Reuß älterer Linie

Reuß älterer Linie
Reuß älterer Linie
Wappen Flagge
Wappen des Fürstentums Reuß älterer Linie Flagge des Fürstentums Reuß älterer Linie
Lage im Deutschen Reich
Lage des Fürstentums Reuß ältere Linie im Deutschen Kaiserreich
 
Landeshauptstadt Greiz
Regierungsform Monarchie/Republik
Staatsoberhaupt Fürst (bis 1918)
Dynastie Haus Reuß
Bestehen 1778–1919
Fläche 316,7 km²
Einwohner 72.769 (1910)
Entstanden aus Herrschaft Reuß älterer Linie
Aufgegangen in Volksstaat Reuß
Hymne  
Stimmen im Bundesrat 1 Stimme
Kfz-Kennzeichen RA
Karte
Fürstentum Reuß älterer Linie

Das Fürstentum Reuß älterer Linie war ein Kleinstaat im Osten des heutigen Landes Thüringen. Landeshauptstadt war Greiz. 1778 erfolgte die Erhebung von Reuß ä. L. zum Fürstentum.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Oberes Schloss in Greiz
Unteres Schloss in Greiz
Lage des Fürstentum Reuß Ältere Linie im 19. Jahrhundert

Reuß älterer Linie ist ein Hauptzweig des Hauses Reuß. Das Fürstentum Reuß ältere Linie entstand am 12. Mai 1778 mit der Erhebung Heinrich XI. in den Reichsfürstenstand[1] aus der Grafschaft Greiz ältere Linie. Diese war am 17. März 1768 nach dem Tod Heinrich III., Graf von Untergreiz, und der Vereinigung von Obergreiz und Untergreiz unter Heinrich XI. entstanden. Rund hundert Jahre früher, am 26. August 1673 war die Erhebung Heinrich I. Reuß-Obergreiz und aller Herren Reuß in den Reichsgrafenstand unter der Lehnshoheit zur böhmischen Krone erfolgt.[2] 1807 trat das Fürstentum dem Rheinbund bei und stand damit bis 1813 unter der Protektion Napoleons, ehe es 1815 Mitglied des Deutschen Bundes wurde. Auf dem Wiener Kongress konnte Fürst Heinrich XIII. ein vorher zwischen dem Königreich Sachsen und Reuß strittiges Gebiet für sich gewinnen. Es handelte sich dabei um die einst dem Kloster Mildenfurth zugehörigen Dörfer Altgommla und Kühdorf sowie um Teile der Dörfer Alt- und Neugernsdorf. 1833 wurde Reuß ä. L. im Zoll- und Handelsverein der Thüringischen Staaten Mitglied des Deutschen Zollvereins.

Im Deutschen Krieg 1866 war Reuß ä. L. aufgrund historischer Verbindungen (unter anderem war Heinrich XIII. kaiserlich-österreichischer Generalfeldzeugmeister) und dynastischer Beziehungen Verbündeter Österreichs. Während der Kriegshandlungen lag das Fürstentum abseits von den Geschehnissen. Die preußische Kriegserklärung erfolgte am 21. Juni, erst am 11. August 1866 kam es zur militärischen Besetzung durch zwei Kompanien. An eine Aufnahme eines selbständigen Reuß ä. L. in den von Preußen neu gegründeten Norddeutschen Bund war dabei noch nicht gedacht. Vielmehr sollte dieser Staat im Rahmen eines Gebietsaustausches zwischen Preußen (Kreis Ziegenrück) und Reuß jüngerer Linie aufgeteilt werden. Allerdings bewahrte die Fürsprache des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach beim preußischen König Wilhelm I. das Fürstentum vor diesem Schicksal. Auch bezüglich Abtretungen erkannte man, dass Reuß ä. L. zu klein war, um noch kleiner gemacht zu werden. Daher erfolgte an Stelle von Landabtretung eine Geldzahlung von 100.000 Talern, welche je zur Hälfte das Fürstenhaus und das Land trugen. Am 26. September 1866 wurde dann in Berlin der Friedensvertrag unterzeichnet, durch den Reuß ä. L. zwangsweise dem Norddeutschen Bund beitrat. Nach dem Beitritt besaß es nur noch eine eingeschränkte Souveränität. Dies bedeutete insbesondere, dass die Außenpolitik und Militärhoheit an Preußen überging, während die Innen- und Kulturpolitik im eigenen Verantwortungsbereich verblieb. Mit der Reichsgründung 1871 übertrug man das „preußische System“ des Norddeutschen Bundes auf den neugeschaffenen deutschen Nationalstaat und Reuß ä. L. war fortan Bundesstaat im Deutschen Kaiserreich. Die Vertretung beim Bundesrat in Berlin erfolgte bis zum Tod von Heinrich XXII. durch das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, danach durch das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.

