Skulptur.Projekte

Skulptur.Projekte
Giant Poolballs von Claes Oldenburg am Aasee
Skulptur Blickst du hinauf und liest die Worte von Ilya Kabakow (1997)

Die Skulptur.Projekte ist eine internationale Skulpturen-Ausstellung im westfälischen Münster, die seit 1977 im Abstand von zehn Jahren stattfindet, jeweils parallel zur documenta in Kassel. Dabei werden Künstler nach Münster eingeladen, die an einem selbst gewählten Ort innerhalb der Stadt eine Skulptur erstellen.

Viele der Werke sind nach den 100 Tagen Ausstellungszeit von der Stadt oder von Unternehmen gekauft worden und wurden dauerhafter Bestandteil des Stadtbilds.

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Die Drei rotierenden Quadrate gaben den Anstoß für die erste Ausstellung

Bei den Skulptur.Projekten lädt die Stadt Münster international renommierte Künstler ein, in situ zu arbeiten. Dabei wird die Frage nach der Beziehung von Kunst, öffentlichem Raum und urbanem Umfeld gestellt. Die Künstler suchen sich den Standort ihrer Skulptur selbst aus. Soweit möglich, sollen die Arbeiten innerhalb des Promenadenrings stehen. Mit dieser einzigen Vorgabe soll gewährleistet werden, dass auch auswärtige Besucher die Möglichkeit haben, sich eine Vielzahl von Skulpturen anzusehen. Damit verbindet das Konzept für Besucher die Erkundung der Stadt Münster mit der Kunst.

Die Idee, Kunst in den Außenraum zu tragen, entstand, als Klaus Bußmann zusammen mit Kasper König eine Überblicksausstellung der modernen Skulptur von Auguste Rodin bis in die Gegenwart plante. Dieses Projekt reagierte auch auf die Empörung in der Münsteraner Bevölkerung gegen die geplante Aufstellung der ungegenständlichen Plastik Drei rotierende Quadrate von George Rickey im Jahr 1973 und sollte größeres Verständnis für die zeitgenössische Kunst wecken. Da die Stadt die 130.000 DM teure Skulptur nicht gegen den Bürgerwillen kaufen wollte, entschied die Westdeutsche Landesbank 1975, der Stadt die Skulptur zu schenken.[1]

Für 1977 wurden schließlich Künstler nach Münster eingeladen, um für einen selbst gewählten Ort innerhalb der Stadt eine Skulptur zu entwerfen. Im Vordergrund standen und stehen die Auseinandersetzung mit den historischen, kulturellen, sozialen oder topografischen Begebenheiten der Stadt und allgemein der Beziehung von Kunst und Öffentlichkeit in einer Art Versuchslabor.

Die Leitung der Ausstellung 2007 lag bei dem Leiter des Museum Ludwig, Prof. Kasper König, Kuratorin ist Dr. Brigitte Franzen, als assoziierte Kuratorin wirkt Dr. Carina Plath, Direktorin des Westfälischen Kunstvereins. Träger der Ausstellung sind die Stadt Münster, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und das Landesmuseum. Unterstützung wird außerdem von der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Westfälischen Wilhelms-Universität gewährt. Daneben gibt es eine Reihe von Sponsoren aus der lokalen Wirtschaft.

Die bisherige Skulptur.Projekte fanden jeweils in den folgenden Zeiten statt:

  • 1977: Vom 3. Juli bis zum 13. November
  • 1987: Vom 14. Juni bis zum 4. Oktober
  • 1997: Vom 22. Juni bis zum 28. September
  • 2007: Vom 16. Juni bis zum 30. September

Nach den 100 Tagen der Ausstellung läuft der Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Geländes aus, auf denen die Skulpturen aufgestellt waren. Das Konzept sieht eigentlich vor, die Skulpturen dann abzubauen und den Künstlern zurückzugeben. Während der vergangenen Skulptur.Projekte erwarben jedoch die Stadt Münster, der Landschaftsverband oder das Landesmuseum einen Teil der Arbeiten und stellten sie permanent aus. So bereichern heute zahlreiche Arbeiten das Stadtbild der Westfalenmetropole. Andere Arbeiten, bei denen keine Einigung über die permanente Ausstellung erzielt werden konnte, stehen zum Beispiel in Hamburg, Berlin oder London.

Lokale Faktoren

Bedeutung der Skulptur.Projekte für die Stadt Münster

Seit der zweiten Ausstellung 1987 sind die Skulptur.Projekte ein wichtiger Teil der Außendarstellung der Stadt Münster geworden; vor allem profitierte der Bekanntheitsgrad der Stadt im Ausland stark. Dies ist der starken Werbekampagne zu verdanken, die 1987 gestartet wurde. So wurden nicht nur Journalisten von Amerika bis Asien eingeladen, es wurde auch ein Werbemobil zur documenta VIII nach Kassel geschickt, später auch zur Basler Kunstmesse Art. Zu einer regelrechten Tourismusattraktion wurde die Ausstellung 1997. Am Eröffnungswochenende waren sämtliche Hotels der Stadt (3100 Betten) ausgebucht. Laut Pressesprecher der Skulptur.Projekte kamen mehr ausländische als deutsche Gäste zur Schau. Von dem Kurzführer zur Ausstellung 1997 wurden drei Auflagen zu je 10.000 Exemplaren gedruckt. Die Gesamtzahl der Besucher wird auf etwa 500.000 geschätzt. Positiv für die Außendarstellung der Skulptur.Projekte und damit der Stadt ist, dass Arbeiten, die in Münster entstanden sind, in die ganze Welt verkauft wurden und dort nun permanent Werbung machen.

