Liste griechischer Phrasen/Tau

Liste griechischer Phrasen/Tau

Inhaltsverzeichnis

τὰ ἑπτὰ θεάματα τῆς οἰκουμένης

τὰ ἑπτὰ θεάματα τῆς οἰκουμένης
tà heptà theámata tēs oikoumenēs
„die sieben Sehenswürdigkeiten der bewohnten [Erde]“

Die erste vollständige Liste der „Sieben Weltwunder“ findet sich in einem Epigramm des phönizischen Schriftstellers Antipatros von Sidon, der im 2. Jahrhundert v. Chr. einen Reiseführer des großgriechischen Raumes im Altertum schrieb.

Philon von Byzanz beschrieb sie in der Schrift „Περὶ τῶν ἑπτὰ θεαμάτων“ - De septem mundi miraculis - Die Sieben Weltwunder:

Bild Ort griechisch deutsch
Alexandria ὁ Φάρος Ἀλεξανδρινóς
ho Pharos Alexandrinos
Φάρος της Αλεξάνδρειας
Leuchtturm auf der Insel Pharos
Gizeh Μεγάλη πυραμίδα
Πυραμίδες της Γκίζα
Pyramiden von Gizeh
Olympia ὁ τοῦ Φειδίου Ζεὺς Ὀλύμπιος
ho tou Pheidiou Zeus Olympios
Άγαλμα του Ολυμπίου Διός
Zeusstatue des Phidias
Babylon οἱ τῆς Σεμιράμιδος Κῆποι Κρεμαστοὶ Βαβυλώνιοι
hoi tēs Semiramidos Kēpoi Kremastoi Babylōnioi
Κρεμαστοί κήποι της Βαβυλώνας
Hängende Gärten der Semiramis
Halikarnassos τὸ Μαυσσώλειον Ἁλικαρνασσεύς
to Maussōleion Halikarnasseus
Μαυσωλείο της Αλικαρνασσού
Mausoleum des König Mausolos II.
Rhodos ὁ Κολοσσὸς Ῥόδιος
ho Kolossos Rhodios
Κολοσσός της Ρόδου
Koloss von Rhodos
Ephesos ὁ ναὸς τῆς Ἀρτέμιδος Ἐφεσίης
ho naos tēs Artemidos Ephesiēs
Ναός της Αρτέμιδος στην Έφεσο
Tempel der Artemis

Da die Liste in Vorderasien entstand, befanden sich auch vier der der sieben Weltwunder dort. Diese Liste wurde im Lauf der Jahre oft geändert und den Reisegewohnheiten der jeweiligen Gesellschaften angepasst. Heute existieren von diesen Weltwundern nur noch die Pyramiden von Gizeh. Die anderen wurden durch Erdbeben und Kriege zerstört oder zerfielen. Die ursprünglich aufgelisteten Stadtmauern von Babylon wurden durch den Geschichtsschreiber Gregor von Tours im 6. Jahrhundert aus der Liste entfernt, da sie zerstört waren, und durch den Leuchtturm von Alexandria ersetzt.

Τὰ ζῷα τρέχει.

Τὰ ζῷα τρέχει.
Ta zōa trechei.
„Die Tiere laufen.“

Dieser altgriechische Satz veranschaulicht die grammatikalische Regel, dass neutrale Nomina im Plural mit Verbformen im Singular verbunden sind. Dies ist vermutlich der Rest einer urindogermanischen Kollektivform, die bereits im klassischen Griechischen verschwand.

Diese Verbindung von Neutra im Plural mit Verben im Singular gibt es im modernen Griechischen nicht mehr. Der obige Satz lautet jetzt:

Τα ζώα τρέχουν.

Τὰ Καίσαρος ἀπόδοτε Καίσαρι καὶ τὰ τοῦ θεοῦ τῷ θεῷ.

Denar des Kaisers Tiberius, der zu Lebzeiten Jesu Kaiser war
Τὰ Καίσαρος ἀπόδοτε Καίσαρι καὶ τὰ τοῦ θεοῦ τῷ θεῷ.
Ta Kaisaros apodote Kaisari kai ta tou theou tō theō.
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.“

Antwort Jesu auf die Fangfrage, ob es Juden erlaubt sei, dem römischen Kaiser Steuern zu zahlen. Zitiert nach dem Evangelium nach Markus. [1]:

14 Sie aber kommen und sagen zu ihm: Lehrer, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und dich um niemand kümmerst; denn du siehst nicht auf die Person der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes in Wahrheit; ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht? Sollen wir sie geben, oder sollen wir sie nicht geben?
15 Da er aber ihre Heuchelei kannte, sprach er zu ihnen: Was versuchet ihr mich? Bringet mir einen Denar, auf daß ich ihn sehe.
16 Sie aber brachten ihn. Und er spricht zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Überschrift? Und sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. 17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Und sie verwunderten sich über ihn. [2]

Die Frage nach der Steuer an die römischen Besatzer wurde unter den Juden heftig diskutiert. Ein Ja zu dieser Steuer hätte Jesus in Konflikt mit den Juden, ein Nein in Konflikt mit den Römern gebracht. Die Steuermünze war ein silberner Denar mit einem Bild des römischen Kaisers, was die Juden wegen der Tendenz zur Vergöttlichung ablehnten.

τὰ μετὰ τὰ φυσικά

τὰ μετὰ τὰ φυσικά
ta meta ta physika
„das nach der Physik“

Die Metaphysik ist ein zusammengefasstes Werk des Philosophen Aristoteles, das einem Teilgebiet der Philosophie seinen Namen gegeben hat. Unter der Sammelbezeichnung Metaphysik haben Aristoteles' Schüler, vermutlich der Peripatetiker Andronikos von Rhodos im 1. Jahrhundert v. Chr., unterschiedliche, zum Teil unabhängige Schriften in 14 Büchern zusammengefasst. Der Name rührt vermutlich von der Einordnung im Gesamtkontext der Werke des Philosophen. Der Titel bezeichne die Bücher, die der Physik nachgeordnet sind.

Aristoteles selbst nannte den Gegenstand seiner Wissenschaft „Erste Philosophie“ (πρώτη φιλοσοφία - protē philosophia) oder auch „Theologische Wissenschaft“ (ἐπιστήμη θεολογίκη - epistēmē theologikē). In einer Dissertation der Humbold-Universität über die Metaphysik bei Martin Heidegger heißt es:

Der griechische Name der Metaphysik »μετὰ τὰ φυσικά« bedeutet Heidegger zufolge genau dasjenige, was „»über« das Seiende als solches hinausgeht.“ [3]

Τα μυαλά σου και μιά λίρα.

Τα μυαλά σου και μιά λίρα.
„Dein Hirn oder ein Pfund!“

Während der ottomanischen Besatzung gab es in Athen einen riesigen Albaner (Κιουλάκ Βογιατζή), der alle sechs Monate in den Häusern der christlichen Griechen die Kopfsteuer (dschizya) einsammelte. Er trug eine große Keule in der Hand und drohte damit, den Leuten das Gehirn zu zertrümmern, wenn sie ihm nicht ein goldenes Pfund-Stück gäben. Er war aber geistig so weit zurückgeblieben, dass er die verschiedenen Münzen nicht unterscheiden konnte und die Athener gaben ihm glänzende Kupfermünzen, die sie ihm als Goldmünzen schmackhaft machten.

Τὰ πάντα ἐξ ὕδατος εἶναι.

Wasser (H2O) ist die einzige chemische Verbindung, die von Natur aus in allen drei Aggregatzuständen vorkommt.
Τὰ πάντα ἐξ ὕδατος εἶναι / καὶ εἰς ὕδωρ πάλιν ἀναλύεσθαι.
Ta panta ex hydatos einai / kai eis hydōr palin analyesthai.
„Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser, denn Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück.“

Zitat des Naturphilosophen, Staatsmannes, Mathematikers, Astronomen und Ingenieurs Thales von Milet. Seine Philosophie basiert zum Teil auf der Behauptung, dass alles aus Wasser entstanden sei. Thales glaubte einen Kreislauf des Werdens zu erkennen. Dabei musste der gesuchte Urstoff nicht nur allgemein verbreitet, sondern auch wandlungsfähig sein. All diese Kriterien erfüllte das Wasser, denn Wasser benötigen alle Lebewesen und Wasser tritt in verschiedenen Aggregatzuständen auf:

  1. als Eis,
  2. als Flüssigkeit
  3. oder als Dampf.

