Hanserecht

Hanserecht
1400 Nordeuropa und die Hansestädte
14. und Anf. 15. Jahrh. Die Hansestädte und der Deutsche Orden
Abbildung aus dem Hamburger Stadtrecht von 1497

Hanse (althochdeutsch Hansa „Gruppe, Gefolge, Schar“) – auch Deutsche Hanse oder dudesche Hanse, lat.: Hansa Teutonica – ist die Bezeichnung für die zwischen Mitte des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 17. Jahrhunderts bestehenden Vereinigungen niederdeutscher Kaufleute, deren Ziel die Sicherheit der Überfahrt und die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen besonders im Ausland war.

Eine Entwicklung von der „Kaufmannshanse“ zu einer „Städtehanse“ lässt sich spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts mit erstmaligen nahezu gesamthansischen Tagfahrten (Hansetagen) festmachen, in denen sich die Hansestädte zusammenschlossen und die Interessen der niederdeutschen Kaufleute vertraten. Eine eindeutige Abgrenzung zwischen einer „Kaufmannshanse“ und einer „Städtehanse“ ist jedoch umstritten.[1]

Die Farben der Hanse (weiß und rot) finden sich auch heute noch in den Stadtwappen vieler Hansestädte. In den Zeiten ihrer größten Ausdehnung waren beinahe 300 See- und Binnenstädte des nördlichen Europas in der Städtehanse zusammengeschlossen. Eine wichtige Grundlage dieser Verbindungen war die Entwicklung des Transportwesens, insbesondere zur See, weshalb der Koggen zum Symbol für die Hanse wurde.

Die Hanse war nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf politischem und kulturellem Gebiet ein gewichtiger Faktor.

„Hanse“ oder „Hänse“ nannten sich auch andere Kaufmannsverbünde bis nach Österreich, unabhängig von der „großen“ norddeutschen Hanse. Bei ihnen handelte es sich in der Regel um keine politischen Bünde zwischen Städten und Territorien, sondern um Bruderschaften, denen einzelne Händler beitraten. Oft waren solche Verbünde auf einen bestimmten Jahrmarkt ausgerichtet und übernahmen während dessen Dauer wirtschaftliche Kontrollfunktionen, wie sie in größeren Städten von den Zünften ausgefüllt wurden.

Inhaltsverzeichnis

Politische Geschichte

Die Hanse war über lange Zeit eine politische Macht ersten Ranges, der es gelang, ohne eigene Souveränität – ihre Mitglieder verblieben jeweils unter der Herrschaft unterschiedlicher, weltlicher und kirchlicher Gewalten – siegreiche Kriege zu führen. Anfang und Ende der Hanse sind schwer zu bestimmen.

Entstehung der Kaufmannshanse (bis etwa 1250)

Es gibt kein Gründungsjahr der Deutschen Hanse. Diese hat sich im 12. Jahrhundert aus den Gemeinschaften der Ost- und Nordseehändler entwickelt. Allgemein wird die Gründung der Stadt Lübeck im Jahr 1143, als erste deutsche Ostseestadt, für die Entwicklung der Hanse als entscheidend angesehen. Der Ostseezugang ermöglichte einen Handel zwischen den rohstoffreichen Gebieten Nordrusslands (z. B. Getreide, Holz, Wachs, usw.) und den Ländern Westeuropas mit seinen Fertigprodukten (z. B. Tuche).

Lübeck im 17. Jahrhundert.
Das Holstentor (Stadtseite) in Lübeck um 1900.

Verschiedene Vorschläge für das Gründungsjahr

Es gibt kein Gründungsdatum der Hanse. Sie ist entstanden und gewachsen. Nicht einmal die Zeitgenossen scheinen klare Vorstellungen darüber gehabt zu haben. Als sich der Rat der Stadt Bremen 1418 in einem Streit mit Hamburg an Köln wandte und um eine Abschrift der Gründungsurkunde der Hanse bat, antworteten die Kölner, sie hätten vergeblich nach der geforderten Schrift van der fundatacien der Duytzschen hensze gesucht, würden aber weitersuchen und den Bremern die gewünschte Abschrift schicken, sobald sie fündig geworden seien.

Bei der frühen Hanse handelte es sich um den freien Zusammenschluss von Kaufleuten, die den Schutz der Gruppe für die gefahrvolle Reise suchten und ihre Interessen gemeinsam an den Zielorten besser vertreten konnten. Dazu fanden sich die Kaufleute einer Stadt oder einer Region zusammen, die in einer Fahrgemeinschaft reisten. Die frühesten Belege für solche organisierten deutschen Handelsgruppen liegen für das Auftreten Kölner Kaufleute in London vor. Neben den Deutschen waren bereits flandrische Kaufleutegruppen in London vorhanden.

Diese Organisationsform bedeutet unter anderem, dass man zunächst nicht von „der“ Hanse oder von einer „Gründung“ der Hanse sprechen kann, da es lediglich einzelne Gruppen waren, die ihre jeweiligen Partikularinteressen verfolgten (und auch in späterer Zeit verfolgen sollten).

In der älteren Forschung wird als Gründungsjahr der Hanse gerne neben der Neugründung 1143 bzw. dem Wiederaufbau Lübecks im Jahre 1159 auch die erste überlieferte Erwähnung eines deutschen Kaufmannsbundes 1157 in einer Londoner Urkunde genannt. Philippe Dollinger argumentiert für 1159 mit der führenden Stellung der Lübecker Kaufleute während der ganzen Hansezeit. Für 1157 spricht die Tatsache, dass die Hanse anfangs eine Schutzgemeinschaft deutscher Kaufleute im Ausland war, und der Erwerb eines Grundstücks bei London zur Errichtung des Stalhofes durch Kölner Kaufleute den ersten uns heute bekannten Beleg für die Existenz der Gemeinschaft bildet.

1160 erhielt Lübeck das Soester Stadtrecht. Dieser Zeitpunkt wird heute von Historikern [2] als der Beginn der Kaufmannshanse (im Gegensatz zur späteren Städtehanse) angesehen. Wichtigstes Argument für diese Position stellt dabei das Artlenburger Privileg von 1161 dar, in dem die Lübecker Kaufleute den bisher im Ostseehandel dominierenden gotländischen Kaufleuten rechtlich gleichgestellt werden sollten.

