Fürstentum Lippe

Fürstentum Lippe

Das Fürstentum Lippe war ein 1789 Reichsfürstentum erhobenes Territorium im Heiligen Römischen Reich, das zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis gezählt wurde. Es überdauerte das Ende des Reiches für kurze Zeit im Rheinbund, bestand im 19. Jahrhundert im Deutschen Bund und im Deutschen Reich fort und ging 1919 im Freistaat Lippe auf.

Fürstentum Lippe
Wappen Flagge
Großes Wappen des Fürstentums Lippe Flagge von Lippe
Lage im Deutschen Reich
Lage von Lippe im Deutschen Kaiserreich im Jahr 1905
 
Landeshauptstadt Detmold
Regierungsform Konstitutionelle Monarchie
Staatsoberhaupt Fürst
Letztes Oberhaupt Leopold IV.
Dynastie Haus Lippe
Verfassung 1836
Wahlgesetz 1876[1]
Bestehen 1789 bis 1918
Fläche 1215 km² (1910)[2]
Einwohner 150.937 (1910)[2]
Bevölkerungsdichte 114 Einwohner pro km²
Währung Goldmark (ab 1875)
Religionen 95,3% evangelisch
3,9% katholisch (1910)[1]
Entstanden aus Grafschaft Lippe
Aufgegangen in Freistaat Lippe
Stimmen im Bundesrat 1 Stimme
Kfz-Kennzeichen L
Karte
Freistaat Lippe 1920

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Grenzstein zwischen dem Fürstenthum Lippe und dem Königreich Preußen in Wüsten-Pehlen

Leopold I. (1767–1802) wurde 1789 der erste Fürst zur Lippe. Nachdem Lippe 1866 dem Norddeutschen Bund beigetreten und 1871 Teil des Deutschen Reiches geworden war, starb Fürst Woldemar am 20. Juli 1895 kinderlos. Der Titel ging daraufhin nominell auf seinen nicht regierungsfähigen Bruder Alexander über; die Regentschaft trat zunächst der von Fürst Woldemar testamentarisch dazu bestimmte Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe an.

Da die gräflichen Linien Lippe-Biesterfeld und Lippe-Weißenfeld ebenfalls Ansprüche auf Regentschaft und Nachfolge erhoben, ergab sich daraus der bis ins Jahr 1905 andauernde lippische Erbfolgestreit. Der schaumburg-lippische Anspruch wurde dabei vom deutschen Kaiser Wilhelm II. (mit dessen Schwester Prinz Adolf verheiratet war) aktiv unterstützt.

Das Reichsgericht in Leipzig entschied die Angelegenheit jedoch 1897 zugunsten von Graf Ernst zur Lippe-Biesterfeld, der daraufhin die Regentschaft übernahm. Dennoch wurden ihm auf Anweisung Wilhelms II. die ihm zustehenden Ehrerweisungen und die Anrede „Erlaucht“ durch in Lippe stationiertes Militär verweigert. Daraufhin wandte sich der gelähmte Grafregent in einem Rundschreiben an die deutschen Bundesfürsten und beschwerte sich über den Kaiser – ein nie dagewesener Vorgang, der die öffentliche Meinung in Deutschland stark bewegte und für die Biesterfelder Position einnahm.[3]

Nach dem Tod des Grafregenten Ernst im Jahr 1904 übernahm dessen Sohn Leopold die Regentschaft. Als im darauffolgenden Jahr auch Fürst Alexander verstarb und das Reichsgericht das Erbfolgerecht des Hauses Lippe-Biesterfeld endgültig anerkannte, bestieg er als Fürst Leopold IV. den Thron.

Nach dem Ersten Weltkrieg, am 12. November 1918, dankte Fürst Leopold IV. ab. Aus dem Fürstentum wurde ein Freistaat im Verbande des Deutschen Reiches.