Reuß ä. L. blieb ein sehr konservativer Staat. So bedurften Vereinsgründungen einer staatlichen Genehmigung und politische Vereine jeder Richtung waren verboten. Im Sommer 1851 verabschiedete der Landtag zwar eine Verfassung, die jedoch so lange hinausgezögert wurde, dass eine Publizierung in Anbetracht der zunehmenden Reaktion nicht mehr nötig war. Erst die Aufnahme in den Norddeutschen Bund machte eine Verfassungsdiskussion wieder notwendig. So führte das Fürstentum mit der Verfassung vom 28. März 1867 als letzter Staat Thüringens die konstitutionelle Monarchie ein. Der neue Greizer Landtag setzte sich aus zwölf Abgeordneten zusammen, von denen drei vom Fürsten ernannt, zwei von Rittergutsbesitzern und den größten Bauern bestimmt und sieben in drei städtischen und vier ländlichen Wahlkreisen im indirekten Verfahren gewählt wurden. Fürst Heinrich XXII. versuchte weiterhin, die absolutistische Regierungsweise fortzuführen, die Reuß ä. L. zu einer Hochburg eines orthodoxen Luthertums machte. Sein Verhalten gegenüber den Vertretern Preußens war durch Abneigung bis Feindschaft gekennzeichnet. Die preußische Presse gab ihm den Beinamen „der Unartige“. Insbesondere mit der Rüstungspolitik und der Außenpolitik des Reiches war er nicht einverstanden, so dass unter anderem als einziger Bundesstaat Reuß ä. L. im Bundesrat 1900 gegen die China-Expedition und 1901 gegen den Etat des Auswärtigen Amtes sowie gegen den Kolonialetat stimmte. Aber auch gegen die Einführung der obligatorischen Zivilehe, des BGB, die Kulturkampfgesetze und sogar die Sozialistengesetze wurde gestimmt.

Das Fürstentum war ein Staat der Extreme, als einziger thüringischer Staat 1910 ohne Schulden, als einziger bis zur Gründung des städtischen Gymnasiums in Greiz 1879 ohne Schule, die zur Hochschulreife führte.

Mit dem Tod von Fürst Heinrich XXII. endete 1902 die Regentschaft der älteren Linie, da sein Sohn Fürst Heinrich XXIV. für geisteskrank und somit dauernd regierungsunfähig erklärt wurde. So fiel die Vormundschaft und Regentschaft an Fürst Heinrich XIV. (Reuß jüngere Linie). Seit 1908 regierte sein Sohn Heinrich XXVII. beide Fürstentümer in Personalunion bis 1918.

Nach der Novemberrevolution 1918 wurde Reuß ä. L. ein Freistaat, der sich aber schon 1919 mit dem Freistaat Reuß j. L. zum Volksstaat Reuß mit der Hauptstadt Gera vereinigte, der wiederum 1920 im Land Thüringen aufging.

Wirtschaft

Insbesondere die Textilindustrie war in Reuß ä. L. stark vertreten. 1860 wurde an Stelle der Leinen- und Baumwollweberei die Kammgarnweberei eingeführt. Zur Veredelung der Weberei-Erzeugnisse gab es Färbereien und Appreturanstalten. 1864 wurde in Greiz der erste mechanische Webstuhl aufgestellt. Im Jahr 1900 gab es 10.876 Webstühle.

Weitere Daten

Größte Orte

Orte mit mehr als 2.000 Einwohnern im Jahr 1910

Ort Einwohner
1. Dez. 1910
Greiz 23.245
Zeulenroda 10.389
Irchwitz* 4.477
Fraureuth 3.369
Pohlitz* 3.329

*Heute zu Greiz gehörig.

Fürsten

  1. 1743–1800 Heinrich XI. (1722–1800)
  2. 1800–1817 Heinrich XIII. (1747–1817)
  3. 1817–1836 Heinrich XIX. (1790–1836)
  4. 1836–1859 Heinrich XX. (1794–1859)
  5. 1859–1867 vormundschaftlich: Caroline von Hessen-Homburg (1819–1872)
  6. 1867–1902 Heinrich XXII. (1846–1902)
  7. 1902–1918 Heinrich XXIV. (1878-1927), regierungsunfähig
Regentschaft durch:
1902–1908 Heinrich XIV. j.L. (1832–1913)
1908–1918 Heinrich XXVII. j.L. Erbprinz, Regent und (seit 1913) Fürst j. L. (1858–1928)

Einzelnachweise

  1. Thür. Staatsarchiv Greiz, Hausarchiv, Eiserne Truhe: Erhebungsurkunde
  2. Greizer Heimatkalender 1998, S. 8

Literatur

  • Ulrich Hess: Geschichte Thüringens 1866 bis 1914. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1991, ISBN 3-7400-0077-5
  • Reinhard Jonscher, Willy Schilling: Kleine thüringische Geschichte. Jenzig-Verlag, 3. Aufl., Jena 2003, ISBN 3-910141-44-7

Siehe auch

Weblinks


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