Diese Hypothese wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen, als man annahm, dass sich alles aus Wasserstoff entwickelt hat.

Der Philosoph Wilhelm Weischedel zitiert in seinem Buch Die philosophische Hintertreppe Aristoteles, der annahm, Thales habe mit dem „Wasser“ den „Okeanos“ gemeint, jenen Urstrom, der die Erdkuppel umfließe.

Thales wird auch der Ausspruch „Wasser ist das Beste“ (Ἄριστον μὲν ὕδωρ.) zugeschrieben.

τα σάνδαλα του Εμπεδοκλή

τα σάνδαλα του Εμπεδοκλή
„die Sandalen des Empedokles“

Zum Tod des Philosophen Empedokles erzählt der Philosophiehistoriker Diogenes Laertios, dass sich Empedokles entschied, den verbreiteten Glauben, er sei zum Gott geworden, zu bestärken in dem er sich in den Ätna stürzte, um keine Spuren auf der Erde zu hinterlassen. Doch der Krater spuckte seine Sandalen wieder aus.

Der Dichter Friedrich Hölderlin untersucht diese Figur zwischen „Übermuth“ und „Grosmuth“ in seinem Drama Der Tod des Empedokles, von dem er drei Fassungen ausarbeitete. Von ihm stammt auch das folgende Gedicht:

Das Leben suchst du, suchst, und es quillt und glänzt
Ein göttlich Feuer tief aus der Erde dir,
Und du in schauderndem Verlangen
Wirfst dich hinab, in des Aetna Flammen.[4]

Bertolt Brecht verwendet diese Legende als Fabel, um in seinem Lehrgedicht Der Schuh des Empedokles den Führerkult zu kritisieren.

Die Sandalen des Empedokles ist auch der Titel eines Buchs von Norbert Wokart, mit dem Untertitel Eine kleine Philosophie des Alltags.

Ταντάλειοι τιμωρίαι

Ταντάλειοι τιμωρίαι
Tantaleioi timōriai
„Tantalusqualen“
„Tantali poenae“

Tantalos frevelte gegen die Götter und zog damit einen Fluch auf sein Haus. Als die Götter zu einem Gastmahl bei Tantalos kamen, versuchte er, ihre Allwissenheit auf die Probe zu stellen: Er tötete seinen jüngsten Sohn Pelops und ließ ihn den Göttern als Mahl zurichten, jedoch so, dass sie sein Tun nicht erkennen sollten. Die Götter verstießen Tantalos in den Tartaros und peinigten ihn dort mit ewigen Qualen.

Der Humanist Erasmus von Rotterdam schreibt in seiner Sprichwörtersammlung Adagia:

Von Tantalusqualen spricht man, wenn einem Menschen alle Güter zur Verfügung stehen, ihr Genuß ihm jedoch verwehrt ist. Das geht zurück auf die Sage von Tantalus, dessen Schicksal in der Unterwelt die Dichter folgendermaßen darstellen: Er steht in einem Fluß und leidet Durst; denn wenn er sich bückt, um zu trinken, weicht das Wasser sogleich vor seinen Lippen zurück; über seinem Haupt ragt ein Baum, beladen mit Früchten, doch sobald er seine Hand danach ausstreckt, entzieht er sich ihm. So leidet der Ärmste mitten im Überfluß qualvolle Not.[5]

Der römische Dichter Horaz schreibt in seinen Satiren:

Tantalus hascht voller Durst nach der Flut,
die ihm vor den Lippen Immer entschwindet.
Du lachst? Vertausch' nur die Namen: die Sage
Gilt ja von dir. Du schläfst, stets lauernd voll Gier, auf den Säcken,
Die du ringsum dir verschaüt, und fühlst den Zwang, sie zu schonen,
Grade als ob sie geweiht oder Bilder wären zum Anschaun.

Ταράττει τοὺς ἀνθρώπους οὐ τὰ πράγματα, ἀλλὰ τὰ περὶ τῶν πράγματων δόγματα.

Phantasieportrait des Philosophen Epiktet
Ταράττει τοὺς ἀνθρώπους οὐ τὰ πράγματα, ἀλλὰ τὰ περὶ τῶν πράγματων δόγματα.
Tarattei tous anthrōpous ou ta pragmata, alla ta peri tōn pragmatōn dogmata.
„Nicht die Tatsachen beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen über die Tatsachen.“

Feststellung aus dem Handbüchlein der Moral des stoischen Philosophen Epiktet, einem Sklave des Epaphroditos in Rom, der von diesem nach dem Tod des Kaisers Nero freigelassen wurde.

Dieser Satz kann als Quintessenz seiner Lehre betrachtet werden, und auf diesen Leitsatz bezog sich auch Albert Ellis bei der Entwicklung seiner Rational-Emotiven Therapie, die davon ausgeht, dass entscheidende Ursachen psychischer Störungen in irrationalen Denkmustern zu suchen sind.

Auch die Maxime vieler Sucht-Selbsthilfegruppen wie z.B. der Anonymen Alkoholiker lässt sich auf Epiktet zurückführen:

Nimm hin, was du nicht ändern kannst, habe den Mut zu ändern, was du ändern kannst, und entwickle die Fähigkeit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Auf die Politik bezogen lässt sich feststellen:

In der Politik entscheiden nicht die Tatsachen, sondern die Meinung über Tatsachen.

Dies ist ein Thema, mit dem sich auch Hannah Arendt in ihrem Essay Wahrheit und Politik beschäftigte.

Τεθνάμεναι γὰρ καλὸν ἐνὶ προμάχοισι πεσόντα.

Τεθνάμεναι γὰρ καλὸν ἐνὶ προμάχοισι πεσόντα / ἄνδρ' ἀγαθὸν περὶ ἧι πατρίδι μαρνάμενον·
Tethnamenai gar kalon eni promachoisi pesonta andr' peri hēi patridi marnamenon;
„Denn das Sterben ist schön, wenn einer in vorderster Reihe fallt, während er als tapferer Krieger für sein Vaterland kämpft;“

Dieses Tyrtaios-Zitat [6] wurde in der lateinischen Form des Dichters Horaz bekannt. Tyrtaios gilt als Archetyp eines Kriegsdichters. Thema seiner Gedichte war vor allem der Kampf der Spartaner gegen die von ihnen unterworfenen Messenier im Zweiten Messenischen Krieg. Tyrtaios forderte dabei die spartanischen Soldaten zum Durchhalten und zur Unterordnung auf. Dieses berühmte Horaz-Zitat stammt aus dessen Liedern und lautet:

Dulce et decorum est pro patria mori. [7]
Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.

Bertolt Brecht kritisierte im Kriegsjahr 1917 als Unterprimaner in einem Aufsatz diesen Spruch mit folgenden Worten:

Der Ausspruch, dass es süß und ehrenvoll sei, fürs Vaterland zu sterben, kann nur als Zweckpropaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bette wie im Schlachtfeld, am meisten gewiss jungen Menschen in der Blüte ihrer Jahre.[8]

Brecht wurde dafür mit einem Schulverweis bestraft. Nur die angesehene Stellung seines Vaters und die Intervention eines Religionslehrers, bewahrten ihn davor von der Schule verwiesen zu werden. Man beschließt, dass ein verwirrtes Schülerhirn diese Worte geschrieben habe und lässt ihn sein Notabitur machen.

Τετέλεσται.

Ge: der sterbende Jesus
Τετέλεσται.
Tetelestai.
„Es ist vollbracht.“
„Consummatum est.“

Nach dem Evangelium nach Johannes die letzten Worte des gekreuzigten Jesus [9]. Diese Worte zählen auch zu den Sieben Letzten Worten, denen im Christentum besondere Bedeutung beigemessen wird.

Jesus sagte zu den Soldaten: „Ich habe Durst!“ Ein Soldat tauchte einen Schwamm in einen Krug mit Essigwasser, steckte ihn auf einen Stab und hielt ihm den Schwamm an den Mund. Als Jesus davon getrunken hatte, rief er: „Es ist vollbracht!“, senkte den Kopf und starb.

