26. November 1983). Gemeinsam lebten sie im Wiener XVIII. Bezirk in der Hasenauerstraße 61.

1925 erfolgte die Auswanderung nach São Paulo in Brasilien für zunächst ein Jahr, dort war er angesehener Europaexperte für den Kaffeeexport. Er gründete 1926 in Wien die Kolonialfirma „Messner, Kommissionär für Kolonialwaren“, ab 1928 umbenannt in „Firma Union-Zuckerhandelsgesellschaft“, etwas später gründete er mit einem Brasilianer die „Brasil-Kaffee-Gesellschaft“ in Wien. 1928 wurde Messner brasilianischer Konsul in Wien und als Handelsattaché Angestellter des brasilianischen Handelsministeriums. Am 13. Oktober 1931 erlangte er die brasilianische Staatsbürgerschaft. Er war Generalagent des Brasilianischen Kaffeeinstitutes in São Paulo für Österreich, Ungarn und Tschechoslowakei. 1929 kaufte er eine eigene Kaffee- und Baumwollfarm (auch Rizinusöl und Viehwirtschaft) bei São Paulo und eine Orangerie in Pedra di Quaradiba bei Rio de Janeiro. Seit 1926 war er jährlich mehrere Wochen in Brasilien, 1930 stürzte er am 13. April mit dem Flugzeug in den Ozean ab und wurde gerettet.

Ab 1934 beteiligte er sich maßgebend an der Sanierung mehrerer österreichischer Betriebe als selbständiger Industriekonsulent.

1936 wurde Franz Messner bei der Credit-Anstalt fest angestellt und kümmerte sich um die Sanierung der Semperit-Werke, 1937 wurde er zum Generaldirektor und Vorstandsvorsitzenden der „SEMPERIT Österreichisch-Amerikanische-Gummiwerke-Aktiengesellschaft Wien“ berufen. Seine Aufgabe bestand in der raschen Modernisierung und Anpassung an den hochentwickelten Standard der deutschen Industrie. Trotz ab 1939 enger Kooperation mit der deutschen Continental Gummiwerke AG gelang es ihm, die Semperit mit Hilfe der Hauptaktionäre Creditanstalt-Bankverein und der Gruppe Reithoffer unabhängig von deutschem Kapital zu halten (sie hielten zusammen 65 % der Semperit Aktien) (Folge bei Kriegsende: Semperit war kein deutsches Eigentum und musste daher nicht den Alliierten übergeben werden, russische Demontagen erfolgten jedoch in großem Umfang). Im März 1938 trat er der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) und im Mai 1938 der DAF (Deutsche Arbeitsfront) bei, wurde 1943 Beirat in der Arbeiterkammer der DAF-Niederdonau und war Mitglied im Reichsausschuss der DAF für Gemeinschafts- und Lohnfragen.

Am 3. Juni 1939 erfolgte unter vorgetäuschten Krankheitsgründen per Zeppelin die Flucht nach Brasilien aus Angst vor einem für die Nationalsozialisten arbeitenden Verwandten. Messner reiste mit einem offiziellen Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums zur Beschaffung von Naturkautschuk, er konnte 3.000 Tonnen erzielen, eine komplette Schiffsladung wurde jedoch auf offener See versenkt. Bereits nach sechs Monaten kehrte Franz Messner zu seinen Arbeitern zurück, auf einem italienischen Dampfer kam er in französische Gefangenschaft und wurde unter anderem in Casablanca 30 Tage interniert unter dem Vorwurf der Spionage. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen kam er frei. Gemeinsam mit seiner per Flugzeug nach Spanien gelangten Ehefrau flog er nach Wien, wo er „in allen Ehren“ aufgenommen wurde.

