Talbot-Simca 1610

Talbot-Simca 1610
Chrysler / Chrysler-Simca / Talbot-Simca
Chrysler 160.jpg
160 / 180 / 2 Litre / Centura / 1610
Hersteller: Simca
Produktionszeitraum: 1970–1981
Klasse: Mittelklasse
Karosserieversionen: Limousine, vier Türen
Motoren: 1,6 l-R4, 59 kW (80 PS)
1,8 l-R4, 74 kW (100 PS)
2,0 l-R4, 81 kW (110 PS)
3,5 l-R6, 103 kW (140 PS) (nur AUS)
4,0 l R6, 121 kW (165 PS) (nur AUS)
Länge: 4525 mm
Breite: 1730 mm
Höhe: 1430 mm
Radstand: 2665 mm
Leergewicht: 1065–1130 kg
Vorgängermodell: keines
Nachfolgemodell: Talbot Tagora
Chrysler 160

Der Chrysler 160 / 180 / 2 Litre – auch Chrysler-Simca 1610 / 2 Litre oder Talbot-Simca 1610 / 2 Litre – war ein Personenkraftwagen der oberen Mittelklasse des Automobilherstellers Chrysler-Simca.

Inhaltsverzeichnis

Der Hintergrund

Das Simca-Stammwerk Poissy gehörte ursprünglich der Ford Société Anonyme France (Ford SAF). Als sich Ford vom französischen Markt zurückzog, erwarb die aus der Fiat-Generalvertretung entstandene Firma Simca das Werk Poissy und mit ihm – neben vielem anderen – die Rechte an McPherson-Federbeinen, die dem Simca-Topmodell Vedette Versailles spektakuläre Fahreigenschaften verliehen. Berühmte französische Kunstfahrer bedienten sich des Versailles für ihre akrobatischen Meisterstücke, bis sie später auf den Simca 1000 umstiegen. Auch der Französische Präsident fuhr in den 1950er Jahren zeitweilig Simca, unter anderem eine Simca Vedette Présidence. Diese gab es sogar als Chambord Présidentielle Cabriolets, ebenfalls gedacht für den französischen Präsidenten.

1958 erwarb das amerikanische Unternehmen Chrysler Anteile an Simca. Damit war Chrysler in Europa mit drei Standbeinen vertreten: Neben Simca in Frankreich und Barreiros in Spanien hielt es seit den späten 1950er Jahren auch erhebliche Anteile an der britischen Rootes-Gruppe, die 1967 vollständig in amerikanischen Besitz überging. In den ersten zehn Jahren des europäischen Engagements gelang es Chrysler nicht, seine Niederlassungen auch nur im Ansatz zu harmonisieren. Insbesondere die britischen und französischen Standbeine agierten bis in die späten 1960er Jahre hinein mehr oder weniger unabhängig voneinander. Es gab keine vernetzte Entwicklung und keine Synergieeffekte; Simca in Frankreich und Rootes in Großbritannien entwickelten vielmehr regelmäßig eigenständige Autos, die in den gleichen Marktnischen antraten und mitunter auch direkt miteinander konkurrierten. Das gilt beispielsweise für den französischen Simca 1300 einer- und für die britischen Fahrzeuge der Arrow-Plattform andererseits, aber auch für den Simca 1000 und den Hillman Imp. Seit den späten 1960er Jahren versuchte Chrysler, dieses unökonomische Nebeneinander durch ein effektives Miteinander zu ersetzen, indem künftig einheitliche Autos für den britischen und kontinentaleuropäischen Markt entwickelt werden sollten. Der Chrysler 160/180/2 Litre war ein erster Schritt auf diesem Weg.

Die Entwicklungsgeschichte

Sowohl auf dem britischen als auch auf dem französischen Markt hatten die Chrysler-Marken in den 1960er Jahren Bedarf nach einem neuen Fahrzeug für die obere Mittelklasse: Simca hatte diesen Markt in Frankreich nicht mehr mit eigenen Autos bedient, seit der Simca Vedette (Beaulieu-Chambord) und seine Vierzylindervariante Ariane eingestellt worden waren; stattdessen hatte die in Amerika konstruierten Dodge Lancer, Plymouth Valiant und Dodge Dart angeboten worden, die in der Schweiz bei AMAG Automobil- und Motoren AG montiert und über das Simca-Vertriebsnetz in Frankreich verkauft wurden. In Großbritannien bot die Rootes-Gruppe zunächst noch den 1957 präsentierten Humber Hawk an, der allerdings in die Jahre gekommen war und 1967 schließlich gestrichen wurde, um durch den Chrysler Valiant aus australischer Produktion ersetzt zu werden.