Nach allgemeiner theologischer Auffassung meint Jesus hier nicht nur, dass sein Leben nun zu Ende geht, sondern dass sein Werk als Erlöser nun vollendet ist.

Τέτλαθι δή, κραδίη· καὶ κύντερον ἄλλο ποτ' ἔτλης.

Τέτλαθι δή, κραδίη· καὶ κύντερον ἄλλο ποτ' ἔτλης.
Tetlathi dē, kradiē; kai kynteron allo pot' etlēs.
„Dulde, mein Herz! Du hast noch härtere Kränkung erduldet.“

Resignierende Äußerung des Odysseus, der bei seiner Heimkehr als unerkannter Fremder die Unarten der Mägde und die Frechheit der Freier in seinem eigenen Haus zur Kenntnis nehmen muss. Beim Mahl wird gar ein ein Kuhfuß nach Odysseus geworfen. Der beherrscht sich aber und denkt zurück an die Situation als der Kyklop Polyphem seine Gefährten fraß:

Aber er schlug an die Brust, und sprach die zürnenden Worte:
Dulde, mein Herz! Du hast noch härtere Kränkung erduldet,
Damals, als der Kyklop, das Ungeheuer! die lieben
Tapfern Freunde dir fraß. Du duldetest, bis dich ein Anschlag
Aus der Höhle befreite, wo dir dein Tod schon bestimmt war. [10]

Gustav Schwab erzählt die Ereignisse in seinen Sagen des klassischen Altertums so nach:

Endlich sprach eine junge, schöne Dienerin, Melantho, welche von Penelope wie ein Kind aufgezogen worden, die aber jetzt mit dem Freier Eurymachos in schändlichem Einverständnisse lebte, die frechen Schmähworte: ‚Du elender Bettler, du bist ein rechter Narr, daß du nicht in eine Schmiedeesse oder andere Herberge schlafen gehest und hier, wo soviel edlere Männer sind als du, uns Gesetze vorschreiben willst.‘[11]

Dann wendet sich ein Freier an Odysseus und sagt:

Hör, Bursche, hättest du nicht Lust, dich mir zum Knechte zu verdingen, mir auf meinen Gütern die Dornen einzusammeln und Bäume zu pflanzen? An Kost und Nahrung sollte dir's nicht gebrechen. Aber ich merke wohl, du bettelst lieber und füllst dir deinen Bauch mit Almosen, was keinen Schweiß kostet.[12]

Τέτταρα δὲ τοῖς στοιχείοις ἰσάριθμα, λευκὸν μέλαν ἐρυθρόν ὠχρόν.

Goethes Farbenkreis
Τέτταρα δὲ τοῖς στοιχείοις ἰσάριθμα, λευκὸν μέλαν ἐρυθρόν ὠχρόν.
Tettara de tois stoicheiois isarithma, leukon melan erythron ōchron.
„Es gebe vier Farben, genau so viele wie Elemente: Weiß, Schwarz, Rot und Gelb-Grün.“

Der Philosoph Empedokles schuf schon lange vor Goethe eine Farbenlehre. Er erklärte, die Farben seien das in die Poren des Auges Hineinpassende und behauptete, dass die Farben erst im Auge zusammengesetzt werden. Ihre Verschiedenheit rühre von der unterschiedlichen Mischung der Elemente her. [13]

Die vier Grundfarben (Weiß, Schwarz, Rot und Ockergelb) ordnete Empedokles den Vier-Elementen zu, die jeweils vier Eigenschaften besitzen:

Farbe griech. deutsch Element Eigenschaft
λευκὸς Weiß Feuer heiß + trocken
μέλας Schwarz Wasser kalt + feucht
ἐρυθρός Rot Luft feucht + heiß
ὠχρός Ockergelb Erde trocken + kalt

Das Altgriechische unterschied nicht zwischen der Farbe von Honig und von Gras. Vermutlich war das Gras im eher trockenen und heißen Mittelmeerklima Griechenlands nicht lange genug grün, sondern zumeist gelb, wie eben der Honig. Eine eigenständige Begriffsprägung findet sich nicht.

Die chinesische Fünf-Elemente-Lehre nimmt eine andere Einteilung vor:

Farbe chines. Element Eigenschaft
Holz windig
Feuer heiß
Erde feucht
Metall trocken
Wasser kalt

Τήμερον οὐδεμίαν γραμμὴν ἤγαγον.

Τήμερον οὐδεμίαν γραμμὴν ἤγαγον.
Tēmeron oudemian grammēn ēgagon.
„Heute habe ich keine Linie gezogen.“

Der berühmte Maler Apelles hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, keinen Tag verstreichen zu lassen, ohne dass er sich wenigstens durch das Ziehen einer Linie in seiner Kunst übte. Apelles galt als die „Krönung der antiken Malerei“ und ist der erste Künstler, von dem bekannt ist, dass er ein Selbstportrait anfertigte. Keines seiner Gemälde ist erhalten, sie sind nur in Beschreibungen überliefert.

  • Lateinisch: „Nulla dies sine linea.“ („Kein Tag ohne Linie.“)

Auf Apelles geht das deutsche Sprichwort „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ zurück. Dieser versteckte sich gerne hinter seinen Bildern, um auf Urteile der Betrachter zu lauschen. Einst hätte ein Schuster bemängelt, die gemalten Schuhe hätten eine Öse zu wenig. Apelles habe das Bild korrigiert. Doch nun habe der Schuster auch etwas an den Schenkeln auszusetzen gehabt. Daraufhin habe Apelles ihm entgegnet, dass ein Schuster das nicht beurteilen könne, was über dem Schuh ist. Die Anekdote wurde bei Plinius dem Älteren lateinisch überliefert: „...ne supra crepidam sutor iudicaret...“, daher die lateinische Redewendung „Ne supra crepidam sutor“. [14]

τὴν αὑτοῦ σκιὰν φοβεῖσθαι

τὴν αὑτοῦ σκιὰν φοβεῖσθαι
tēn autou skian phobeisthai
„seinen eigenen Schatten fürchten“
„umbram suam metuere“

Der Humanist Erasmus von Rotterdam schreibt in seiner Sprichwörtersammlung Adagia:

Sich vor seinem eigenen Schatten fürchten heißt: in kindische Angst geraten, wo es gar nichts zu fürchten gibt. Der Ausdruck geht entweder darauf zurück, daß manche Menschen erschreckt zusammenfahren, wenn sie zufällig den Schatten ihrer eigenen Gestalt sehen, oder darauf, daß Leute, die an einer bestimmten Art von Melancholie leiden, wegen der Schwäche ihrer Augen unmittelbar vor sich so etwas wie ihre eigene Gestalt wahrnehmen und meinen, sie sähen ihren eigenen Geist; das steht bei Aristoteles.[15]

Τῆς δ᾽ ἀρετῆς ἱδρῶτα θεοὶ προπάροιθεν ἔθηκαν ἀθάνατοι·

Der breite und der schmale Weg
Τῆς δ᾽ ἀρετῆς ἱδρῶτα θεοὶ προπάροιθεν ἔθηκαν ἀθάνατοι·
Tēs d᾽ aretēs idrōta theoi proparoithen ethēkan athanatoi;
„Vor die Tugend haben die unsterblichen Götter den Schweiß gesetzt.“

Zitat aus den Schriften des Dichters Hesiod [16], wo es weiter heißt:

...und lang und steil ist der Weg zu ihr, und rauh zu Anfang.

Der Satz steht im Zusammenhang mit der Geschichte von Herakles am Scheideweg, der als junger Mann an eine Weggabel kam, wo ihm zwei Frauen entgegen traten. An einem Weg stand eine Frau in kostbaren Gewändern, üppig geputzt, am anderen hingegen eine Frau in schlichter Kleidung, die bescheiden den Blick senkte. Zuerst sprach ihn die prächtige Frau (die Lust) an:

Wenn du meinem Weg folgst, Herakles, so wirst du ein Leben voller Genuss und Reichtum haben. Weder Not noch Leid werden dir hier begegnen, sondern nur die Glückseligkeit!

Dann die andere (die Tugend):

Die Liebe der Götter und seiner Mitmenschen lassen sich nicht ohne Mühsal erreichen. Auf dem Weg der Tugend (griechisch areté) wird dir viel Leid widerfahren, doch dein Lohn werden Achtung, Verehrung und Liebe der Menschen sein. Nur du kannst entscheiden, welcher Weg der deinige sein soll.