Verhältnis der Münsteraner zu der Ausstellung

Das Verhältnis der als konservativ und bodenständig geltenden Münsteraner zu ihrer Kunstausstellung hat sich über Jahre stark gewandelt. So empfanden viele Bürger die Arbeiten und das gesamte, zu diesem Zeitpunkt neuartige Konzept der Skulptur.Projekte als Schandfleck in der historischen Stadt. Teilweise ging dies soweit, dass die Künstler nur unter Polizeischutz arbeiten konnten. 1977 und 1987 gab es außerdem gezielten Vandalismus gegen Skulpturen. So wurde 1977 versucht, die Giant Pool Balls in den Aasee zu rollen, 1987 wurde eine zitronengelbe Madonnenfigur mehrmals aus der Innenstadt „verschleppt“.[2]

Die negative Einstellung von 1977 änderte sich bis zur nächsten Ausstellung zehn Jahre später nur unwesentlich, besonders umstrittene Projekte wie Trunk waren auch nicht hilfreich bei der Bildung einer positiven Meinung. Aber bereits im Laufe der Ausstellung wandelte sich das Klima, als die Presse sehr positiv über die Ausstellung berichtete und Vergleiche zur documenta zog. Im Übrigen war auch der finanzielle Aspekt wichtig: die Ausstellung zog viele Touristen an, die der Wirtschaft in Münster auch einiges an Geld zufließen ließen.

Die Beziehung der Münsteraner zur Ausstellung in den zehn Jahren bis 1997 hatte sich deutlich verbessert. Nicht ganz unwesentlich für die gesteigerte Akzeptanz dürfte gewesen sein, dass zum Beispiel die Giant Pool Balls von 1977 inzwischen zum Markenzeichen der Stadt geworden waren und auch andere Skulpturen das Stadtbild deutlich prägten. Dazu waren viele der umstrittensten Werke längst aus der Stadt verschwunden.

Die Ausstellungen

Ausstellung 1977

Vier der geplanten neun Arbeiten der Skulptur.Projekte 1977 waren am Aasee beheimatet, der ein Jahr vor der Ausstellung auf seine heutige Form vergrößert worden war. Nach der Ausstellung stellte sich heraus, dass die Veranstalter ein finanzielles Minus von 300.000 DM auszuweisen hatten. Dies wurde mit Hilfe der Stadt Münster und dem Land aufgefangen. Die Stadt kaufte Oldenburgs Giant Poolballs für 115.000 DM und Judds Betonringe (Ohne Titel) für 185.000 DM, ein Teil des Geldes wurde vom Land Nordrhein-Westfalen aufgebracht.

Permanente Ausstellung

Giant Poolballs von Claes Oldenburg am Aasee

Die wohl bekannteste Skulptur des Jahres 1977 waren die Giant Pool Balls von Claes Oldenburg. Er verteilte auf Zeichnungen, Aquarellen und Fotomontagen gigantische Billardkugeln über die ganze Stadt. Schließlich wurden drei dieser Betonkugeln (Durchmesser 3,5 Meter) an den Aaseeterrassen aufgestellt. Sie befinden sich seit 1987 im Besitz der Stadt und zählen seitdem zu den bekanntesten Arbeiten, die bisher im Rahmen der Skulptur.Projekte entstanden.

Joseph Beuys ließ unter dem Titel Unschlitt/Tallow einen exakten Nachbau des Fußgängertunnels am Hindenburgplatz in Münster mit Stearin ausgießen und zerschnitt den entstehenden Block dann willkürlich in 23 Teile. Die Schnittstücke wurden im Lichthof des Landesmuseums ausgestellt. Heute ist das Werk – welches Beuys dem Landesmuseum als Schenkung anbot – Teil der Sammlung Marx in Berlin.

Ohne Titel von Donald Judd

Ebenfalls permanent in Münster steht ein Werk von Donald Judd, das keinen Titel trägt. Am Aasee nahe dem Allwetterzoo schuf er zwei konzentrische Ringe aus Beton. Der innere Ring hat dabei eine Höhe, die von 90 cm auf 2,10 Meter ansteigt, und einen Durchmesser von 13,50 Meter. Der äußere Ring behält seine Höhe von 60 cm bei und misst 15 Meter im Durchmesser. Auf den sanft abfallenden Wiesen stellt das Werk laut Judd ein topografisches Regulativ dar.

Ulrich Rückriem schuf mit seinem Beitrag Dolomit, zugeschnitten eine Wand aus neun Steinen. Sie steht an einem Weg (dem Jesuitengang), auf dessen anderer Seite sich die Petrikirche befindet. Die neun Steine, in ihrem Höhenverhältnis zueinander zu- und abnehmend, bilden so zusammen mit Strebepfeilern am Wegesrand gegenüber einen Zwischenraum des Weges zum Kirchenbau. Die Skulptur war von 1977 bis 1981 ausgestellt. Seit 1986 ist diese Arbeit im Besitz der Stadt Münster und gehört nun gleichfalls zu den permanent ausgestellten Arbeiten.

Temporäre Ausstellung

Michael Asher stellte während der 1977er Skulptur.Projekte einen Caravan an insgesamt 19 verschiedenen Plätzen auf. Er wollte mit der Aufstellung eine Konfrontation zwischen nomadischem (der Caravan) und festem Wohnen (die Häuser in der direkten Umgebung) hervorrufen. Dieses Projekt wurde auch bei allen folgenden Ausstellungen wiederholt, die Aufstellungsorte bleiben die gleichen.