Staatsaufbau und Verwaltungsgliederung

Nachdem 1819/20 der Versuch einer Verfassungsgebung an den Ständen gescheitert war, kam es 1836 zu einem ersten Grundgesetz, das 1849 liberalisiert und in den Jahren 1853, 1876 und 1912 zunächst restauriert und im Folgenden dann stetig modernisiert wurde. Das 1876 eingeführte Wahlrecht löste eine bis dahin die längste Zeit weitgehend ständisch geprägte Verfassung ab und führte das Dreiklassenwahlrecht ein – mitnichten also ein Wahlrecht, das eine allgemeine und gleichberechtigte demokratische Partizipationsmöglichkeit der Bürger bot. Lippe wandelte sich damit aber immerhin zu einer konstitutionellen Monarchie. Ein Landtag wurde 1836 eingesetzt, der die legislative Gewalt im vom Landesherrn gewährten Rahmen maßgeblich verkörperte. Die höchste Landesbehörde war das Kabinettsministerium, welchem die höheren Verwaltungs- und Justizbehörden untergeordnet waren. Die höhere Landesverwaltungsbehörde war das Regierungskollegium. 1868 wurden die fürstlichen und staatlichen Besitzungen getrennt. Dem Fürsten blieb ein umfangreiches Domanialvermögen (darunter die Schlösser, Domänen, Forste, Erbpachtgüter, das Bad Meinberg und die Saline in Uflen), das nach seiner Abdankung größtenteils dem Staat zufiel (vgl. auch Domänenfrage).

Als Oberlandesgericht fungierte lange Zeit das preußische Oberlandesgericht Celle (Staatsvertrag vom 4. Januar 1879). In dessen Gerichtsbezirk Detmold wurden die Amtsgerichte Alverdissen, Blomberg, Detmold, Hohenhausen, Horn, Lage, Lemgo, Oerlinghausen und Salzuflen eingerichtet. Die Exklaven Lipperode und Cappel gehörte zum preußischen Amtsgericht Lippstadt.[4][2][5] Bevor Lippe sich an das Oberlandesgericht Celle band, war es seit 1817 gemeinsam mit dem Herzogtum Braunschweig und den Fürstentümern Schaumburg-Lippe und Waldeck dem Oberappellationsgericht in Wolfenbüttel unterstellt.[6] Als dieses Wolfenbüttler Gericht aufgelöst wurde, wurde eine Interimistische Oberappelationsgerichtskommission gegründet, die über die Lipper Prozesse Aufsicht führte. Bereits 1857 schloss man sich dann dem hannoverschen Oberappelationsgericht Celle an, das ab 1866 infolge der preußischen Annexion Hannovers zum preußischen Appellationsgericht hinuntergestuft wurde, bis es 1879 in das Oberlandesgericht umgewandelt wurde, dem Lippe bis 1944 angehören sollte.

Hauptartikel: Ämter in Lippe

1879 wurden im Fürstentum die fünf Verwaltungsämter Blomberg, Brake, Detmold, Schötmar und Lipperode-Cappel eingerichtet. Die Städte Barntrup, Blomberg, Detmold, Horn, Lage, Lemgo und Salzuflen sowie der Flecken Schwalenberg blieben amtsfrei. 1906 erhielt Schwalenberg die Bezeichnung Stadt.

Das Fürstentum Lippe war somit 1910 in acht amtsfreie Städte sowie in fünf Verwaltungsämter mit dreizehn Ämtern gegliedert:

Fürsten

Die Grafen zu Lippe stammten aus dem hochadligen Haus Lippe, dessen erstes Oberhaupt 1123 erwähnt wurde. Die meisten Fürsten stammten aus der Linie Lippe-Detmold. Nach heftigen Erbstreitigkeiten ging die Regentschaft zunächst auf die Linie Schaumburg-Lippe über (die Länder Schaumburg-Lippe und Lippe waren aber nur verbunden und nicht vereinigt), zuletzt auf die Linie Lippe-Biesterfeld, die bis dahin kein eigenes Territorium besaß. Bereits 1720 war der römisch-deutschen Kaiser dem Grafen Simon Heinrich in den Reichfürstenstand zu erheben. Die damit verbundenen Kosten von 4400 Reichstalern konnten allerdings erst 1789 von einem Nachfolger, Leopold I., aufgebracht werden. Erst mit 69 Jahren Verspätung konnte das westfälischen Reichsgrafentum zählende Haus Lippe-Detmold den Titel eines Fürsten erwerben. Das Land wurde zu einem Reichsfürstentum. Eine umfassende Machtentfaltung blieb aber auch den Fürsten durch die geringe Größe des Landes und die sich daraus nur eingeschränkt ergebende Souveränität beispielsweise in militärischen Fragen, vor allem durch die starke Stellung der Stände verwehrt.

