Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax

Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax
Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax (1937), Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax KG, OM, GCSI, GCMG, GCIE, PC (* 16. April 1881 in Towderham Castle, Devon, England; † 23. Dezember 1959 in Garrowby Hall, Yorkshire, England), zwischen 1925 und 1934 auch bekannt als Lord Irwin und von 1934 bis 1944 als Viscount Halifax, war ein britischer konservativer Politiker. Er wird häufig als einer der Architekten der Appeasement-Politik vor dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Er bekleidete verschiedene Ämter als Kabinettsminister, insbesondere war er Außenminister zum Zeitpunkt des Münchener Abkommens 1938. Er folgte Rufus Isaacs, 1. Marquess of Reading, als Vizekönig von Indien im April 1926; ein Amt, das er bis 1931 innehatte.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Karriere

Wood wurde geboren in einer ziemlich kränklichen Familie aus dem West Country: Seine drei älteren Brüder starben noch im Kindesalter, so dass er Erbe des Viscounttitels seines Vaters wurde. Halifax selbst wurde mit einem verkrüppelten linken Arm ohne Hand geboren, eine Behinderung, die keinen Einfluss auf seine Fähigkeit zu reiten, zu jagen oder zu schießen hatte. Winston Churchill verlieh ihm den Spitznamen „Heiliger Fuchs“ in Anspielung auf seine Jagdleidenschaft, seinen Titel und seine Religiosität, da er, wie sein Vater, ein gläubiger Anglo-Katholik war.

Er war der Sohn von Charles Wood, 2. Viscount Halifax. Im Eton College. Am Christ Church College ausgebildet, gehörte er von 1910 bis 1925 dem Unterhaus als Abgeordneter des Wahlkreis Ripon an, bis er die Peerswürde erhielt. Als junger Offizier der Yorkshire Dragoner nahm er zwar eine gewisse Zeit seines Militärdienstes aktiv am Ersten Weltkrieg teil, blieb aber meist in der Etappe, seit 1917 zu einem Schreibtischjob beordert. 1918 schrieb er zusammen mit George Ambrose Lloyd (dem späteren Baron Lloyd) „The Great Opportunity“ (= die große Gelegenheit), mit dem Ziel, das Programm für eine reformierte Conservative Party abseits der Lloyd-George-Koalition zu schreiben.

Nachdem Südafrika ihn als Generalgouverneur abgelehnt hatte (das Land wünschte einen Minister im Kabinettsrang oder ein Mitglied der Königlichen Familie) und er von Winston Churchill wegen seiner Ambitionen auf den Posten eines Staatssekretärs für die Kolonien gerüffelt wurde, stimmte ein störrischer Wood für den Sturz des Kabinetts Lloyd George. 1922 wurde er Bildungsminister im Kabinett des Konservativen Andrew Bonar Law. Er behielt diese Position (an der er weder interessiert, noch irgendwie effektiv war) bis 1924, danach war er bis 1925 als Agrarminister im Kabinett Stanley Baldwin ebenso wenig herausragend. Seine Karriere war scheinbar an einem Tiefpunkt angekommen.

Vizekönig von Indien

Zwischen 1926 und 1931 war Wood Vizekönig von Indien. Auf Empfehlung von König Georg V. war er 1925 vorgeschlagen worden, zweifellos wegen seines unmittelbaren familiären Hintergrunds (sein Großvater war Indienminister) und unbefleckten Stammbaums. Zum Baron Irwin erhoben, kam er am 1. April 1926 in Bombay an in der Hoffnung, die britisch-indischen Beziehungen zu verbessern und die Spannungen zwischen den verschiedenen Religionsgruppen im Lande zu beruhigen. Als tief religiöser Mensch schien er die richtige Wahl, um mit Mahatma Gandhi umzugehen. Nach seiner Berufung ignorierte er Gandhi jedoch während der folgenden 19 Monate.

