Heinrich Sohnrey

Heinrich Sohnrey

Heinrich Sohnrey (* 19. Juni 1859 in Jühnde; † 26. Januar 1948 in Neuhaus im Solling) war Lehrer, Volksschriftsteller und Publizist. Viele seiner literarischen Werke sind der Ideologie des Nationalsozialismus verpflichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heinrich Sohnrey wurde als uneheliches Kind von Freiherr Oskar Grote und Rosine Luise Sohnrey geboren. Nach der Schule ging er, unterstützt von seiner Großmutter väterlicherseits, 1873 nach Hannover und ließ sich zum Lehrer ausbilden. Seine erste Stelle trat er 1879 in Nienhagen auf der Weper an, einem heute zu Moringen gehörenden Stadtteil. Hier begann er sich für die Volks- und Heimatkunde zu interessieren. Der Region blieb er sein Leben lang verbunden, so dass er bis heute als Solling-Dichter bekannt ist. Sohnrey heiratete hier seine frühere Schülerin Luise Schoppe.

Ab 1885 studierte er für kurze Zeit in Göttingen Sprachwissenschaften, Literatur, Geschichte und Botanik; zwei Semester lang war er auch in Berlin eingeschrieben.

Von 1886 bis 1889 war er Lehrer in Möllensen am Hildesheimer Wald. Im Jahre 1889 wurde er Redakteur in Northeim, später in Hildesheim, wo er den Hildesheimer Sonntagsboten gründete, 1890 in Freiburg im Breisgau und schließlich in Berlin, wohin er im Jahre 1894 gemeinsam mit seiner Frau, seinen fünf Kindern und seiner Mutter umgesiedelt war. Hier war er im Jahre 1901 maßgeblich am Aufbau der Wandervogel-Bewegung beteiligt; zeitweise übernahm er auch den Vorsitz von Der Wandervogel – eingetragener Verein zu Steglitz.

1904 gründete er in Berlin den Verlag Deutsche Landbuchhandlung, in dem seine Bücher und Schriften ab jetzt erschienen. In seinen volkstümlichen Schriften vertrat er die Ideologie der Völkischen Bewegung und die Tendenzen des deutschtümelnden Nationalismus, der das Wilhelminische Zeitalter bestimmte. Später unterstützte er die Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten; auch vielen seiner Romane und Erzählungen liegen zentrale Aspekte der NS-Ideologie zugrunde. Die von Sohnrey gegründeten Zeitschriften (zum Beispiel Die Dorfkirche, Archiv für innere Kolonisation [1909–1933, ab 1934 Neues Bauerntum]) erfuhren in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 nachdrückliche Förderungen des Reichsnährstands; auch das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Reichsamt für Agrarpolitik unterstützen seine Bestrebungen zur Stärkung des ländlichen Raumes und bäuerlicher Strukturen.

Im Oktober 1933 gehörte er zu den 88 Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten.[1] Gleichwohl er kein Mitglied der NSDAP war, zählte Sohnrey zu den erklärten Bewunderern Adolf Hitlers und der Politik der NSDAP. Über den großen Festakt anlässlich Sohnreys 75. Geburtstag 1934 in Jühnde berichtete die UFA ausführlich mit einem Kino-Beitrag der Wochenschau.[2]

Sohnrey lebte bis 1943 in Berlin. Nachdem eines seiner beiden Häuser in Lichterfelde im März des Jahres von einer Bombe getroffen worden war, flüchtete er mit seiner Familie nach Neuhaus; im August 1943 zerstörte ein Bombentreffer sein Verlagshaus in Berlin-Steglitz.

Heinrich Sohnrey starb 1948 in seiner Heimatregion, in Neuhaus im Solling, im Alter von 88 Jahren.

