Italienische Luftwaffe

Italienische Luftwaffe
Wappen der Aeronautica Militare

Die italienische Luftwaffe (Aeronautica Militare [Italiana]) ist eine von vier italienischen Teilstreitkräften und untersteht dem Generalstab der Luftwaffe (Stato Maggiore Aeronautica – SMA) im Verteidigungsministerium in Rom. Diesem Stab ist der Generalstab der Streitkräfte (Stato Maggiore Difesa – SMD) übergeordnet. Die Sollstärke der italienischen Luftwaffe liegt derzeit bei 44.000 Berufssoldaten und Freiwilligen, sie wird jedoch in den kommenden Jahren um etwa 10.000 Soldaten verringert

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Dem Generalstab der Luftwaffe in Rom unterstehen drei große Kommandobereiche:

  • Luftflottenkommando (Comando della Squadra Aerea – CSA) (Rom-Centocelle)
  • Unterstützungskommando (Comando Logistico – AEROLOG) (Rom-Pratica di Mare)
  • Ausbildungskommando (Comando Scuole dell'Aeronautica Militare – CSAM) (Bari)

Hinzu kommt das operative Einsatzzentrum Comando delle Forze Aeree (COFA) in Poggio Renatico bei Ferrara auf das auch der Generalstab der Streitkräfte direkten Zugriff hat. Zugleich ist es das NATO-Einsatzkommando „CAOC 5“ (Combined Air Operations Center 5, früher die V. ATAF in Vicenza). Im apulischen Martina Franca besteht darüber hinaus ein mobiles Reserveeinsatzzentrum, das auch für Auslandeinsätze zur Verfügung steht (Deployable Combined Air Operations Centre – DCAOC).

Luftflottenkommando

Hoheitszeichen der italienischen Luftstreitkräfte
Low-Visibility-Ausführung
Wappen des 4º Stormo (Grosseto, Eurofighter)
Wappen des 5º Stormo (Cervia, F-16)
Wappen des 6º Stormo (Ghedi, Tornado)
Wappen des 32º Stormo (Amendola, AM-X, Predator UAV)
Wappen des 36º Stormo (Gioia del Colle, Eurofighter)

Dem „Comando della Squadra Aerea“ (CSA) unterstehen alle fliegenden Verbände der italienischen Luftwaffe. Es ordnet und überwacht den Dienstbetrieb und stellt schon im Frieden die höchstmögliche Einsatzbereitschaft aller unterstellten Verbände sicher. Zur truppendienstlichen Führung der Geschwader bedient es sich verschiedener Unterkommandos, die jeweils für die Kampf-, die Lufttransport- und für die Unterstützungsverbände zuständig sind. Diese Unterkommandos kümmern sich hauptsächlich um Grundsatzangelegenheiten und Qualitätsstandards, nicht jedoch um die Einsatzführung.

Für operative Einsätze werden Einheiten und Verbände dem Einsatzführungskommando der Luftwaffe (COFA) bzw. dem NATO-Kommando CAOC 5 in Poggio Renatico bereitgestellt. Dieses Kommando führt im täglichen Dienstbetrieb alle anfallenden operativen Aufgaben aus, vom Rettungshubschraubereinsatz über Alarmstarts von Abfangjägern („Scrambles“) bis zu regelrechten Luftangriffsoperationen (Kosovo-Krieg). Permanent unterstehen dem COFA vier Einsatzführungsgruppen (4 „Gruppi Radar“).

Der zentrale operative Verband der italienischen Luftwaffe ist das Geschwader (it. „Stormo“, dt. (Vogel-)Schwarm) das mit einem Regiment beim Heer vergleichbar ist. Größere fliegende Verbände heißen „Luftbrigaden“, von denen es aber nur wenige gibt. Dem Geschwaderkommodore, einem Oberst, unterstehen neben Stabseinheiten und dem Operationszentrum folgende „Gruppen“ (vgl. Bataillon):

  • 1–2 (evtl. 3) fliegende Gruppen, bez. je nach Flugzeugtyp bzw. Einsatzart
  • „Technische Unterstützungsgruppe“ (technische Unterstützung, Wetterdienst, Flugsicherung)
  • „Logistische Unterstützungsgruppe“ (Infrastruktur, Feuerwehr, Gesundheitswesen)
  • „Flugzeugwartungsgruppe“ (Werft; nicht an allen Standorten, nur für jeweils einen Typ)
  • „Verteidigungsgruppe“ (Objektschutz und Flugabwehr, in der Regel mit je 1 Flarakstffl. „Spada“)
  • 1 Staffel mit Verbindungsflugzeugen und ggf. Rettungshubschraubern.