Seine Regierungszeit war durch eine Periode großer politischer Unruhe gekennzeichnet. Der Ausschluss von Indern aus der Simon-Kommission, die die Reife des Landes für die Selbstregierung zu prüfen hatte, provozierte ernste Gewalt und so war Wood zu Konzession gezwungen, die in London als zu weitgehend und in Indien als halbherzig empfunden wurden. Während seiner Regierungszeit musste er mit Ereignissen, wie dem Protest gegen den Bericht der Simon-Kommission, dem Nehru-Bericht, der Allparteienkonferenz, den 14 Punkten des Leiters der Muslimliga Mohammed Ali Jinnah, der vom Indischen Nationalkongress geleiteten zweiten Kampagne Zivilen Ungehorsams unter der Führung von Mahatma Gandhi und den Konferenzen am Runden Tisch zur Zukunft Britisch-Indiens fertig werden.

Als Strategie steckte Wood alle Leiter des Kongresses hinter Gitter und eröffnete daraufhin die Verhandlungen mit Gandhi. Die Kritik an Wood war nicht eben fair, aber er hatte einen Fehler gemacht, dessen Konsequenzen ernst waren, und die Unruhe wuchs. Wood versuchte mit den indischen Politikern zu einem Modus vivendi zu kommen und gipfelten in seinem Eintritt für den Status eines Dominions. Sie wurden von Londons Weigerung zu irgendwelchen Konzessionen torpediert.

Mit wenig Manövrierraum flüchtete Wood in Repression, seine Notstandsbefugnisse zur Verhaftung Gandhis nutzend, verbot er öffentliche Veranstaltungen und unterdrückte die rebellierende Opposition. Aber Gandhis Verhaftung machte die Dinge nur noch schlechter. Letztlich entschied sich Wood, durch die Unterschrift unter den Delhi-Pakt im Januar 1931 zu Verhandlungen, bei denen alle Interessen bei der Konferenz am Runden Tisch repräsentiert waren, um im Gegenzug den zivilen Ungehorsam und den Boykott britischer Güter zu beenden. Die zwei Wochen dauernden Diskussionen gipfelten in einem Vertrag, der als Gandhi-Irwin-Pakt bezeichnet wurde, nach dem die Kampagne des Zivilen Ungehorsams ausgesetzt wurde.

Der Vertrag zwischen Gandhi und Wood wurde am 5. März 1931 unterzeichnet. Die entscheidenden Punkte waren:

  • Der Kongress setzt die Bewegung des Zivilen Ungehorsams nicht mehr fort.
  • Der Kongress nimmt an der Konferenz des Runden Tischs teil.
  • Die Regierung zieht alle Befehle zur Zügelung des Kongresses zurück.
  • Die Regierung beendet alle Strafverfolgungen wegen Delikten ohne Gewaltanwendung.
  • Die Regierung lässt alle Personen frei, die zu Haftstrafen im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der Kampagne für Zivilen Ungehorsam verurteilt wurden.

Es wurde ferner anerkannt, dass Gandhi an der zweiten Konferenz des Runden Tischs als einziger Repräsentant des Kongresses teilnahm.

Lord Irwin zollte am 20. März 1931 Gandhis Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Patriotismus bei einem Dinner, das die regierenden Prinzen gaben, Respekt. Einen Monat nach dem Gandhi-Irwin-Pakt trat er zurück und verließ Indien. Bei Irwins Rückkehr nach England im April 1931 war die Situation ruhig, aber binnen eines Jahres kollabierte die Konferenz und Gandhi wurde wieder verhaftet.

Halifax und die Appeasement-Politik

Im gleichen Jahr lehnte Wood das ihm angebotene Amt des Außenministers ab, um einige Zeit zu Hause zu verbringen, aber unerklärlicherweise folgte dem 1932 sein Wiederaufstieg zum Bildungsminister im Kabinett des Vorsitzenden der Labour Party Ramsay MacDonald, ein Amt, das er belebte durch seine fortgesetzte Rolle (jetzt im Hintergrund) in indischer Politik und Gesetzgebung, der Erlangung des Amts des Master of the Middleton Hunt im gleichen Jahr und seiner Wahl zum Kanzler der Universität Oxford 1933.

