- Nieder-Roden
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Stadt Rodgau
Koordinaten: 50° 0′ N, 8° 52′ O49.9963548.874723130Koordinaten: 49° 59′ 47″ N, 8° 52′ 29″ O Höhe: 130 m ü. NN Einwohner: 15.425 (31. Dez. 2010)[1] Eingemeindung: 1. Jan. 1977 Postleitzahl: 63110 Vorwahl: 06106 Nieder-Roden ist mit über 15.400 Einwohnern der größte Stadtteil von Rodgau im Landkreis Offenbach in Hessen.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Nieder-Roden liegt an der Rodau in der Rhein-Main-Ebene, ca. 8,5 km südwestlich von Seligenstadt.
Geschichte
Territorialgeschichte
Befunde belegen, dass Nieder-Roden bereits in urgeschichtlicher Zeit Siedlungsraum war. Im Mittelalter gehörten die umliegenden Wälder zum Wildbann Dreieich, der 30 Wildhuben hatte, eine davon Nieder-Roden. Eine Rotaha Marca, also eine Gemarkung oder eine Markgenossenschaft Roden wird erstmals 786 urkundlich erwähnt, als das Kloster Rotaha dem Kloster Lorsch vermacht wurde.[2] Wo genau das Kloster Rotaha lag, ist bis heute nicht bekannt. 791 wurde Nieder-Roden als Rotaha inferior ausdrücklich urkundlich erwähnt.[3] Damals schenkte der fränkische Adlige Erlulf seinen dortigen Besitz, den in Ober-Roden (rotahen superiore) und den in Bieber dem Kloster Lorsch. 1210/1220 schenkte Gerlind dem Kloster Patershausen zwei Malter Acker in Nieder-Roden.
Nieder-Roden gehörte zum Amt Steinheim, das zunächst ein Besitz der Herren von Eppstein war. Diese hatten es aus der Münzenberger Erbschaft vom Haus Hagen-Münzenberg erhalten. 1371 verpfändete Eberhard von Eppstein das Dorf an Ulrich IV. von Hanau. 1393 wird es erneut versetzt, diesmal an Walter und Frank von Kronberg. 1425 verkaufte es Gottfried von Eppstein an den Kurfürsten und Erzbischof von Mainz. Im Kurfürstentum Mainz gehörte es bis 1803 zur Mainzer Amtsvogtei Dieburg. Weiter hatten hier die von Wasen und die von Wallbrunn Besitz.
Zehntherr in Nieder-Roden war der Erzbischof von Mainz, der diese Einnahmequelle zeitweise als Lehen vergab. 1567 hatten Walbrunn von Ernsthofen und Johann Oiger Brendel von Homberg, ein Verwandter des damals regierenden Mainzer Kur-Erzbischofs, Daniel Brendel von Homburg, je die Hälfte des Zehnten zu Lehen inne.
Der Ort war als Mittelpunkt einer Zehnt und Sitz eines Zentgerichts von großer Bedeutung. Das Dorf hatte deshalb eine Befestigung. Das Zentgericht umfasste Nieder- und Ober-Roden, Dudenhofen, Jügesheim, Messel, Urberach, Dietzenbach, Hainhausen, Messenhausen, Patershausen, Richolfshausen, Ippinghausen, Hartcheshof und Neuhof.
Mit der Säkularisation des Kurfürstentums Mainz gelangte der Ort an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, das spätere Großherzogtum Hessen. Die Pforten der Befestigung wurden 1812 niedergelegt. Bei der Aufteilung der Rödermark 1818 erhielt der Ort, wie die übrigen der Mark angehörenden Dörfer, einen Anteil am Wald. Nieder-Roden gehörte ab dem 19. Jahrhundert zu folgenden Verwaltungseinheiten:
- 1820: Amt Dieburg
- 1821: Landratsbezirk Langen
- 1832: Kreis Offenbach
- 1848: Regierungsbezirk Dieburg
- 1852: Kreis Dieburg
- 1977: Kreis Offenbach
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen ging Nieder-Roden 1977 mit den Nachbargemeinden Dudenhofen, Hainhausen, Jügesheim und Weiskirchen in der neu geschaffenen Stadt Rodgau auf. Für jeden der fünf Stadtteile wurde ein Ortsbezirk eingerichtet mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher.
