Dieter Hildebrandt

Dieter Hildebrandt
Dieter Hildebrandt auf der lit.Cologne 2007

Dieter Hildebrandt (* 23. Mai 1927 in Bunzlau, Niederschlesien) ist ein deutscher Kabarettist, Schauspieler und Buchautor. Bekannt wurde er als Mitbegründer der Münchner Lach- und Schießgesellschaft sowie durch die Fernsehformate Notizen aus der Provinz und Scheibenwischer, die zu langjährigen Fernseherfolgen wurden, Auszeichnungen erhielten, aber mehrfach auch zu politischen Kontroversen führten. Daneben blieb Hildebrandt bis in die Gegenwart als Bühnenkabarettist mit Partnern oder Soloprogrammen, als Schauspieler und Autor aktiv. Er gilt als einer der einflussreichsten Kabarettisten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Ausbildung

Dieter Hildebrandt wurde als Sohn des beamteten Oberlandwirtschaftsrats Walter Hildebrandt und seiner Frau Gertrud im niederschlesischen Bunzlau geboren. Er hatte zwei Brüder, von denen einer jung starb, während der zweite später Journalist wurde. Als Hildebrandt acht Jahre alt war, erwarb der Vater einen Bauernhof, den die Familie von da an bewirtschaftete. Bereits in der Schulzeit entdeckte Hildebrandt seine Liebe zur Schauspielerei, er wurde Mitglied einer Spielschar der Hitlerjugend.[1]

Ab 1943 war Hildebrandt Flakhelfer, kurz vor Kriegsende wurde er noch zur Wehrmacht eingezogen. 2007 kam in der Mitgliederkartei der NSDAP im Bundesarchiv ein Mitgliedsantrag von Hildebrandt zutage, in dem die Parteiaufnahme zum 20. April 1944 vermerkt war[2] Hildebrandt bestritt, wissentlich einen Aufnahmeantrag gestellt zu haben.[3] Dies führte zu einer Diskussion in der Geschichtswissenschaft: Michael Buddrus vertrat die Ansicht, dass es nicht möglich gewesen sei, ohne persönliche Unterschrift in die NSDAP aufgenommen worden zu sein, während beispielsweise Norbert Frei und Götz Aly darauf hinwiesen, dass über die Aufnahmepraxis in den lokalen Parteisektionen viel zu wenig bekannt sei.[4]

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war Hildebrandt in der Nähe von Berlin eingesetzt und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft in Gardelegen. Nach der Entlassung traf er 1945 in Windischeschenbach in der Oberpfalz mit seiner aus Schlesien vertriebenen Familie zusammen. In Weiden holte Hildebrandt 1947 das Abitur nach. 1950 begann er ein Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften sowie der Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Noch immer strebte er jedoch den Beruf des Schauspielers an und nahm nach dem Scheitern der Aufnahmeprüfung an der Otto-Falckenberg-Schule privaten Schauspielunterricht bei Alice Strathmann. 1953 legte er am Münchner Residenztheater die Prüfung der Schauspieler-Genossenschaft ab.[1] Hildebrandt hatte begonnen zu promovieren, brach jedoch 1955 ohne Abschluss ab, als sein Doktorvater emeritiert wurde und sich erste Erfolge bei seinen Auftritten in Studentenkabaretts einstellten.[5]

Kabarett

Zum ersten Kontakt Hildebrandts mit dem Kabarett kam es während seines Studiums. Als Platzanweiser arbeitete er im Münchner Theater Die Kleine Freiheit, das 1951 von Trude Kolman gegründet worden war und in dem Erich Kästner die Programme schrieb. Hier lernte er Werner Finck, Robert Neumann und Oliver Hassencamp kennen, die ihn stark beeindruckten.[6] In der Folge wirkte Hildebrandt selbst beim Studentenkabarett Die Seminarren mit und gründete 1955 mit Kommilitonen das Kabarett Die Namenlosen, dessen Aufführungen in Schwabing so erfolgreich waren, dass 1956 ein Programm im Fernsehen übertragen wurde.[1]

Nach der Auflösung der Namenlosen gründete Hildebrandt gemeinsam mit dem Sportreporter Sammy Drechsel 1956 die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, die sich in den Folgejahren zu einem der bedeutendsten Kabaretts in der Bundesrepublik entwickelte. Von Anfang an wurden die Programme im Hörfunk und Fernsehen übertragen, ab 1962 ging das Ensemble jährlich auf Tournee. Während die anderen Mitglieder im Lauf der Jahre wechselten, blieben Drechsel als Regisseur und Organisator sowie Hildebrandt mit den für ihn typischen Soli die Fixpunkte des Ensembles.[7]