Der breite und der schmale Weg waren auch ein oft dargestelltes Bildmotiv des Pietismus.

Τί δύσκολον; Τὸ ἑαυτὸν γνῶναι.

Τί δύσκολον; Τὸ ἑαυτὸν γνῶναι.
Ti dyskolon? To heautōn gnōnai.
„Was ist schwierig? Sich selbst zu kennen.“

Eine der Grundfragen des Naturphilosophen, Staatsmanns, Mathematikers, Astronomen und Ingenieurs Thales von Milet, die an das berühmte delphische Γνῶθι σεαυτόν. anklingt.

Frage Antwort
Τί δύσκολον;
Ti dyskolon?
„Was ist schwierig?“
Τὸ ἑαυτὸν γνῶναι.
To heautōn gnōnai.
„Sich selbst zu kennen.“
Τί εὔκολον;
Ti eukolon?
„Was ist leicht?“
Τὸ ἄλλῳ ὑποτίθεσθαι.
To allō hypotithesthai.
„Anderen Ratschläge zu erteilen.“
Τί ἰσχυρότατον;
Ti ischyraton?
„Was ist das Stärkste?“
ἀνάγκη· μόνον γὰρ ἀνίκητον.
Anangkē; monon gar anikēton.
„Die Notwendigkeit, denn sie beherrscht alles.“
Τί κάλλιστον;
Ti kalliston?
„Was ist das Schönste?“
κόσμος· πᾶν γὰρ τὸ κατὰ τάξιν τούτου μέρος ἐστί.
Kosmos; pan gar to kata taxin toutou meros esti.
„Die Welt; denn sie ist die Schöpfung Gottes.“
Τί κοινότατον;
Ti koinotaton?
„Was ist das Allgemeinste?“
Ἐλπίς. Καὶ γὰρ οἳς ἄλλο μηδέν, αὔτη παρέστη.
Elpis. Kai gar hois allo mēden, autē parestē.
„Die Hoffnung. Wenn alles andere weg ist, bleibt sie allein.“
Τί μέγιστον;
Ti megiston?
„Was ist das Größte?“
Τόπος· τἄλλα μὲν γὰρ ὁ κόσμος, τὸν δὲ κόσμον οὗτος περιέχει.
Topos; talle men gar ho kosmos, ton de kosmon houtos periechei.
„Der Raum, denn er umfasst alles.“
Τί πρεσβύτατον;
Ti presbytaton?
„Was ist das Älteste?“
θεός· ἀγέν νητον γάρ ἐστι.
Theos; agen nēton gar esti.
„Gott; er ist nämlich das Nichtgeborene.“
Τί σοφώτατον;
Ti sophotaton?
„Was ist das Weiseste?“
χρόνος· τὰ μὲν γὰρ εὕρηκεν οὗτος ἤδη, τὰ δ´ εὑρήσει.
Chronos; ta men gar heurēken autos hēdē, ta d' heurēsei.
„Die Zeit, denn sie findet alles heraus.“
Τί τάχιστον;
Ti tachiston?
„Was ist das Schnellste?“
Νούς. Διὰ παντὸς γὰρ τρέχει.
Nous. Dia pantos gar trechei.
„Der Geist. Er durcheilt alles.“

Der Philosoph Wilhelm Weischedel fragt, warum die meisten Forscher Thales als einen Begründer der Philosophie betrachten und gibt auch gleich selbst die Antwort:

Es geht ihm nicht um die Dinge, sondern um das Wesen der Dinge. Er will dahinter kommen, was es in Wahrheit mit dem auf sich hat, was sich in so vielfältigen Gestalten in der Welt findet: mit den Bergen, den Tieren und den Pflanzen, mit dem Wind und den Sternen, mit dem Menschen, seinem Tun und seinem Denken. Was ist das Wesen von alledem, fragt Thales. Und weiter: woher kommt, woraus entspringt das alles? Was ist der Ursprung von allem? Was ist das Eine, alles Umfassende, das Prinzip, das macht, dass das alles wird und ist und besteht? Das sind, wenn auch von ihm selber nicht so ausgesprochen, die Grundfragen des Thales, und indem er sie als Erster stellt, wird er zum Anfänger der Philosophie.[17]

Τί ἐστιν ὃ μίαν ἔχον φωνὴν τετράπουν καὶ δίπουν καὶ τρίπουν γίνεται;

Ödipus und die Sphinx
Τί ἐστιν ὃ μίαν ἔχον φωνὴν τετράπουν καὶ δίπουν καὶ τρίπουν γίνεται;
Ti estin ho mian echon phōnēn tetrapoun kai dipoun kai tripoun ginetai.
„Was ist (etwas), das eine Stimme hat und vierbeinig, zweibeinig und dreibeinig wird.“

Rätselfrage der Sphinx an Ödipus. Das Rätsel der Sphinx lautete vollständig:

Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein in der Zahl seiner Füße; aber eben, wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit bei ihm am geringsten.

Ödipus antwortete:

Du meinst den Menschen, der am Morgen seines Lebens, solange er ein Kind ist, auf zwei Füßen und zwei Händen kriecht. Ist er stark geworden, geht er am Mittag seines Lebens auf zwei Füßen, am Lebensabend, als Greis, bedarf er der Stütze und nimmt den Stab als dritten Fuß zu Hilfe.[18]

Darauf stürzte sich das Ungeheuer in den Tod. Für seine Befreiung Thebens von der Sphinx bekam Ödipus die Königswitwe Iokaste zur Frau – ohne zu wissen, dass es sich dabei um seine eigene Mutter handelte.

Der französische Literatur-Nobelpreis-Träger André Gide sagte zu diesem Rätsel:

Egal, was mich die Sphinx gefragt hätte, ich hätte immer gesagt: Der Mensch!
Denn es ist doch der Mensch, um den alle Rätsel sich ranken! Und was gibt es Interessanteres als den Menschen? Er ist es, der ein Bewusstsein seiner selbst und seiner Lebensstadien hat.

Τί οὖν τὸ ἀγαθόν, τὸ καλόν, τὸ ὄν;

Τί οὖν τὸ ἀγαθόν, τὸ καλόν, τὸ ὄν;
Ti oun to agathon, to kalon, to on;
„Was ist nun das Gute, das Schöne, das Seiende?“

Frage in den Dialogen des Platon, der die höchsten Ideen das Wahre, das Schöne und das Gute als so unantastbar beschrieb, dass selbst Gott nicht darüber stehen kann. Dieser sei vielmehr eine Manifestation des Guten, des Wahren und des Schönen.

Platon schrieb im Dialog Phaidros, dass ein wahrer Philosoph sich dadurch auszeichne, dass er noch über wertvolleres Wissen verfüge als das, was er aufgeschrieben habe:

Wer aber die Wissenschaft des Gerechten und des Schönen und des Guten inne hat, wollen wir sagen, daß der weniger Verstand habe hinsichtlich seines Samens als der Landmann?[19]

Τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν;

Penelope trifft auf den heimgekehrten Odysseus
Τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν;
Tis pothen eis andrōn?
„Wer, woher bist du unter den Menschen?“

Frage an Odysseus in der Odyssee (X 325), als er bei den Phäaken Aufnahme findet:

Τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν; πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες; (Tis pothen eis andrōn? Pothen to polis ēde tokēnes?)
Wer, woher bist du unter den Menschen? Wo (sind) dir Heimatstadt und Eltern?

So fragt auch seine Frau Penelope als Odysseus nach zehnjähriger Irrfahrt als Bettler verkleidet nach Ithaka zurückkommt. [20]

Τὸ ἀδικεῖν τοῦ ἀδικεῖσθαι κάκιον.

Τὸ ἀδικεῖν τοῦ ἀδικεῖσθαι κάκιον.
To adikein tou adikeistai kakion.
„Es ist besser, Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun.“

Platons Dialog Gorgias gliedert sich in drei Teile [21]:

  1. Sokrates redet mit dem berühmten Redner Gorgias über die Redekunst.
  2. Sokrates redet mit dem Sophisten Polos über das Verhältnis von Unrecht leiden und Unrecht tun
  3. Sokrates spricht mit dem Politiker Kallikles über die Rolle der Tugend in der Staatsführung.