Namensformen
Der Name Rotaha Marca / Mark Roden könnte „Siedlung auf einer gerodeten Aue“ bedeuten, ebenso aber auch darauf Bezug nehmen, dass die den Ort durchfließende Rodau, die bei Urberach im Rotliegenden entspringt, sich früher bei Hochwasser rot färbte. Ältere Namensformen sind:
- Rotahen superiore et inferiore (791)
- Rotaha (10. Jahrhundert)
- Inferior Rotaha (1210-1220)
- Nidirn Rota (1303)
- Nidern Rodauw (1371)
- Niddern Rode (1435)
- Niddern Rodauwe (1480)
- Niddern Rodawe (1500)
- Nidern Roda (1523)
- Nidder Roden (1550)
Kirchengeschichte
1298 wird im Ort eine Kirche geweiht, der Turm dieses Gebäudes ist bis heute erhalten. 1346 bildete das Dorf gegenüber der früheren Mutterpfarrei Ober-Roden eigene Pfarrei, verblieb die nachfolgenden Jahre allerdings immer noch in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Landkapitel Rodgau. 1542 wurde die Kirche vergrößert und die Umfassungsmauern erhöht. 1576 hatte das Dorf einen eigenen Pfarrer mit Pfarrhof. 1681 wurde die Pfarrei vom Pfarrer aus Ober-Roden betreut, was vermutlich eine Folge des Dreißigjährigen Krieges war.
Das Kirchenpatronat lag im 16. Jahrhundert bei den Grafen von Hanau-Lichtenberg, wobei dem Grafen das ius praesentandi, dem Kurfürsten von Mainz das ius confirmandi zustand. Weiter war der Graf von Hanau-Lichtenberg Kollator der Pfarrei. Nach 1540 versuchte deshalb Graf Philipp IV. das lutherische Bekenntnis einzuführen. Das ließ sich gegen das römisch-katholische Mainz aber auf Dauer nicht durchsetzen.
1896 wurde der Neubau des heutigen Kirchengebäudes in neugotischem Stil abgeschlossen. Architekt ist Josef Röder. Das Patrozinium liegt beim Heiligen Matthias.
Einwohnerentwicklung
- 1576: 66 Familien,
- 1648: 7 Familienvorstände (Gemeindsmänner).
- 1681: 29 Haushalte mit lebten 117 Einwohnwern
- 1829: 787 Einwohner
- 1939: 3.616,
- 1961: 3.923
- 1970: 9.651
- 2009: 15.360 Einwohner.[4]
Wissenswert
Im Zweiten Weltkrieg entstand während des nationalsozialistischen Regimes auf dem Gelände der heutigen Siedlung Rollwald das Straf- und Gefangenenlager Rollwald.
Wappen
Das Wappen wurde 1949 verliehen. Es zeigt in Schwarz einen silbernen Kirchturm, der von zwei nach den Schildrändern zu gelehnten Schildchen begleitet ist, darin rechts in Silber drei rote Sparren, links in Rot ein sechsspeichiges silbernes Rad. Die Schildchen beziehen sich auf die Herren von Eppstein (Sparren) und Kurmainz (Rad), als frühere Herren des Ortes. Dazwischen steht der kunsthistorisch interessante Turm der Kirche St. Matthias.
Verkehr
1896 erhielt Nieder-Roden mit der Rodgaubahn Anschluss an die Eisenbahn und einen Bahnhof. Nachdem über viele Jahre kein Personenverkehr mehr auf der Strecke bestand, ist es seit Ende 2003 mit der S-Bahn-Linie S1 (Wiesbaden Hauptbahnhof–Ober-Roden) an das Netz der S-Bahn Rhein-Main angeschlossen.
Persönlichkeiten
- Adam Groh (1916 in Nieder-Roden geboren, † 1996), Apostol. Protonotar, Offizial u. Domkapitular im Bistum Mainz
- Albert Keller (* 30. April 1932 in Nieder-Roden, † 5. Juli 2010 in München), Theologe und Philosoph
- Helmut Ritter, 1948 in Nieder-Roden geboren, ist Lehrstuhlinhaber für das Fach Organische Chemie/Makromolekulare Chemie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.[5]
- Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen nahm von 1634 bis 1636 zeitweise Quartier in Nieder-Roden während des Dreißigjährigen Krieges und der Belagerung Hanaus.
- Rio Reiser, Frontmann der Band Ton Steine Scherben, wohnte von 1965 bis 1968 in Rodgau Nieder-Roden.
- R.P.S. Lanrue, Gitarrist der deutschen Band Ton Steine Scherben wohnte in den 1960er Jahren in Rodgau Nieder-Roden. Zu dieser Zeit absolvierte er eine Dekorateur-Lehre und spielte zusammen mit Rio Reiser bei den Beatkings, aus denen schließlich nach dem Umzug nach Berlin dann Ton Steine Scherben wurde.