Richard Serra stellte zwei 13,40 × 2,08 × 3 Meter große Stahlwände paarweise angeordnet auf dem Hindenburgplatz aus. Laut Serra gibt es keine etablierten Muster oder zu erwartenden Regungen des Publikumsbewußtseins.

Weitere temporäre Ausstellungen wurden erstellt von Carl André, Richard Long und Richard Serra. Auf Grund von Überschreitungen des Budgets konnte der Beitragsvorschlag von Bruce Nauman dagegen nicht realisiert werden.

Ausstellung 1987

1987 war ein Etat von ca. 15.000 DM für jedes zu realisierende Projekt veranschlagt worden. Dieser Rahmen wurde jedoch von einigen Künstlern weit überschritten. Bei einigen dieser eigentlich zu teuren Skulpturen sprangen Sponsoren aus der regionalen sowie überregionalen Wirtschaft ein und teilweise auch offizielle Stellen. Zu den Sponsoren, die die Realisierung dieser Arbeiten förderten, zählten unter anderem die italienische Botschaft, das Wiener Bundeskunstministerium sowie die WestLB und IBM Deutschland. Insgesamt konnten durch Sponsoren 600.000 DM für die 1987er Skulptur.Projekte beigesteuert werden. Das gesamte Budget der Ausstellung betrug 1,5 Millionen DM. Je 300.000 DM trugen die Stadt Münster, der LWL und die Kunststiftung NRW.

Insgesamt 61 Künstler schufen Vorschläge für Skulpturen, von denen einige jedoch auf Grund von Budgetüberschreitungen nicht realisiert wurden. Auch Joseph Beuys begann ein Projekt in den Rieselfeldern (eine Baumbepflanzung), starb jedoch vor der Fertigstellung.

Permanente Ausstellung

Das wohl bekannteste Projekt der Ausstellung 1987 ist Ein Schiff für Münster von Ludger Gerdes. Am Horstmarer Landweg, zum Zeitpunkt der Ausstellung ein unbebautes Wiesengebiet, entstand eine 43 Meter lange in die Länge gezogene künstliche Insel, die von einem Wassergraben umrahmt wurde. Die Insel in Form eines Schiffes, deren Mauern mit Sandstein eingefasst sind, zeigt mit dem Bug genau Richtung Innenstadt. Ein Holzpavillon mit zwei Pappeln imitiert die Brücke des Schiffes. Die Skulptur wurde der Stadt 1987 vom Künstler geschenkt. Im Sommer 2005 wurden 200 m³ Schlamm aus dem Graben entfernt, da das Schiff sonst fast wie gestrandet gewirkt hätte.

Kirschensäule von Thomas Schütte

Am Harsewinkelplatz ließ Thomas Schütte die Kirschensäule errichten, eine Säule aus Sandstein, auf der er zwei leuchtend rote, überdimensionierte Kirschen platzierte. Die Säule stellt eine Anspielung auf den Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Durch den Sandstein wirkt sie älter als sie ist. Dies lässt sie ähnlich wie die Stadt Münster wirken, die 1945 zu 90 % in Schutt und Asche lag und heute im Stil des späten Mittelalters glänzt. Auch die nicht ganz stimmigen Proportionen der Säule unterstützen dies. Die Farbe der Kirschen, ein Symbol der Moderne auf der „historischen“ Säule, soll um die Wette strahlen mit dem Lack der Autos, die auf dem 1987 als Parkplatz genutzten Harsewinkelplatz standen.

Ein zuerst nur temporär installiertes Projekt von Rebecca Horn im Zwinger (Das gegenläufige Konzert) stellt eine Symbiose zwischen der Natur und dem dort geschehenen Unrecht während der Zeit des Nationalsozialismus dar. Mit flackernden ewigen Lichtern, metallenen, rhythmisch klickenden Hämmern und einem stetigen Wassertropfen, der zwölf Meter tief in eine Zisterne fällt, schafft Horn eine beklemmende Atmosphäre in dem ehemaligen Gefängnis, in dem die Gestapo Hinrichtungen durchführen ließ. Zur nachfolgenden Skulptur.Projekte 1997 wurde das Werk leicht verändert wieder installiert. Die nun permanente Ausstellung enttabuisierte den Ort und machte die Installation eines Mahnmals dort möglich, in welches die Skulptur heute fest eingebunden ist.

Die Bronzeskulpturen an ihrem neuen Aufstellungsort

Rémy Zaugg versetzte die vorhandenen Bronzeskulpturen „Knecht mit Pferd“ und „Magd mit Stier“ wieder an den Eingang der Stadt an die Bundesstraße 54. Dort hatten sie um 1912 die in die Stadt zum Markt ziehende Landbevölkerung begrüßt. Heute heißen sie Besucher der Stadt am Eingang des großen Kreisverkehrs am Ludgeriplatz willkommen. Die Umsetzung löste heftige Debatten über die historische Identität der Stadt aus und über die Eingriffe, die die Moderne vorgenommen hat, besonders als bekannt wurde, dass der ursprüngliche Aufstellungsort durch zahlreiche Verschiebungen in Vergessenheit geraten war.

Lothar Baumgarten installierte Drei Irrlichter in den Körben am Turm von St. Lamberti, in denen 1535 die Leichname der Täufer öffentlich ausgestellt wurden. Heute flackern bei Nacht in den Körben drei Lichter, als Erscheinung von drei Seelen oder inneren Feuern, die keine Ruhe finden können.