Die Gründung Lübecks 1143 kann deshalb als einschneidendes Datum für die Entwicklung der Hanse gewertet werden, weil sie die erste deutsche Stadt an der Ostsee war und damit gleichsam zum „Einfallstor“ niederdeutscher Kaufleute für den Osthandel wurde. Hintergrund für die große Bedeutung des Ostseezugangs war die Unterbrechung (oder zumindest Erschwerung) der alten skandinavischen Handelsrouten von der Ostsee zum Schwarzen Meer und zum Orient durch die Expansion eurasischer Reiche (Chasaren, Tataren, Mongolen). Der nordrussische Handel orientierte sich nun über die Ostsee nach Westen, was die Entwicklung einer Ost-West-Handelsverbindung zwischen den rohstoffreichen Gebieten Nordrusslands (Getreide, Wachs, Holz, vor allem über Nowgorod) und den Fertigprodukten Westeuropas (u.a. Tuche aus Flandern und England) ermöglichte. Nebenbei wird die Christianisierung der Skandinavier, die noch im frühen 12. Jahrhundert den Ostseehandel dominierten, zur Einbindung der Ostsee in den europäischen Handel beigetragen haben. Mit dem Zugang deutscher Kaufleute zur Ostsee konnten diese eine Handelsroute etablieren, welche die wichtigen Handelszentren Nowgorod und Brügge nahezu vollständig unter ihrem Einfluss miteinander verband.

Gotländische Genossenschaft

Ab dem 12. Jahrhundert wurde der Ostseeraum im Rahmen der Ostsiedlung zunehmend für den deutschen Handel erschlossen.

In Lübeck entstand nach dem Vorbild kaufmännischer Schutzgemeinschaften die Gemeinschaft der deutschen Gotlandfahrer, auch Gotländische Genossenschaft genannt. Sie war ein Zusammenschluss einzelner Kaufleute niederdeutscher Herkunft, niederdeutscher Rechtsgewohnheiten und ähnlicher Handelsinteressen u.a. aus dem Nordwesten Deutschlands, von Lübeckern und aus neuen Stadtgründungen an der Ostsee.

Der Handel in der Ostsee wurde zunächst von Skandinaviern dominiert, wobei die Insel Gotland als Zentrum und „Drehscheibe“ fungierte. Mit der gegenseitigen Versicherung von Handelsprivilegien deutscher und gotländischer Kaufleute unter Lothar III. begannen deutsche Kaufleute den Handel mit Gotland (daher „Gotlandfahrer“). Bald folgten die deutschen Händler den gotländischen Kaufleuten auch in deren angestammte Handelsziele an der Ostseeküste und vor allem nach Russland nach, was zu blutigen Auseinandersetzungen in Visby, durch den stetigen deutschen Zuzug mittlerweile mit großer deutscher Gemeinde, zwischen deutschen und gotländischen Händlern führte. Dieser Streit wurde 1161 durch die Vermittlung Heinrichs des Löwen beigelegt und die gegenseitigen Handelsprivilegien im Artlenburger Privileg neu beschworen, was in der älteren Forschung als die „Geburt“ der Gotländischen Genossenschaft angesehen wurde. Hier von einer „Geburt“ zu sprechen verkennt jedoch die bereits existierenden Strukturen.

Visby blieb zunächst die Drehscheibe des Ostseehandels mit einer Hauptverbindung nach Lübeck, geriet aber, die Rolle als Schutzmacht der deutschen Russland-Kaufleute betreffend, mit Lübeck zunehmend in Konflikt. Visby gründete um 1200 in Nowgorod den Peterhof, nachdem die Bedingungen im skandinavischen Gotenhof, in dem die Gotländer zunächst die deutschen Händler aufnahmen, für die Deutschen nicht mehr ausreichten.

Der rasante Aufstieg, die Sicherung zahlreicher Privilegien und die Verbreitung der nahezu omnipräsenten Kaufleute der Gotländischen Genossenschaft in der Ostsee, aber auch in der Nordsee, in England und Flandern (dort übrigens in Konkurrenz zu den alten Handelsbeziehungen der rheinischen Hansekaufleute) führte in der historischen Forschung dazu, in dieser Gruppierung den Kern der frühen Hanse zu sehen (Dollinger sieht im Jahr 1161 sogar die eigentliche Geburtsstunde der Hanse überhaupt). Eine Identifizierung der Gotländischen Genossenschaft als „die“ frühe Hanse, täte jedoch allen niederdeutschen Handelsbeziehungen unrecht, die nicht unter dem Siegel der Genossenschaft stattfanden.

Entstehung der Städtehanse, Blütezeit (etwa 1250 bis 1400)

Strukturelle Entwicklungen

Veränderungen in Europa führten für die Hanse zu Entwicklungen, die in der so genannten Städtehanse mündeten. Dazu gehören die Befriedung der Handelswege, das Ende der traditionellen Fahrgemeinschaften, die „kommerzielle Revolution“, die Entwicklung der Städte und das Ende der kaiserlichen Schutzmacht im Interregnum.

Der Stand des Kaufmannes hatte sich verhältnismäßig gut in der europäischen Gesellschaft etabliert und die Handelswege wurden zunehmend sicherer, vor allem im strukturell dicht vernetzten Westeuropa. Das machte die Fahrt in Sicherheit versprechenden Fahrgemeinschaften mehr und mehr überflüssig. Es wurde möglich, auf eigene Faust Handel zu betreiben und mehr noch als das wurde es möglich, Vertreter zu entsenden. Dies war ein wichtiger Faktor für eine kommerzielle Entwicklung, die bisweilen auch „kommerzielle Revolution“ genannt wird.[3] Zusammen mit der Entwicklung der Städte, in denen ein ständiger Markt möglich war, wurden die größeren Kaufleute ansässig. Sie regelten von einer Stadt aus ihr Handelsgeschäft über die Entsendung eines Vertreters und waren somit in der Lage, mehrere Handelsgeschäfte gleichzeitig von einem zentralen Punkt aus zu organisieren. Eine Vervielfachung der Handelstätigkeiten wurde möglich. Die Zahlung über Schuldscheine, Wechsel (im Hanseraum nicht ganz so verbreitet wie z.B. in Oberitalien), oder andere Kreditformen befreite den Kaufmann aus einem reinen Tauschhandel und ermöglichte wiederum eine Ausweitung des Handels. Das Messesystem (also die regelmäßigen Großmärkte in einer Region, wie z. B. in der Champagne oder Schonen) verlor an Bedeutung durch die Städte als neue Handelszentren. Städte hatten demgegenüber auch ganz praktische Vorteile: Die schweren, bauchigen Transportschiffe (v.a. Koggen), mit denen besonders viel Ladung mit nur wenigen Schiffen gehandelt werden konnte, benötigten tiefe Häfen, um anzulegen. Ein Anlanden an seichtem Ufer und an-Land-ziehen des Schiffes, wie bei den älteren, flachen Handelsbooten zuvor üblich, war nun nicht mehr möglich.