- Britta Neander, Schlagzeugerin und Percussionistin der deutschen Band Ton Steine Scherben, Carambolage und Britta wohnte in Rodgau Nieder-Roden. Schwester von Ali Neander (Rodgau Monotones).
- Hans-Joachim Rauschenbach, Sportreporter beim Hessischen Rundfunk, Moderator der ARD-Sportschau, wohnte von 1965 bis 1995 in Rodgau Nieder-Roden.
- Herbert Feuerstein, Ex-„MAD“-Chefredakteur, Harald Schmidts „Lieblingsopfer“, wohnte 1989–1993 in Rodgau Nieder-Roden.
- Nicole Brown Simpson, lebte als Kind in Nieder-Roden-Rollwald. Nach ihrer Ermordung 1994 wurde O. J. Simpson wegen Mordes an ihr angeklagt.
- Steffen Wink, deutscher Schauspieler lebte von 1969 bis 1993 in Rodgau Nieder-Roden.
- Gerhard Zwerenz, deutscher Schriftsteller, wohnte Anfang der 1970er Jahre in Rodgau Nieder-Roden
- Walter Picard, Deutscher Pädagoge und CDU-Politiker, arbeitete ab 1949 als Volksschullehrer in Nieder-Roden und hatte die dortige Rektorenstelle von 1965 bis 1988 inne.
Wissenswert
Der 50. Breitengrad führt mitten durch Nieder-Rodens Puiseauxplatz.[6]
Literatur
- Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden: Nieder-Röder Gedenkbuch, Gefallene und Vermißte 1554–1946. Nieder-Roden 2005
- Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains = Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29, S. 138f.
- Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 263ff.
- Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 514ff.
- Karl Pohl: Hier!? lag das karolingische Kloster Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-638-94679-7
- Karl Pohl: Das Ende des karolingischen Klosters Rotaha. Nieder-Roden 2008, ISBN 978-3-640-21187-6
- Karl Pohl: Die Flurnamen in der Gemarkung Nieder-Roden. Hrsg.: Arbeitskreis für Heimatkunde Nieder-Roden e.V., 2009
- Karl Pohl: Nieder-Roden im Jahr 1622 (30-jähriger Krieg). Nieder-Roden 2009, ISBN 978-3-640-47656-5
- Karl Pohl: Vom Vogtshof zum Landgericht Nieder-Roden -Der „Niwenhof“ beim ehemaligen karolingischen Kloster Rotaha ,Nieder-Roden 2010, ISBN 978-3-640-68562-2
- Karl Pohl: Die Äbtissinnen Aba und Hiltisnot und ihr karolingisches Rotaha , Nieder-Roden 2011, ISBN 978-3-640-83469-3
- Gisela Rathert u. a.: Nieder-Roden – 786–1986. Nieder-Roden 1986.
- Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform = Darmstädter Archivschriften 2. 1976, S. 156.
- Regina Schäfer, Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 68. Wiesbaden 2000, S. 69, 367, 374f.
- Helmut Simon: Chronik der Pfarrgemeinde St. Matthias Nieder-Roden. Nieder Roden 1996.
- Helmut Simon: Die kranke Kuh und andere Geschichten aus den früheren Zeiten Nieder-Rodens, Nieder-Roden 2009
- Philipp Rupp: Geschichten aus Alt-Nieder-Roden. Nieder-Roden 1985
- Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen, Kreis Offenbach. Braunschweig/Wiesbaden 1987, S. 263-267.
- Johann Wilhelm Christian Steiner: Geschichte und Alterthümer des Rodgaus im alten Maingau. Heyer, Darmstadt 1833.
- Werner Stolzenburg: Rollwald – vom Wald zur Siedlung. Frankfurt 1992.
- Werner Stolzenburg u. a.: 100 Jahre Rodgau-Bahn 1896–1996. Rodgau 1996.
Weblinks
- Offizielle Internetpräsenz der Stadt Rodgau
- Informationen zur Vergangenheit des Stadtteils Rollwald
- Historisches Ortslexikon in LAGIS
Einzelnachweise
- ↑ Stadt Rodgau: Zahlen, Daten, Fakten
- ↑ Urkunde Nr.12 (Reg. 1952) aus dem Codex Laureshamensis
- ↑ Urkunde Nr. 1965 (Reg. 2311) aus dem Codex Laureshamensis
- ↑ Einwohnermeldeamt Stadt Rodgau
- ↑ Magazin der HHU Düsseldorf Ausgabe 3-2001
- ↑ Rodgau.de: Hessische Apfelwein- und Obstwiesenroute (PDF)
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