Im Dezember 1972 gab die Lach- und Schießgesellschaft ihre Abschiedsvorstellung. Die Auflösung fiel in eine Zeit, als nach dem Ende der Großen Koalition und mit dem Amtsantritt Willy Brandts das politische Kabarett in eine Krise geraten war und von vielen für tot erklärt wurde. Nach eigenen Aussagen fühlte sich das Ensemble nurmehr als „Staatskabarett“ und „Stimmungslokal für Betriebsausflüge ganzer Vorstandsetagen“.[8] In einem frühen Programmheft hatte die Lach- und Schießgesesellschaft noch erklärt, dass politisches Kabarett Opposition bedeute, die in Deutschland links stehe. Gegenüber der SPD wolle man laut einer Aussage von Sammy Drechsel aus dem Jahr 1971 jedoch nur „klein-klein schießen“.[9] Als sich die Lach- und Schießgesellschaft 1976 neu gründete, blieb Hildebrandt dem Kabarett als Berater und Texter verbunden, trat allerdings selbst nicht mehr auf.[7]

Einen neuen Partner für eigene kabarettistische Unternehmungen fand Hildebrandt in dem Österreicher Werner Schneyder, mit dem er zwischen 1974 und 1981 insgesamt sechs Programme schrieb und durch ganz Deutschland und Österreich tourte. 1985 kam es zu einem gemeinsamen Gastspiel in der DDR auf Einladung der Leipziger Pfeffermühle, ein Auftritt den Hildebrandt rückblickend als „herausragendes Berufserlebnis“ wertete.[10] In den 80er Jahren folgten zwei gemeinsame Programme Hildebrandts mit Gerhard Polt sowie die Mitwirkung in dessen Filmen Kehraus und Man spricht deutsh.[11]

Fernsehen

Bereits seit Ende der 50er Jahre hatte Hildebrandt immer wieder fürs Fernsehen gearbeitet. Er spielte in Produktionen wie dem Musical Es gibt immer drei Möglichkeiten von 1959 und schrieb Drehbücher wie zur Filmkomödie Mein Mann, das Wirtschaftswunder aus dem Jahr 1960. Beide Tätigkeiten vereinte die Verfilmung der satirischen Erzählung Doktor Murkes gesammeltes Schweigen von Heinrich Böll aus dem Jahr 1964, in der Hildebrandt die Titelrolle übernahm. Auch in verschiedenen Kabarettsendungen war er über mehrere Jahre hinweg aktiv, so in Die Rückblende und der Silvesterproduktion Schimpf vor Zwölf.[12]

Von 1973 an erhielt Hildebrandt beim ZDF eine eigene politische Satiresendereihe namens Notizen aus der Provinz, die bis 1979 in insgesamt 66 Folgen ausgestrahlt wurde. Sie basierte wie zuvor die Lach- und Schießgesellschaft auf einer Zusammenarbeit von Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt. Während ersterer die Studioregie führte, moderierte Hildebrandt im typischen Stil von Politmagazinen die Filmbeiträge an, in denen gestellte Szenen und dokumentarisches Material gegeneinander geschnitten wurden. Die Sendung machte Hildebrandt weithin bekannt; laut Ricarda Strobel förderte sie seinen „Ruf als kritischer Querdenker“. Die politische Ausrichtung zog allerdings auch mehrfach Proteste von Seiten konservativer Politiker nach sich; zwei Folgen wurden aus dem Programm genommen beziehungsweise in der Produktion gestoppt. Im Jahr der Bundestagswahl 1980 verordnete der damalige Programmdirektor Dieter Stolte dem Magazin eine „Denkpause“, die zum Wechsel Hildebrandts zur ARD führte.[13]

Produziert vom Sender Freies Berlin und erneut unter der Regie Drechsels etablierte Hildebrandt in der ARD die Kabarettsendung Scheibenwischer, die in unterschiedlicher Länge und zu unterschiedlichen Sendezeiten von Juni 1980 bis Dezember 2008 ausgestrahlt wurde. Das Format der Sendung erinnerte an ein Nummernkabarett mit Hildebrandt als Conférencier, wobei die Beiträge der Gastkabarettisten zumeist um ein gemeinsames Thema kreisten. Im Unterschied zum vorfabrizierten Magazinformat der Notizen aus der Provinz bot der Scheibenwischer Live-Kabarett auf einer Bühne vor Studiopublikum, was eine größere Aktualität ermöglichte und gleichzeitig Zensurmaßnahmen von außen erschwerte. Dennoch sorgte auch der Scheibenwischer immer wieder für politische Kontroversen, die am 22. Mai 1986, anlässlich einer Sendung zur Katastrophe von Tschernobyl, in einer Ausblendung des Bayerischen Rundfunks aus dem gemeinsamen ARD-Programm gipfelten.[14]