Es bleibt jedoch zu bedenken, dass bei diesen Entwicklungen eine Art West-Ost-Gefälle herrschte. Während sich im Westen Handelsvertreter und Kreditwesen rasch ausbreiteten, waren im Osten, besonders im Handel mit Nowgorod und entlang der Düna, noch Fahrgemeinschaften und Tauschhandel üblich. Hier waren die Fahrten noch unsicher und setzten sich die Neuerungen nur langsam durch.

Die Sesshaftwerdung der Kaufleute in den Städten führte schnell dazu, dass diese wirtschaftlich potenten Stadtbewohner in den Rat und in die höchsten Positionen der Stadt aufstiegen. Möglicherweise muss auch gar nicht von einem „Aufstieg“ innerhalb der Stadt die Rede sein, da es sich bei vielen Kaufleuten ursprünglich ohnehin um Personen der gesellschaftlichen Oberschicht[4] handelte. Das Ergebnis war, dass die Städte in erster Linie von Kaufleuten beherrscht wurden.

Kaufleute standen im Reich traditionell unter königlich-kaiserlichem Schutz, sie waren die mercatores imperii. Mit dem Ende der staufischen Herrschaft im Reich und den darauf folgenden unsicheren Zeiten des sog. Interregnums ging dieser kaiserliche Schutz faktisch verloren und die fürstlichen Territorialherrschaften konnten (oder wollten) diese Funktion nicht ersetzen. Die Kaufleute fanden eine neue, lokal organisierte Schutzmacht in den Städten.[5] Städte begannen, für die Sicherung der Handelswege zu sorgen und die Einhaltung der Handelsprivilegien ihrer Kaufleute in den Handelszielen zu überwachen. Zu diesem Zweck sprachen sie sich mit anderen Städten ab, schlossen Bündnisse und begannen, ihr Vorgehen in sog. Tagfahrten abzusprechen. Zu einer Tagfahrt konnte jede Stadt einladen, die eine bestimmte Angelegenheit zusammen mit anderen Städten regeln wollte. Zu diesem Zweck lud sie die betroffenen Städte zu sich ein, welche Ratssendeboten als Vertreter entsendeten, um eine Übereinkunft zu erzielen. Von einer ersten gesamthansischen Tagfahrt, also einem ersten Hansetag kann man 1356 sprechen, als die Verhältnisse in Flandern eine Tagfahrt erforderten, die letztlich alle Hansestädte betraf.

Regionale Bündnisse zwischen Städten entstehen

Die Hanse entwickelte sich von der ursprünglichen Kaufmannshanse zur Städtehanse, bei der Städte einen gegenseitigen Bund bildeten. Als Gründungsjahr wird häufig 1241 angegeben, als Lübeck und Hamburg ihre schon seit elf Jahren bestehende enge Zusammenarbeit auf eine vertragliche Basis stellten, aus dem später der Wendische Städtebund hervorging. Fünf Jahre später begannen sich Bünde westfälischer und (nieder)sächsischer Städte zu bilden (Beispiel: Ladbergener Städtebund). Etwa 100 Jahre später bildeten sich die Bünde der preußischen und livländischen Städte. (Zur Zugehörigkeit einzelner Städte zu den Bünden siehe Hansestädte.)

Mitglied der Hanse konnte eine Stadt auf dreierlei Weise sein oder werden. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wuchsen die Städte durch die Teilnahme ihrer Kaufleute am hansischen Handel in die Gemeinschaft hinein. Seit der Mitte des 14. Jahrhundert stellten die Städte förmliche Aufnahme- oder Wiederaufnahmeanträge. Einen dritten Weg in die Hanse beschritten vielfach die kleineren Städte, indem sie sich ohne besondere Formalitäten von einer der größeren Städte aufnehmen ließen. Ein Sonderfall blieb das rheinische Neuss, das 1475 durch kaiserliches Privileg in den Rang einer Hansestadt erhoben wurde.

Die Hanseeigenschaft ging verloren durch Nichtbenutzung der Privilegien, durch freiwilligen Austritt aus der Gemeinschaft oder durch den förmlichen Ausschluss einer Stadt (Verhansung), der bei gravierenden Verstößen gegen die Prinzipien und Interessen der Gemeinschaft von der Städteversammlung vorgenommen werden konnte.

Vormachtstellung im Ostseeraum

Carta marina der Ostsee, 1539

Zwischen etwa 1350 und 1400 stand die Hanse als nordeuropäische Großmacht da, was u.a. mit der erfolgreichen Durchsetzung hansischer Interessen bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen in Flandern zusammenhing. Zu diesem Zweck trat 1356 der erste Hansetag zusammen (also die erste Tagfahrt, an der nahezu alle Hansestädte teilnahmen). Dies war keine offizielle Gründung der Hanse, aber das erste Mal, dass sich nahezu alle Städte im Interesse ihrer Vorteile und Handelsprivilegien zu einem gemeinsamen Vorgehen koordinierten und als Bund van der düdeschen hanse auftraten. Die deutsche Hanse war vor und auch nach diesem „Zusammenrücken“ eher frei organisiert, hatte keine Verfassung und keine Mitgliederlisten, keine dauerhafte eigenständige Finanzgebarung oder Beamte.

Die Beschlüsse der Hanse auf den Tagfahrten und ab 1356 auch auf Hansetagen wurden in den Hanserezessen protokolliert. Die Beschlussfindung fand nicht nach Mehrheiten statt, sondern unterlag dem Prinzip der Einigkeit. Es wurde diskutiert und verhandelt, bis „man sich einig“ war, wobei Enthaltungen als Zustimmung gewertet wurden. Die entsendeten Vertreter der Städte, die Tagfahrer, hatten jedoch nicht die Vollmacht, im Namen ihrer Stadt eine Entscheidung zu treffen, sondern kehrten mit dem Ergebnis des Hansetages in ihre Stadt zurück, wo es beim Rat der Stadt lag, ob der Beschluss angenommen wurde, oder nicht. Dies führte dazu, dass es kaum einen Beschluss eines Hansetages gab, der tatsächlich von allen Städten der Hanse mitgetragen wurde. Vielmehr hing die Zustimmung und die Beteiligung einer Stadt davon ab, ob die Angelegenheit ihren wirtschaftlichen Interessen entsprach, oder nicht. Ein Handelsembargo gegen England konnte z.B. durchaus den Interessen Lübecks entsprechen, jedoch von Köln wegen seiner alten Handelsbeziehungen zu London strikt abgelehnt werden. Gerade diese Freiheit der Städte, Beschlüsse von Hansetagen für sich anzunehmen oder abzulehnen, machte das Prinzip der Einigkeit auf den Hansetagen erforderlich. Um eine Zustimmung möglichst vieler Städte zu erreichen, wurde so lange verhandelt, bis die meisten von ihnen mit dem Ergebnis zufrieden sein konnten.