Keith Haring realisierte mit dem Red Dog for Landois eine Skulptur, die am ehemaligen Gelände des Zoos steht und seinem Gründer Hermann Landois gewidmet ist. Sie stellt einen zweidimensionalen stilisierten, feuerroten Hund aus Stahl dar, der sein Maul bellend gen Himmel erhebt. Damit wollte Haring gegen den dort entstandenen Bürohausneubau protestieren. Laut Haring ist er ein spielerischer Protest gegen blinden Fortschritt und ein Denkmal für die Imagination. Nachdem die Skulptur, die eine Leihgabe der Galerie Hans Meier aus Düsseldorf war, über zehn Jahre in Münster ausgestellt war, steht sie inzwischen nicht mehr an dem Platz, dem sie gewidmet war.

Temporäre Ausstellung

Reiner Ruthenbeck ließ im Lichthof des Altbaus des Landesmuseums eine 14 × 2,4 Meter große Fahne aus dunkelgrünem Wollstoff an einem 5,6 Meter hohen Fahnenmast aufhängen. Ein großer Teil des Lodenstoffes bedeckt eine Gruppe von ca. 15 Fahrrädern die als Pulk darunter abgestellt sind und hemmt scheinbar deren latente Beweglichkeit. Andererseits scheinen die Fahrräder die etwas schräg hängende Fahne nach vorne zu ziehen. Eine Art Porträt der Fahrradstadt Münster mit ihrem Landbürgertum und ihren Studenten. Zurzeit wird diese Installation am selben Platz wieder präsentiert.

Richard Serra platzierte auf dem Ehrenhof des Erbdrostenhofes zwei Plastiken aus insgesamt 24 Tonnen Stahl (Trunk - Johann Conrad Schlaun Recomposed). Die zwei Stahlplatten, gewölbt wie das Gebäude von Johann Conrad Schlaun und in der Höhe bis zur Unterkante der Balkone reichend, waren hochkant aufgestellt, dazwischen ein Hohlraum. Die Skulptur, die 1987 massiven Protest seitens der Bevölkerung auslöste, steht seit 1988 in St. Gallen. Thomas Struth projizierte in seinem Nachtprojekt während der Ausstellung nachts bis 1 Uhr klassische Vorstadtarchitektur auf die Fassaden in der Innenstadt.

Black Form - Dedicated to the Missing Jews vor dem Rathaus von Hamburg-Altona

Sol LeWitt platzierte einen 1,75 × 5,20 × 1,75 Meter großen schwarzen Betonblock so vor dem Schloss, dass der Blick auf das Eingangsportal versperrt wurde. In dem hinter dem Schloss gelegenen Botanischen Garten platzierte er eine weiße Pyramide, die sich in einer Linie zu Block und Eingang befand. Laut Ikonografie sind dies die Symbole von Tod und Leben. Im offiziellen Katalog zur Skulptur.Projekte firmierte dieses Werk noch als White Pyramid/Black Form, jedoch wurde der Block vom Künstler kurze Zeit später mit dem Zusatz Dedicated to the missing Jews versehen. Dieses Mahnmal widmete sich damit nicht nur den ermordeten, sondern auch den fehlenden Juden, also den ungeborenen Kindern der während der Zeit des Nationalsozialismus umgekommenen Juden. Der Platz vor dem Schloss, das heute Sitz der Westfälischen Wilhelms-Universität ist, sollte symbolisieren, dass diese fehlenden Menschen dort hätten studieren oder lehren können. Der Plan, diese Skulptur am selben Ort permanent aufzustellen, scheiterte am Widerstand der Universität. Heute steht sie zur Erinnerung an die dortige ehemalige jüdische Gemeinde vor dem schneeweißen Rathaus von Hamburg-Altona. Auch die Pyramide wurde abgebaut und befindet sich im Besitz der Stadt Hamburg.

Richard Deacon verwirklichte an zwei Enden einer Straße zwei schlangenartige Skulpturen (Like a Snail A und B), die aus Holz und verzinktem Stahl bestehen. Heute stehen sie in der Londoner Tate Gallery.

Pressestimmen

Die Skulptur.Projekte erweckten Interesse in der Medienlandschaft der ganzen Welt. So verglichen mehrere Zeitungen die Münstersche Ausstellung mit der documenta, die Wiener Zeitung Die Presse schrieb: Gemessen an der documenta 8 in Kassel ist das zweite Ausstellungs-Großunternehmen des heurigen Sommers in Deutschland „Skulptur.Projekte in Münster 1987“ das konsequentere. Auch die Hannoversche Allgemeine Zeitung kommentierte in diese Richtung: Münster hat geschafft, was Kassels documenta mit ihrer lauthals verkündeten „sozialen Dimension“ und ihrem Freiluft-Skulpturenprojekt nicht gelungen ist: Man erfährt den Reiz und die Geschichte der Stadt mit neuem Bewusstsein.[3]

Auch das Wall Street Journal zog Vergleiche mit Kassel:

Hier, anders als in Kassel, ist man erschlagen von dem Respekt für die Umgebung, den fast alle Künstler an den Tag gelegt haben. Obwohl es hier sehr wenige Skulpturen gibt, die in und aus sich als herausragend bezeichnet werden können, ist das Erlebnis, die Stücke zu finden und betrachten, die über die ganze Stadt und ihre Randbezirke verstreut sind, außerordentlich vergnüglich.[4]

Andere Zeitungen beschäftigten sich mit der Beziehung der Münsteraner zu ihrer Ausstellung. Die Bauwelt schrieb: Ob die Münsteraner es nun selbst zu schätzen wissen oder nicht: Sie sind zu beneiden um eine in jeder Hinsicht einzigartige Ausstellung. So abwechslungsreich, so qualitätsvoll und so einleuchtend gab es andernorts Kunst im öffentlichen Raum selten zuvor.[5]
Laut Capital hatte sich die Beziehung seit der ersten Skulptur.Projekte zwischen der Ausstellung und den Münsteranern jedoch wesentlich verbessert: Mit gemischten Gefühlen, jedoch eher stolz sehen die Münsteraner zu, wie ihre Stadt aus aller Welt die Freunde neuer Kunst anlockt.[4]

