Ratzeburger Dom

Ratzeburger Dom
Ratzeburger Dom
Der Ratzeburger Dom im Winter
Innenansicht nach Osten

Der Ratzeburger Dom ist ein herausragendes Zeugnis romanischer Backsteinarchitektur in Norddeutschland.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das ab 1160 unter Bischof Evermod erbaute Gotteshaus befindet sich auf dem höchsten Punkt der Nordspitze der Altstadtinsel von Ratzeburg. Es beherbergt die Gebeine des 1066 im Wendenaufstand getöteten Hl. Ansverus. Gestiftet wurde der Dom von Heinrich dem Löwen als Bischofskirche des Bistums Ratzeburg. Daher ist er auch einer der vier sogenannten Löwendome, zu denen ebenfalls der Schweriner Dom, der Lübecker Dom und der Braunschweiger Dom gehören. Eine Replik des Braunschweiger Löwen steht auf dem Domhof.

Am 11. August 1154 fand die Grundsteinlegung statt; nach 1160 begannen die Bauarbeiten am Chor. Mit der Südvorhalle wurde der Kirchenbau um 1220 vollendet. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden der Kreuzgang und das Kapitelhaus der Prämonstratenser-Chorherren angebaut, 1380 die sog. „Lauenburger Kapelle“.

Nach dem Tod des Bischofs Georg von Blumenthal 1550 versuchte Herzog Franz I. von Sachsen-Lauenburg vergeblich, seinen neunjährigen Sohn Magnus zum Bischof wählen zu lassen, gewählt wurde jedoch Christoph von der Schulenburg. Darauf hin rief der Herzog den Söldnerführer Vollrad von Mansfeld mit seinen Truppen ins Land, die am 23. Mai 1552 den Dom plünderten. Mansfeld blieb zwei Monate; gegen eine Zahlung von 4.000 Taler brannte er den Dom nicht nieder.

1554 veräußerte der zum Protestantismus konvertierte Bischof Christoph von der Schulenburg das Bistum für 10.000 Taler an Herzog Christoph von Mecklenburg. 1566 wurde mit Georg Usler der erste protestantische Prediger an den Dom berufen. Nach seinem Tod wurde die Pfarrstelle am Dom zunächst von den Superintendenten des Stifts wahrgenommen, darunter Konrad Schlüsselburg, Nicolaus Peträus und Hector Mithobius.

Seit der Säkularisierung des Bistums im Westfälischen Frieden (1648) gehörten Hochstift und Domhof territorial zum Fürstentum Ratzeburg, das nach 1701 an Mecklenburg-Strelitz fiel, während die Stadt Ratzeburg zum Herzogtum Sachsen-Lauenburg gehörte. Für die Mecklenburger Herzöge wurde in direkter Nachbarschaft zum Dom das Herrenhaus der Herzöge von Mecklenburg errichtet. Der Domhof kam erst 1937 aufgrund eines Gebietstausches durch das Groß-Hamburg-Gesetz zur damals noch preußischen Provinz Schleswig-Holstein.

Der Dom und seine Gemeinde, zu der auch die Bäk gehört, blieb Teil der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, die jedoch nach Gründung der DDR an der Verwaltung gehindert war und deshalb 1954 per Kirchengesetz den Verwaltungsbezirk Ratzeburg, der auch die Kirchengemeinde Ziethen umfasste, schuf und dessen Verwaltung der Landeskirche Schleswig-Holstein übertrug. Nach der Bildung der Nordelbischen Kirche wurde am 23. September 1980 ein Vertrag zwischen den beiden Kirchen geschlossen, der die Domgemeinde und die Gemeinde Ziethen der Nordelbischen Kirche zuordnet, ohne ihren Rechtsstatus zu ändern.

Nach der Wiedervereinigung blieb diese Zuordnung mit ihren finanziellen Vorteilen erhalten; nach jahrelangen Diskussionen [1] wurde zwar die Kirchengemeinde Ziethen 1998 kirchenrechtlich vollständig aus Mecklenburg aus- und der Nordelbischen Kirche angegliedert; beim Dom und seiner Gemeinde hingegen ist es bis heute beim status quo geblieben, der als Ausdruck der Verbundenheit und Zusammenarbeit beider Landeskirchen angesehen wird, die in diesem Dom ihren gemeinsamen Angelpunkt gefunden haben.[2]

Es ist unklar, ob nach der beschlossenen Vereinigung der drei norddeutschen Landeskirchen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland ein spezieller Status des Doms (ohne Zugehörigkeit zu einem Kirchenkreis) bestehen bleibt. Die Brückenfunktion des Doms wird jedenfalls noch einmal dadurch deutlich werden, dass der gemeinsame Gottesdienst zur Feier des Beginns der Nordkirche zu Pfingsten 2012 im Ratzeburger Dom stattfinden wird.[3]