Der letzte Scheibenwischer mit Dieter Hildebrandt als festem Besetzungsmitglied wurde am 2. Oktober 2003 im Rahmen einer großen Gala gefeiert, an der langjährige Weggefährten wie Bruno Jonas teilnahmen. Nach Hildebrandts Abgang übernahm Jonas gemeinsam mit Mathias Richling und Georg Schramm die programmatische Leitung der Sendung. Nachdem Schramm und andere den Scheibenwischer aus konzeptionellen Gründen verlassen hatten, kam es zur offenen Auseinandersetzung mit dem seit Anfang 2009 als Hauptakteur der Sendung agierenden Richling. Hildebrandt untersagte Richling die Weiterverwendung des Titels Scheibenwischer. Hintergrund waren Richlings Pläne, auch so genannte „Comedians“ in die Sendung einzuladen. Dabei erklärte Hildebrandt, nichts gegen Comedians zu haben, jedoch verhindern zu wollen, „dass sich TV-Kabarett nur mit Nebenthemen beschäftigt“.[15]

Aktuelle Projekte

Dieter Hildebrandt während einer Lesung 2004

Während Hildebrandt 2004 und 2005 noch einige Gastauftritte im Scheibenwischer absolvierte, trat er seitdem mehrfach in der Sendereihe Neues aus der Anstalt auf, dem ersten Kabarettformat des ZDF seit seinen Notizen aus der Provinz. Gemeinsam mit Werner Schneyder spielte er im Jahr 2000 im Theaterstück Sonny Boys ein altes, zerstrittenes Komikerpaar. Der Inszenierung an den Münchner Kammerspielen schloss sich eine Tournee und Fernsehverfilmung an.[16] Seitdem er seine TV-Sendungen aufgegeben hat, betätigt sich Hildebrandt zunehmend als Autor und führt satirische Lesungen durch. Seine Bücher – erstmals Was bleibt mir übrig, veröffentlicht 1986 – schafften es in die Bestsellerlisten.[17] Im Gespräch mit Bernd Schroeder entstand die 2006 veröffentlichte Autobiografie Ich mußte immer lachen. Bis heute (Stand 2010) ist Hildebrandt mit Programmen auf Tournee und hält im Jahr rund 180 Lesungen.[18]

Seit dem Sommer 2010 ist Hildebrandt mit einem neuen Solo-Programm Ich kann doch auch nichts dafür sowie einem Musikprogramm Vorsicht Klassik bundesweit unterwegs.[19][20] Zudem wirkt er in Helmut Dietls Kinofilm Zettl mit, einer Fortsetzung der Fernsehserie Kir Royal, in der er im Jahr 1986 eine Hauptrolle spielte.

Privatleben

1951 lernte Hildebrandt in München Irene Mendler kennen, vier Jahre später heirateten beide. Aus der Ehe stammen zwei Töchter. Im August 1985 verstarb Hildebrandts Ehefrau nach langem Leiden an Krebs. Nur wenige Monate später starb mit dem langjährigen Freund Sammy Drechsel eine zweite enge Bezugsperson Hildebrandts. Am 21. Mai 1992 heiratete er die Kabarettkollegin und Schauspielerin Renate Küster.

Hildebrandt wohnt im Münchner Vorort Waldperlach, interessiert sich für Sport, spielt Tennis und ist langjähriges Mitglied der Prominentenfussballmannschaft FC Schmiere. Nach eigenen Angaben führt er ein Leben „mit den Tugenden eines ordentlichen Bürgers“, wobei ihn vom Spießbürger ein „gehöriges Maß an Toleranz“ trenne.[21]