Den Kern der Hanse bildeten etwa 72 Städte, weitere 130 waren locker assoziiert. So dehnte sich der Einflussbereich der Hanse über ein Gebiet aus, das von Flandern bis Reval reichte und dabei den gesamten Ostseeraum bis zum Finnischen Meerbusen umfasste. Wichtigstes nichtstädtisches Mitglied war der Deutsche Orden.

Die so erreichte Vormachtstellung der Hanse in Nord- und Ostsee erregte vor allem den Widerstand Dänemarks: 1361 kam es im Ersten Hanse-Dänemark-Krieg zum Kampf gegen den dänischen König Waldemar IV. Atterdag, der die Rechte der Hanse einschränken wollte. Der ursprünglich nur wirtschaftlichen Interessen dienende Bund erhielt durch die gegen die Bedrohung durch den Dänenkönig geschlossene Kölner Confederation, der die Städte zum Kriegsbündnis mit Schweden und Norwegen gegen Dänemark zusammenschloss, auch hohe politische Bedeutung. Der siegreiche Ausgang dieses Zweiten Hanse-Dänemark-Krieges brachte der Hanse mit dem Frieden von Stralsund 1370 eine ungewöhnliche Machtstellung. Die Königswahl in Dänemark wurde abhängig gemacht von der Zustimmung der Hanse. (Die Option wurde allerdings von der Hanse nicht wahrgenommen.)

Die Hanse bewährte sich auch im Kampf gegen den Seeräuberbund der Vitalienbrüder, der 1401 oder 1402 mit der Hinrichtung (durch Enthauptung) ihres Anführers Gödeke Michels in Hamburg endete.

Im 14. und 15. Jahrhundert geriet die Stadt Emden in stetige Konflikte mit der Hanse, da von Emden (und anderen Orten in Ostfriesland wie Marienhafe) aus die Seeräuber um Klaus Störtebeker unterstützt wurden. Folge dieses Konfliktes war die mehrfache Besetzung Emdens durch hanseatische (vor allem hamburgische) Kräfte. Die Hamburger zogen erst 1447 endgültig wieder aus Emden ab.

Der Versuch des dänischen Königs Erich VII., Skandinavien aus der Abhängigkeit zu lösen und die Einführung des Sundzolls, führte 1420 bis 1435 zu einem neuerlichen Krieg, in dem Dänemark wieder unterlag und der 1435 mit dem (nach 1365 zweiten) Frieden von Vordingborg beendet wurde.

Krisen und Niedergang (etwa 1400 bis 1669)

Der Machtverlust der Hanse begann mit dem Erstarken der landesherrlichen Territorialgewalten im Ostseeraum, wodurch sich die Städte in stärkerem Maße den Interessen der regierenden Fürsten unterordnen mussten. Ein anderer Grund war die Entdeckung Amerikas, die den bisher dominierenden Ostsee-Westsee (heute Nordsee)-Handel nun in überseeische Gebiete ausdehnte. Dabei ging nicht etwa das Handelsvolumen der Hanse im eigentlichen Sinne zurück, es entstanden jedoch mächtige Konkurrenten, die die Bedeutung der Hanse für die einzelnen Städte – und Kaufleute – schwächten.

Schon 1441 musste die Hanse im Frieden von Kopenhagen – das Ende des Hansisch-niederländische Kriegs – die wirtschaftliche Gleichberechtigung der Niederländer anerkennen, nachdem Brügge als wichtigstem Kontor der Hanse mit Antwerpen ein mächtiger Konkurrent erwachsen war und sich die Niederlande zusätzlich mit den Dänen als den „Herren des Sunds“ verbündet hatten. Zudem entstand Uneinigkeit zwischen den Städten über den Umgang mit den Niederländern: Während die wendischen Städte durch das Erstarken des holländischen Handels stärker bedroht waren und zu einer unversöhnlichen Politik drängten, konnten der Deutsche Ritterorden, Köln und die livländischen Städte ihren eigenen Interessen entsprechend mit einer konzilianteren Politik besser leben.

Der Frieden von Utrecht (1474) beendete den 1470 begonnenen gemeinsamen Kaperkrieg der Städte des Wendischen und Preußischen Viertels gegen England und sicherte die Privilegien des Londoner Stalhofs und den hansischen Tuchhandel. Der endgültige Niedergang der Hanse begann 1494 mit der Schließung des Kontors in Nowgorod: Der Peterhof in Nowgorod wurde bei der Eroberung Nowgorods durch Iwan III., genannt Kalita, zerstört. Der Russlandhandel verlagerte sich zunehmend auf die Städte an der Küste des Baltikums.

Heinrich Sudermann

Mit der Verlagerung des Außenhandels nach Übersee verlor die Hanse, die aufgrund ihrer Monopolstellung keine große Notwendigkeit gesehen hatte, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen, im 15. und 16. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Die Zahl der Mitgliedsstädte ging immer mehr zurück. Gleichwohl wurde der Versuch einer Reorganisation unternommen und der Kölner Heinrich Sudermann 1556 zum Syndikus der Hanse bestellt, die sich damit erstmals einen eigenen Sprecher und Repräsentanten gab. Nachfolger Sudermanns wurde in der Zeit von 1605 bis 1618 der in Osnabrück gebürtige Stralsunder Syndikus Johann Domann.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts war der stolze und mächtige Städtebund der Hanse nur noch dem Namen nach ein Bündnis, das sich allerdings mit einigen Städten des engeren Kerns gegen diese Entwicklung wehrte, so dass es nicht nur zu gemeinsamen Verteidigungsbündnissen dieser Städte kam, sondern neben der Beschäftigung des Syndikus Domann auch zur Anstellung eines gemeinsamen Militärführers in der Person des Obersten Friedrich zu Solms-Rödelheim, der auch den gemeinsam beschäftigten Festungsbauer Johan van Valckenburgh aus den Niederlanden zu beaufsichtigen hatte. Der Dreißigjährige Krieg brachte die völlige Auflösung. Ein Vorschlag Spaniens, eine Hanseatisch-Spanische Compagnie, die den Handel nach den neuen spanischen Kolonien in Mittelamerika betreiben sollte, scheiterte an den politischen Gegensätzen zwischen den „katholischen“ und „protestantischen“ Machtblöcken.