Die Qualität der Arbeiten wurde unter anderem kommentiert vom Genfer Journal de Genève: Den besten Arbeiten ist es gelungen, die Besonderheiten der Stadt zu begreifen, das Flair der örtlichen Begebenheiten zu respektieren. [...] Wichtig zu sagen, dass die Ausstellung über die ganze Stadt ausgedehnt ist und eine Rundtour einen guten Tag zu Fuß dauert. Wenn man nicht die Fahrräder vorzieht: Man kann sie leihen, und alle Welt tut es auch.[4]

Ausstellung 1997

Das Gesamtbudget lag 1997 bei umgerechnet drei Millionen Euro, getragen von Stadt, LWL, der Kunststiftung NRW und einigen Sponsoren. Insgesamt wirkten 76 Künstler in 73 Gruppen an der Skulptur.Projekte 1997 mit, die Besucherzahl wird auf rund 500.000 geschätzt.

Permanente Ausstellung

Das Pier in den Aasee dient als Erholungsplattform

Jorge Pardo baute auf Grund des fast völligen Fehlens von Stegen einen ca. 40 Meter langen Pier in den Aasee hinein. Sein Ende besteht aus einer asymmetrischen Aussichtsplattform mit einem offenen, sechseckigen Pavillon. Er besteht komplett aus Holz des kalifornischen Redwood.
Der Zugang zum Steg wurde ab dem Sommer 2005 mit Gittern versperrt, im Dezember wurden schließlich die ersten Meter der Planken abgetragen, da das Holz morsch geworden war und das Betreten laut der Stadt Münster nicht mehr sicher war. Die Restaurierung ist Ende Mai 2007 erfolgt, die dafür notwendigen Gelder wurden von der Sparkasse Münsterland Ost aufgebracht.

100 Arme der Guan-yin, Zustand während der Ausstellung

Ebenfalls in der Stadt verblieben ist die Skulptur 100 Arme der Guan-yin von Huang Yong Ping. Auf einer Verkehrsinsel südlich der St. Ludgeri-Kirche am Marienplatz steht ein rundes Gerüst in der Form eines Flaschentrockners, statt der Flaschen waren während der Ausstellung jedoch 50 Arme angebracht, die profane Dinge wie Besen und Haken hielten. Einerseits ist die Skulptur ein Bezug auf die buddhistische Göttin Tausendarmige Guan-yin, andererseits aber auch auf das Kruzifix von St. Ludgeri, dessen Jesusfigur bei einem Bombenangriff während des Zweiten Weltkriegs beide Arme verlor.
Da die Arme der Statue aus nicht sehr witterungsbeständigem Material gefertigt wurden, mussten diese im Jahre 2002 entfernt werden. 2007 ist es dem Kulturamt der Stadt gelungen, beim Künstler für rund 19.000 Euro neue, witterungsbeständige Arme aus Aluminium fertigen zu lassen. Rechtzeitig zu Beginn der Skulpturenausstellung wurden die ehemals tonfarbenden, jetzt optisch metallisch wirkenden Arme montiert.

Permanent installiert wurde Blickst Du hinauf und liest die Worte von Ilya Kabakov in unmittelbarer Nähe zu den Betonringen der Skulptur.Projekte 1977. Es ist ein „Poetischer Sendeturm“. Auf den Querstreben in 13 Metern Höhe sind aus dünnem Draht Buchstaben geformt. Sie ergeben den Text: Mein Lieber! Du liegst im Gras, den Kopf im Nacken, um dich herum keine Menschenseele, du hörst nur den Wind und schaust hinauf in den offenen Himmel - in das Blau dort oben, wo die Wolken ziehen - das ist vielleicht das Schönste, was du im Leben getan und gesehen hast. Die Skulptur wurde vom Landesmuseum gekauft.

Der Text der Skulptur Blickst du hinauf... von Ilya Kabakov

Der Künstler Herman de Vries umbaute einen wilden Garten mit seinem aus 20.000 Backsteinen bestehenden Sanctuarium (lat: heiliger Raum). Aus allen vier Himmelsrichtungen gibt es ovale Öffnungen, die den Betrachter zum Hineinschauen einladen. Auf dem Fries des nach einer traditionellen Mauertechnik aus dem 18. Jahrhundert gebauten „Rundtempels“ ist ein Text in Sanskrit eingraviert: om. dies ist vollkommen. das ist vollkommen. vollkommen kommt von vollkommen. nimm vollkommen von vollkommen, es bleibt vollkommen.

Temporäre Ausstellung

Martin Kippenberger hat mit Metro-Net. Subway around the world auch in Münster einen Teil seines weltweiten, fiktiven U-Bahn-Netzes aufgebaut (andere Stationen sind auf der Insel Sýros, in Dawson City und in Kassel zur documenta X). An der Kreuzschanze installierte er einen U-Bahn-Entlüftungsschacht, aus dem in regelmäßigen Abständen das Geräusch einer vorbeifahrenden Bahn ertönt. Dies wirkt besonders ironisch, da Münster ob der vielen Fahrradfahrer und der beschränkten Größe der Stadt keine Verwendung für eine U-Bahn hätte.

Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt haben vier Informationsstände aus Flaschentransportkisten errichtet. In den Kastenhäusern waren gepolsterte Kisten als Sitzmöbel aufgestellt, für Besucher lagen Stadtpläne und Informationen zu den Standorten aller Skulpturen aus.

Rachel Whitereads Untitled (Books) im Landesmuseum ist eine aus Gips gegossene Negativform eines Bücherregals mitsamt den darin stehenden Büchern. Die Zweideutigkeit der Arbeit besteht darin, dass in diesem Regal nicht die Bücher sichtbar sind, sondern der normalerweise unsichtbare verstaubte Raum, der keine Bücher enthält.

Nam June Paik schuf eine der bekanntesten Skulpturen der Skulptur.Projekte 1997, die 32 cars for the 20th century: play Mozart’s Requiem quietly: Er ordnete 32 komplett in silber gehaltene Automobile der Baujahre 1920, 1930, 1940 und 1950 vor dem fürstbischöflichen Schloss zu vier Gruppen an, jeweils zu einer geometrischen Figur. Die Autos enthielten statt Motor und sonstigem Interieur Elektronikschrott wie alte Fernseher und Radios, aus einigen klang leise Mozarts Requiem.

Karin Sander hatte die Vorgabe, für ihre Skulptur einen Ort im Zentrum der Stadt zu wählen, wörtlich genommen. Sie ließ den Schwerpunkt der Stadt bestimmen. Diesen Punkt, der ca. einen Kilometer südlich des St.-Paulus-Doms in der Von-Kluck-Straße 34/36 liegt, markierte sie mit einem roten Kreis vom Durchmesser 1,3 Meter, der exakten Fehlertoleranz der Messung.

Georg Herold hängte bei seiner Skulptur bent poetry, w. up! im Schlossgarten ca. 250 rote Dachlatten so an Stahlseilen an Bäumen auf, dass sie ein Labyrinth ergeben. Auf der Unterseite der Latten notierte er Zitate aus der Literatur-, Kunst- und Philosophiegeschichte.

Nicht realisiert wurde das Projekt von Gabriel Orozco, der in Anlehnung an den Jahrmarkt Send ein Riesenrad zur Hälfte im Hindenburgplatz versenken wollte. Ebenfalls nicht realisiert werden konnte ein Projekt von Charles Ray, der einen Baum so pflanzen wollte, dass er sich, bewegt von einem Mechanismus unter der Erde, in zwei Stunden einmal um seine eigene Achse dreht.

Pressestimmen

Im Jahr 1997 schrieben auch Deutschlands größte Zeitungen und Magazine über die Skulptur.Projekte. Der Spiegel schrieb in seiner Ausgabe 22/1997 unter anderem: Das Pionierprojekt Skulpturen hat es in Münster zu Popularität gebracht – und sprengt nun alle Gattungsgrenzen. (…) Während die Kasseler Schauräume noch fest verschlossen sind, wären in Münster die Vorbereitungen schon darum kaum geheimzuhalten, weil sie zumeist im Freien stattfinden.[6] Auch die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete wieder über die Ausstellung und kam zu einem Ergebnis, das vor allem den Verantwortlichen sowie Sponsoren gut gefallen haben dürfte: Die Kunst der Möglichkeiten - Die dritte „Skulptur.Projekte“ - Schau ist der beste PR-Coup, den Münster haben kann[7]

Auch wurden wieder Vergleiche zur documenta gezogen, die 1997 in ihre X. Saison ging. Die Süddeutsche Zeitung sahen in Münster erneut den Sieger (Zehn Jahre sind keine Epoche - Die Skulptur-Projekte in Münster stehlen der documenta mit Phantasie und Witz die Schau.[8]), auch Die Woche kommentierte ähnlich: Lieber 99 Tage Münster als 100 Tage Kassel! Die Großausstellung SKULPTUR.PROJEKTE versucht sich in der Konkurrenz zur Dokumenta - mit erheblichem Erfolg[9]. Sogar die Illustrierte Bunte brachte einen Bericht, überließ die Wertung aber dem Leser selber: Magic Münster – die ganze Stadt ein Kunstwerk. Die documenta bekommt Konkurrenz: Münster wird für drei Monate Europas Skulpturen-Hauptstadt.[10]

Über die Philosophie der Ausstellung schrieb die Berliner taz: Nach Münster werden keine Werke bestellt sondern Künstler eingeladen. Des Weiteren gab es Berichte unter anderem in der Los Angeles Times, in El Pais aus Madrid, der New York Times und der französischen Le Monde

Ausstellung 2007

Die Ausstellung 2007 fand vom 16. Juni bis zum 30. September statt, die Kuratoren waren Kasper König, Brigitte Franzen und Carina Plath (als assoziierte Kuratorin), Projektleiterin Christine Litz. Schirmherr der insgesamt vierten Ausstellung war Bundespräsident Horst Köhler. Die Besucherzahl wird auf über 550.000 geschätzt.

Im Vorfeld der Skulptur.Projekte wurden sämtliche in den letzten 30 Jahren von der Stadt erworbenen Arbeiten begutachtet und, soweit erforderlich, restauriert. Das war bei einigen Arbeiten nötig, da sie unter anderem mit Graffiti beschmiert wurden. Erste Vorarbeiten für die eigentliche Ausstellung begannen im Februar 2007.