Terminologisch gibt es bei den fliegenden Gruppen einige Schwierigkeiten. Die fliegende Gruppe eines deutschen Geschwaders unterteilt sich wie in Italien in Staffeln („Squadriglie“). Bei der deutschen Luftwaffe gibt es heute eine fliegende Gruppe pro Geschwader mit in der Regel zwei fliegenden Staffeln zu je etwa 20 Flugzeugen, die in der Regel von einem Major befehligt werden. Weil man in Italien 12 bis 18 Flugzeuge nicht in einer Einheit (Staffel) im Rang einer Kompanie zusammenfassen will, stellen dort 12-18 Flugzeuge eine fliegende Gruppe dar, also einen Verband auf Bataillonsebene, der normalerweise von einem Oberstleutnant angeführt wird. Die weitere Untergliederung in „Squadriglie“ (Staffeln) hat nur Verwaltungscharakter und erfolgt vorwiegend aus Traditionsgründen. Dennoch wird in der Regel „Gruppo“ mit „Staffel“ oder auch engl. „Squadron“ übersetzt.

Nachstehend eine Liste mit den wichtigsten italienischen Luftwaffenbasen und Geschwadern (in runden Klammern die Flugzeugtypen; Mehrfachnennungen weisen auf mehrere „Staffeln“ hin), [in eckigen Klammern die Bezeichnung ehemaliger Verbände, die auf den genannten Fliegerhorsten stationiert waren]:

Andere Stützpunkte und Verbände (Auswahl):

Italienischer Recce-Tornado des 6° Stormo 2008 über Afghanistan

Die italienische Luftwaffe verfügt derzeit noch über insgesamt etwa 85 Tornados, 110 AMX (davon etliche in Reserve), 34 F-16ADF und ca. 100 Aermacchi MB 339, sowie 22 C-130J Hercules II (davon 10 in der verlängerten Version) und 12 C-27J Transportflugzeuge. Aufgrund industriepolitischer Erwägungen wurden in den 90er Jahren keine F-16C Kampfflugzeuge als Ersatz für die veralteten F-104S „Starfighter“ beschafft, um das Eurofighter-Programm nicht zu gefährden. Die 34 F-16ADF wurden von den USA als „Stop-Gap-Fighter“ geleast. 121 Eurofighter sind bestellt, doch das dritte Baulos ist gefährdet. Italien ist im amerikanischen Joint Strike Fighter (JSF) Programm, mit dem es die leichten Kampfflugzeuge vom Typ AMX und die Tornado-Jagdbomber ersetzen möchte. Maschinen dieser beiden Typen erhielten unlängst ein „Midlife-Update“ und sollen noch bis 2025 im Dienst bleiben. Die Jettrainer und leichten Erdkampfflugzeuge vom Typ Aermacchi MB 339 dürften bald vom neuen Aermacchi M 346 abgelöst werden. Als neue Standardhubschrauber sind die EH-101 und die AgustaWestland AW149 vorgesehen. Bestellt sind 4 neue Tankflugzeuge vom Typ KC-767 als Ersatz für 5 alte Boeing 707T/T. Die Beschaffung von eigenen AWACS-Flugzeugen konnte wegen mangelnder finanzieller Ressourcen bis dato nicht realisiert werden. Auch die alten Nike-Herkules Flugabwehrraketen der 1ª Brigata Aerea wurden aus diesem Grund nicht durch Patriot-Raketen ersetzt. Italien ist im Raketenprogramm MEADS vertreten.