Auf den Hansetagen 1629 und 1641 wurden Hamburg, Bremen und Lübeck beauftragt, das Beste zum Wohle der Hanse zu wahren. 1669 hielten die letzten in der Hanse verbliebenen Städte, Lübeck, Hamburg, Bremen, Danzig, Rostock, Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Köln den letzten Hansetag in Lübeck ab, wobei die drei erstgenannten den Schutz der im Ausland befindlichen Kontore übernahmen.

1684 forderte Kaiser Leopold die Lübecker Hanse zur Geldhilfe für den Krieg gegen die Türken auf.

Das Kontor in Bergen wurde 1775, der Stalhof (Steelyard) in London 1858 verkauft. Das 1540 von Brügge nach Antwerpen verlegte Kontor im Osterling-Haus ging 1863 in die Hände der belgischen Regierung über.

Die drei Städte Bremen, Hamburg und Lübeck hielten auch später noch weiterhin eng zusammen und hatten schon aus Kostengründen gemeinsame diplomatische Vertretungen an Europas Höfen und gemeinsame Konsulate in wichtigen Häfen. Die Ministerresidenten Vincent Rumpff in Paris und James Colquhoun in London schlossen namens der norddeutschen Stadtrepubliken moderne Handels- und Schifffahrtsverträge aufbauend auf Reziprozität und Meistbegünstigung ab, die vom Norddeutschen Bund 1867 übernommen und auch vom neuen Kaiserreich noch lange fortgeführt wurden.

Organisation

Der Hauptort Lübeck, im Spätmittelalter neben Köln und Magdeburg eine der größten Städte im Reich und neben Rom, Venedig, Pisa und Florenz eine der fünf Herrlichkeiten des Reiches, gemäß Edikt von Kaiser Karl IV. war Appellationsgericht für alle Hansestädte, die nach eigenem Lübischen Recht zu richten hatten.

Hansetag

Haupthandelsrouten der Hanse

Der allgemeine Hansetag war das höchste Leitungs- und Beschlussgremium der Hanse. Der erste Hansetag fand 1356, der letzte 1669 statt. (siehe auch Hansetage der Neuzeit)

Hansetage fanden je nach Bedarf statt, gewöhnlich auf Einladung Lübecks, das 1294 unangefochten als caput et principium omnium[6] galt und als hovestad der Hanse im 14. und 15. Jh. mehrfach bestätigt wurde. Besondere Rechte gegenüber den anderen Städten der Hanse konnte Lübeck aus dieser Funktion jedoch nicht herleiten.

Behandelt wurden auf dem Hansetag alle Fragen, welche das Verhältnis der Kaufleute und Städte untereinander oder die Beziehungen zu den Handelspartnern im Ausland betrafen. Der Idee nach sollten die Beschlüsse für alle Mitglieder verbindlich sein.

Aber der Hansetag besaß keine den Städten übergeordnete Zwangsgewalt. Die Verwirklichung der Beschlüsse hing vom guten Willen der Städte ab; allein in ihrem Ermessen lag es, Beschlüsse des Hansetages mitzutragen oder eigene Wege zu gehen. Sie fühlten sich deshalb auch nur gebunden, wenn sich die Beschlüsse mit den eigenen lokalen Interessen deckten, andernfalls verweigerten sie ihre Mitwirkung, z. B. die Weigerung Dortmunds, sich dem 1367 in Köln geschlossenen, für die Geschichte der Hanse so folgenreichen Kriegsbündnis der wendischen, preußischen und einiger niederländischen Städte gegen den dänischen König Waldemar IV. anzuschließen. In einem Schreiben an die in Lübeck versammelten Ratsendboten stellte die Stadt fest, sie habe die Kriege der Seestädte noch nie unterstützt und wolle das auch jetzt nicht tun. Umgekehrt ließen 1388 die übrigen Hansestädte, selbst die westfälischen, Dortmund allein, als dessen Souveränität in der Großen Fehde auf dem Spiel stand und es von den versammelten Heeren des Kölner Erzbischofs und des Grafen von der Mark bedroht war. Ähnliche Beispiele gibt es zuhauf.

Auf den einzelnen Hansetagen wurden alle die Mitglieder betreffenden wichtigen Angelegenheiten behandelt, wie z. B.

  • Ratifizierung von Verträgen
  • Neuaufnahme oder Ausschluss von Mitgliedern
  • Handelsprivilegien
  • diplomatische Aktivitäten der Hanse
  • Krieg und Frieden
  • Wirtschaftssanktionen
  • finanzielle oder militärische Maßnahmen
  • wirtschaftliche Vorschriften aller Art
  • Schlichtung von Konflikten zwischen Hansestädten
  • Beratung

Aufgrund der Vormachtstellung Lübecks fanden dort auch die meisten Hansetage statt, und zwar 54 von den 72 „Hansetagen“ zwischen 1356 und 1480. Zehn Hansetage fanden in Stralsund, drei in Hamburg, zwei in Bremen und jeweils einer in Köln, Lüneburg, Greifswald und Braunschweig (1427) statt. Weitere Hansetage siehe in Hansetage der Neuzeit.

Lübeck ergriff in aller Regel auch die Initiative, wenn es um die Einberufung eines Hansetags ging. Die Tagesordnungspunkte wurden jeweils Monate voraus bekannt gegeben, um den einzelnen Städten bzw. Städtegruppen ausreichend Zeit zur Beratung bieten zu können, wobei es letztlich keine festgelegte Ordnung durchsetzen konnte, welche Städte einzuladen seien, und Lübeck dementsprechend auch unterschiedliche Städte – wohl der jeweiligen Problemstellung folgend – zu den Tagen einlud.

Die Reise- und Aufenthaltskosten hatten die Städte im Großen und Ganzen selbst zu tragen; um die Ausgaben zu minimieren versuchten sie deshalb, Syndici zu bestimmen, die ihre Interessen vertreten sollten. Auf dem Hansetag des Jahres 1418 wurde allerdings festgelegt, dass alleine die Ratsherren einer Stadt zur Interessenvertretung berechtigt seien.