Kabarettistisches Wirken

Stil

Dieter Hildebrandts kabarettistischen Auftritte zeichnen sich zumeist durch Schlagfertigkeit, Spontaneität und Improvisationstalent aus, was ihm ermöglicht, Zwischenrufe aus dem Publikum einzubeziehen. Auch seine vorgetragenen Texte wirken häufig improvisiert, wobei eine scheinbar verbindliche und assoziative Plauderei in aktuelle politische Themen umschlägt. Charakteristisch für Hildebrandts Sprachstil sind Zögern, Stammeln und Stottern, gezielte Auslassungen, Versprecher und Wortverdrehungen. Auf diese Art werden offizielle Formulierungen so lange sprachlich bearbeitet und zerlegt, bis sie ihre versteckte Absicht offenbaren.[22]

Kollegen bezeichnen Hildebrandt anerkennend als „Pointenpapst“, für Erhard Jöst ist er ein „(hinter)listiger Stotterspötter“.[23] Walter Gallasch schilderte Hildebrandt als „Jongleur der Sprache, ein Begriffe-Umdeuter, ein Sinn-Erkenner, ein Zauberer der Wörter, der leere Hände vorzeigt, und plötzlich hat er eine zugefeilte Speerspitze in den Fingern.“[24] In Anlehnung an Old Shatterhand sprach Dietrich Strothmann vom „spitzzüngigen Old Shattermouth“.[25]

Äußerlich beschrieb Ricarda Strobel eine „grundsolide-bürgerliche und sympathische Ausstrahlung“ und ein „unauffälliges Erscheinungsbild“ mit Brille und gediegen-sportlichen Anzugskombinationen in dezenten Farben, wodurch Hildebrandt seine scharfe Kritik mit einem Element der Vertrautheit ausgleiche und ihr so die Bedrohlichkeit nehme. Sein Erfolg liege auch darin begründet, dass seine Pointen zwar in erster Linie ein „gehoben-bürgerliches und intellektuelles Publikum“ ansprächen, seine Versprecher und Wortverdreher dennoch für breite Schichten des Publikums unterhaltsam blieben und Hildebrandt weitgehend Tabus respektiert habe.[26]

Politische Ausrichtung und Kontroversen

Dieter Hildebrandt ist nach eigenem Bekunden ein „Sympathisant der SPD“.[27] Laut einem Interview von 1986 sei er aber nie in die Partei eingetreten, weil er „schnell wieder rausgeflogen“ wäre: „Ich habe den Standpunkt der Sozialdemokraten schon oft verlassen.“[28] Dennoch wird er in der Öffentlichkeit immer wieder als SPD-Mitglied wahrgenommen, so auch in der SPD-Parteizeitung Vorwärts, die ihn im Jahr 2007 als „seit Jahrzehnten Mitglied der SPD“ vorstellte.[29] 1969 unterstützte Hildebrandt die SPD-Wählerinitiative,[30] 1976 warb Hildebrandt in einem Wahlwerbespot für die Partei.[31] Heute unterstützt er eine Kampagne zur Aussetzung des „Sanktionsparagraphen“ 31 des SGB II („Hartz IV“).[32]

Von konservativer Seite wurde Hildebrandt oft politische Einseitigkeit vorgeworfen. So listete etwa Josef Nyáry zur 100. Sendung des Scheibenwischers auf: „Hildebrandt, einst Demonstrant gegen konfessionellen Schulunterricht, Wahlhelfer und Delegierter der SPD, bedient als sozialdemokratischer Parteikabarettist ausschließlich Gesinnungsgenossen mit Einfällen wie aus einem bunten Abend für Werktätige.“[33] Auch Mathias Richling kritisierte in seinem Streit um das Nachfolgeformat des Scheibenwischers, Hildebrandt könne nur „parteipolitisches“ Kabarett aufführen: „Sein Scheibenwischer wurde von der SPD immer angesehen als parteieigene Sendung.“[34]

Wiederholt sorgten Hildebrandts Kabarettsendungen im Fernsehen für Ärger und Eklats, und der Kabarettist selbst wurde zum Ziel heftiger Anfeindungen in Form von Leserbriefen oder Rückmeldungen an die Fernsehsender. Das ZDF nahm am 27. Februar 1975 eine Folge der Notizen aus der Provinz aus dem Programm, weil sie die Abtreibungsdebatte thematisierte, und stoppte eine Sendung im Oktober 1977 nach dem Mord an Siegfried Buback noch in der Produktion wegen vermeintlich zu geringer Distanzierung vom Terrorismus. Beim Magazin Scheibenwischer setzten sich die Auseinandersetzungen fort: Eine Sendung im Januar 1982 über den Rhein-Main-Donau-Kanal wurde zum Politikum und führte zu erster Kritik von Seiten des Bayerischen Rundfunks. Als dieser sich vier Jahre später bei einer Sendung zum Thema Tschernobyl aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD ausklinkte, nannte sein Programmdirektor Helmut Oeller Teile der Sendung „makaber“ und „nicht gemeinschaftsverträglich“. [35] Auch Hildebrandts Auftritte wurden zum Teil behindert, beispielsweise 1979 in Bad Mergentheim, als die CDU-Fraktion im Stadtrat mit ihrer Mehrheit die für Hildebrandts Auftritt vorgesehene Aula der Volkshochschule sperren ließ und dies damit begründete, dass diese nur „für schulische und hochwertig kulturelle Zwecke“ genutzt werden dürfe.[36]