1934 erbte er beim Tod seines Vaters den Titel des Viscount Halifax. In der Folgezeit gehörte er dem Kabinett in verschiedenen Ämtern an: Fünf Monate 1935 Kriegsminister, von 1935 bis 1937 Lordsiegelbewahrer - gleichzeitig fungierte er als Präsident des Oberhauses - von 1937 bis 1938 Lord President of the Council (dem protokollarisch vierthöchsten Amt unterhalb der Monarchie) im Kabinett Baldwin und nach 1937 im Kabinett Chamberlain.

Die Berufung von Anthony Eden als Außenminister 1935 schien anfangs gut zu Halifax Ansichten über die zukünftige Richtung der britischen Außenpolitik zu passen, in die er sich zunehmend mit Ratschlägen einmischte. Die beiden befanden sich in bestem Einvernehmen (auch mit der vorherrschenden öffentlichen Meinung in Großbritannien), dass die deutsche Remilitarisierung des Rheinlands im März 1936 – „ihrem eigenen Hinterhof“ – keine ernste Bedrohung darstelle und insoweit begrüßt werde, als es Deutschlands scheinbaren Fortschritt Richtung Normalität nach der Trübsaal in Folge des Versailler Friedensvertrags darstelle. Dennoch benutzte Chamberlain, nachdem er 1937 Baldwin als neuer Premierminister folgte, zunehmend verdeckte Kanäle inklusive Halifax selbst, um diplomatisch tätig zu werden.

Halifax Freund, Henry (Chips) Channon berichtete später von Halifax erstem Besuch in Nazi-Deutschland 1936: „Er erzählte mir, dass er all die Nazi-Führer, selbst Goebbels mochte und er war sehr beeindruckt, interessiert und amüsiert durch den Besuch. Er denkt, das Regime ist absolut fantastisch.“ In seinem Tagebuch notierte Halifax, dass er Hitler gesagt habe: „Obwohl es viel am Nazi-System gab, das die britische Meinung tief verletzte, war ich nicht blind, was er (Hitler) für Deutschland getan hatte und was er von diesem Standpunkt aus mit dem Hinausfegen des Kommunismus aus seinem Land erreicht hatte.“

Auf Einladung von Hermann Göring kam Halifax im November 1937 nach Deutschland. Der Vorwand war eine Jagdausstellung, aber Halifax waren strikte Instruktionen des Foreign Office mitgegeben worden, falls es zu einem Treffen mit Adolf Hitler kommen sollte. Einigen Augenzeugen zufolge soll Halifax beinah einen internationalen Zwischenfall bewirkt haben, als er dem körperlich kleinen Diktator seinen Mantel übergab in der Annahme, es handele sich um einen Diener. Hitler beurteilte seinen Besucher später in seinen „Dialogen im Führerhauptquartier” als „einen Heuchler schlimmster Art und verlogen”. Bei den folgenden Diskussionen ignorierte Halifax Edens Direktive, den Deutschen Warnungen bei Schritten gegenüber Österreich und die Tschechoslowakei zukommen zu lassen. Er war außerdem gezwungen, Hitlers haarsträubenden Ratschlägen bezüglich des Umgangs mit den Problemen in Indien („Erschießen Sie Gandhi“) freundlich zuzuhören. Die Treffen waren generell unangenehm. Von Göring, einem passionierten Jäger, der sich selbst zum „Reichsjägermeister“ befördert hatte, erhielt er den Spitznamen „Halalifax“ in Anspielung auf das Halali der Jäger.

Genervt von den beharrlichen Einmischungen des Premierministers in die Außenpolitik und der Beharrlichkeit, mit der er – unterstützt von Halifax – das Appeasement insbesondere gegenüber Benito Mussolini weiterverfolgte, den Eden als einen unglaubwürdigen Gangster betrachtete, trat Eden am 25. Februar 1938 zurück. Halifax und Chamberlain gehörten beide der Cliveden-Clique an, die sich auf dem Landsitz von Lady Astor in Cliveden traf und gemeinsam die Appeasement-Politik gegenüber Hitler-Deutschland und Mussolini-Italien abstimmte. Halifax erhielt das Amt des Außenministers im Februar 1938. Drei Wochen später annektierte Hitler Österreich; die Tschechoslowakei war nun ernsthaft bedroht, nicht zuletzt, weil die Tschechoslowakei militärisch gegen einen deutschen Angriff zwar durch Festungsanlagen entlang seiner Grenze mit dem Deutschen Reich (im Sudetenland) relativ gut geschützt war, diese aber von Österreich aus leicht umgangen werden konnten.