Polos wird als junger sophistischer Heißsporn dargestellt, der für Macht bereit ist, sogar Verbrechen zu begehen, wenn nur der Anschein eines moralischen Verhaltens gewahrt bleibt und er nicht bestraft werden kann. Polos äußert, dass er einen Menschen für beneidenswert halte, der tun könne, was er wolle:

Polos: „Wer also einen tötet nach Gutdünken und mit Recht tötet, der soll unglücklich sein und bemitleidenswert?
Sokrates: „O nein; aber auch nicht beneidenswert.

Sokrates dagegen sagt, dass selbst wenn das im Recht geschehe nicht beneidenswert sei, grundsätzlich aber Unrecht leiden besser sei als Unrecht zu tun:

Wenn ich aber notwendig Unrecht tun oder leiden müßte, so würde ich das Leiden dem Tun vorziehen.[22]

Τὸ αἷμα αὐτοῦ ἐφ᾿ ἡμᾶς καὶ ἐπὶ τὰ τέκνα ἡμῶν.

Τὸ αἷμα αὐτοῦ ἐφ᾿ ἡμᾶς καὶ ἐπὶ τὰ τέκνα ἡμῶν.
To haima autou eph’ hēmas kai epi ta tekna hēmōn.
Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.

Stelle aus dem Evangelium nach Matthäus [23], die im Mittelalter (und danach) zur Schuldanklage gegen die Juden als Gottesmörder herangezogen wurde. Damit übernahm die jüdische Menge aus Sicht des Matthäus die Folgen eines Unrechtsurteils des Pilatus gegen Jesus. Dies entsprach dem jüdischen Glauben an die Sühne ungesühnter Sünden durch die Folgegeneration. Demgemäß verstanden die Urchristen die Zerstörung Jerusalems im Jüdischen Krieg als Strafe Gottes für die Ablehnung seines Sohnes.

Das in der Volksfrömmigkeit verankerte Motiv trug wesentlich dazu bei, dass Judenfeindlichkeit 1.800 Jahre lang ein „kulturelles Grundmuster" [24] der Geschichte Europas wurde.

Die Apostel-Predigten der Urchristen reden die Jerusalemer Juden als Täter an:

Ihn, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben wurde, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und getötet.[25]

Τὸ γὰρ ἡδύ, ἐὰν πολύ, οὐ τι γὲ ἡδύ.

Τὸ γὰρ ἡδύ, ἐὰν πολύ, οὐ τι γὲ ἡδύ.
To gar hēdy, ean poly, ou ti ge hēdy.
„Etwas Süßes zu häufig gekostet ist nicht lange süß.“

Dieses alte griechische Sprichwort spricht von der Abstumpfung.

Το δάσος αγαπάει Εσύ;

Waldbrand 2007
Το δάσος αγαπάει Εσύ;
„Der Wald liebt dich, und du?“

Slogan, den die griechischen Behörden aufstellen, um auf die Gefahr von Waldbränden hinzuweisen. In der Süddeutschen Zeitung vom 26. August 2007 heißt es:

Wer durch griechische Erholungsgebiete fährt oder sich am Rand von Dörfern umsieht, der findet das alles: Autowracks im Wald und ausrangierte Kühlschränke auf der Wiese. Manchmal steht gleich daneben eine große Tafel, mit bereits verblichener Schrift: "Der Wald liebt dich, und du?", steht da geschrieben. Dazu ist die Zeichnung eines kleines Mannes mit Hut zu sehen, der einen Baum an der Hand nimmt.[26]

Der Autor Hubert Eichheim, der diesen Slogan einen Dummsatz nennt, weist in seinem Buch Griechenland darauf hin, dass die meisten Wälder einst als Nutzwälder angelegt wurden, denn das Harz der Aleppokiefer war ein wichtiger Exportartikel:

Doch durch die Erfindung des Kunstharzes brach der Markt ein – und die Wälder wurden sich selbst überlassen. Fuß- und Eselspfade wucherten zu, Kleinholz wurde nicht mehr entfernt. Das bildet den idealen Nährboden für schnelle Feuer. [27]

Τὸ δὶς ἐξαμαρτεῖν οὐκ ἀνδρός σοφοῦ.

Τὸ δὶς ἐξαμαρτεῖν οὐκ ἀνδρός σοφοῦ.
To dis examartein ouk andros sophou.
„Zweimal denselben Fehler zu begehen, ist eines weisen Mannes Sache nicht.“

Dies entspricht der lateinischen Wendung „bis ad eundem lapidem offendere“ - „zwei Mal an denselben Stein stoßen“.

Der römische Dichter Ausonius schrieb in seinen Briefen an Paulus:

... ea quae tibi iam cursim fuerant recitata, transmisi. etenim hoc poposcisti atque id ego malui, tu ut tua culpa ad eundem lapidem bis offenderes, ego autem, quaecumque fortuna esset, semel erubescerem.[28]
... das, was Dir schon flüchtig vorgelesen worden war, übersende ich Dir. Denn Du forderst dies und ich will das lieber, daß Du an denselben Stein zweimal stößt, ich aber, was auch immer der Fall sei, nur einmal erröte.[29]

Τὸ θεῖον πᾶν ἐὸν φθονερόν τε καὶ ταραχῶδες.

Τὸ θεῖον πᾶν ἐὸν φθονερόν τε καὶ ταραχῶδες.
To theion pān eοn phthoneron te kai tarachōdes.
„Die Götter sind gänzlich neidisch und wankelmütig.“

Zitat aus den Historien des Herodot, das von einer anthropomorphen Göttervorstellung zeugt, die dem subjektiven Empfinden eines Geschädigten entspringt. Der Mensch wird durch göttliche Eingriffe in seine Grenzen verwiesen und sucht nach einer Erklärung für jedes Geschehen.

Die Religion der Griechen entstand aus einer Vermischung der Glaubensvorstellungen der eingewanderten Griechen und der vorgriechischen Bevölkerung in Kleinasien und Griechenland. Im Vergleich zu den großen monotheistischen Religionen ist das Fehlen einer Offenbarung auffallend. Seit Xenophanes kann von einem Anthropomorphismus – einer Vermenschlichung der Götter – gesprochen werden. Xenophanes zufolge schufen nicht die Götter die Menschen, sondern die Menschen die Götter:

Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus.

Die griechischen Götter sind also den Menschen vor allem in ihren Schwächen ähnlicher als ein monotheistischer Gott es sein kann.

Τὸ πεπρωμένον φυγεῖν ἀδύνατον.

Tyche
Τὸ πεπρωμένον φυγεῖν ἀδύνατον.
To peprōmenon phygein adynaton.
„Es ist unmöglich, dem Schicksal zu entkommen.“

Für das Schicksal der Menschen war die Zeus-Tochter Tyche (Τύχη), die Göttin des Schicksals und des Zufalls, zuständig. Sie erhöht und erniedrigt und führt launenhaft den Wechsel der Geschicke herbei.

Der Glaube an ein über den Göttern stehendes Schicksal soll erst in hellenistischer Zeit aufgekommen sein, als der Glaube an die alten Götter nachließ. Nach Ansicht des Philologen und Religionswissenschaftlers Karl Kerényi ist Tyche

eine Gottheit ohne eigene Geschichte, doch mit einer Macht, die gleich der Macht der drei Moiren und der dreigestaltigen Hekate sich stärker erweist als die Herrschaft des Zeus.[30]

In der Alltagsverwendung des Wortes schwindet die personale Vorstellung zunehmend, so dass tychē (τύχη) auch „Schicksal“ und „Zufall“ bedeuten kann.

Die Tragödie König Ödipus des Dramatikers Sophokles ist ein Musterbeispiel dafür, dass der Mensch seinem Schicksal nicht entkommen kann. Das Orakel von Delphi prophezeite König Laios, falls er je einen Sohn zeugen sollte, werde ihn dieser töten und seine Frau Iokaste heiraten. Laios lässt also dem Neugeborenen die Füße durchstechen und ihn von einem Hirten im Gebirge aussetzen. Der Hirte hat jedoch Mitleid übergibt den Neugeborenen Ödipus einem befreundeten Hirten in Korinth. Über diesen gelangt das Kind zum Königspaar Polybos und Merope von Korinth, das ihn adoptiert. Als er erwachsen ist verkündet ihm das Orakel, er werde seinen Vater töten und seine Mutter zur Frau nehmen. Ödipus bricht in die Ferne auf, um zu verhindern, dass sich die Prophezeiung erfüllt. An einer engen Weggabelung trifft er einen Wagen und gerät in Streit mit dessen Fahrer, den er im Streit erschlägt. Als er das Rätsel der Sphinx löst, wird Ödipus zur Belohnung zum Nachfolger des getöteten Laios zum König von Theben ernannt und erhält dessen Witwe Iokaste zur Frau.