Ab dem 15. August 1940 nahm er wieder seine Vorstandstätigkeit bei Semperit auf. 1940 war Semperit nach Verschmelzung mit zahlreichen kleineren Betrieben mit seinen drei Stammwerken in Traiskirchen, Wimpassing und Stadlau und der Integration der Produktionsstätte Matador in Pressburg ein Betrieb mit 8.000 Mitarbeitern geworden. Berufliche Reisen fanden regelmäßig nach Zürich, Basel, Paris, Brüssel und Mailand statt und natürlich zu den angegliederten Firmen/Niederlassungen in Pressburg/Slowakei, Budapest/Ungarn, Bukarest/Rumänien und nach Istanbul/Ankara. In dieser Zeit entwickelte er das Unternehmensleitbild mit dem Kern der „Semperit-Familie“ als Gegengewicht zur betriebsbezogenen „N.-S.-Betriebsgemeinschaft“.

Bis 1943 führte Franz Messner soziale Verbesserungen bei Semperit ein: Äußerst primitive sanitäre Anlagen wurden durch moderne neue ersetzt, Duschräume und Kleiderablagen neu geschaffen, eine Werksküche für alle Betriebsangehörigen neu eingerichtet, der „Werksdirektorpark“ allen geöffnet. Ein Werksarzt, eine medizinische Station und ein werkseigenes Erholungsheim kamen hinzu. Eine Betriebskrankenkasse wurde auf alle Betriebe ausgeweitet, Durchschnittsbezahlung und Kinderbeihilfe wurden eingeführt. Zudem fanden Kulturveranstaltungen statt.

Unter anderem im Semperitwerk Traiskirchen wurden „freiwillige belgische Gastarbeiter“, polnische Zwangsarbeiterinnen, Häftlinge und belgische, italienische sowie französische Kriegsgefangene eingesetzt. 1943 wurde für sowjetische kriegsgefangene Familien aus dem Raum Stalingrad ein Barackenlager eingerichtet. In Birkenau (poln. Brzezinka) beim Konzentrations- und Vernichtungslager (Auschwitz (poln. Oswiecim)) wurde ein gesondertes Neben- und Produktionslager für die I.G. Farben durch KZ-Häftlinge errichtet –Auschwitz-Monowitz- in welchem der synthetische von Semperit entwickelte Kautschuk „Buna“ hergestellt werden sollte (die Buna-Produktion wurde dort wegen des Einmarsches sowjetischer Truppen jedoch nie aufgenommen). Die Lebenserwartung der Arbeitskommandos dort erreichte zum Teil weniger als zwei Wochen.

1936 kam Franz Josef Messner in Kontakt mit dem am 16. Februar 1908 geborenen Wiener Kaplan Heinrich Maier, der seine Sorge über mögliche chaotische Zustände in Österreich im Falle einer Niederlage des Deutschen Reiches äußerte. Durch ihn lernte Messner die 1914 in Wien geborene Konzertpianistin Barbara Issakides kennen. Messner hatte gute Kontakte zu Vertretern der Industrie, Wirtschaft und Finanzwelt, so zu Ernst Kraus, Direktor der Siemens-Schuckert-Werke, Josef Joham, Direktor der Creditanstalt-Bankverein, Gina Böhm, Managerin bei Semperit-Budapest, Franz Josef Riediger, Semperitvertreter in Istanbul sowie Politikern. Kaplan Maier bat 1943 Messner in Zürich den österreichischen Emigranten Rechtsanwalt Holitscher aufzusuchen. Dieser bot die Übergabe eines amerikanischen Armeesenders an. Bereits im Sommer 1942 hatte Messner das von Maier und Legradi ausgearbeitete „Memorandum“ an die Alliierten, adressiert an den britischen und sowjetischen Außenminister übermitteln können, in welchem eine aktuelle gesellschaftliche Analyse, militärische und wirtschaftliche Informationen sowie die Ziele eines neuen Österreichs vorgetragen wurden. Der Empfang wurde jedoch nur durch die BBC bestätigt. Ende 1942 konnte Barbara Issakidis erstmals in Zürich zu Allen Welsh Dulles, dem Leiter der neuen Außenstelle des amerikanischen Geheimdienstes OSS (Office of Strategic Services) Kontakt aufnehmen. Ende 1943 reisten Messner und sie sogar gemeinsam. Hierbei teilte Messner offensichtlich erstmals wichtige Informationen über die deutsche Produktionslage bei synthetischem Gummi (Buna) sowie über Raketenproduktionen mit. Seitens des OSS wurde eine Unterstützung avisiert. Messner hatte ebenfalls direkte Kontakte mit dem OSS in Istanbul über Riediger und lieferte auch diesem unter dem Tarnnamen „Cassia“ umfangreiche -leider von den Alliierten oft angezweifelte- Informationen, in Bern unter den Decknamen „Diana“ oder „Oysters“. So berichtet er detailliert über Treibstoffdepots in Wien, Munitions- und Waffenfabriken sowie Flugzeugproduktionsangaben für den Wiener Raum, Raketenproduktion (einschließlich V-Waffen in Peenemünde), Metallverarbeitung aber auch über Massenhinrichtungen. Im Frühjahr 1944 traf er mehrfach in Bern mit Dulles zusammen. Es wurde auch über eine Finanzhilfe von 100.000 RM gesprochen. Eine telegrafische Mitteilung hierüber mit Angabe einer Deckadresse traf in Budapest ein, wo Messner, der sich zur Abklärung der Geldfrage dort aufhielt, festgenommen wurde. Frau Issakidis hingegen war von dort nach Wien zur betreffenden Adresse gereist und dort verhaftet worden. Der Verrat geschah durch OSS-Doppelagenten.