Der Gesamtetat lag bei 6,32 Millionen Euro, wovon 50 % für die Skulpturen selber eingeplant wurden. Geldgeber waren neben der Stadt Münster auch der LWL und die Kulturstiftung des Bundes sowie das Land Nordrhein-Westfalen die Kunststiftung. Auch lokale Unternehmen wie die Westfälische Provinzial stellten Geld bereit. Die Schau verzeichnete einen Gewinn von rund 300.000 Euro[11] Die Ausstellung war Teil der Grand Tour 2007, einem Zusammenschluss der vier großen Kunstausstellungen des Sommers 2007; andere Teilnehmer waren die documenta 12, die Biennale di Venezia und die Art Basel.

Für 2007 wurden 37 Künstler, darunter etwa Rosemarie Trockel, Mike Kelley, Marko Lehanka, Guillaume Bijl und Isa Genzken, eingeladen, 35 Skulpturen im öffentlichen Raum zu entwerfen, letztlich wurden aber nur 34 Kunstwerke tatsächlich fertiggestellt.

Permanente Ausstellung

Bruce Nauman: Square Depression

Bruce Nauman hat für 2007 das 1977 aus finanziellen Gründen nicht realisierte Projekt wieder aufgegriffen. Auf dem naturwissenschaftlichen Campus der Westfälischen Wilhelms-Universität hat er eine „Negativpyramide“, die sogenannte Square Depression, errichtet. Das Betonwerk mit Kantenlängen von je 25 Meter bildet eine Pyramide, die 2,30 Meter in den Boden hineingebaut wurde.

Guillaume Bijl: Archaeological Site (A Sorry Installation)

Ein Schwerpunkt der Ausstellung war auch 2007 der Aasee und die umliegenden Parkflächen. Dort installierte Guillaume Bijl seine Skulptur Archaeological Site (A Sorry Installation), eine gefälschte archäologische Ausgrabungsstätte. Bijl baute einen Kirchturm in ein ausgehobenes Erdloch, sodass der Betrachter denken muss, es sei eine echte Ausgrabung. Rosemarie Trockel pflanzte bereits Ende 2006 zwei Eibenhecken nahe der Torminbrücke und beschnitt diese während der Skulptur.Projekte. Der asymmetrische Schnitt und die Größe von 7 × 3,5 Meter sowie die Höhe von 4,5 Meter sollen jeden Vergleich mit konventionellen Hecken unmöglich machen. Diese Skulptur blieb in Münster und wird von der Stadt in Trimm gehalten. Unter der Brücke selbst installierte die Audiokünstlerin Susan Philipsz zwei Lautsprecher, aus denen ihre Stimme ertönt. Sie singt beide Stimmen der Barcarole, die an das Schaukeln einer Gondel in den Kanälen Venedigs erinnern soll. Die Rechte hieran wurden 2008 vom Landesmuseum geworben, das den Gesang jeweils sonntags erklingen lässt.

Rosemarie Trockel: Less Sauvage than Others (Weniger wild als andere)

Das auf dem alten Zoogelände beheimatete Bodenrelief We are still and reflective von Martin Boyce erwarb der Verein der Kaufmannschaft zu Münster für 50.000 Euro. Damit ist Münster die erste deutsche Stadt, in der permanent ein Kunstwerk Boyces ausgestellt ist.[12]

Für Streit in Münster sorgte der Umgang mit der Denkmalsäule Münsters Geschichte von unten von Silke Wagner. Die Mehrheit von CDU und FDP im Kulturausschuss wollte das an das münstersche NS-Opfer Paul Wulf erinnernde Kunstwerk nicht kaufen, was für den Rat der Stadt bindende Wirkung hatte. Erst die Bezirksvertretung Mitte entschied, die Säule im Bereich des Servatiiplatzes aufzustellen. Dies sollte durch private Spenden finanziert werden. Aus diesem Grund blieb die Skulptur eingelagert, bis sie am 5. September 2010 offiziell der Öffentlichkeit übergeben wurde. Die Ausgangssituation für Martha Roslers Arbeit war ähnlich: Der Kulturausschuss wollte den Reichsadler, den Rosler vom Sitz des Lufttransportkommando, einem Nazibau von Ernst Sagebiel, entfernt und vor den Münster Arkaden ausgestellt hatte, nicht behalten. Wieder schritt die BV ein und sicherte das Kunstwerk.

Temporäre Ausstellung

Erste Aufmerksamkeit erregte bereits im April der Künstler Deimantas Narkevicius. Er wollte das Karl-Marx-Monument für die Dauer der Ausstellung nach Münster transportieren und dort aufstellen; die Stadt Chemnitz verhinderte aber sowohl dies als auch die daraufhin angedachte Anfertigung einer Kopie. Hierfür hatte die Witwe des Künstlers Lew Kerbel bereits ihre Einverständniserklärung gegeben. [13]

Besonders im Fokus der Medien standen zur Eröffnung zwei Projekte. Einerseits war dies Mike Kelleys Streichelzoo. Nur unweit des Hauptbahnhofs setzte Kelley Tiere in eine Halle, die tatsächlich gestreichelt werden dürfen. Unter ihnen steht auch eine Salzsäule, die nach der Form der Frau des Lot geformt ist und an der die Tiere unentwegt lecken. Auf drei Leinwänden werden Felsformationen gezeigt, die nach Lots Frau benannt sind. Das andere sehr positiv aufgenommene Projekt ist Trickle down - Der öffentliche Raum im Zeitalter seiner Privatisierung von Andreas Siekmann. Siekmann hat dreizehn Plastikfiguren, wie sie als „Stadtkunst“ und Marketing von vielen Städten aufgestellt werden, in eine Schrottpresse gesteckt und die daraus resultierende Plastikkugel zusammen mit der Presse vor dem Erbdrostenhof aufgestellt.