Τὸ σάββατον διὰ τὸν ἄνθρωπον ἐγένετο, οὐχ ὁ ἄνθρωπος διὰ τὸ σάββατον·

Ferdinand Olivier: Jesus und seine Jünger an den Getreidefeldern
Τὸ σάββατον διὰ τὸν ἄνθρωπον ἐγένετο, οὐχ ὁ ἄνθρωπος διὰ τὸ σάββατον·
To sabbaton dia ton anthrōpon egeneto, ouch ho anthrōpos dia to sabbaton;
„Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbat willen.“

Stelle aus dem Evangelium nach Markus, an der sich Jesus mit dem jüdischen Sabbat auseinandersetzt. [31]:

23 Und es begab sich, daß er wandelte am Sabbat durch die Saat; und seine Jünger fingen an, indem sie gingen, Ähren auszuraufen. 24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe zu, was tun deine Jünger am Sabbat, das nicht recht ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen was David tat, da es ihm not war und ihn hungerte samt denen, die bei ihm waren? 26 Wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjathars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand durfte essen, denn die Priester, und er gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbat willen. 28 So ist des Menschen Sohn ein Herr auch des Sabbats.[32]

Τὸ τρίτον σωτῆρι.

Darstellung eines Trankopfers auf einer attischen Phiale:
Τὸ τρίτον σωτῆρι. -
Das Dritte dem Retter.
Τὸ τρίτον σωτῆρι.
To triton sōtēri.
„Das Dritte dem Retter.“

Trankopfer aus Flüssigkeiten wie Wasser, Milch, Honig, Wein oder Öl die weitaus häufigste Kulthandlung. Es geschah morgens und abends, zum Gebet, beim Eid, bei Antritt einer Reise oder auch bei Symposien und Gastmählern.

Beim Trankopfer galt

  1. der erste Becher dem Götterboten Hermes,
  2. der zweite Becher den Göttinnen des Liebreizes, den Chariten, die drei Grazien,
  3. und der dritte Becher dem Göttervater Zeus.

Selbständige Trankopfer wurden vorgenommen beim Eid oder im Totenkult mit dem Weihguss aus ungemischtem Wein direkt auf den Erdboden.

Τοῖς ἐγρηγορόσιν ἕνα καὶ κοινὸν κόσμον εἶναι.

Τοῖς ἐγρηγορόσιν ἕνα καὶ κοινὸν κόσμον εἶναι.
Tois egrēgorosin hena kai koinon kosmon einai.
„Die Wachen sind in einer gemeinsamen Welt.“

Zitat aus den Werken des Historikers Plutarch über ein Fragment des Philosophen Heraklit:

„Ὁ Ἡράκλειτός φησι τοῖς ἐγρηγορόσιν ἕνα καὶ κοινὸν κόσμον εἶναι, τῶν δὲ κοιμωμένων ἕκαστον εἰς ἴδιον ἀποστρέφεσθαι.“ [33]
Heraklit sagte, die Wachen sind in einer gemeinsamen Welt, von den Schlafenenden ist jeder in seiner eigenen Welt.

Τοῖς εὐτυχοῦσι καὶ τρίμηνα παιδία.

Τοῖς εὐτυχοῦσι καὶ τρίμηνα παιδία.
Tois eutychousi kai trimēna paidia
„Vom Glück begünstigt, hast du Dreimonatskinder.“

Spottvers auf den römischen Politiker und Heerführer Drusus, den Vater des römischen Kaisers Claudius, über den der Historiker Sueton schreibt:

Drusus, der Vater des Kaisers Claudius, trug zuerst den Vornamen Decimus, dann Nero. Er war der Sohn die, als sie schon schwanger war, Augustus' Gattin wurde. Sie kam mit ihm kaum drei Monate nach ihrer Verheiratung nieder, und man vermutete, daß er aus dem ehebrecherischen Verhältnis, das sie mit seinem Stiefvater unterhielt, hervorgegangen sei.[34]

Drusus war ein Sohn aus der ersten Ehe der Livia Drusilla, der dritten Ehefrau des Kaisers Augustus. Als sie Octavian, dem späteren Augustus, vorgestellt wurde, verliebte sich dieser in die im sechsten Monat schwangere Frau und befahl ihrem Ehemann, sich von ihr scheiden zu lassen. Claudius Nero gehorchte und übergab seine Frau ihrem neuen Ehemann.[35] Drei Tage zuvor (eventuell erst drei Monate später) brachte Livia ihren zweiten Sohn Drusus zur Welt. Mit Octavian war sie 51 Jahre verheiratet, ohne ein Kind von ihm zu bekommen.

Τοῖς νενικημένοις οδύνη.

Τοῖς νενικημένοις οδύνη.
Tois nenikēmenois odynē.
„Den Besiegten Wehe!“

Die griechische Version von Vae victis! („Wehe den Besiegten!“), wie sie der Geschichtsschreiber Plutarch zitiert.

Sie geht auf einen Bericht des Livius über den Gallierkönig Brennus zurück, der, als sich die besiegten Römer sträubten, die auferlegten Kriegskontribution nach den zu schweren Gewichten der Feinde abzuwiegen, höhnend auch noch sein Schwert in die Waagschale warf und dabei ausrief: „Wehe den Besiegten!“ (lateinisch: „Vae victis!“).

Das Selbstbewusstsein des römischen Staates war erschüttert; die Keltenangst blieb auf Jahrzehnte hinaus ein wichtiger Faktor in der römischen Außenpolitik. So schreibt Jochen Bleicken:

Niemals vergaßen [die Römer] das furchtbare Unglück; wie ein Schock hatte es auf sie gewirkt, und noch viele Jahrhunderte später, als Rom schon Weltreich war, fuhr jedem Römer das Entsetzen in die Glieder, wenn sich am fernen Horizont ein Haufe [sic] von Galliern zeigte.[36]

τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν

τὸν ἥττω λόγον κρείττω ποιεῖν
ton hēttō logon kreittō poiein
„die schwächere Sache zur stärkeren machen“

Prinzip der sohistischen Rhetorik. Der Sophist Protagoras selbst definiert seine Tätigkeit als „Menschen ausbilden“ (παιδεύειν ἀνθρώπους. [37] Um dieses Ziel zu erreichen, bot er sich an, technisches Wissen und technische Fertigkeiten zu lehren. Tüchtigkeit (ἀρετή)galt nicht mehr als angeboren, sondern ist lehrbar. Die Redekunst war ihnen das Wichtigste, da man sich damit in der Volksversammlung und vor Gericht am besten durchsetzen konnte.

Die Kompetenzen, die die Sophisten zu vermitteln versprachen, waren:

  1. πολιτικὴ τέχνη (politikē technē): die Fähigkeit, sich im Prozess der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung durchsetzen zu können
  2. ῥητορικὴ τέχνη (rhētorikē technē): die Fähigkeit, seine Meinung in der Debatte anderen glaubhaft zu machen
  3. δικαμικὴ τέχνη (dikamikē technē): die Fähigkeit, vor Gericht zu bestehen

Der Sophist Gorgias meinte zu diesem Prinzip, die Rede sei wie ein Gift, man könne mit ihr gleichermaßen vergiften und bezaubern.

Jan Ross schreibt unter der Überschrift Die neuen Sophisten:

Die Sophisten traten gegen Ende des 5. vorchristlichen Jahrhunderts auf, als Wanderlehrer, die mit großer Publicity von Stadt zu Stadt zogen, um für viel Geld ihren Unterricht anzubieten, in Dichterinterpretation, Grammatik oder Naturkunde. Vor allem aber brachten sie politisch ehrgeizigen jungen Männern Rhetorik bei - in einer Gesellschaft der Mündlichkeit und des Live-Auftritts vor einer überschaubaren Bürgerschaft war die Redekunst, was heute die Fernsehtauglichkeit ist, und der Sophist eine Art Media- Consultant und TVTrainer des klassischen Altertums.[38]

Τὸν τεθνηκότα μὴ κακολογεῖν, γῆρας τιμᾶν.