Im Juli 1669 fand der letzte Hansetag in Lübeck statt, nachdem die Wiederbelebung der Hanse durch den Dreißigjährigen Krieg bzw. die Unfähigkeit des Städtebundes, tragfähige Machtstrukturen zu entwickeln, gescheitert war. Es kamen nur noch neun Delegierte, und sie gingen wieder auseinander, ohne irgendwelche Beschlüsse zu fassen. Die Hanse wurde also niemals formell aufgelöst, sondern ist „sanft“ beendet worden.

Drittelstag

Drittelstage wurden zur Erörterung besonders von flandrischen Fragen abgehalten und ergänzten die Hansetage. Der Name leitet sich von den Drittel genannten Städtegruppen ab. 1347 wurde in den Statuten des Hansekontores in Brügge zum ersten Mal die Existenz der Drittel erwähnt. Das Kontor wurde zu je einem Drittel von den lübisch-sächsischen, westfälisch-preußischen und den gotländisch-livländischen Städten verwaltet. Es wird vermutet, dass diese Aufteilung der damaligen Machtverteilung innerhalb der Hanse entsprach.[7] Jedes Drittel wurde von einer Vorort genannten Stadt geführt. Zu Beginn waren dies: Lübeck, Dortmund und Visby. Die anderen (weniger bedeutenden) Kontore waren nicht nach diesen Dritteln organisiert.

Offensichtlich war es vorteilhaft, die führende Stadt innerhalb eines Drittels zu sein, denn schon bald gab es inner-hansische Auseinandersetzungen um die Aufteilung und Führung der Drittel. Köln löste Dortmund in der Führung des westfälisch-preußischen Drittels ab, Zwischen Visby und Riga wechselte die Führungsrolle im gotländisch-livländischen Drittel mehrfach. Die damalige Bedeutung Lübecks wird auch daran deutlich, dass die Führungsrolle der Stadt im mächtigsten lübisch-wendischen Drittel niemals angegriffen wurde.

Auf dem Hansetag 1554 wurden aus den Dritteln Quartiere gemacht. Lübeck führte fortan das wendische Quartier, Braunschweig und Magdeburg das sächsische, Danzig das preußisch-livländische und Köln das kölner Quartier an.

Regionaltag

Neben den Hanse- und Drittelstagen wurden auch sogenannte Regionaltage abgehalten, auf denen sich die Vertreter benachbarter Städte trafen und auch über außerhansische Angelegenheiten berieten. Diese Regionaltage wurden von den Räten der beteiligten Städte organisiert. Sie waren auch für die Umsetzung der Beschlüsse der Versammlungen in den jeweiligen Städten zuständig.

Wirtschaft

Schifffahrt

Vorteile durch Verbindung von Land- und Seeverkehr

Kraweel Lisa von Lübeck

Die Verbindung von Land und Seeverkehr in einer Organisation war der entscheidende Schritt in die Zukunft, die der Hanse schließlich die monopolartige Vorherrschaft in Handel und Transport auf Nord- und Ostsee bringen sollte. Neue Verkehrswege auf dem Wasser wurden allerdings bis weit ins 14. Jh. von der Hanse nicht erschlossen, man übernahm vielmehr die von Friesen, Sachsen, Engländern und Skandinaviern erschlossenen Verkehrswege. Die Handelspartner und Schiffer wurden verdrängt, oft unter dem Anschein fairer Verträge unter gleichberechtigten Partnern. Beispielhaft dafür ist das Privileg Heinrichs des Löwen an die Gotländer von 1161. Als diese sich weigerten, die Kaufleute aus dem gerade wieder gegründeten Lübeck (1159) als Handelspartner zu akzeptieren, vermittelte Heinrich und gestand den Gotländern in seinem Gebiet die gleichen Rechte zu, wie sie die Gotländer den Deutschen auf ihrer Insel einräumen sollten. Nun konnten die Kaufleute aus Visby, die bis dahin den Zwischenhandel auf der Ostsee beherrschten, ihre Waren allenfalls bis Lübeck bringen, der direkte Weg weiter ins Binnenland blieb ihnen versperrt.

Einheitlicher Schiffsbetrieb und einheitliches Seerecht

Ein weiterer Vorteil der Hanseschifffahrt war eine gewisse Rechtssicherheit gegenüber Konkurrenten, ein entwickeltes Seerecht, das Fragen der Befrachtung, der Bemannung, der Verhältnisse an Bord, des Verhaltens im Seenotfall usw. regelte. Die Rechtssicherheit für Hanseschiffe, vor allem im Ausland, war grundlegend für das reibungslose Funktionieren der Verkehrsorganisation. Auch Fragen der technischen Schiffssicherheit und der Seefähigkeit der Schiffe wurden sehr ernst genommen, ebenso wie der Schutz der Handelsschiffe vor Piraterie. Die Schiffer fuhren deshalb meist im Verband in Fahrtgemeinschaften von zwei und drei Schiffen, und ab 1477 mussten größere Hanseschiffe je 20 Bewaffnete an Bord haben. Gegen Kaperungen schützten diese Maßnahmen jedoch nicht immer. In lokalen Legenden erlangten die folgenden Hanseschiffe Berühmtheit: Peter von Danzig (Danzig), Bunte Kuh (Hamburg), Adler von Lübeck, Löwe von Lübeck.

Verkehrswege und Warenflüsse

In der Hansezeit stieg das Handelsvolumen über die alten Verkehrswege in ganz Europa, und neue Handelsrouten entstanden. Von größter Bedeutung für die Hanse waren der Nord-Süd-Weg über Rhein und Weser nach London sowie der West-Ost-Weg von London durch Nord- und Ostsee bis Nowgorod. Eine weitere wichtige Verbindung war der Weg von Magdeburg über Lüneburg, Bremen oder Lübeck nach Bergen.

Hamburg und Lübeck arbeiteten eng zusammen: Während Hamburg insbesondere den Nordseeraum und Westeuropa abdeckte, orientierte sich der Seeverkehr Lübecks nach Skandinavien und in den Ostseeraum vom Bergener Kontor Bryggen bis nach Nowgorod (Peterhof). Politisch ist der Einfluss Lübecks auch im Hansekontor in Brügge und im Londoner Stalhof von herausragender Bedeutung für die Entwicklung des hansischen Handels gewesen. Der Handelsverkehr zwischen den beiden Hansestädten wurde vorwiegend über Land, beispielsweise über die Alte Salzstraße, durchgeführt, aber auch per Binnenschiff durch den Stecknitz-Kanal, über den auch das Salz aus Lüneburg, eines der wichtigsten Exportgüter Lübecks in Richtung Norden und Osten, transportiert wurde. Das Salz wurde im Ostseeraum benötigt, um Fisch zu konservieren. Der Hering war im Mittelalter im Binnenland eine beliebte Fastenspeise.