Verhältnis zum Nationalsozialismus

Bis 1945

Verlagswerbung für Wulf Alke aus der Zeitschrift Neues Bauerntum (1934)

Schon vor 1933 waren Sohnreys literarische Texte der Ideologie des Nationalsozialismus verpflichtet. In seiner Abschlussrede zum Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP des Jahres 1933 referierte Adolf Hitler bei seiner Erläuterung des nationalsozialistischen Kunstbegriffes den Inhalt des 1932 erschienenen Sohnrey-Romans Wulf Alke mit den Worten:

„Denn was ist es wunderbares [sic], wenn ein 11jähriger Knabe in seinem Bauerndorf zu zeichnen und zu schnitzen beginnt und nicht mehr los kann von seiner ach so wenig praktischen Wert versprechenden Leidenschaft und endlich der Nation als großer Meister unsterbliche Werke schenkt.“

Adolf Hitler: Reichsparteitagsrede 1933[3]

Kurz darauf warb der Verlag Deutsche Landbuchhandlung, dessen Besitzer Sohnrey war, mit einer Anzeige für diesen Roman, in der Wulf Alke gleichsam „als Vorherverkündigung des Führers Adolf Hitler“ bezeichnet wurde (siehe Abbildung). Dieser Roman propagiert auch das Führerprinzip, wie es Adolf Hitlers Mein Kampf zugrunde lag. Einer der Protagonisten, ein Schäfer, schildert pars pro toto für die Landbevölkerung den Wunsch nach einem „scharfen Hund“, der „das ganze Deutsche Volk“ gegen seine „äußeren Feinde“ zu führen vermag:

„Warum kann nicht das ganze Deutsche Volk ein Sinn und eine Seele, ein Hirt und eine Herde sein? Ja freilich, da müßte man denn wohl schon einen um das deutsche Land schicken, der wie mein Sultan [der scharfe Schäferhund des Sprechers] die Herde zusammenreißt, zusammenbellt und zusammenhält. Denn das ist nun mal nicht anders: eine widerborstige Herde kann man nicht mit Langmütigkeit und lieblichen Worten zusammenbringen, sondern nur mit einem scharfen Hunde, sozusagen. Oh, ihr Leute, wann wird der scharfe Hund kommen dem Deutschen Volke? Nun, nun, vom Kern bis zum Baume ist es ein weiter Weg; aber es wird die Zeit schon reifen, ganz gewiß, da werdet ihr sehen, ganz Deutschland wird eines Sinnes sein und einen Herzschlag haben und eine einzige, einige Volksherde in seinen Grenzen sehen. Und dann wird seine unbändige innere Kraft und Rauflust sich nicht mehr gegen sich selbst, sondern allein gegen seine äußeren Feinde richten, die ihm seine Kraft und Einheit und seine Ruhe nicht gönnen wollen […]“

Heinrich Sohnrey: Wulf Alke, Roman, 1933[4]

In Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman (zuerst gedruckt 1928) geht es u.a. um den „rassischen Verfall“ der Deutschen, der angeblich durch „polnische Agenten“ verursacht worden sei, was einen „geistig arg zurückgebliebenen“ Volksstamm hervorgebracht habe.[5] Von den Bewohnern der fiktiven Ostsee-Insel, auf der Sohnreys Roman spielt, heißt es:

„Ursprünglich rein deutschen Blutes und evangelischen Glaubens, sind diese Leute […] durch starke kirchliche Einwirkungen, verderbliche Blutmischungen, wie zuletzt durch die nationalistischen Umtriebe der polnischen Agenten ganz aus dem Deutschtum herausgefallen.“[6]

Der Roman lässt keinen Zweifel daran, dass der von „polnischen Agenten“ gesteuerte rassische Verfall der „Grenzland-Deutschen“ ein Ende haben muss: „deutsch ist deutsch, und was deutsch ist, muß deutsch bleiben; was deutsch war, muß es wieder werden“[7]. Die „nationalistischen Treibereien der Polen“ haben die Inselbewohner entzweit:

„[Viele von ihnen werden] von Warschau oder Krakau fort und fort gestachelt und schon immer geschürt, Gift und Galle […] auf das Deutschtum überhaupt, von dem sie ihr ursprüngliches Volksdasein vergewaltigt glaubten [, zu sprühen]. Sie wollten in der deutschen Nation auf alle Fälle eine andere Nation bleiben, als solche auch die deutsche ganz gewiß noch einmal unterkriegen; sie warteten nur noch auf die große Macht und Gewalt, die von Osten hereinbrechen solle. Kurzum, die Osternäser müsse man schon als ein richtiges Unkraut ansehen, das der Teufel in den deutschen Weizen gesät hätte.“[8]