Τὸν τεθνηκότα μὴ κακολογεῖν, γῆρας τιμᾶν.
Ton tethnēkota mē kakologein, gēras tīmān.
„Über Tote nicht schlecht sprechen, das Alter ehren.“

Ausspruch des Weisen Chilon von Sparta gemäß Diogenes Laertius.

Der erste Halbsatz wird oft lateinisch zitiert:

De mortuis nil nisi bene“ - „Von Toten nur Gutes“.

Es bedeutet nicht, dass man über die Toten nur Gutes reden soll, denn dann hieße es im Lateinischen ja „bona“ statt „bene“. Sinn der Aussage ist eher, dass man die Toten nicht schmähen soll, denn sie können sich nicht mehr wehren.

τοῦ Πνεύματος βλασφημία

τοῦ Πνεύματος βλασφημία
tou Pneumatos blasphēmia
Sünde wider den Heiligen Geist

Eine Sünde wider den Heiligen Geist ist nach christlichem Verständnis eine Sünde, bei welcher das Wirken des Heiligen Geistes zurückgewiesen und dem Bösen zugerechnet wird. Der Begriff aus dem Evangelium nach Matthäus [39], wo Jesus sagt:

Deshalb sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben werden. Und wenn jemand ein Wort reden wird gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wenn aber jemand gegen den Heiligen Geist reden wird, dem wird nicht vergeben werden, weder in diesem Zeitalter noch in dem zukünftigen.

Der Ausdruck beruht wohl auf den Vorfall, wo die Pharisäer behaupten, Jesus würde die bösen Geister durch Beelzebub, den Obersten der bösen Geister austreiben, anstatt durch den Heiligen Geist. Darauf sagte er zu ihnen, dass „die Lästerung gegen den Geist nicht vergeben wird.[40]

Die Relevanz besteht darin, dass Sünden wider den Heiligen Geist, im Unterschied zu allen anderen Sünden, nicht vergeben werden.

τραγικόν πάθος

τραγικόν πάθος
tragikon pathos
„tragischer Schmerz“

Das Wort Tragödie entstammt dem antiken Theater und bezeichnet einen Bocksgesang (= τραγωδία). Beim Dionysoskult wurden Umzüge mit Maske und Bocksfell (= τραγος) aufgeführt.

Häufig hört man am Beginn des Spiels die Ankündigung, der 'Held' werde sterben. Damit wird die moralische Wirkung auf den Zuschauer erhöht, denn die Ankündigung wird zwar ernst und in sich glaubwürdig vorgetragen, die weiteren Umstände der Szene bewegen den Zuschauer jedoch dazu, sich selbst zu täuschen und die Voraussage als unsinnig abzutun.

Tragisch (τραγικός) heißt nach Aristoteles ein Ereignis, das zugleich Mitleid - eleos (mit dem Betroffenen) und Furcht - phobos (um uns selbst) erweckt.

τρία γένη πολιτειῶν

τρία γένη πολιτειῶν
tria gēnē politeiōn
„drei Formen der Herrschaft“

Der antike Geschichtsschreiber Polybios nennt folgenden Verfassungskreislauf:

  1. βασαιλεία: Königsherrschaft (Freiheit und Rationalität)
  2. ἀριστοκρατία: Aristokratie (moralische und politische Kompetenz)
  3. δημοκρατία: Demokratie (Legalität statt politischer Willkür)

Polybios beschreibt drei gute Verfassungstypen (Königtum, Aristokratie, Demokratie) und drei parekbatische Formen (Tyrannis, Oligarchie, Ochlokratie). Der Grund für den Übergang einer guten Verfassungsform in den jeweils entarteten Typus sieht er im moralischen Verfall der Regierenden.

Συμβαίνει δὴ τοὺς πλείστους τῶν βουλομένων διδασκαλικῶς ἡμῖν ὑποδεικνύειν περὶ τῶν τοιούτων τρία γένη λέγειν πολιτειῶν, ὧν τὸ μὲν καλοῦσι βασιλείαν, τὸ δ᾿ ἀριστοκρατίαν, τὸ δὲ τρίτον δημοκρατίαν.[41]

Sowohl Aristoteles als auch Polybios vertraten die Ansicht, dass Staaten mit Mischverfassungen wie die Handelsrepublik Karthago, Sparta und die Römische Republik vor diesem Verfallskreislauf geschützt seien.

τριάκοντα αργύρια

Judas wirft die dreißig Silberlinge weg
τριάκοντα αργύρια
triakonta argyria
„dreißig Silberlinge“

Judas Ischariot erhiel diese Summe von den Hohepriestern für seinen Verrat an Jesus. Judas warf es jedoch später in den Tempel. Von den 30 Denaren (Judas-Silberlinge) wurde der Blutacker gekauft, denn die Hohenpriester und Ältesten wollten das Geld nicht haben:

Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, dass er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück und sprach: Ich habe Unrecht getan, dass ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht uns das an? Da sieh du zu! Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging fort und erhängte sich. Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir sie in den Gotteskasten legen; denn es ist Blutgeld. Sie beschlossen aber, den Töpferacker davon zu kaufen zum Begräbnis für Fremde. Daher heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag[42]

Judas aber ging hin und erhängte sich und soll auf dem Blutacker beerdigt sein.

Τῷ οὖν τόξῳ ὄνομα βίος, ἔργον δὲ θάνατος.

Τῷ οὖν τόξῳ ὄνομα βίος, ἔργον δὲ θάνατος.
Tō oun toxō onoma bios, ergon de thanatos.
„Der Name für den Bogen ist Leben, sein Werk aber Tod.“

Feststellung des Philosophen Heraklit, der darauf hinweist dass im Griechischen die Wörter βίος (bíos = Leben) und βιός (biós = Bogen) nahezu identisch sind und sich nur in der Betonung unterscheiden. Solche doppeldeutigen Anspielungen werden bisweilen auch als gewollte Spiegelungen der verborgenen Struktur des Logos interpretiert, der sich als verschränkte Einheit von Gegensätzen erweist.

Τῷ γὰρ καλῶς πράσσοντι πᾶσα γῆ πατρίς.

Τῷ γὰρ καλῶς πράσσοντι πᾶσα γῆ πατρίς.
Tō gar kalōs prassonti pasa gē patris.
„Denn für einen, dem es gut geht, ist die ganze Erde Vaterland.“

Dieser griechische Satz ist Vorbild für den lateinischen Tragikervers des mythischen Teukros in Ciceros Tusculanae disputationes [43]

Patria est, ubicumque est bene.
Das Vaterland ist, wo immer es einem gut geht[44]

Teukros war der beste Bogenschütze im griechischen Heer vor Troja. Als er von Troja zurückkehrte, ohne den Tod seines Bruders gerächt zu haben, ließ ihn Telamon, der Vater des Ajax nicht landen. Gezwungen, ein neues Vaterland zu suchen, fand Teukros dieses auf Zypern, das ihm Belos, der König von Sidon, überließ.

Dieses Zitat wird in Georg Büchmanns Geflügelten Worten verkürzt wiedergegeben mit „Ubi bene, ibi patria“ und von Gottfried Keller mit „Wo es mir wohl geht, da ist mein Vaterland“ übersetzt:

Wo es mir wohl geht, da ist mein Vaterland! heißt es sonst und dieses Sprichwort soll unangetastet bleiben für diejenigen, welche auch wirklich eine bessere und notwendige Ursache ihres Wohlergehens im neuen Vaterlande aufzuweisen haben, welche in freiem Entschlusse in die Welt hinausgegangen, um sich rüstig einen Vorteil zu erringen und als geborgene Leute zurückzukehren, oder welche einem unwohnlichen Zustande in Scharen entfliehen und, dem Zuge der Zeit gehorchend, die neue Völkerwanderung über die Meere mitwandern; oder welche irgendwo treuere Freunde gefunden haben als daheim oder ihren eigensten Neigungen mehr entsprechende Verhältnisse oder durch irgendein schöneres menschliches Band festgebunden wurden.[45]

Τῷ σοφωτάτῳ.