Die rheinische Verkehrslinie

Entlang der alten rheinischen Verkehrslinie wurde seit der Römerzeit vor allem Wein aus der Kölner Gegend gehandelt und Wolle aus England. In beide Richtungen wurden Metallwaren gehandelt, aber auch Produkte aus Italien und Frankreich gelangten auf diesem Weg in den Nordwesten Europas. Mit der Entstehung der Hanse brachten die deutschen Kaufleute immer öfter ihre Waren auf eigenen Schiffen auf die britische Insel und nahmen immer weniger die Dienste der Friesen dafür in Anspruch. An dieser Verkehrslinie lagen die Städte des rheinischen und westfälischen Städtebundes unter Führung von Köln bzw. Dortmund.

Die hansische (Ost-West) Linie

Dieser Handelsweg ging von London und Brügge aus in den Ostseeraum, zunächst vor allem nach Skandinavien. Der Handel wurde belebt durch die Christianisierung Skandinaviens und des südlichen Ostseeraumes und wurde zunächst von den Gotländern dominiert. Diese handelten die Ostwaren Pelze und Wachs aus dem nordöstlichen Ostseeraum sowie Lebensmittel aus Nordwesteuropa (Butter, Getreide, Vieh und Fisch) auf dieser Route unter Umfahrung von Jütland. Auch friesische Händler waren aktiv und brachten die Ware häufig über Eider und Schlei aus dem Nord- in den Ostseeraum und umgekehrt. Nach der (Wieder-)gründung Lübecks intensivierten deutsche Händler den Warenaustausch über Elbe, Alster und Trave. In der Ostsee setzte mit dem Gotländer Frieden 1160 die Verdrängung der Gotländer durch Deutsche ein. Die steigende Nachfrage nach Waren durch die im Rahmen der Ostkolonisation neu gegründeten und schnell wachsenden deutschen Städte bzw. Staaten (Preußen und Livland) im Ostseeraum belebte den Handel auf diesem Weg zusätzlich. Neben der starken Ostkolonisation fand im kleineren Rahmen eine deutsche Kolonisation in Skandinavien statt: deutsche Handwerker und Kaufleute ließen sich z. B. in Visby und Bergen nieder und nahmen später über Jahrzehnte paritätisch an der Stadtverwaltung teil. Anders als im südlichen Ostseeraum wurde die einheimische Bevölkerung dabei aber nicht dominiert. Zusätzliche Bedeutung erhielt dieser Seeweg, weil es entlang der Ostseeküste keine befestigten (Römer-)straßen gab und das Gebiet abseits der Städte nur sehr dünn besiedelt war. Entlang dieser Linie lagen die wendischen, preußischen und livländischen Städte. Die Führung der gleichnamigen Städtebünde hatten Lübeck, Danzig und Riga inne.

Der Nord-Süd-Weg von Magdeburg nach Bergen

Dieser Weg war ebenfalls sehr alt und verband die Harzer Bergwerke und die Salinen Lüneburgs mit den Fischvorkommen in Südschweden und Norwegen. Die Städte an dieser Linie gehörten dem sächsischen Städtebund mit den Vororten Braunschweig und Magdeburg sowie dem wendischen Bund an.

Kontore

Die Deutsche Brücke (Bryggen) Handelskontor in Bergen
Kontorgebäude der Hanse in Antwerpen

Hauptartikel: Kontor

Kontore der Hanse waren in Nowgorod der Peterhof, in Bergen die Tyske Bryggen, in London der Stalhof und das Hansekontor in Brügge; an ihrer Spitze standen gewählte Oldermänner und Beisitzer. Ihre Aufgabe war es, den Schutz der kaufmännischen Interessen gegenüber den auswärtigen Mächten wahrzunehmen, zugleich aber auch, die Einhaltung der den Kaufleuten zugestandenen Freiheiten durch die Kaufleute selbst zu überwachen, zu deren Befolgung diese sich bei der Aufnahme in die Kontorgemeinschaft eidlich verpflichten mussten. Ferner gab es Statuten, die das Zusammenleben der Kaufleute und Fragen des örtlichen Handels regelten, es gab eine eigene Kasse, es gab ein eigenes Siegel. Aber die Kontore galten nicht als Mitglieder der Hanse.

Die sogenannte Nowgoroder Schra ist die einzige vollständig erhaltene Sammlung von Vorschriften eines der vier Hansekontore.

Hansekaufleute

Kaufmann Georg Giese aus Danzig, im Londoner Stalhof an seinem Arbeitsplatz (1532, 34 Jahre alt)

Der auf sich allein gestellte, das volle Risiko tragende, nur auf eigene Rechnung Handel treibende Kaufmann war in der Hanse des 14. und 15. Jh. der Ausnahmefall. Der typische Hansekaufmann des späten Mittelalters war Mitglied einer oder mehrerer Handelsgesellschaften. Seit dem 12. Jh. sind die einfache Selschop, eine kurzfristige Gelegenheitsgesellschaft, bei der ein Kaufmann auf die Handelsreise Kapital oder Ware eingibt, Risiko und Gewinn geteilt wurden, und die Sendeve, das Kommissionsgeschäft, bei dem der Gewinn des beauftragten Kaufmanns durch festen Lohn oder eine Provision ersetzt wurde und der Auftraggeber das alleinige Risiko trug. Bei dem am häufigsten vorkommenden Typ der freien Gesellschaft brachten zwei oder mehr Partner Kapital in gleicher oder unterschiedlicher Höhe ein; Gewinnausschüttung und Verlustzuweisung erfolgten je nach Anteil. Es gab neben den aktiven Gesellschaftern häufig auch mehrere stille Teilhaber. Gewöhnlich blieb die Dauer der Gesellschaft auf wenige Jahre befristet. Gerade die größeren Hansekaufleute mit Handelsbeziehungen zwischen Ost und West waren in mehreren solcher Gesellschaften vertreten, um das Risiko besser zu verteilen. Bei der Wahl der Gesellschaftspartner spielten verwandtschaftliche Beziehungen immer eine große Rolle.