Konzepte

Sowohl Simca als auch Rootes arbeiteten in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre an eigenen Autos für die obere Mittelklasse:

  • In Frankreich entstand das Projekt 929, eine glatt gezeichnete Limousine mit trapezförmigem Aufbau und einer Karosserie von Bertone.
  • Die Rootes-Gruppe hingegen entwickelte das sog. C-Car, optisch eine vergrößerte Version des B-Car, das als Hillman Avenger bekannt werden sollte. Das C-Car trug amerikanisch inspiriertes Design, vergleichsweise schwülstige Linien und eine sog. Coke-Bottle-Linie mit einer Gürtellinie, die über den Hinterrädern geschwungen war. Konzeptionell sah die Rootes-Gruppe drei Linien vor: ein Basismodell für die Marke Hillman, eine sportliche Version für Sunbeam, und eine Luxusversion mit Sechszylindermotor, die als Humber verkauft werden sollte.

Beide Projekte waren weit gediehen, als das amerikanische Chrysler-Management erkannte, dass es wenig sinnvoll war, zwei miteinander konkurrierende Modelle für Teilbereiche des europäischen Marktes zu entwickeln. Im Frühjahr 1969 entschied sich Chrysler nach einer Analyse beider Konzepte dazu, allein die Entwicklung des britischen C-Cars weiterzubetreiben; der französische Simca 929 hingegen wurde aufgegeben.

Die Entwicklung des neuen Autos

Äußerlich waren damit die Weichen hin zu einem amerikanisierten Design gestellt. Die Freude in Coventry über diese Grundsatzentscheidung schlug indes bald in Enttäuschung um, denn im Gegenzug erhielt Simca den Auftrag, alleinverantwortlich das Design des Innenraums und vor allem die Technik unter dem Blech zu entwickeln. Simca setzte daraufhin in weiten Teilen primär französische Vorstellungen durch. Das machte sich in erster Linie bei der Wahl der Motoren bemerkbar. Während Rootes eine Ausstattung mit 1,8, 2,0 und 2,5 Liter-Motoren vorgesehen hatte – letzterer war ein eigens konzipierter Sechszylinder, dessen Entwicklung bereits 30 Millionen Pfund verschlungen hatte –, entschied sich Simca mit Blick auf das die hubraumabhängige französische KFZ-Steuer für kleinvolumige Vierzylindermotoren mit 1,6, 1,8 und 2,0 Litern Hubraum und obenliegender Nockenwelle aus französischer Fertigung. Diese Maschinen gab es später auch im Talbot Matra Murena 2.2, Talbot Tagora 2.2, Peugeot 505 Turbo und im Citroen BX TC. Die Motorisierung bestand aus Vierzylinder-OHC-Motoren von Simca, ab 1977 mit Transistorzündung:

  • Der 160 hatte einen 1639-cm³-Motor mit 79 PS (ab 7/72 mit 80 PS) und einer Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h
  • Der 160GT sowie der 180 besaßen einen 1812-cm³-Motor und erreichten 170 km/h.
  • Bei dem Modell 2 Litres war der Hubraum auf 1980 cm³ vergrößert worden (Bohrung/Hub 91.7 mm/75 mm), Verdichtungsverhältnis 9.45:1, 110 SAE-PS bei 5600 min−1.

Simca steuerte außerdem die mit dem Simca 1500 herausgekommene hintere Ankerachse bei.

Das Modellangebot beschränkte sich auf eine viertürige Stufenhecklimousine. Alternative Karosserievarianten wurden nicht realisiert. Zwar entstanden in Einzelstücken ein fünftüriger Kombi sowie ein zweitüriges Coupé; sie waren aber nie für eine Serienproduktion vorgesehen und verließen die Werksgelände kaum.

Modellchronologie

Die Ausgangslage

Die in Coventry entwickelten, stark amerikanisierten Chrysler-France-Modelle erscheinen im August 1970 und wurden auf dem Pariser Salon im Oktober 1970 eingeführt. In Frankreich wurde das Auto als Chrysler Simca vermarktet und hieß dort zunächst 160, 180 und 2 Litres; in Großbritannien hingegen hieß das Auto nur Chrysler. Das war insoweit ungewöhnlich, als die Rootes-Gruppe über zahlreiche gut etablierte Marken verfügte und bislang noch kein in Europa produziertes Auto den Namen der Konzernmutter als Markenbezeichnung erhalten hatte.

