- Ultrà-Bewegung
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Die Ultrà-Bewegung bezeichnet ursprünglich eine besondere Organisationsform für fanatische Anhänger einer Fußballmannschaft. Mittlerweile gibt es aber auch in anderen Sportarten Ultrà-Gruppen. In der Regel stellen sie den Kern der jeweiligen Fanschar. Die meisten Ultrà-Gruppen haben Vertreter, die im Namen der Gruppe mit dem unterstützten Verein kommunizieren, zum Beispiel um Lagerräume für Fahnen oder Eintrittskarten für Auswärtsspiele zu organisieren.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung
Die Ultrà-Bewegung hat ihre Wurzeln im Italien der frühen 1950er und 1960er, als sich erstmals „fußballverrückte“ Jugendliche in Gruppen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen Lieblingsmannschaften gemeinsam organisiert zu unterstützen. Der Name der Bewegung geht angeblich auf eine italienische Zeitung zurück, die Anhänger des FC Turin als Ultrà bezeichnete, als diese nach einem Spiel einen Schiedsrichter bis zum Flughafen verfolgten.[1] Ultra ist ein lateinisches Wort und bedeutet auf Deutsch darüber hinaus. Wo und wann genau die erste Ultràgruppierung in Erscheinung getreten ist, lässt sich nicht sicher feststellen. Die Ultras Fedelissimi Granata (gegründet 1951) aus Turin und Ultras Sant Alberto aus Genua zählen wohl zu den ersten Ultras in Italien. Graffiti von Ultrà-Gruppierungen an Genuas Hauswänden aus dem Jahr 1968 sind einen Beleg für das Ent- und Bestehen der Ultrà-Bewegung.[2]
In den Anfangsjahren waren es nur relativ wenige Jugendliche und Erwachsene, die sich durch Balkenschals, Trommeln, Choreografien und Feuerwerken von den anderen Tifosi unterschieden. Die Ultràs organisierten erste gemeinsame Auswärtsfahrten, Choreografien. Die Bewegung breitete sich rasch aus; in weiten Teilen Europas bildeten sich derartige Gruppierungen.
Das Vereinigte Königreich ist eines der wenigen Länder, in dem die Ultrà-Bewegung bisher keinen Anklang finden konnte. Dies könnte daran liegen, dass sich jüngere Anhänger den Stadionbesuch aufgrund der dort üblichen sehr hohen Eintrittspreise zumeist nicht leisten können.
Struktur und Aktivitäten
Bei Ultràs handelt es sich um fanatische Anhänger, deren Ziel es ist, ihren Verein „immer und überall bestmöglich zu unterstützen“.
Neben der akustischen Unterstützung, die sehr häufig von einem sogenannten Capo mittels Megaphon koordiniert und durch Trommeln begleitet wird, legen Ultràs auch viel Wert auf optische Hilfsmittel, Konfettiregen, bengalische Feuer und Fahnenmeere. Außerdem kreieren, finanzieren und organisieren die Ultràs farbige Choreographien. Bei diesen Choreographien bereiten die Ultràs Materialien vor, die zu Spielbeginn an alle Zuschauer (auch Nicht-Ultràs) eines Stadionbereiches ausgegeben werden und die durch gleichzeitiges Hochhalten z. B. ein großflächiges Vereinswappen ergeben. Oft werden auch Überrollfahnen oder Wurfrollen verwendet. Unterstützung durch Sponsoren oder Vereine wird strikt abgelehnt. Ultràs finanzieren sich meist durch eigene Mitgliedsbeiträge und durch den Verkauf von selbstkreierten Fanartikeln.
Ultràs stehen der Vereinsführung in der Regel kritischer gegenüber als andere Fans. Für sie stehen Themen wie der Erhalt der Fankultur und der Identität oft im Konflikt zu Entscheidungen der Entscheidungsträger der Vereine, die die Ultras als wirtschaftlich motiviert bewertet bzw. als „Kommerzialisierung des Sports“ kritisieren.