Juden und Polen verhalten sich feindlich gegenüber dem Deutsch- und Christentum: „‚Hört ihr, Leute, er verspottet unsern Glauben!‘ eiferte der ‚Zichorienjüd‘. ‚Ins Meer mit dem Ketzer!‘, schrie Jacosch Raza“.[9]

Der Roman enthält auch deutliche Merkmale des Antisemitismus,[10] die zum Beispiel auch die Erzählung Die Dreieichenleute[11] und die Autobiografie Zwischen Dorn und Korn kennzeichnen[12], in der Sohnrey die Errungenschaften des NS-Staates feierte: „Und gewaltig wie Hitlers Reden sind auch die Taten, mit denen der größte und, wie wir glauben, nachhaltigste Volksumbruch zutage trat, der je in einem Kulturlande der Welt erlebt wurde.“[13] Im Vorwort seines zuerst 1927 als Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein erschienenen, 1938 bearbeiteten und nun als Das fremde Blut gedruckten Romans schrieb Sohnrey: „Mit jugendlichen Hoffnungen schicke ich sie [diese Geschichte] in die neue Welt des Dritten Reiches, in deren Gedankenkreise sie ja von Anfang an schon stand.“[14] Dieser Roman fügt sich – drei Jahre nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze mit allen ihren entsetzlichen Konsequenzen – nahtlos in die Rassenpolitik der NSDAP ein und thematisiert u.a. den „Schutz des deutschen Blutes“ bzw. die Rassenschande sowie die Folgen des außerehelichen Geschlechtsverkehrs zwischen „Zigeunern“ und arischen Frauen (in deren gemeinsamen Familien es „mehr Kinder als Ferkel“[15] gibt). Es ist ein Pastor, den Sohnrey über Nachkommen von Mischehen sagen lässt:

„[…] eine Vermischung deutschen Blutes mit dem Blut einer anderen, einer minderwertigen Rasse, wie man nach allen Erfahrungen sagen muß, [ist] unbedingt vom [sic] Übel. […] Das deutsche Blut muß rein bleiben. Bei aller christlichen Duldsamkeit, die wir nach dem Gebote Gottes zu üben haben, müssen wir eben doch im Hinblick auf die Folgen des Blutmischmasches herb und derb sagen: ‚Fort mit Schaden!‘“[16]

Das dritte der Zehn Gebote „Du sollst nicht töten!“ ist damit liquidiert; die NS-Rassentheorie und Vernichtungspolitik „minderwertiger Rassen“ wird von einem Geistlichen legitimiert.

Würdigung durch Adolf Hitler anlässlich der Verleihung des Adlerschilds des Deutschen Reiches (1939)

Im selben Text wird auch pauschal der angebliche Hass des Auslands auf Deutschland thematisiert, der den Nationalsozialisten als Vorwand für den Kriegsausbruch diente: „Deutschland war verloren und die feindliche Welt ohne jede Vernunft, nur von Haß- und Rachedurst gegen das am Boden liegende Vaterland beseelt.“[17] An anderer Stelle heißt es:

„Allein der giftige Haß unserer vielen und mächtigen Feinde hätte ja alle Türen der Welt gegen uns Deutsche verrammelt. Da müsse mal wohl oder übel im Lande bleiben, im treuen Verein mit den deutschen Brüdern ein neues Leben beginnen und eine neue deutsche Macht zu schaffen suchen, daß unsere Feinde und Hasser doch endlich einmal wieder aufhörten, uns auf dem Kopfe herumzutrampeln.“[18]

Später begrüßte Heinrich Sohnrey die Kriegserfolge der Wehrmacht:

„Das deutsche Schwert machte den Ostraum frei und gab ihn dem Mutterlande wieder. Nach dem Abschluß des Krieges wird ihn die Friedensarbeit durchdringen, und deutsches Leben wird sich entfalten. Hier soll wieder echtes deutsches Volkstum erwachsen und ein Geschlecht wurzeln, arbeitshart und willensfest, wie es deutsche Art ist, ein Geschlecht, das auch die großen bevölkerungspolitischen Aufgaben übernimmt: Aufzucht eines reichen, schollentreuen Nachwuchses, der immer einen lebendigen Schutzwall gegen den fernen Osten bildet.“[19]

Der Grund und Boden Osteuropas war nach Sohnreys Ansicht legitimes Eigentum desjenigen Volkes, das ihn militärisch erobert und den „Weg […] frei zur eigenen Scholle“ gemacht hatte: „Freilich wird die ganze Siedlungsarbeit erst nach siegreicher Beendigung des Krieges geleistet werden können. Denn dem Frontsoldaten, der das Land erkämpfte, muß er in erster Linie offenstehen.“[20] Im selben Text heißt es: „es [ist] kein Zufall, daß das nationalsozialistische Deutschland seinen Ewigkeitsbestand auf Blut und Kraft des Bauerntums gegründet hat.“[21]

Ebenfalls im Jahre 1943 feierte Sohnrey in Aus Groß-Berlin und kleinen Dörfern die Errungenschaften der nationalsozialistische Familienpolitik:

„Bei alledem wurde das Glück der Ehe niemals erschüttert. Ihr entsprossen vier gesunde Kinder, drei Söhne und eine Tochter, einer der Söhne in Holzminden sehr angesehen als Stadtrat, Regierungsrat und Vorsteher des Finanzamtes sehr geschätzt, wie er denn auch mitsamt seiner Mutter zu den ersten Anhängern des Führers und Träger des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP wurde.“[22]

Sohnreys 1939 erschienene Schrift Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend stand unter dem Motto:

Ueber uns steht der große Befehl:
Du mußt im Dienst deines Volkes deine Pflicht erfüllen.
Der Führer am Erntedanktag 1936.[23]

Als "ältester deutscher Vorkämpfer" für die Ziele des 1941 gegründeten Gauheimatwerkes Süd-Hannover-Braunschweig e.V., eine "zu aktiver nationalsozialistischer Arbeit aufgerufene Vereinigung der Volksgenossen", wurde Sohnrey bei dessen Gründung 1941 durch Gauleiter Hartmann Lauterbacher zum Ehrenmitglied ernannt; 1942 wurde - ebenfalls durch Lauterbacher - der "Heinrich-Sohnrey-Wettbewerb" ausgeschrieben.[24]


Nach Kriegsende

Nach Kriegsende wurden Sohnreys Werke Wegweiser für das Land (1939), Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend (1939) und Aus Groß-Berlin und kleinen Dörfern (1943) sowie die von ihm vertriebenen bzw. herausgegebenen Zeitschriften Neues Bauerntum und Die junge Dorfgemeinschaft in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[25][26][27][28][29]

Am 8. Oktober 1945 schrieb Sohnrey einen Brief an den Alliierten Kontrollrat, in dem es hieß:

„Ich, Professor Dr. phil. h. c., Dr. rer. pol. h. c. Heinrich Sohnrey, bin niemals Mitglied der Nationalsozialistischen Partei gewesen, weil ich immer der Überzeugung war, der ich auch häufig genug Ausdruck gab, daß Hitler mit der Gründung der Partei einen großen Fehler beging, weil er damit einen Keil in die Einheit des deutschen Volkes trieb, und in seiner Anrede an das deutsche Volk dieses immer als Parteimitglieder und deutsche Volksgenossen ansprach. Ich habe hingegen immer die Einheit des deutschen Volkes, insbesondere unserer Landbevölkerung, im Auge gehabt, für die ich mich über ein halbes Jahrhundert lang im engsten Einvernehmen mit dem Preußischen und deutschen Landwirtschaftsministerium (Ernährungsministerium) in meiner ganzen schriftstellerischen Lebenstätigkeit hauptsächlich für das Wohl der Landbevölkerung, in erster Linie der Arbeiter und Bauern, eingesetzt habe.“[30]