Messner war in Wien bei der Gestapo inhaftiert. Die zweite Semperit-Sekretärin und als Mitglied des Widerstandskreises um Messner auch dessen Vertraute, Evelyn Wagner, warb im November 1944 drei junge deutsche Deserteure an zur Befreiung von Franz Messner aus dem Landgericht. Diese wurden jedoch durch eine Polizeistreife verhaftet. Nachfolgend kam auch Evelyn Wagner in Gestapohaft und wurde erst beim Einmarsch der Russen freigelassen.

Über die letzten Stunden Messners gibt es eine detaillierte Aussage des Arrest- bzw. Bunkerkommandoführers im Konzentrationslager Mauthausen SS-Oberscharführer Josef Niedermayer. Demnach wurde Messner im November 1944 gemeinsam mit den späteren österreichischen Ministern Felix Hurdes und Lois Weinberger ins Konzentrationslager Mauthausen verbracht. Er wurde im Bunker arrestiert, im Januar 1945 allerdings mit einem Sammeltransport wieder nach Wien gebracht. Am 2. oder 3. April kam Messner erneut mit einem Sammeltransport von Wien direkt in den Bunker zu Niedermayer und seinen Untergebenen SS-Unterscharführer Proksch und SS-Rottenführer Rommel ohne eine reguläre Häftlingsaufnahme. Des Weiteren gibt es einen Bericht des Mithäftlings Burde, der als Lagerführer und Lagerschreiber eingesetzt wurde und die Totenkartei zu führen hatte. Etwa am 18. April sprach Messner Burde wegen seines Paketanrechtes als Brasilianer an und gab sich als Semperitler zu erkennen, nannte seinen Namen jedoch nicht, auffallend war aber sein im Lager bekanntes volles weißes ungeschorenes Haar. Nach Zuteilungserlaubnis durch den zuständigen SS-Scharführer nahm Messner das Paket in Empfang mit der Zusage, es mit Burde zu teilen. Am Folgetag, den 20. April fand sich an Messners Platz im Block 10 noch das halbe Paket, Franz Messner selbst war zum Bunker abgeholt worden, unter dessen Nachbargebäude – dem Krankenrevier – sich die Gaskammer befand. Am 23. April 1945 um 15 Uhr ordnete der Kommandant des Konzentrationslagers Mauthausen SS-Standartenführer Franz Ziereis persönlich im Bunker die sofortige Verbringung von 40 Häftlingen einschließlich Franz Messner in den Gaskeller an. Ziereis schüttete persönlich die Zyklon-B-Brocken ins Gaseinfüllungsgerät, in der folgenden Nacht wurde Messner mit den anderen Opfern im Krematorium verbrannt. Gegen einen von der brasilianischen Regierung bereits genehmigten Gefangenenaustausch hatte bereits im Januar 1945 weder das Reichssicherheitshauptamt, das Reichswirtschaftsministerium noch der Reichsbeauftragte für Kautschuk Einwände. Lediglich die Justiz sperrte sich bis zum bitteren Ende von Messner. Auch die von der brasilianischen Regierung bestätigte Einbürgerung konnte sein Leben nicht retten.