Thomas Schütte ist mit seinem Projekt auf den Harsewinkelplatz, den seine Kirschensäule von 1987 ziert, zurückgekehrt. Pawel Althamer ließ am südöstlichen Ende des Aasees einen vom See wegführenden Pfad anlegen, der nach knapp einem Kilometer plötzlich endet. Dort muss der Besucher entweder den Pfad zurückgehen oder sich durch ein Gerstenfeld schlagen.

Dominique Gonzalez-Foerster hat am Kanonengraben im Rahmen des Roman de Münster Skulpturen der vergangenen Ausstellungen im Maßstab 1:4 reproduziert, aufgestellt und damit aus ihrer eigentlichen Umgebung herausgerissen, womit sie aber auch einen Überblick über 30 Jahre Skulptur.Projekte schaffen konnte. Dieses beliebte Projekt sollte ebenfalls in Münster verbleiben, die Sparda-Bank Münster wollte es für über 100.000 Euro ankaufen und vor ihrem neuen Hauptgebäude im Zentrum Nord ausstellen. Der Gartenbereich eignete sich aber nicht für die Aufstellung.

Hans-Peter Feldmann hat eine unterirdische öffentliche Toilettenanlage am Domplatz saniert, um der dortigen „Kundschaft“ ästhetische Negativerfahrungen zu ersparen. Die Arbeit von Dora García ist eine bewegliche oder lebende Skulptur. Inspiriert durch die Randfigur in Brechts Dreigroschenoper (und deren Vorlage The Beggars Opera von John Gay) schuf sie die fiktionale Figur eines Bettlers, die jedoch von einem echten Menschen verkörpert wird und im Stadtbild herumstreift. Zunächst als geheimer Berichterstatter des Alltags entwickelte er sich langsam zu einem festen Bestandteil der Stadtgemeinschaft. Täglich werden die Erlebnisse Filchs in einem Internet-Blog veröffentlicht.

Pressestimmen

Im Vorfeld der Ausstellung dominierte der Vergleich mit den anderen drei großen Ausstellungen. Besonders die Neue Osnabrücker Zeitung befragte in einer Serie Kunstexperten zum Verhältnis von documenta und Skulptur.Projekte. Laut Focus schlug die „charmante westfälische Stadt“ die „überinszenierte Documenta in Kassel“.[14] Laut FAZ ist „nicht alles gelungen bei dieser Skulpturenausstellung“, sie zeige aber „was Stadt auch noch sein kann: ein Ort für Erlebnisse, ein Wegenetz, das nicht nur dazu dient, aus dem Büro zum Einkaufen und dann nach Hause zu kommen“.[15] Die taz beschreibt die Skulptur.Projekte als weithin unbekannt: „Aber Münster? Das Städtchen hinter dem Teutoburger Wald gilt als konservativ-katholisch, und dass hier alle zehn Jahre eine zeitgenössische Ausstellung stattfindet, wissen trotz des hohen Renommees der Künstler und Kuratoren sicher die wenigsten.“[16]

Literatur

Vergangene Ausstellungen

  • Klaus Bußmann, Kasper König (Hrsg.): Skulptur. Ausstellung in Münster. Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster 1977.
  • Klaus Bußmann, Kasper König (Hrsg.): Skulptur. Projekte in Münster 1987. DuMont, Köln 1987, ISBN 3-88789-077-9
  • Klaus Bußmann, Kasper König, Florian Matzner: Zeitgenössische Skulptur. Projekte in Münster 1997. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 1997, ISBN 3-7757-0649-6
  • Florian Matzner (Hrsg.): Public Art. Kunst im öffentlichen Raum. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2001, ISBN 3-7757-9073-X
  • Rainer Schnettler: Ausstellung von Skulptur im öffentlichen Raum. Konzeption, Vermittlung, Rezeption am Beispiel der „Skulptur“ 1977 in Münster und der „Skulptur Projekte in Münster 1987“. Lang, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-631-43878-8

Aktuelle Ausstellung

  • skulptur projekte münster 07. Vorspann. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2007, ISBN 3-86560-209-6

Dokumentationen

  • „skulptur projekte münster 07 - Die Filmdokumentation“ – Dokumentation des LWL Medienzentrum für Westfalen (auf deutsch und englisch), Deutschland 2007, ca. 60 Min. + Bonusmaterial ca. 100 Min.
  • Fotoarchiv der Skulptur Projekte 1997 und 2001 - www.artdoc.de . Der Fotograf Roman Mensing hat die Ausstellungen seit 1997 im Auftrag der Veranstalter für die Kataloge, Ausstellungsführer und weitere Publikationen dokumentiert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Westfälische Nachrichten: Wie Münster Rickey lieben lernte
  2. „skulptur projekte münster 07“ - Magazin zur Ausstellung, Seite 4
  3. Scan des Berichts aus Die Presse
  4. a b c Zitiert nach Westfälische Nachrichten: Scan des Berichts Seite 1 und 2
  5. Scan des Berichts aus Bauwelt
  6. Scan des Berichts aus dem Spiegel: Seite 1 und 2
  7. Scan des Berichts aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung
  8. Scan des Berichts der Süddeutschen Zeitung
  9. Scan des Berichts aus der Woche
  10. Scan des Berichts aus der Bunten: Seite 1 und 2
  11. westfaelische-nachrichten.de: Skulptur-Schau der Rekorde
  12. Westfälische Nachrichten: Ein 50 000-Euro-Geschenk
  13. Mitteldeutsche Zeitung: Münster darf den Nischel nicht kopieren
  14. Focus: Streichelzoo und Güllewagen
  15. FAZ: Wie die Skulptur die Stadt neu erfindet
  16. taz: Documenta im Quadrat
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