Halifax Umgang mit der Krise trug ihm die meiste Kritik ein. Die britische Außenpolitik ging davon aus, dass europäische Diktatoren generell ehrenhaft, vernünftig und einem allgemeinen Krieg auf dem Kontinent abgeneigt seien. Alle drei Hypothesen stellten sich als falsch heraus. Das erste Resultat dieser ernsten Fehleinschätzung war der Untergang der Tschechoslowakei, seines Militärs und seiner (Rüstungs-)Industrie, die sich die Nazis einverleibten, ohne dass ein Schuss fiel. Hatte der Präsident der Tschechoslowakei Edvard Beneš nach dem Münchner Abkommen noch protestiert, dass er ohne Einladung vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, so hatte ihm Chamberlain darauf geantwortet, dass Großbritannien wegen des Sudetenlandes keinen Krieg beginnen werde. Halifax hatte ernste Zweifel, ob dies im März 1939 nicht zu einer kompletten Besetzung der Tschechoslowakei führen würde, unternahm jedoch keinerlei Anstrengungen, die britische Politik zu ändern aus Sorge, das britische Militär könne für die Nazi-Bedrohung nicht vorbereitet sein. Er ließ es zu, dass Chamberlain ihn bei den fruchtlosen Konferenzen in Berchtesgaden, Godesberg und München ins Abseits stellte und ohne ihn daran teilnahm.

Seitdem wurden die Dinge noch schlechter: Weil die Politik der Westmächte Großbritannien und Frankreich lange Zeit darauf gerichtet war, die Sowjetunion von der Regelung mitteleuropäischer Streitfragen auszuschalten, wurden die Bemühungen Stalins, eine gemeinsame Front gegen das Dritte Reich zustande zu bringen, ignoriert. Zwar wurde ein provisorisches Abkommen der Sowjetunion mit den Westmächten Ende Juli 1939 geschlossen, aber die Bemühungen über ein ergänzendes Militärabkommen blieben erfolglos. Halifax bemerkte nicht, dass Moskau gleichzeitig mit Berlin intensive Verhandlungen führte, bis es zu spät war. Mussolinis Italien überfiel Albanien (7. April 1939), Hitler kündigte das im Juni 1935 geschlossene deutsch-britische Flottenabkommen im April 1939 und am 22. Mai 1939 schlossen Italien und Deutschland den Stahlpakt, in dem sich beide Mächte im Kriegsfall zu uneingeschränkter Unterstützung verpflichteten. Halifax musste am 1. September 1939 erleben, wie mit dem deutschen Überfall auf Polen die internationalen Strukturen zerfielen, um deren Erhalt er sich bemüht hatte. Zuvor hatte Hitler noch eine umfassende Regelung der deutsch-britischen Beziehungen in Aussicht gestellt für den Fall, dass Großbritannien Hitler freie Hand gegenüber Polen lassen würde. Gleichzeitig hatte Hitler bereits den Angriffsbefehl auf Polen gegeben, der jedoch widerrufen worden war, als er erfuhr, dass Briten und Polen ein militärisches Beistandsabkommen geschlossen hätten.