Bereits 1836 wurde ein Landtag einberufen und die Macht der Fürsten durch eine Verfassung eingeschränkt. Der letzte Fürst dankte in der Novemberrevolution 1918 ab, durfte aber weiterhin im Detmolder Schloss wohnen. Die Nachfahren des letzten Fürsten nennen sich Prinzen zur Lippe. Sie leben bis heute im Schloss zu Detmold. Derzeitiges Oberhaupt der Familie ist seit 1987 Armin Prinz zur Lippe-Detmold. Die Fürsten Lippes waren:

Leopold IV. von Lippe

Vertretung im Bundesrat

Im Bundesrat des Deutschen Reiches verfügte Lippe über eine Stimme. Der Vertreter wurde durch den Landesherrn ausgewählt. Durch das geringe Stimmengewicht im von Preußen dominierten Bundesrat (17 Vertreter) war Lippe praktisch ohne Bedeutung; es zählte mit weiteren 16 Ländern zu der Gruppe von Kleinstaaten, die mit jeweils nur einer Stimme repräsentiert waren.

Wirtschaft

Neben einer Textilindustrie, die sich auf den Anbau von Flachs und die Verarbeitung zu Leinen stützte, verfügte das Fürstentum über eine berühmte Meerschaumindustrie in Lemgo, eine Saline in Salzuflen (1878: 24.800 Zentner Kochsalz) und eine noch heute existierende Holzindustrie mit zahlreichen Sägemühlen, deren Rohstoff aus den ausgedehnten Wäldern des Landes stammte. Besondere Bedeutung erlangte wie im benachbarten Preußen auch die Zigarrenindustrie, die wie auch zunächst die Textilindustrie in teils protoindustrialistischer Arbeitsteilung im Verlagssystem organisiert war. Daneben gab es Bierbrauereien (u. a. Strate und Falkenkrug), Ziegeleien, eine Zuckerfabrik in Lage und Ölmühlen. Größtes Industrieunternehmen war wohl die Stärkefabrik Hoffmann.

Für die Industrie war der Bau der Lippischen Bahn (1880) sowie der Lippischen Nebenbahn (1895) bedeutsam, die beide den Anschluss an die Stammstrecken der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft sicherstellten. Wirtschaftliche Bedeutung erlangten auch die lippischen Staatsbäder in Bad Meinberg und Bad Salzuflen bzw. die Saline in Bad Salzuflen. Insgesamt war Lippe aber immer ein agrarisch geprägter Staat, der zu den wirtschaftlich schwächeren Ländern des Reiches zählte. Industrie existierte (beispielsweise relativ zum nördlich gelegenen Ravensberger Land) nur in geringem Umfang und basierte wie die Textil- und Holzindustrie direkt auf den land- oder forstwirtschaftlichen Ressourcen des Landes.

Dies war u.a. eine Folge des großen ständischen Einflusses und der zu Beginn der Industrialisierung wenig wirtschaftsfreundlichen Haltung des Monarchen. Seine wirtschaftliche Interessen lagen vor allem in der Sicherung der eigenen wirtschaftlichen Macht, die sich bis zuletzt weniger aus Steuern denn aus dem direkten Einkommen der fürstlichen Domänen, Forste, Salinen und Staatsbäder ergab. Die lippischen Wanderarbeiter (→ siehe auch Lippische Ziegler) waren eine Folge dieser wirtschaftlichen Schwäche. Die lössbedeckten Bördelandschaften im Werre und Begatal ermöglichten immerhin eine auskömmliche Landwirtschaft. In der wenig fruchtbaren Sandlandschaft Senne dagegen war intensive Landwirtschaft kaum möglich. Bedeutung erlangte hier vor allem die Haltung von Weidetieren und die Zucht der Senner Pferde beim fürstlichen Jagdschloss Lopshorn.[5]