Bedeutung

Bereits zu Zeiten der Münchner Lach- und Schießgesellschaft galt Dieter Hildebrandt als führender Kabarettist der Bundesrepublik Deutschland. Er war in der Presse präsent, die Übertragungen der Lach- und Schießgesellschaft erreichten ein Millionenpublikum.[37] Mit der Sendung Notizen in der Provinz weitete er seinen Einfluss weiter aus, so dass die Schweizerin Christine Steiger in ihm „wohl den einzigen Deutschen scharfer Zunge, der sich im Fernsehen einen solchen Freiraum für politische Satire erobern konnte“, erblickte.[38]

Als in den 90er Jahren vermehrt Kabarettisten einer jüngeren Generation im deutschen Fernsehen präsent wurden, nahm die Öffentlichkeit Hildebrandt laut Ricarda Strobel mehr und mehr als „verehrungswürdige Institution“ wahr.[39] Für die Jury des Adolf-Grimme-Preises 2004 ging durch seinen Abschied vom Scheibenwischer „eine ganze Ära des politischen TV-Kabaretts zu Ende, die mit seinem Namen verbunden ist“. Hildebrandt zähle „zu den Begründern des politischen Kabaretts im Deutschland der Nachkriegszeit“ und habe „wesentlich zur Information und zur Aufklärung durch das Medium Fernsehen beigetragen.“[40] Für einige der Kabarettisten der jüngeren Generation wie Josef Hader,[41] Georg Schramm[42] oder Eckart von Hirschhausen[43] wurde Dieter Hildebrandt zum Vorbild.

Zu Hildebrandts 80. Geburtstag im Jahr 2007 urteilte Reinhard Mohr, Hildebrandt sei „der bedeutendste und einflussreichste politische Kabarettist der Bundesrepublik“, eine „Instanz“, die auch „die Republik verändert“ habe.[44] Und auch von offizieller Seite würdigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann zu diesem Anlass, Hildebrandt als „der dienstälteste Kabarettist unseres Landes“ sei „über all die Jahrzehnte zugleich einer der prägendsten und originellsten geblieben“, wobei „hinter dem Humor und der Freude am kabarettistischen Spiel stets ein aufgeklärter Humanismus und ein großes Interesse am Menschen spürbar sind“, und er wandte sich direkt an Hildebrandt: „Sie provozieren, amüsieren und zuweilen verärgern Sie auch, wie es sich für einen politischen Kabarettisten von Rang gehört.“[45]

Auszeichnungen und Ehrungen

Stern für Dieter Hildebrandt auf dem Walk of Fame des Kabaretts in Mainz

Werke (Auswahl)

Film und Fernsehen

Hörfunk

  • Klassik-Pop-et cetera (28. Januar 2006), beim Deutschlandfunk, zum wiederholten Male Moderation von „Klassik-Pop-et cetera“
  • Der Anbieter. Zur Plage der Nation. 1995, Hörspiel nach dem gleichnamigen Roman. Produktion SFB, SR. Regie: Lutz Volke. Mit Dieter Hildebrandt als Erzähler und Dr. Knut Schnabel, Dieter Mann als Dr. Walter Wanzek. (Quellen: DRA-Archiv, Hörspiele in der ARD 1995, rbb-Archiv, SR-Archiv)