Pythia in Delphi auf ihrem Dreifuß
Τῷ σοφωτάτῳ.
Tō sophōtatō.
„Dem Weisesten“

Aus der Geschichte von dem Dreifuß, den Fischer bei der ionischen Stadt Milet aus dem Meere zogen. Auf dem Dreifuß stand die Aufschrift ΤΩΙ ΣΟΦΩΤΑΤΩΙ. Die Fischer gerieten darüber in Streit, wer von ihnen der Weiseste sei und wem der Dreifuß gehören solle. So befragten sie das Orakel von Delphi. Der Orakelspruch lautete:

Bürger Milets, du befragst den Phoibos über den Dreifuß?
Wer der Weiseste ist, dem gebührt, so sag' ich, der Dreifuß. [46]

So wurde der Dreifuß dem Philosophen Thales von Milet überreicht. Dieser übergab ihn einem andern der Sieben Weisen, der ihn ebenfalls weiterreichte, bis er zu Solon von Athen kam. Dieser erklärte den Gott Apollon für den Weisesten und sandte den Dreifuß nach Delphi.

Τῶν ἄγαν γὰρ ἅπτεται Θεός, τὰ μικρὰ δ' εἰς τύχην ἀφεὶς ἐᾷ.

Τῶν ἄγαν γὰρ ἅπτεται Θεός, τὰ μικρὰ δ' εἰς τύχην ἀφεὶς ἐᾷ.
Tōn agan gar haptetai theos, ta mikra d' eis tychēn apheis ea.
„Denn die übergroßen Dinge rührt Gott an, die kleinen überlässt er dem Zufall.“

Dieses Zitat aus den Werken des Historikers Plutarch [47] wurde Vorbild für den folgenden viel benutzten Spruch aus dem römischen Recht:

Minima non curat praetor.
Um Kleinigkeiten kümmert sich der Prätor nicht.“

Das heißt konkret, dass Gerichte (der Prätor) in Bagatellsachen keine Entscheidungen treffen und findet sich im deutschen Recht wieder. Nach diesem Prinzip wies auch das Finanzgericht Hamburg im Jahr 2004 die Klage eines Rechtsanwalts ab, der auf Erstattung von 0,66 Euro klagte, die sich auch noch aus verschiedenen kleineren Beträgen zusammensetzte.

Τῶν ἀνθρώπων τοὺς φρονίμους δεῖ πρότερον τὰ τῆλε τῶν πραγμάτων σκοπεῖν...

Illustration zu der Fabel Der Fuchs und der Bock
Τῶν ἀνθρώπων τοὺς φρονίμους δεῖ πρότερον τὰ τῆλε τῶν πραγμάτων σκοπεῖν, εἴθ᾿ οὗτως αὐτοῖς ἐπιχειρεῖν.
Tōn anthrōpōn tous phronimous dei proteron ta tēle tōn prāgmatōn skopein, eith' houtōs autois epicheirein.
„Klugen Leuten ziemt es, zunächst das Ende eines Unternehmens ins Auge zu fassen, und es erst dann also ins Werk zu setzen.“

Dieser Satz wird auf Äsops Fabel Der Fuchs und der Bock zurückgeführt, bei der ein Fuchs in einen Brunnen fällt und dadurch wieder herauskommt, indem er einen Ziegenbock dazu verleitet, ebenfalls in den Brunnen zu springen. Nachdem der Bock ihm herausgeholfen hat, lässt ihn der schadenfrohe Fuchs alleine im Brunnen zurück.

In den pseudo-pythagoräischen Goldenen Sprüchen heißt es:

„Βουλεύου δὲ πρὸ ἔργου, ὅπως μὴ μῶρα πέληται.“
Bouleuou de pro ergou, hopōs mē mōra pelētai.
„Überlege vor der Tat, damit nichts Törichtes daraus entstehe.“

Bekannt ist die lateinische Version, die in den Gesta Romanorum gebraucht wird:

„Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.“
„Was auch immer du tust, tu es klug und schau auf die Folgen.“

Der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs erzählt 1557 in seinem Kurtzweiligen Zeitvertreiber, dass ein Philosoph aus Athen diese Weisheit verkauft habe. Sachs erzählt, dass der Tyrann Dionysius einen Philosophen unter den Kaufleuten sitzen sah und ihn fragte, was er zu verkaufen hätte. Er antwortete: „Weisheit“ und bestimmte den Preis dafür auf . Dionysius bezahlte 400 Gulden und der Philosoph sagte den folgenden Spruch her:

Mensch, was du thust, bedenk' das End,
Das wird die höchst' Weisheit genennt.[48]

Quellennachweis

  1. Evangelium nach Markus, 12.14ff
  2. http://www.bibel-online.net/buch/41.markus/12.html#12,17
  3. http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/sun-yun-ping-2004-06-21/HTML/chapter2.html#N11075
  4. http://www.stangl-taller.at/4711/SIEB.10/LYRIK/EmpedoklesHoelderlin.html
  5. Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Band 7. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1972
  6. Tyrtaios: Fragment 6
  7. Horaz: Oden 3, 2, 13
  8. http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,E76F1750624424FEE0340003BA5E0905,,,,,,,,,,,,,,,.html#E76F175268732539E0340003BA5E0905
  9. Evangelium nach Johannes 19, 30
  10. Odyssee, 20. Gesang, 18; zitiert nach http://www.gottwein.de/Grie/hom/od20de.php
  11. zitiert nach http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2554&kapitel=196&cHash=b1c81e959fsch331c#gb_found
  12. zitiert nach http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2554&kapitel=196&cHash=b1c81e959fsch331c#gb_found
  13. Aetios I 15,3 und Stobaios
  14. Naturalis historia, Buch XXXV, Abschnitt 85 (in Kapitel xxxvi)
  15. Erasmus von Rotterdam: Ausgewählte Schriften. Band 7. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1972
  16. Hesiod: Werke und Tage, 289f
  17. Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe
  18. Zit. n.: Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Stuttgart: Reclam 1986, S. 259
  19. Platon: Phaidros, 276 b ff.
  20. Odyssee, XIX, 104
  21. Gorgias 474b
  22. http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Gorgias
  23. Evangelium nach Matthäus, 27,25
  24. Stefan Rohrbacher
  25. Apostelgeschichte, 2.23
  26. http://www.sueddeutsche.de/panorama/special/100/142785/2/index.html/panorama/artikel/970/129748/article.html
  27. Hubert Eichheim: Griechenland München: C. H. Beck, 1999. ISBN 3-406-39877-4. S. 58
  28. Ausonius: Epistulae, 7
  29. http://gfa.gbv.de/dr,gfa,004,2001,a,09.pdf
  30. http://sungaya.de/schwarz/griechen/tyche.htm
  31. Evangelium nach Markus, 2.27
  32. http://www.bibel-online.net/buch/41.markus/2.html#2,27
  33. Plutarch: De Superstitione, 3. p. 166
  34. Sueton: Leben der Caesaren. Zürich: Artemis Verlag, 1972. ISBN 3-423-06005-0
  35. Cassius Dio, Römische Geschichte 48,44 (auf engl.)
  36. Bleicken, Rom und Italien, in: Golo Mann, Alfred Heuß (Hg.), Propyläen Weltgeschichte. Band 4: Rom und die römische Welt, Propyläen Verlag, Berlin–Frankfurt am Main 1991, S. 57.
  37. Platon: Protagoras 317b
  38. http://www.klassphil.uni-muenchen.de/~waiblinger/ross_sophisten.html
  39. Evangelium nach Matthäus, 12,31
  40. Evangelium nach Matthäus, 12,22-32
  41. Polybios VI 3,5 - 4,13
  42. Evangelium nach Matthäus 27.3-8
  43. Cicero: Tusculanae disputationes, 5, 108
  44. Menander: Einzelverse 735 / Nauck: Tragicorum Graecorum Fragmenta, Adespota 318
  45. Gottfried Keller: Die drei gerechten Kammacher
  46. http://www2.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Auditorium/BeGriRoe/SO9/DiogThal.htm
  47. Plutarch: Praecepta gerendae rei publicae 811
  48. Georg Büchmann: Geflügelte Worte. Berlin: 1898. S. 55

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