Die Modifikationen im Einzelnen

Während der elfjährigen Produktion erfuhr der Chrysler 160/180/2 Litres nahezu keine Modellpflege. Zwar gab es vordergründig viel Bewegung; dabei handelte es sich allerdings weitestgehend um Änderungen im Bereich von Ausstattungspaketen und Motorisierung. Es gab weder eine sinnvolle Weiterentwicklung der Technik noch wurde das Design überarbeitet.

Die Modellbezeichnungen wechselten in den einzelnen Jahren häufig, wobei nicht immer eine besondere Logik zu erkennen war. Entsprachen die Modellbezeichnungen anfänglich noch dem Hubraum des verwendeten Motors, wurde später eine Kombination aus Hubraum und (französischer) Steuerformel eingeführt, und in den letzten Produktionsjahren löste sich die Modellbezeichnung teilweise gänzlich von der Motorgröße. So war beispielsweise der britische Chrysler 180 ab 1977 mit einem 1,6 Liter großen Motor ausgestattet. Dieses Modell hieß in Frankreich Chrysler-Simca 1610, gehörte aber nicht, wie der Name indizierte, in die Steuerstufe 10, sondern in die Steuerstufe 11. Die (nach eigenem System) korrekte Bezeichnung dieses Autos hätte also 1611 lauten müssen; ein solches Fahrzeug ist allerdings nie verkauft worden.

Der im Oktober 1970 vorgestellte Chrysler-Simca 160 verfügte über einen grauen Kühlergrill, Scheibenbremsen an den Vorderrädern und ein Armaturenbrett mit drei Rundinstrumenten; der bis Juli 1972 nach Deutschland gelieferte GT mit 97-PS-Maschine hatte Scheibenbremsen auch an der Hinterachse. Der 180 war zunächst das Topmodell von Chrysler France, was der Kühlergrill mit den zwei roten Querstreifen und die Stoßstangenhörner kenntlich machten. 1973 kam ein preisgünstiger Zweiliter-Wagen dazu (Chrysler 2L). Der Zweiliter-Chrysler wurde ausschließlich mit einer von Chrysler USA bezogenen Torque-Flite-Automatik ausgeliefert. Beim 180 kostete die Automatik Aufpreis, stammte aber von BorgWarner.

Ab dem 1. September 1971 wurde der Name SIMCA durch Chrysler France ersetzt. Das neue Markenzeichen ersetzte vollständig die einzelnen S.I.M.C.A.-Buchstaben auf den Autos. Der Simca 1501 wurde noch für den Export produziert, um die Vorräte an Teilen aufzubrauchen, in Frankreich wurde er wegen des schlechten Verkaufs des Chrysler 160/180 wieder eingeführt. Außerdem wurde der Chrysler 180 nach Australien exportiert. Dort heißt das Modell Chrysler Centura.

1972 wurde der Chrysler 2L auf der Amsterdam Auto Show der Öffentlichkeit vorgestellt. Er war ab Januar 1973 erhältlich. Dieses luxuriöse Auto wurde nur mit Automatikgetriebe angeboten und hatte ein Vinyldach.

Ab August 1976 wurden der Chrysler 180 in Chrysler-SIMCA 1610, der Chrysler 2L in Chrysler-SIMCA 2 Litres umbenannt. Das SIMCA-Emblem erschien wieder auf dem Wagen. Das 1977er Modell Chrysler-SIMCA 1610 ersetzte den Chrysler 180, während die Produktion des Chrysler 160 eingestellt wurde. In Deutschland wurde der Wagen seitdem nur noch als Chrysler-Simca 2L, wahlweise mit Schaltgetriebe oder Automatik angeboten. Dabei stellte das Automatik-Getriebe die Serienausstattung dar, während das Schaltgetriebe gegen Minderpreis auf Kundenwunsch geliefert wurde.

1978 übernahm der neu gegründete PSA-Konzern Chrysler Europe und damit auch die Marke Chrysler-Simca. Chrysler Europe erhielt den Namen Talbot, der ab 1979 auch für die einzelnen Fahrzeuge verwendet wurde: Der Chrysler-Simca 1610 wurde zum Talbot-SIMCA 1610, die 2L-Modelle wurde in Talbot-SIMCA 2L umbenannt. Das Talbot-Typenschild erschien auf der Haube, der Chrysler-Pentastar blieb allerdings in der Mitte des Grills. Im letzten Baujahr 1980 gab es nun auch ein manuelles Getriebe.