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 92.
  2. Anmerkung: der 20. April war Adolf Hitlers Geburtstag. Es könnte sein, dass im Zuge des damaligen Personenkults um Hitler Menschen auf Mitgliederlisten geschrieben wurden, um in Berlin Parteieintritte anlässlich des öffentlich gefeierten sogenannten Führergeburtstags melden zu können.
  3. Dieter Hildebrandt: Ich war dabei! Aber ganz anders. In CICERO vom August 2007.
  4. Hubert Spiegel: All diese Karteikarten der NSDAP. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. Juli 2007, abgerufen am 30. Oktober 2010.
  5. Johannes Honsell und Oliver Das Gupta: Ich finde Sex an sich schon komisch. Interview mit Dieter Hildebrandt. In: sueddeutsche.de vom 23. Mai 2007.
  6. Katja Iken: „Späße bis ins Grab hinein“. Interview mit Dieter Hildebrandt. In: einestages vom 23. Januar 2008.
  7. a b Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 93.
  8. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 93–94.
  9. Elke Reinhard: Warum heißt Kabarett heute Comedy? Metamorphosen in der deutschen Fernsehunterhaltung. Dissertation. Lit, Münster 2006, ISBN 3-8258-9231-X, S. 89.
  10. Biografie auf Dieter Hildebrandts Internetseite.
  11. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 94–95.
  12. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 95.
  13. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 95, 98–102.
  14. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 102–108.
  15. Richtungsstreit beim deutschen Kabarett. In: Focus Nr. 12, 16. März 2009.
  16. Susanne Beyer: „Gestottert wird nicht“. In: Der Spiegel. Nr. 35, 2000, S. 209–211 (online).
  17. Vgl. Erhard Jöst: Artikel Dieter Hildebrandt. In: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, hg. von Heinz Ludwig Arnold, edition text+kritik.
  18. Dieter Hildebrandt: Bühne statt Psychiater. In: abendzeitung.de vom 23. August 2010.
  19. Termine auf Dieter Hildebrandts Internetseite.
  20. Dieter Hildebrandt: Ich kann doch auch nichts dafür auf muenchen.de.
  21. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 93–94, 97.
  22. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 93, 96.
  23. Erhard Jöst: Denkzettelverteilender Spötter und politischer Moralist. In: Die horen Nr. 177 (1995), S. 164–170, Zitat S. 167.
  24. Walter Gallasch: Wahnsinn mit Rückenwind. In: Nürnberger Nachrichten vom 5. September 1992. Zitiert nach: Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 97.
  25. Dietrich Strothmann: Old Shattermouth. In: Die Zeit vom 20. Februar 1981.
  26. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 98, 109.
  27. Oliver Das Gupta: Die Hessen-SPD ist ein Sauhaufen. Interview mit Dieter Hildebrandt. In: sueddeutsche.de vom 11. März 2008.
  28. Am Schluß stark glühen und dann verlöschen. In: Der Spiegel. Nr. 37, 1986, S. 232–244 (online).
  29. Erhard Jöst: Dieter Hildebrandt ist („nie wieder) achtzig!“. In: vorwaerts.de vom 23. Mai 2007.
  30. Echte Töne. In: Der Spiegel. Nr. 25, 1969, S. 33–34 (online).
  31. Die SPD wirbt mit Dieter Hildebrandt. Wahlwerbespot auf bild.de vom 29. Juni 2009.
  32. Bündnis für ein Sanktionsmoratorium
  33. Josef Nyáry: Die größte Stinkbombe des Jahres.In: Welt am Sonntag vom 2. Oktober 1997.
  34. Uli Martin: „Hildebrandt kann nur parteipolitisch“. In: Focus Nr. 12, 16. März 2009.
  35. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 100, 107.
  36. Erhard Jöst: Denzettelverteilender Spötter und politischer Moralist. In: die horen Band 177 (1995), S. 168
  37. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 96.
  38. Christine Steiger: Melancholischer Hofnarr von Bildschirms Gnaden. In: Die Weltwoche vom 28. Juni 1978. Zitiert nach: Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 96.
  39. Strobel, Faulstich: Die deutschen Fernsehstars. Band 4: Zielgruppenstars, S. 97.
  40. Begründung für den Adolf-Grimme-Preis 2004.
  41. Christian Bommarius, Silke Janovsky: Siegertypen hab’ ich nicht so in mir drin. Interview mit Josef Hader. In: Berliner Zeitung vom 10. April 2010.
  42. Franz Schmider: Der Mann hinter Dombrowski. In Badische Zeitung vom 10. Juli 2010.
  43. Katja Bachert: „Probieren ist die beste Strategie“ In: Focus Campus vom 25. November 2007.
  44. Reinhard Mohr: Der ironische Großinquisitor. In: Spiegel Online vom 22. Mai 2007.
  45. Neumann würdigt Kabarettist Hildebrandt. In: Der Tagesspiegel vom 22. Mai 2007.

Weblinks


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