Ein weiteres wichtiges Thema ist der Protest gegen das als Willkür empfundene Vorgehen von Polizei und Ordnern gegen Fußballfans aller Couleur, oftmals mit Sprechchören wie z. B. „All Cops Are Bastards - A.C.A.B.!“ oder in Deutschland mit „Fußballfans sind keine Verbrecher“. Viele Ultrà-Gruppen versuchen die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass sie „Repressionen ausgesetzt“ sind. Besonders bei diesem Thema gibt es einen großen Zusammenhalt zwischen Ultrà-Gruppierungen eigentlich rivalisierender Vereine. So bekundeten im Frühjahr 2008 mehrere Gruppen ihre Solidarität mit den Ultras Gelsenkirchen. [3] Einige Spieltage zuvor waren bei einem Großeinsatz der Polizei an einem Fantreffpunkt der Schalker die Daten von 190 Personen aufgenommen worden. [4]
Viele Ultragruppierungen pflegen Freundschaften zu Ultragruppierungen von anderen Vereinen. Sie unterstützen sich oft gegenseitig.
Abgrenzung zu Hooligans
Während bei Hooligans die gewalttätige Auseinandersetzung mit anderen Gruppen im Vordergrund steht und Fußballspiele nur einen Anlass dazu bieten, steht bei Ultràs der Sport im Vordergrund; allerdings sind bei vielen Ultrà-Gruppierungen Schlägereien und Krawalle ein akzeptiertes Mittel der Durchsetzung von Faninteressen und der Auseinandersetzung mit gegnerischen Fangruppen. Andere Ultràs hingegen distanzieren sich von Gewalt, teilweise unter dem Eindruck des polizeilichen Vorgehens gegen die Gewalttäter.
Das Stehlen von gegnerischen Fanutensilien, insbesondere von Schals und Fahnen, kann Schlägereien auslösen. Die Zaunfahne ist bei vielen Gruppen das Herzstück; sie repräsentiert die jeweilige Gruppe und zeigt die Präsenz, ein Verlust stellt somit eine symbolische Niederlage dar.
Ultràs und Hooligans gemeinsam ist die Betonung des Gruppenzusammenhalts, der über die Veranstaltungen hinaus auch ins Privatleben reicht.
Kritik
Ein Kritikpunkt an den Ultràs ist, dass durch die vorgegebenen Gesänge des „Capos“ die Spontanität, also der Bezug zum aktuellen Spielgeschehen, verloren geht.[5] Dieser Aspekt und jener, dass Ultràs eher Gesängen als kurzen Schlachtrufen zugeneigt sind, führe nicht zum gewollten „Pushing“ der eigenen Mannschaft.[5]
In vielen Fanszenen spielen die Ultràs allein schon deswegen eine dominante Rolle, weil es keine weiteren Gruppierungen gibt, die ihnen ihren Status streitig machen könnten. Das daraus resultierende Missverständnis, die Ultràs hätten einen Alleinvertretungsanspruch der Kurve und Befehlsgewalt über den Fanblock, führt immer wieder zu Konflikten zwischen Ultràs und unorganisierten Fans. So kommt es gelegentlich auch zu Auseinandersetzungen innerhalb einer Kurve. Auslöser dafür sind oft Rufe von Personen, die verlangen, dass die Ultras z. B. die Fahnen am Boden halten sollen (da diese die Sicht versperren).
Ultras stehen auch in der Kritik wegen körperlicher Angriffe, des Diebstahls von Fanmaterial wie Fahnen oder Schals, oder der Einschüchterung von Nicht-Ultras.
Medien kritisieren Ultràs oft für das Abbrennen von Pyrotechnik. Dieses ist seit einigen Jahren in Deutschland verboten und wird massiv verfolgt. Es kommt jedoch vor, dass Feuerwerkskörper von normalen Fans gezündet werden, welche keine Verbindung zur Ultrà-Bewegung haben, dies jedoch der Gruppierung zugerechnet wird. Im Widerspruch hierzu steht, dass andererseits Bilder aus Fankurven, auf denen bengalische Feuer zu sehen sind, von den Medien als Synonym für Fußballbegeisterung zu Werbezwecken verwendet werden[6].