Architektur

Der Dom von der Südseite gesehen
Ratzeburger Dom von Bäk über den Ratzeburger See
Vor und nach dem Brand am 19. August 1893

Das eindrucksvolle Bauwerk ist eine dreischiffige romanische Basilika im gebundenen System mit Querhaus, gotischem Kreuzgang des angegliederten Prämonstratenser-Klosters (1251) auf der Nordseite und wuchtigem Westturm. Komplettiert wird das Westwerk des Doms von zwei querhausartigen Anbauten, die zu beiden Seiten dem Turm angefügt sind; ursprünglich war die Anlage von Doppeltürmen geplant. Auf der Südseite gliedert sich hier ebenfalls noch eine niedrigere Vorhalle, die Südervorhalle von 1220, an, die über eine prächtige Fassade mit verziertem Giebel verfügt. Auch der Kachelschmuck im Inneren dieser Vorhalle ist beachtenswert.

Über der Vierung des Bauwerks erhebt sich ein hoher Dachreiter.

Weiterhin erwähnenswert ist, dass einige Elemente des ursprünglichen romanischen Baus während der Gotik entsprechend angepasst wurden, sodass mitunter Spitzbögen bei den Fenstern auftreten (z. B. am Turmschaft). Auch das Gewölbe des Mittelschiffes wurde gotisch umgestaltet, wobei die Arkaden zu den Seitenschiffen den romanischen Rundbogen behalten haben.

1693 wurde der Dom bei der Beschießung der Stadt Ratzeburg durch die dänischen Truppen König Christians des V. nur beschädigt, während die Stadt Ratzeburg in Schutt und Asche sank. 1876 bis 1881 erfolgte eine umfassende Restaurierung des Doms, bei der auch die gotischen Kapellenanbauten bis auf die Lauenburger Kapelle beseitigt wurden. Am 19. August 1893 wurden Teile des Baus durch einen Brand zerstört. Bei den letzten größeren Restaurierungen (1953–1966) wurde der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt. Heute ist der mittelalterliche Dom eines der ältesten Kirchengebäude im Land Schleswig-Holstein. Die Gesamtanlage mit Dom, Kreuzgang und Klosterbauten ist eines der am vollständigsten erhaltenen Ensembles der Spätromanik in Europa.

Ausstattung

Der Dom besitzt eine reichhaltige Innenausstattung. So beherbergt er unter anderem das älteste Chorgestühl Norddeutschlands. Auch der im frühbarocken Knorpelstil gehaltene Hochaltar von Gebhard Jürgen Titge (1629, heute im südlichen Querschiff) sowie das 1649 ebenfalls von Titge im gleichen Stil geschaffene herzogliche Epitaph von August von Sachsen-Lauenburg und seiner Ehefrau Gräfin Catharina zu Oldenburg und Delmenhorst, der geschnitzte Flügelaltar aus der Spätgotik mit Flügeln aus der Lübecker Werkstatt des Hermen Rode (~1490), die Rückseiten der Tafeln bemalt von Hinrich van Kroghe (1483), die prächtige Renaissancekanzel von 1576 und eine Triumphkreuzgruppe aus dem 13. Jahrhundert sind nur einige Beispiele.

In der Lauenburger Kapelle am südlichen Seitenschiff befindet sich das Grabmal von Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg und seiner Ehefrau samt dem herzoglichen Kirchengestühl. Das nicht zugängliche Erbbegräbnis der Lauenburger Herzöge befindet sich unterhalb der Vierung.

Im Innenhof befindet sich seit 1978 die Plastik des Bettler von Ernst Barlach, eine der Skulpturen aus dem Fries der Heiligen am Westwerk der Lübecker Katharinenkirche.

Orgeln

Der Dom verfügt über drei Orgeln, die allesamt neueren Datums sind. Die Chororgel stammt aus dem Jahr 1972 (6 Register auf 2 Manualen, erbaut von Rieger), die Becker-Orgel im Paradies aus dem Jahr 1985.

Die Große Orgel vor der Westwand des Domes wurde 1978 von der Orgelbaufirma Rieger (Vorarlberg) mit 60 Registern auf vier Manualen und Pedal erbaut. 1994 wurde im Schwellwerk ein Carillon hinzugefügt. Die Spiel- und Registertrakturen sind mechanisch.[4]