Im Herbst 1980 wurde der als Chrysler Projekt C9 entwickelte Nachfolger Talbot Tagora präsentiert, der jedoch auf Grund geringer Nachfrage bereits 1984 wieder eingestellt wurde. 1986 stellt PSA die Marke Talbot ganz ein.

Die Produktion des 1610/2L wurde 1981 in Frankreich eingestellt. Nur in Spanien, wo er auch mit einem Dieselmotor von Barreiros angeboten wurde, lief die Produktion noch einige Zeit weiter, denn dort verkaufte sich das Auto sehr gut als Taxi. Auf der Fertigungsstraße des 2L lief später die Produktion des Talbot Tagora an.

Rezeption auf dem Markt

Die großen Chrysler-Limousinen verkauften sich generell schlecht. Weder auf dem britischen noch auf dem kontinentaleuropäischen Markt konnten sie sich gegen ihre Konkurrenten durchsetzen. Dies hatte unterschiedliche Gründe. Die Presse fand in ausgiebigen Tests zwar keine besonderen Schwächen, aber auch keine herausragenden Stärken des Wagens. Es war, wie die Zeitschrift MOTOR Anfang 1971 schrieb, ein "in jeder Hinsicht durchschnittliches Auto". Neben den fehlenden besonderen Eigenschaften wirkte sich negativ aus, dass der neue große Chrysler aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte weder in Frankreich noch in Großbritannien als einheimisches Fahrzeug akzeptiert wurde, sondern auf allen Märkten nachhaltig als ausländisches Modell wahrgenommen wurde, was sich auch in dem für den europäischen Geschmack unglücklichen Design dokumentierte. Das Marketing des ersten Jahres trug nicht dazu bei, die Position des Autos zu unterstützen. Die Werbung unterstützte zunächst den Eindruck der Beliebigkeit. Bei der Präsentation wurde der neue Wagen als "An American From Paris" vorgestellt.

In Australien: Chrysler Centura

Hauptartikel: Chrysler Centura

Chrysler Centura; verlängertes Vorderteil für die Aufnahme des Sechszylindermotors

Eine Variante dieses Modells war der Chrysler Centura, der von 1975 bis 1978 in Australien gebaut wurde. Dort sollte er das Modellprogramm um ein Auto unterhalb des Chrysler Valiant ergänzen. Da in Australien größere Motoren bevorzugt wurden, erhielt der Centura als Basismotorisierung den 1980cm³ großen Motor des europäischen 2 Litres. Darüber hinaus gab es ihn aber auch mit zwei aus dem Valiant übernommenen Sechszylindermotoren mit 3.500 cm³ und 140 PS (103 kW) bzw. mit 4.000 cm³ und 165 PS (121 kW). Damit die größeren Sechszylindermotoren in das Auto passten, wurde der Vorderwagen gegenüber dem französischen Modell etwas verlängert und neu gestaltet. Der Centura erhielt auch andere Heckleuchten. Chrysler Australia unternahm darüber hinaus einige Versuche, einen 5,2 Liter großen Achtzylinder amerikanischer Produktion in den Centura einzupassen. Das Triebwerk fand zwar im Motorraum des Centura Platz, die Karosseriestruktur erwies sich aber als nicht stark genug, um den schweren Motor zuverlässig zu tragen. Daher wurde die Idee eines Achtzylinder-Centura nach der Herstellung einzelner Prototypen aufgegeben.

Die für 1973 vorgesehene Einführung des Centura auf dem australischen Markt verzögerte sich, weil die australischen Gewerkschaften wegen der französischen Atombombenversuche im Südpazifik zu einem Boykott aller französischen Waren aufgerufen hatten. Daher konnten die aus Frankreich eingeführte Teile in den australischen Häfen zunächst nicht ausgeladen werden. Als der Centura 1975 endlich zum Verkauf stand, wurde er in der Presse als ein bereits überholtes Modell kritisiert. Noch problematischer war der Umstand, dass viele Metallteile, die bis zu zwei Jahre lang in australischen Häfen gelagert hatten, in der Wartezeit korrodiert waren und in bereits deutlich angerostetem Zustand verbaut werden mussten.

Der Centura wurde kein Erfolg; das Modell wurde bereits 1978 wieder aus dem Angebot gestrichen. Insgesamt entstanden weniger als 20.000 Exemplare des Centura.

Quellen

  • Automobil Revue, Katalognummer 1973 (für technische Daten)
  • Graham Robson: The Cars of the Rootes Group, London 2007, ISBN 978-1-903088-29-6

Weblinks


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