Chamberlains umstrittene Politik während der Friedenszeit und seine unkluge Regierungsführung während der Kriegsphase, die gemeinhin als Sitzkrieg bezeichnet wird, führten zu dessen Rücktritt von Amt des Premierministers (als Lordpräsident gehörte er weiter dem Kabinett an). Halifax galt als relativ populärer Kandidat für das Amt des Premierministers, aber er erklärte selbst schnell, dass er dafür nicht in Betracht komme, weil er den Krieg nicht aus dem Oberhaus leiten könne. Er war keinesfalls akzeptabel für die Labour Party und es wurde allgemein als zwingend angesehen, dass das Vereinigte Königreich zur Verteidigung eine Regierung der Nationalen Koalition (= Große Koalition des Nationalen Notstands) unter ihrer Beteiligung bilden müsse. Labour erklärte eindeutig, dass sie nur an einer Regierung teilnehmen würden, an deren Spitze Winston Churchill stünde. So bildete Churchill am 10. Mai 1940 eine Regierung der Nationalen Koalition.

Halifax und der deutsche Widerstand

Besorgnisse über Halifax früheren Appeasement-Standpunkt wurden in der Biographie von Andrew Roberts begegnet. Das Ringen um Frieden, so greifbar in Halifax Diplomatie bei Ausbruch des Krieges, wurde bedingt durch Hitlers Abenteurertum so tief enttäuscht, dass er gegenüber späteren Friedensangeboten weitgehend immun gewesen sei. Zum Beweis wird angeführt, das er jene eines Besseren belehrt habe, die von Papst Pius XII., den niederländischen und belgischen Monarchen und nicht zuletzt vom US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt kamen: Weil er begriff, dass die Unterstützung in Deutschland für den Diktator bei Kriegsbeginn zu überwältigend war, erkannte er, dass ohne die vollständige Diskreditierung Hitlers jede Friedensregelung wertlos sei.

Dennoch weisen andere Historiker auf den Enthusiasmus des Foreign Office hin, das dem deutschen Widerstand im Herbst 1939 bis 1943 über den Vatikan Angebote unterbreitet hatte, die eine territoriale Vergrößerung Deutschlands über die Grenzen von 1938 hinaus einschlossen: Die Konservativen im deutschen Widerstand um Carl Friedrich Goerdeler, Generaloberst Ludwig Beck, Admiral Wilhelm Canaris, Johannes Popitz, von Hassel und Adam von Trott zu Solz beanspruchten eine Revision des Versailler Vertrages und den Wiederaufstieg des Deutschen Reiches in das Konzert der europäischen Weltmächte. Dazu gehörten die Wiederherstellung der deutschen Ostgrenzen von 1914 inklusive der Beseitigung des polnischen Korridors, die Eingliederung Österreichs, Südtirols und des Sudetenlandes, eine deutsche Hegemonie auf dem Balkan und Anteil am europäischen Kolonialbesitz. Bei einem Treffen am 8. Januar 1940 mit Lonsdale Bryans, dem Kontaktmann für Ulrich von Hassell, dem außenpolitischen Experten des konservativen deutschen Widerstands, wird Halifax zitiert mit den Worten, dass „er ‚persönlich’ dagegen sei, wenn die Alliierten aus einer Revolution in Deutschland durch Angriff auf den Westwall Vorteile ziehen wollten…“ falls dies ein Regime an die Macht brächte, das zu Verhandlungen bereit sei.

Diese Linie gegenüber dem deutschen Widerstand wiederholte sich bei den Sondierungsbemühungen von Papst Pius XII. am 28. Juni 1940 hinsichtlich der Bedingungen für eine Friedensvermittlung, die Halifax am 22. Juli 1940 ziemlich brüsk nur für den Fall einer verhandlungsfähigen (deutschen) Regierung zurückwies. Im Juli 1940 initiierte Halifax eine strikte Ablehnung des Foreign Office gegenüber deutschen Friedensfühlern durch den Päpstlichen Nuntius in Bern, den portugiesischen Diktator António de Oliveira Salazar in Lissabon und den finnischen Premierminister wenige Wochen vor seiner Stellungnahme zu den „vorsichtigen und halbgaren” Vorschlägen des Papstes.