I Rückpositiv C–g3

1. Principal 8’
2. Rohrflöte 8’
3. Quintade 8’
4. Octav 4’
5. Koppelflöte 4’
6. Sesquialter II 22/3
7. Gemshorn 2’
8. Quinte 11/3
9. Scharff IV 1’
10. Rankett 16’
11. Krummhorn 8’
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
12. Principal 16’
13. Principal 8’
14. Spitzflöte 8’
15. Octav 4’
16. Nachthorn 4’
17. Quinte 22/3
18. Super Octav 2’
19. Cornett V 8’
20. Mixtur major VI 22/3
21. Mixtur minor IV 2’
22. Fagott 16’
23. Trompete 8’
24. Span. Trompete 8’
25. Span. Trompete 4’
III Schwellwerk C–g3
26. Bordun 16’
27. Holzprincipal 8’
28. Bleigedackt 8’
29. Gamba 8’
30. Schwebung 8’
31. Octav 4’
32. Blockflöte 4’
33. Viola 4’
34. Nasat 22/3
35. Waldflöte 2’
36. Terz 13/5
37. Sifflet 1’
38. Mixtur VI 22/3
39. Dulzian 16’
40. Oboe 8’
41. Franz. Trompete 4’
Tremulant
IV Brustwerk C–g3
42. Holzgedackt 8’
43. Holzrohrflöte 4’
44. Prinzipal 2’
45. Terzsept IV 13/5
46. Zimbel II 1/3
47. Regal 16’
48. Vox humana 8’
Tremulant
Pedal C–f1
49. Principal 32’
50. Principal 16’
51. Subbaß 16’
52. Octav 8’
53. Gedackt 8’
54. Octav 4’
55. Rohrpfeife 4’
56. Rauschpfeife IV 22/3
57. Kontrafagott 32’
58. Bombarde 16’
59. Posaune 8’
60. Schalmei 4’
  • Koppeln: I/II, III/I, III/II, IV/II, I/P, II/P, III/P, IV/P
  • Nebenregister: Zimbelstern V in G (Rückpositiv), Glockenspiel V in C (Hauptwerk), Carillon (37 Bronze-Glocken, Schwellwerk)

Zu den namhaften Organisten des Doms gehörte der Kirchenmusikdirektor Neithard Bethke. Sein Nachfolger seit 2007 und derzeitiger Kirchenmusiker am Dom ist Christian Skobowsky, der vorher am Freiberger Dom tätig war.

Glocken

Beim Brand des Doms 1893 wurden die vier historischen Glocken des Doms zerstört. Sie waren alle in Lübeck gegossen worden, und zwar 1678 von Albert Benningk, 1727 von Lorenz Strahlborn und 1752 von Johann Hinrich Armowitz. Die anschließend neu gegossenen Glocken wurden im Ersten Weltkrieg 1917 zu Rüstungszwecken eingezogen. 1927 erhielt der Dom als Ersatz Stahlglocken, die 2001 durch ein sechsstimmiges Geläut aus Bronzeglocken der Glocken- und Kunstgießerei Rincker ersetzt wurden.[5]

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Masse
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
1 Sterbeglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 2947 1677 ais0
2 Betglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 1886 1431 cis1
3 Abendmahlsglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 1292 1267 dis1
4 Taufglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 857 857 fis1 –3
5 Gottesdienstglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 648 995 gis1
6 Friedensglocke 2001 Glocken- und Kunstgießerei Rincker, Sinn 443 860 h1

Siehe auch

Literatur

  • Heinz-Dietrich Gross: Dom und Domhof Ratzeburg. Aufnahmen von Hans-Jürgen Wohlfahrt. 5 Auflage. Langewiesche, Königstein im Taunus 1996, ISBN 3-7845-3183-0 (Die blauen Bücher).
  • Georg Krüger (Bearb.): Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaats Mecklenburg-Strelitz. Band II: Das Land Ratzeburg, Neubrandenburg 1934; Nachdruck Stock & Stein, Schwerin 1994, ISBN 3-910179-28-2, S. 41–180.
  • Carl Jacob: Die Restaurierung des Ratzeburger Domes. In: Der Wagen, 1965, S. 55–59.
  • Hans-Jürgen Müller: Der Dom zu Ratzeburg. Aufnahmen: Jutta Brüdern. 4. völlig neu bearb. Auflage. Dt. Kunstverlag, München–Berlin 2002, (DKV-Kunstführer. Nr. 283).
  • W. Schulz-Demmin: Das bemalte Kreuzigungsrelief im Dom zu Ratzeburg. In: Der Wagen, 1963, S.31–33.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. den ZEIT-Artikel Dom-Wirrwar von 1996, abgerufen am 10. Februar 2009
  2. Siehe Nach dem Bistum (Website des Ratzeburger Doms, abgerufen am 10. Februar 2009)
  3. Zeitplan bis Pfingsten 2012, abgerufen am 23. August 2011
  4. Nähere Informationen zu den [http(:)//www(.)ratzeburgerdom(.)de/3500_orgeln_dom.htm Orgeln im Ratzeburger Dom]
  5. Die folgende Übersicht nach einer Informationstafel im Dom. Nach anderen Angaben ist die Schlagtonfolge ais0–cis1–dis1–fis1–gis1–h1

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