Im Dezember 1945 schrieb er, dass er den Neuaufbau seines Verlages mit einer Broschüre des Titels „Adolf Hitler und das große Unglück des deutschen Volkes“ habe beginnen wollen: „Hier sollte gründlich mit Hitler und einem gewissen Teile des deutschen Volkes abgerechnet werden und die Richtung meines Verlages für alle Zeit festgelegt sein.“[31]

Rezeption

Gedenken und Relativierung

Die dem Nationalsozialismus verpflichteten Texte des Solling-Dichters Heinrich Sohnrey sind nach 1945 in Vergessenheit geraten; aufgrund seiner vor allem in den Jahren vor 1933 erworbenen Verdienste um die ländliche Wohlfahrtspflege und seiner volkskundlichen Arbeiten[32] wurde und wird das Andenken an ihn bis heute gepflegt; kurz nach seinem Tod wurde in seinem Geburtsort Jühnde die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft gegründet.

Der Vorsitzende des Esebecker Heimatvereins, Gerd Busse, kommt in seiner Sohnrey-Biographie Zwischen Hütte und Schloss, die im Auftrag der Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft herausgegeben wurde und die 2009 im Holzmindener Kleinverlag Jörg Mitzkat („Bücher für die Weserbergland-Region“) erschien, zu dem Ergebnis:

„[Bei manchen] Äußerungen, die in seinen Schriften oder in den Vorworten von Neuauflagen auftauchten, kann man darüber streiten, ob es so gemeint war, wie es geschrieben wurde, oder ob es nicht nur „Zugeständnisse“ an das national-sozialistische Regime waren, um für sich, seinen Verlag und sein sozialreformerisches Lebenswerk etwas herauszuholen, was ihm sonst vielleicht verwehrt worden wäre.
Die Bewertung seiner Rolle im Nationalsozialismus ist schwierig. Deswegen reicht die Spannweite der Einschätzungen in der Literatur von der Wegbereiterschaft bis hin zum ahnungslosen Missbrauch seiner Ideen durch die Nationalsozialisten. Der berühmte, beliebte, alte, freundliche und volkstümliche Mann, den man öffentlichkeitswirksam präsentieren konnte und mit dem man in ländlichen und gutbürgerlichen Kreisen „punkten“ konnte, auf der einen Seite und auf der andern Seite der bedauernswerte, vom Schicksal getroffene, missverstandene, enttäuschte, alte Mann, dem nichts mehr geblieben war als sein eigenes Leben: Das sind zwei Seiten eines Bildes, das über Heinrich Sohnreys Rolle im „Dritten Reich“ in der Literatur nach 1945 gezeichnet wurde.“

Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloss. Heinrich Sohnrey, Biographie, 2009[33]

Neuere Literaturlexika hingegen gehen – sofern sie Sohnrey überhaupt aufnehmen – von einer zunehmenden Ideologisierung seiner Schriften während der NS-Zeit aus.[34]

Gegenwärtige Rezeption

Ende September 2011 beantragte die Heinrich-Sohnrey-Realschule in Hann. Münden aufgrund einer Expertise des Göttinger Germanisten Frank Möbus zu Sohnreys nationalsozialistischen Texten beim Schul-Dezernat die Einleitung eines Verfahrens zur Umbenennung der Schule.[35] Der Schulausschuss des Landkreises Göttingen will Ende November 2011 über eine Änderung des Schulnamens beraten.[36] Am 14. September 2011 hat die Göttinger SPD-Abgeordnete Gabriele Andretta im Landtag Niedersachsens eine Anfrage zur „geklitterte[n] Geschichte des Nationalsozialisten, Antisemiten und Kriegsbefürworters Heinrich Sohnrey“ gestellt.[37]