Botschafter in den USA und späteres Leben

Winston Churchill beließ Halifax als Außenminister für ungefähr neun Monate, um die Einheit der Conservative Party und der Regierung zu demonstrieren, aber die beiden Männer erfreuten sich keiner engen Beziehung und Halifax fand sich sehr bald in Washington wieder – ein von Churchill gewöhnlich eingeschlagener Weg, um Männern, die er als möglicherweise fähig einschätzte, mit denen er jedoch nicht konnte, loszuwerden. Ähnlich war er auch mit Samuel Hoare verfahren, einem weiteren Mitglied der Cliveden-Clique, den er auf einen Botschafterposten nach Spanien versetzt hatte. Churchill ersetzte im Dezember 1940 Halifax als Außenminister durch dessen intimen Gegner Anthony Eden.

Halifax erwies sich anfangs als ungeschickter Diplomat und ihm unterliefen eine Reihe breit publizierter Fauxpas einschließlich einiger schlecht aufgenommener Witze über Baseball. Auf die amerikanische Öffentlichkeit wirkte er als distanzierter, unberührbarer britischer Aristokrat, der er sicher auch war. Die Beziehungen insbesondere zu Präsident Roosevelt verbesserten sich schrittweise, aber Halifax stand in Amerika immer am Rande wegen Churchills enger persönlicher Kontakte in die USA. Wieder einmal war Halifax durch seinen eigenen Premierminister kaltgestellt und oft aus sensiblen Diskussionen ausgeschlossen worden. Nun als alter Mann, der den Tod seines mittleren Sohns an der Front im Jahre 1942 betrauerte, war Halifax Washington leid und bat Anthony Eden, ihn zu ersetzen, aber letztlich verblieb er auf seiner Position während der Amtszeit von Harry Truman und Clement Attlee. Die Berufung stellte sich erneut als Fehlbesetzung heraus, als die Amerikaner abrupt das Leih- und Pachtgesetz aussetzten, wovon die britische Wirtschaft abhing. Die damit verbundenen Darlehensverhandlungen waren belastet und unbefriedigend für das Vereinigte Königreich.

Erfolgreicher nahm er an einer Fülle von internationalen Konferenzen über die Vereinten Nationen und die Sowjetunion teil (den sowjetischen Außenminister Molotow in seinen Erinnerungen als „lächelnden Granit“ beschreibend), darunter der Konferenz in San Francisco im März 1945 und der ersten Sitzung der Vereinten Nationen 1945. Wieder glaubte er, dass Churchills Ansichten über eine sowjetische Bedrohung übertrieben seien, und er drängte ihn zu größerer Konzilianz möglicherweise aus seiner Weigerung, die Lehren der 1930er Jahre zu ziehen, was in seiner 1957 veröffentlichten Autobiographie „The Fulness of Days“ offenkundig wird, ein Buch, das höflich als „freundlich ablenkend“ charakterisiert wird.

1944 wurde er zum Earl of Halifax erhoben. Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik 1946 kehrte er größtenteils zu Ehrenämtern zurück, wie dem des Kanzlers der Universität Sheffield und dem Kanzler des Hosenbandordens sowie dem Vorsitzenden der BBC. Er starb unmittelbar vor Weihnachten 1959 auf seinem Anwesen Garrowby Hall.

Im Roman „The Remains of the Day“ von Kazuo Ishiguro und in dem 1993 veröffentlichten gleichnamigen Film spielt Halifax eine tragende Rolle. Im Film wurde er durch den Schauspieler Peter Eyre dargestellt. Im Film Gandhi von Richard Attenborough wurde Halifax von dem Schauspieler Sir John Gielgud verkörpert.

Literatur

Halifax ist nach wie vor eine kontroverse Person. Seine Autobiografie wie auch viele Bücher über ihn vertreten ihre eigenen Ansichten.

  • Autobiographie - Fullness of Days, Collins, 1957
  • Alan Campbell-Johnson: Viscount Halifax: A biography, R. Hale, 1941
  • Frederick Winston Furneaux Smith: Earl of Halifax: the life of Lord Halifax, Hamilton, 1965.
  • Andrew Roberts: The Holy Fox: The Life of Lord Halifax, 1997

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
Victor Bulwer-Lytton Vizekönig von Indien
1926–1931
George Joachim Goschen
Titel neu geschaffen Earl of Halifax
1944–1959
Charles Wood
Charles Wood Viscount Halifax
1934–1959

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