Unterstützungskommando

Ital. Eurofighter in Pratica di Mare

Das Comando Logistico (AEROLOG) ist für den gesamten technischen, logistischen und Verwaltungsbetrieb in der italienischen Luftwaffe zuständig, sofern er nicht von den Einsatzverbänden selbst durchgeführt wird. Für territoriale Aufgaben unterstehen dem Kommando zwei territoriale Luftstreitkräfteregionen in Mailand (1.) und Bari (3.), sowie eine Dienststelle für Aufgaben in Rom. Daneben unterstehen AEROLOG drei Divisionen:

  • 1. AEROLOG-Division: Flugversuchszentrum, Flugmedizin, wissenschaftliche Dienste u. a.
  • 2. AEROLOG-Division: Technische Dokumentation, Materialerhaltung Fluggerät, Werften, Depots
  • 3. AEROLOG-Division: Technische Dokumentation, Materialerhaltung C-4 Systeme

Ausbildungskommando

Das Comando delle Scuole in Bari (bis 2007 in Guidonia Montecelio bei Rom) ist für die Rekrutierung, Aus- und Fortbildung des gesamten Personals der italienischen Luftwaffe zuständig. In Guidonia Montecelio befindet sich das zentrale Personalauswahlzentrum der Luftwaffe. Mannschaften werden im Ausbildungszentrum in Tarent ausgebildet. Für technisches Fachpersonal und angehende Unteroffiziere ohne Portepee ist die Unteroffiziersschule in Caserta zuständig, die dort im königlichen Palast untergebracht ist. Bei den überwiegend direkt von zivilen Oberschulen kommenden Anwärtern der höheren Unteroffizierslaufbahn übernimmt die Unteroffiziersschule in Viterbo in Zusammenarbeit mit der Universität Tuscia die Ausbildung, in deren Rahmen ein dreijähriges Bachelor-Studium in Wirtschafts- und Organisationswissenschaften zu absolvieren ist. Daneben besteht am Wallfahrtsort Loreto noch ein Fortbildungszentrum für Unteroffiziere (Schwarze Madonna von Loreto ist Schutzpatronin der Aeronautica Militare). Angehende Offiziere werden u.a. an der Luftwaffenakademie in Pozzuoli ausgebildet und können später Fortbildungskurse oder die Generalstabslehrgänge an der Führungsakademie der Luftwaffe (Istituto di Scienze Militari Aeronautiche) in Florenz und an der Führungsakademie der Streitkräfte (CASD) in Rom besuchen. Für die fliegerische Ausbildung unterstehen dem Comando delle Scuole auch die Ausbildungsgeschwader (in o. g. Liste aufgeführt) in Latina, Frosinone und Lecce, sowie Ausbildungsstellen in Sheppard (Texas, USA) und Moose Jaw (Kanada). In Loreto befindet sich im Komplex des genannten Fortbildungszentrums eine Fremdsprachenschule, in Rom eine Sanitätsschule und in Guidonia Montecelio eine Segelflugschule sowie die so genannte Scuola di Aerocooperazione, die Angehörige aller Teilstreitkräfte und anderer Behörden vor allem im Bereich Luft- und Satellitenbildauswertung schult. Dem Kommando in Bari untersteht darüber hinaus auch das sehenswerte militärische Luftfahrtmuseum in Vigna di Valle am Bracciano-See. Dort befindet sich auch das Sportzentrum der Aeronautica Militare mit einer Sportfördergruppe.

In Florenz unterhält das Ausbildungskommando das Militärgymnasium „Giulio Douhet“. Dort können Jugendliche eine auf Luft- und Raumfahrttechnik ausgerichtete gymnasiale Oberstufe absolvieren und Abitur machen. Der Schulbetrieb ist militärisch ausgerichtet und die Schüler haben den Status von Soldaten. Nach Abschluss der Schule können sie wieder ins Zivilleben zurückkehren oder eine militärische Laufbahn einschlagen.

In La Spezia (Cadimare) befindet sich die Waisenanstalt der Aeronautica Militare, die überwiegend durch Spenden von Soldaten und Industriebetrieben finanziert wird.

Geschichte

Hoheitszeichen der Regia Aeronautica
Dragon Hammer 1987
Tanker Boeing 707-TT

Das militärische Luftfahrtwesen begann in Italien im Jahr 1884 mit der Aufstellung einer Luftschiff-Einheit beim 3. Pionierregiment des Heeres in Rom. Italien war das erste Land der Welt, das Flugzeuge in einem Krieg zum Einsatz brachte. Am 22. Oktober 1912 flog während des Italienisch-Türkischen Krieges Hauptmann Piazza in Libyen mit einer Blériot XI den ersten „Bombereinsatz“ der militärischen Luftfahrtgeschichte.