Literatur

  • Volker Sartorti: Biographie Dr. Franz Josef Messner. Eigendruck, Elmshorn, Deutschland, 2003

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  • Pfarramt Brixlegg, Bd. VII, Blatt 99
  • Volksgerichtshof, 5. Senat in Wien, Urteil zu 5H96/44-6J158/44g und 5H100/44-6J165/44g vom 28. Okt. 1944 nach DÖW 19793/109
  • Pfarramt St. Othmar Wien, Tom. XVI, Fol.315
  • Hansjakob Stehle: Graue Eminenzen – dunkle Existenzen. München 2000, S. 98-104, identisch mit DIE PRESSE, Beilage Spectrum/Zeichen der Zeit vom 14. Februar 1998: Hansjakob Stehle: Spion auf der Kanzel
  • GESTAPO-Verhörprotokoll von Messner vom 11./12. April und 24. Mai 1944, Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam
  • Franziska Messner, zitiert in OSR. Fritz Kirchmair „Bezirkschronik des Bezirkes Kufstein 1933–1945“, Schwoich/Kufstein 1976, nach Stadtarchiv Kufstein und DÖW 12.048
  • Semperit Reifen AG: Jubiläumsschrift 150 [75?] Jahre Semperit-Werke, 1972, S. 62f.
  • Semperit Reifen AG: Ein Haus in Traiskirchen, Semperit Reifen – die ersten 100 Jahre. Traiskirchen 1996, S. 42ff.
  • Franz Messner, in Redensauszügen zu den Familientagen 1940 und 1942 in Dipl. Ing. Hans Schulze (1933–1945 stellvertretender Direktor Semperitwerk Traiskirchen und Chefchemiker Semperit): Privatsammlung diverser Dokumente und Schriftwechsel
  • Julius Böheimer: Die Chronik der SEMPERIT Traiskirchen. Baden 1996, S. 8-13
  • Franz Messner an Dipl. Ing. Hans Schulze am 18. September 1942 anlässlich erreichter 26t Tagesleistung
  • Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Frankfurt a.M. 2001, S. 11-16
  • Anklageschrift gegen Messner, zitiert nach Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam
  • Helene Legradi-Sokal: Bericht über die Widerstandsgruppe Legradi-Sokal-Dr. Messner-Andreas Hofer u.a. DÖW 1553
  • Siegfried Beer: Arcel/Cassia/Redbird. In: DÖW Jahrbuch 1993 S. 75-100, ISBN 3-901142-13-4
  • Evelyn Reynolds geb. Wagner: Festnahmebegründung und Schreiben des SEMPERIT-Betriebsrates in DÖW 20000/W19
  • Lois Weinberger: Tatsachen, Begegnungen und Gespräche. Österrischer Verlag 1948, S. 336, zitiert nach „Vergiftete Jahre: 1933–1945“/Bezirk Kufstein/Dokumentation, Heimatmuseum auf der Festung Archiv U662a-k
  • Ernst Martin, Gaswerksdirektor Innsbruck: Gedächtnisprotokoll über die Befragung Niedermayers. Dachau 8. Mai 1946 nach Stadtarchiv Kufstein und DÖW 12.048
  • Hans von Scherer, Direktor der Semperitwerke: Aktennotiz über meine Aussprache mit Herrn Ing. Burde. Wien 19. April 1946 nach Stadtarchiv Kufstein und DÖW 12.048
  • Auswärtiges Amt, Ministerialrat von Ammon, am 16. Januar 1945 an das Reichsjustizministerium in DÖW 19793/109
  • Franz Josef Messner: Die Grundlagen des Kaffeebaues im brasilianischen Bundesstaat San Paulo. Dissertation, April 1934
  • Sterbeurkunde Franziska Messner, Standesamt Pottenstein

DÖW: Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, A-1010 Wien, Wipplingerstraße 8


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