Der im Oktober 2011 geschlossene Gruppenvertrag der Göttinger Kreistags-Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen enthält folgenden Absatz: „Aufgrund des wissenschaftlich untersuchten Werkes von Heinrich Sohnrey, das eine eindeutige Verstrickung mit der NS-Ideologie belegt, wird jegliche Förderung von Projekten eingestellt, die Heinrich Sohnreys Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus verharmlosen. Der Landkreis wird aktiv darauf hinwirken, dass die Verstrickungen weiter aufgedeckt werden und die Öffentlichkeit umfassend informiert wird.“[38] Am 17. Oktober 2011 gab der Ortsverband Hann. Münden der Partei Die Linke bekannt, dass die Partei sich im Stadtrat für eine Namensänderung der Heinrich-Sohnrey-Realschule und die Umbenennung der Sohnreystraße aussprechen werde;[39] als Schulträger hat sich die Kreisverwaltung bereits zugunsten eines neuen Namens für die Schule ausgesprochen.[40] Die Umbenennung der Heinrich-Sohnrey-Straße in Göttingen wird überprüft;[41] ebenso wie die Aberkennung der Ehrenbürger-Würde der Universität Göttingen.[42][43] Auch in Hannover, Rinteln und Springe sind Diskussionen um mögliche Umbenennungen der nach Sohnrey benannten Straßen bzw. Wege begonnen worden.[44][45][46]

Die Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft hingegen vertritt weiterhin die Position, „das [dass] Sohnreys Verdienste bis heute reichen und er uns in vielen Belangen als Vorbild dienen kann, aber auch genauso als Mahner, wie schnell gut gemeintes [Gemeintes] auch das Falsche unterstützen kann!“[47]

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke (in Auswahl)

Romane und Erzählungen (Auswahl)

  • Hütte und Schloß. 1886
  • Friedesinchens Lebenslauf. 1887
    • Neuauflage mit dem Titel Friedesinchen. 121. -127. Tausend, Verlag Heinrich Döll & Co., Bremen 1954
  • Philipp Dubenkropps Heimkehr. Eine Dorfgeschichte aus dem Weserberglande. 1888 (2. Titel: Verschworen - verloren. 1906)
  • Im grünen Klee - im weißen Schnee. Gestalten und Geschichten aus dem hannoverschen Berglande. 1894
  • Der Brüderhof. 1897
  • Die hinter den Bergen. 1900
  • Der kleine Friedrich. 1901
  • Grete Lenz, ein Berliner Mädchen. Erlebnisse von ihr selbst erzählt. 1909
  • Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. 1913 (1. Titel: Die Lebendigen und die Toten)
  • Herzen der Heimat. Erzählungen, 1919
  • Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. 1927 (1938 unter dem Titel: Das fremde Blut)
  • Wulf Alke. Roman einer Jugend. 1932
  • Zwischen Dorn und Korn (Autobiographie), 1934
  • Aus Groß-Berlin und kleinen Dörfern (Erzählungen), 1942
  • Die vier Hofmeistergänse. Ein Volksidyll. 1953

Volksstücke und Gedichte (Auswahl)

  • Die Dorfmusikanten (Volksstück mit Gesang, Spiel und Tanz), 1901
  • Die Düwels (Bauerndrama), 1909
  • Das Gewitter (Dorftragödie), 1929
  • Im Dorf mein Schatz (Lieder), 1929
  • Als wir zu der Liebsten gingen (Gedichte), 1939

Jugendgeschichten (Auswahl)

  • Wenn die Sonne aufgeht. 1910
  • Draußen im Grünen. 1912
  • Der Hirschreiter (Jugendbuch), 1916
  • Fürs Herzbluten. 1920

Literatur (in Auswahl)