Im Ersten Weltkrieg zeichnete sich besonders der Kavallerieoffizier Francesco Baracca aus. Einen großen Einfluss auf die Luftstreitkräfte aller Staaten hatte der Lufwaffenstratege General Giulio Douhet, der erstmals die strategischen Wirkungen von Flächenbombardements beschrieb, welche von der italienischen Fliegertruppe (Corpo Aeronautico Militare) mit ihren großen Caproni-Bombern Ca.3-Ca.5, Ca.36 sowie Ca.42 erstmals geflogen wurden und später im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten im großen Stil umgesetzt wurden.

Die italienische Luftwaffe selbst wurde als eigenständige Teilstreitkraft am 28. März 1923 unter dem Namen Regia Aeronautica (dt. „Königliche Luftwaffe“) gegründet. Im Wesentlichen handelte es sich um die Fusion der Fliegertruppen von Heer und Marine, denen danach eigene fliegende Einheiten verboten wurden. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen machte sich die Luftwaffe dank der Förderung durch das faschistische Regime Benito Mussolinis und der Flugpioniere um Arturo Ferrarin, Francesco De Pinedo, Umberto Nobile und Italo Balbo einen Namen und stellte zahlreiche internationale Rekorde auf.

Im spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 zählte die Regia Aeronautica noch zu den technisch fortschrittlicheren. Bei Kriegseintritt 1940 blieb die Technik jedoch hinter der anderer Länder zurück. Erst später konnten die Italiener mit dem Lizenzbau von deutschen Daimler-Benz-Flugmotoren modernere und leistungsfähigere Jagdflugzeuge wie die Macchi MC.202 bauen. Italienische Bomber flogen Langstrecken-Einsätze u. a. bis zum Persischen Golf. Besonders die Torpedoflieger („Aerosiluranti“) konnten trotz schwieriger Umstände der britischen Flotte schweren Schaden zufügen.

Mit der alliierten Invasion in Italien und dem Waffenstillstand von Cassibile im September 1943 teilte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch die italienische Luftwaffe. Im Süden des Landes kooperierte die Aeronautica Cobelligerante Italiana mit den Alliierten, im Norden blieb die Aviazione Nazionale Repubblicana der faschistischen Italienischen Sozialrepublik mit Deutschland verbündet.

Nach dem Krieg wurde die Luftwaffe mit der Abschaffung der Monarchie im Jahr 1946 in „Aeronautica Militare“ umbenannt. Ab 1951, mit der Aufhebung der Rüstungsbeschränkungen, wurde die Luftwaffe im Rahmen der NATO wieder aufgerüstet und konnte in den fünfziger Jahren dank amerikanischer Militärhilfe einen recht hohen Einsatzstand erreichen. Die Geschwader der italienischen Luftwaffe wurden zeitweise zu Luftbrigaden („aerobrigate“) umstrukturiert. In diesen Jahren begannen auch italienische Unternehmen wie Aeritalia, Agusta und Aermacchi wieder, die Luftstreitkräfte mit modernem Fluggerät auszustatten, u.a. mit der Fiat G.91, der Aermacchi MB 326 und der Aeritalia G.222. Daneben produzierte man in Lizenz und beteiligte sich an ersten internationalen Projekten wie am Panavia Tornado. Bis in die neunziger Jahre hatte die „Aeronautica Militare“ eine eher territoriale Struktur mit zwei Luftwaffenregionen (1. in Mailand und 3. in Bari) und dazugehörigen „Regional Operations Centers“ (ROC). 1999 erhielt die italienische Luftwaffe schließlich eine moderne, eher nach Funktionen ausgerichtete Struktur.

Wappen

Das Wappen der italienischen Luftwaffe zeigt neben einem gekrönten Adler und einem Spruchband mit der Aufschrift Virtute Siderum Tenus (etwa: „Mit Tapferkeit bis zu den Sternen“) die Embleme der vier im ersten Weltkrieg erfolgreichsten Staffeln. Mit einer dieser Staffeln, der 87. „Squadriglia“, flog Gabriele D'Annunzio am 9. August 1918 einen legendären Propagandaeinsatz über Wien (Abwurf von 400.000 Flugblättern).

Siehe auch

Weblinks


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