Philippe Dollinger stellt einige dieser Kaufleute schlaglichthaft heraus: den Hamburger Kaufmann Winand Miles; Johann Wittenborg aus Lübeck ob der Tragik seiner Biographie; den Dortmunder Tidemann Lemberg ob seiner Skrupellosigkeit; den deutschstämmigen Stockholmer Johann Nagel ob seiner Assimilationskraft; die europaweit agierenden Brüder um Hildebrand Veckinchusen für die unterschiedlichen Erfolgsvarianten einer interfamiliären kaufmännischen Zusammenarbeit; den Lübecker Hinrich Castorp als Beispiel für den nahezu klassischen Hansekaufmann seiner Zeit und die Gebrüder Mulich als Beispiel des Einbruchs der Hansekaufleute im oberdeutschen Handel. In der zeitgenössischen Kunstszene stachen die Porträts der Hansekaufleute im Londoner Stalhof hervor, die Hans Holbein der Jüngere abbildete. Jacob van Utrecht porträtierte den erfolgreichen Kaufmann des beginnenden 16. Jahrhunderts in seiner Arbeitsumgebung und mit den notwendigen Utensilien. König Ludwig I. von Bayern nahm den Lübecker Bürgermeister Bruno von Warendorp stellvertretend für die Hansekaufleute und ihre Führungskraft in seine Walhalla auf.

Beispiel für den erfolgreichen Hansekaufmann des 17. Jahrhunderts ist sicher der Lübecker Thomas Fredenhagen, der trotz veränderter Handelsströme noch von Lübeck aus sehr erfolgreich weltweit im Wettbewerb mit Bremern und Hamburgern agierte.

Nachwirkungen

Treuhänder und Erben

Wo immer die Hanse als Bezugspunkt städtischer Traditionen beschworen wird, gelten die Hanseaten als weltoffen, urban, nüchtern und zuverlässig, aristokratisch-reserviert und steif. Lübeck, Hamburg und Bremen werden mit solchen Klischees gern verbunden. Die Städte nahmen den Begriff Hansestadt allerdings erst im 19. Jh. in ihren Staatstitel auf – über eineinhalb Jahrhunderte nachdem die Hanse bereits erloschen war.

Hansaplatz und Hansaport

Die Hanse wird den positiven Erscheinungen der Geschichte zugerechnet. Wo immer eine Stadt einst der Hanse angehört hat, scheint dies ihr Ansehen zu heben und es lässt sich damit werben. Plätze, Straßen und Bauten erinnern daran: Hansaplatz, Hansastraße, Hanseatenweg, Hansahof, Hanse-Viertel, Hansaport um nur Beispiele aus Hamburg und Lübeck anzuführen. Zahlreiche öffentliche und private Bauten und Firmen beschwören vermeintliche Hansetradition und führen Bezeichnungen wie Hanse, Hansa, hanseatisch oder hansisch zum Bestandteil ihres Namens. Das weist oft auf ihren Sitz oder ihre Zuständigkeit hin, etwa im Fall eines Hanseatischen Oberlandesgerichts, einer Hanseatischen Versicherungsanstalt von 1891, der Deutschen Lufthansa oder des Fußballvereins Hansa Rostock. Zumeist dient es jedoch als eine Art Gütesiegel, das markenrechtlich nur sehr eingeschränkt, zumeist nur als Bildmarke, schutzfähig ist.

Hansebund der Neuzeit

Hauptartikel: Hansetage der Neuzeit

1980 wurde in Zwolle die „neue Hanse“ als Lebens- und Kulturgemeinschaft der Städte über die Grenzen hinweg gegründet. Ihr Ziel ist neben der Förderung des Handels auch die Förderung des Tourismus. Seitdem wird in jedem Jahr ein Hansetag der Neuzeit in einer ehemaligen Hansestadt abgehalten.

linguistische Bedeutung

Die mittelniederdeutsche Sprache der Hanse, die die Lingua franca des Mittelalters in Nordeuropa war, beeinflusste die Entwicklung der skandinavischen Sprachen deutlich.

Eine Hansekogge.
Im ausgehenden 14. Jahrhundert wurden die Koggen mehr und mehr vom ähnlichen Holk, danach vom Kraweel abgelöst.

Geschichte der einzelnen Hansestädte

Die Geschichte der Hanse als losem Städtebund ist untrennbar mit den Einzelgeschichtsschreibungen der wesentlichen Mitgliedsstädte verbunden, die, da sie nicht immer einig waren und durchaus eigene Interessen verfolgten, die Hanse im Licht ihrer Geschichte durchaus unterschiedlich bewerten:

Literatur

Georg Friedrich Sartorius, Begründer der Hanseforschung
  • Jörgen Bracker (Hrsg.): Die Hanse — Lebenswirklichkeit und Mythos, 2 Bde., Hamburg 1989. In: Katalog der Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte in Hamburg 24. August – 24. November 1989. Textteil in 4. Auflage, Schmidt-Römhild, Lübeck 2006.
  • Philippe Dollinger: Die Hanse. 5. Auflage, Stuttgart 1998, ISBN 3-520-37105-7.
  • Rolf Hammel-Kiesow: Hanse. 3. Auflage, München 2004, ISBN 3-406-44731-7.
  • Ernst Hering: Die Deutsche Hanse. 2. Auflage. Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig 1942, 4091-2135.
  • Karl Pagel: Die Hanse. Neu bearbeitet von Friedrich Naab. Georg Westermann, Braunschweig 1983.
  • Ernst Pitz: Bürgereinung und Städteeinung. Studien zur Verfassungsgeschichte der Hansestädte und der deutschen Hanse. Köln-Weimar (Böhlau) 2001, ISBN 978-3-412-11500-5.
  • Dieter Zimmerling: Die Hanse – Handelsmacht im Zeichen der Kogge. Bindlach, 1993, ISBN 3-8112-1006-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Pitz, aaO
  2. Philippe Dollinger: Die Hanse. Kröner, Stuttgart 1998. ISBN 3-520-37105-7
  3. so R. de Roover, R.S. Lopez
  4. v.a. Ministeriale und Altfreie
  5. die sie, wohlgemerkt, selbst beherrschten!
  6. deutsch: Haupt und Ursprung aller
  7. Eine rein an regionalen Gesichtspunkten orientierte Aufteilung hätte sicher nicht die weit voneinander entfernten Städte aus Westfalen und Preußen gemeinsam organisiert.

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