  • Klaus Bergmann: Agrarromantik und Großstadtfeindlichkeit. Hain, Meisenheim am Glan 1970. (= Marburger Abhandlungen zur politischen Wissenschaft; 20)
  • Werner Hartung: Konservative Zivilisationskritik und regionale Identität. Am Beispiel der niedersächsischen Heimatbewegung 1895 bis 1919. Hahn, Hannover 1991.
  • Carl Heinz Kurz: In memoriam Heinrich Sohnrey (1859–1948). Ein Anruf zur Besinnung. Festrede, gehalten am 125. Geburtstag Heinrich Sohnreys zu Neuhaus im Solling (19. Juni 1984). Graphikum, Bovenden 1984.
  • Karl Schöpke: Heinrich Sohnrey. Der Pfad zu den Quellen des Lebens. Weserland, Holzminden 1949.
  • Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft (Hrsg.): Heinrich Sohnrey zum 125. Geburtstag. Heinrich-Sohnrey-Gesellschaft, Jühnde 1984.
  • Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloss. Heinrich Sohnrey. Schriftsteller, Sozialreformer, Volkskundler. Mit ausgewählten Beispielen aus seinem literarischen Werk. Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden 2009, ISBN 978-3-940751-18-8 (Teil I, S. 1–142, des Buches online beim Verlag Jörg Mitzkat verfügbar; PDF-Datei, 1,55 MB).
  • Frank Möbus: In Sachen Heinrich Sohnrey. Gutachten zur nationalsozialistischen Vergangenheit des Solling-Dichters. Noch ungedruckt: Göttingen 2011.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 575.
  2. Ufa-Tonwoche, Wochenschau zum 75. Geburtstag Sohnreys 1934
  3. Die nationalsozialistische Revolution 1931-1934. Sonderausgabe für den Gebrauch der Reichs-, Staats- und Kommunalbehörden sowie für Schulen und Bibliotheken. Berlin: Vertrieb Amtlicher Veröffentlichungen 1934, S. 712
  4. Heinrich Sohnrey: Wulf Alke. Roman einer Jugend. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1933, S. 89.
  5. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 104
  6. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 200.
  7. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 12
  8. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 34
  9. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 289
  10. Vgl. Heinrich Sohnrey: Fußstapfen am Meer. Ein Grenzlandroman. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin, 48.–49. Tausend 1935, S. 60, 289 u.ö.
  11. Die Dreieichenleute. In: Bauernfaust und Bauerngeist. Aus den Werken von Heinrich Sohnrey. Wahrt deutsche Art. Sammlung deutscher Dichter, Band 2. Carl Meyer: Hannover 1937, S. 20–41
  12. Vgl. Zwischen Dorn und Korn. Lebenserinnerungen von Heinrich Sohnrey. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1934, S. 255 f.
  13. Zwischen Dorn und Korn. Lebenserinnerungen von Heinrich Sohnrey. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1934, S. 209
  14. Heinrich Sohnrey: Das fremde Blut. Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1938, [S. 7]
  15. Heinrich Sohnrey: Das fremde Blut. Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1938, S. 43
  16. Heinrich Sohnrey: Das fremde Blut. Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1938, S. 107.
  17. Heinrich Sohnrey: Das fremde Blut. Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1938, S. 189 f.
  18. Heinrich Sohnrey: Das fremde Blut. Die Geschichte vom schwarzbraunen Mädelein. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1938, S. 196.
  19. Heinrich Sohnrey: Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend. Hg. im Auftrage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Deutsche Landwerbung, Berlin o.J. [1939], S. 25.
  20. Heinrich Sohnrey: Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend. Hg. im Auftrage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Deutsche Landwerbung, Berlin o.J. [1939], S. 26f.
  21. Heinrich Sohnrey: Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend. Hg. im Auftrage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Deutsche Landwerbung, Berlin o.J. [1939], S. 13
  22. Heinrich Sohnrey: Aus Groß-Berlin und kleinen Dörfern. Erzählungen. Deutsche Landbuchhandlung, Berlin 1943, S. 179 f.
  23. Heinrich Sohnrey: Landflucht ist Volkstod. Ein Wort an die Lehrer zur Schulentlassung der Landjugend. Hg. im Auftrage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Deutsche Landwerbung, Berlin o.J. [1939], S. 7.
  24. Ein Gau treibt Heimatarbeit." Flugblattreihe des Gauheimatwerkes Süd-Hannover-Braunschweig e.V. Ausgabe 1. "Aufbau und Organisation des Gauheimatwerks". Hannover 1942, Vorsatzblatt und dass., Ausgabe 10. "Ein Jahr Gauheimatwerk". Hannover 1943, Punkt 18
  25. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-s.html
  26. http://www.polunbi.de/bibliothek/1947-nslit-s.html
  27. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-s.html
  28. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-zeit.html
  29. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-zeit.html
  30. Zitiert nach Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloss. Heinrich Sohnrey. Schriftsteller, Sozialreformer, Volkskundler. Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden 2009, S. 137.
  31. Zitiert nach Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloss. Heinrich Sohnrey. Schriftsteller, Sozialreformer, Volkskundler. Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden 2009, S. 118.
  32. http://www.heinrich-sohnrey.de/Heinrich-Sohnrey/Biografie.html
  33. Gerd Busse: Zwischen Hütte und Schloss. Heinrich Sohnrey. Schriftsteller, Sozialreformer, Volkskundler. Mit ausgewählten Beispielen aus seinem literarischen Werk. Verlag Jörg Mitzkat, Holzminden 2009, ISBN 978-3-940751-18-8, S. 114 (Teil I, S. 1–142, des Buches online beim Verlag Jörg Mitzkat verfügbar; PDF-Datei, 1,55 MB).
  34. Vgl. etwa Walther Killy: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache (15 Bände). Bertelsmann-Lexikon-Verlag, Gütersloh und München 1988–1991, Band 11, S. 61
  35. http://www.hna.de/nachrichten/landkreis-goettingen/hann-muenden/sohnrey-schule-stellt-ihren-namen-frage-1449210.html
  36. Heidi Niemann: Der Sollingdichter und die Nazis. Neue Erkenntnisse über Heinrich Sohnrey lassen Kommunen umdenken. In: Kurier am Sonntag, Bremen, vom 20. November 2011, S. 16.
  37. Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta
  38. Text des Gruppenvertrages
  39. Pressemitteilung der Partei DIE LINKE
  40. http://www.hna.de/nachrichten/landkreis-goettingen/hann-muenden/ns-vergangenheit-sohnrey-pruefstand-1497078.html
  41. a b Heidi Niemmann: Heimatpfleger im NS-Bann. Neue Studie belegt, dass der „Sollingdichter“ ein glühender Nazi war. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 7. November 2011. S. 7 (Printausgabe)
  42. HNA vom 7. November 2011
  43. http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Wissen/Regionale-Wissenschaft/Universitaet-prueft-Aberkennung-Neue-Erkenntnisse-ueber-Sohnrey
  44. http://www.sn-online.de/Schaumburg/Rinteln/Rinteln-Stadt/Heimatdichter-war-Hitlers-Vordenker
  45. http://www.hna.de/nachrichten/landkreis-goettingen/hann-muenden/ns-vergangenheit-sohnrey-pruefstand-1497078.html
  46. http://www.ndz.de/portal/lokales/springe_Nazi-Vorwurf-Neuer-Name-fuer-Sohnreyweg-_arid,381489.html
  47. http://www.heinrich-sohnrey.de/Heinrich-Sohnrey/Blog/Eintrage/2011/11/14_Wirbel_um_Heinrich_Sohnrey.html
  48. HNA vom 7. November 2011
  49. Übergabe des Ordens