Militär

Lipper Schütze (rechts) in der Fürstendivision

Am 5. Mai 1807 wurde ein lippisches Bataillon aufgestellt, das, unter Einbeziehung einer schaumburgisch-lippischen Kompanie, das II. Bataillon des 5. Infanterieregiments der Fürstendivision des Rheinbundes bildete. 1867 schloss Lippe eine Militärkonvention mit Preußen und gehörte fortan dem Ersatzbezirk des VII. Armeecorps, 13. Division, 26. Infanterie-Brigade, an. Am 27. Mai 1867 wurde zur Eingliederung der Lipper in das preußische Heer die Fürstendivision aufgelöst. Die Lipper wurden vor allem für das preußische 6. westfälische Infanterieregiment Nr. 55 verwendet. Der Regimentsstab und das 3. Bataillon waren zuletzt (1918) in Detmold beheimatet. Die Uniform der Lipper war um etwa 1815 französierend in weiß-blau-rot gehalten. Diese Uniform wurde auch auf dem Notgeld der Stadt Detmold um 1920 abgebildet, und sie bleibt durch die Gestaltung der Flasche der Spirituose Lipper Schütze in Erinnerung. Spätestens ab 1867 trugen die Lipper die gewöhnliche preußische Uniform und waren dann nur noch durch die Lipper Kokarde in den Landesfarben gelb-rot-gelb (Abbildung) beim III./IR 55 zu erkennen.

Im eigentlichen Sinne hatte also Lippe spätestens 1867 kein eigenes Militär mehr und sah sich auch davor kaum im Stande, eine autark operierende Truppe in Regimentsstärke aufzustellen. Eine Karikatur dieser militärischen Schwäche zeichnet das Lied Lippe-Detmold eine wunderschöne Stadt, das sich zu einer Art Regionalhymne des Lipperlandes entwickelte. Darin sieht sich ein lippischer General bereits nach Verlust eines Mannes nicht mehr in der Lage, die Kampagne fortzuführen. Das oben bereits erwähnte Notgeld ist nach der textlichen Vorlage des Liedes gestaltet. Eine gewisse Bedeutung erlangte Lippe weniger durch seine Soldaten denn mit der Anlage des Truppenübungsplatzes Senne.[7]

Siehe auch: Lippische Militär-Verdienstmedaille, lippisches Kriegsverdienstkreuz, Kriegsehrenkreuz für heldenmütige Tat

Währung

Hauptartikel: Lippische Münzgeschichte

1875 wurde die im ganzen Kaiserreich eingeführte Goldmark auch Zahlungsmittel im Fürstentum. Die Vorderseite, das Avers, konnte bei den Münzen zu 2, 3, 5, 10 und 20 Mark von den Gliedstaaten des Reiches gestaltet werden. In Lippe erschienen in dieser Zeit Münzen zu 2 Mark (1906) und 3 Mark (1913); beide zeigen das Portrait des regierenden Fürsten Leopold IV.[8]

Wappen

Orden und Ehrenzeichen

Als souveräner Staat vergab Lippe auch Orden und Ehrenzeichen. Die meisten Orden und Ehrenzeichen stammen aus der Zeit des Fürstentums, aber auch in der Republik wurden weiterhin Orden verliehen. Dies waren u.a.:

Bevölkerung

Das Fürstentum (1887: 1.215,20 km²) zählte

  • 1871: 111.135 Einwohner
  • 1881: 112.452 Einwohner
  • 1885: 123.212 Einwohner
  • 1905: 145.610 Einwohner
  • 1910: 150.937 Einwohner

Zum Vergleich: Der heutige, 1.246,29 km² große Landesteil von Nordrhein-Westfalen zählt

  • 2008: 355.178 Einwohner

Literatur

  • Erich Kittel: Geschichte des Landes Lippe. Heimatchronik der Kreise Detmold und Lippe. Archiv für Deutsche Heimatpflege, Köln 1957 (Heimatchroniken der Städte und Kreise des Bundesgebietes 18, ZDB-ID 749758-1).
  • Wolfgang J. Neumann: Der lippische Staat. Woher er kam – wohin er ging. Neumann, Lemgo 2008, ISBN 978-3-9811814-7-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte
  2. a b c Verfassung des Landes Lippe vom 21. Dezember 1920
  3. Wikisource: Lippe#Lippischer Erbfolgestreit
  4. Der Freistaat Lippe im Überblick
  5. a b Meyers Konversationslexikon. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig / Wien, 4. Aufl., 1885–1892.
  6. Andreas Kunz (Hrsg.): Lippe Detmold. In: eKompendium-hgisg.de (pdf.)
  7. www.woiste.de: 1807–1815 Die napoleonischen Kriege
  8. www.woiste.de: Die Münzen im Fürstentum Lippe

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