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  • Wandervogelbewegung — Wandervogel Greif Als Wandervogel wird eine 1896 in Berlin Steglitz entstandene Bewegung hauptsächlich von Schülern und Studenten bürgerlicher Herkunft bezeichnet, die in einer Phase fortschreitender Industrialisierung der Städte und angeregt… …   Deutsch Wikipedia

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  • 26. Jänner — Der 26. Januar (in Österreich und Südtirol: 26. Jänner) ist der 26. Tag des Gregorianischen Kalenders, somit bleiben 339 Tage (in Schaltjahren 340 Tage) bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Dezember · Januar · Februar …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/So — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Söhne und Töchter der Stadt Hildesheim — Die folgenden Personen sind in Hildesheim geboren. Ob sie ihren späteren Wirkungskreis in Hildesheim hatten oder nicht, ist dabei unerheblich. 973, Heinrich II.; † 1024 in Grona; deutscher Kaiser um 1010, Benno von Meißen 1540, 28. Januar,… …   Deutsch Wikipedia

  • Adlerschild — Max Liebermann mit dem ihm vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg verliehenen Adlerschild Der Adlerschild des Deutschen Reiches war eine unter dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert am 15. November 1922 gestiftete nichttragbare Auszeichnung des …   Deutsch Wikipedia

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