Nationale Unterschiede
Italien
Die mitgliederstärksten Jahre der italienischen Ultrà-Bewegung waren die 80er-Jahre. So zählte z.B. die Gruppierung Drughi Bianconeri (Juventus Turin) zwischenzeitlich mehr als 10.000 Mitglieder. Aber auch heute noch gibt es einige Gruppen, die mehr als 10.000 Mitglieder haben. Einige wichtige Gruppen sind: Irriducibili Lazio, Ultras Granata, Brigate rossonere Milan, Brescia MU 1911, Curva Nord Bergamo. Die berühmtesten Gruppierungen, die die italienische Ultramentalität geprägt haben, haben sich wegen der andauernden Repression seitens der Lega-Calcio und der Polizei aufgelöst; Hierbei sind anzuführen: Brigate Gialloblu 71 Verona, FdL Milan, Bna Atalanta, Commando Ultras Napoli, Verona Front. Einen Wendepunkt der Bewegung markiert das Jahr 2007 als die Toten Filippo Raciti (Polizist) und Gabriele Sandri (Lazio-Fan) zum Anlass genommen wurden, die Repression weiter zu verschärfen, Pyrotechnik und Megaphone zu verbieten, nur noch autorisierte Spruchbanner im Stadion zuzulassen und die Fankarte "Tessera del Tifoso" für Auswärts- und Dauerkarten zur Pflicht zu machen.[7]
Aufgrund der sehr hohen Mitgliederzahlen einiger Gruppen haben diese oft einen großen Einfluss auf die Vereinspolitik. So durfte z. B. die mittlerweile aufgelöste Fossa dei Leoni entscheiden, was von wem in ihrer Fankurve verkauft werden darf. Allein wegen dieser vereinspolitischen Macht verschrieben sich einzelne Gruppen auch einer bestimmten politischen Richtung. So gibt es rechtsextreme Fangruppen wie die Irriducibili Lazio, aber auch neutrale oder linksextreme wie die mittlerweile aufgelöste Brigate Autonome Livornesi des AS Livorno Calcio. Heute sind mehr als 445 registrierte Ultragruppen mit mehr als 74.000 Mitgliedern bekannt. [8]
Frankreich
Durch die Nähe zu Italien entwickelte sich in den 80er Jahren besonders im südlichen Frankreich ebenfalls eine Ultrà-Szene. Die ersten Gruppen bildeten sich in Marseille, nämlich das Commando Ultra 84 und die South Winners 87. Beide Gruppen sind heute noch aktiv und gehören zu den kreativsten und meistgeachteten Gruppen. Darüber hinaus sind sie für ihre antifaschistische und antirassistische Grundeinstellung bekannt. In Paris bildete sich mit den Boulogne Boys im Jahre 1985 ebenfalls eine erste Ultrá Gruppe. Diese Gruppe die schon des Öfteren durch extrem gewaltbereites Auftreten sowie rechtsextreme Parolen und Symbolik, bis hin zu Hakenkreuzen [9] aufgefallen ist wurde 2008 vom Innenministerium verboten. Dem Verbot war das präsentieren eines Spruchband mit der Aufschrift „Pädophile, Arbeitslose und Inzest-Gezeugte, willkommen bei den Nordfranzosen“ bei einem Ligapokalendspiel gegen den RC Lens vorausgegangen. Mit der Zeit breitete sich die Ultrà Bewegung über ganz Frankreich aus und die große Gruppen gewannen rasch an Einfluss. So übernehmen in Marseille die Gruppen den Ticketverkauf für ihre Kurven selbst und üben so eine große Macht auf den Verein aus. Zu den bedeutendsten Szenen gehören nach wie vor Marseille und Paris, wo die Ultrà-Gruppen beide Kurven im Stadion einnehmen. In Paris sind neben den Boulogne Boys die Gruppen Supras Auteuil, Lutece Falco, Authentiks und Tigris Mystic zu nennen, wobei letztere von den Boys und rechtsradikalen Hooligans aus dem Stadion gedrängt wurde. Darüber hinaus verfügt Saint-Étienne mit den Gruppen Magic Fans und Green Angels über eine große Ultrà-Szene.
Deutschland
Deutschland erreichte die Bewegung erst Anfang der 1990er; die ersten Gruppen auf deutschem Boden waren wohl 1986 die Fortuna Eagles aus Köln und 1989 die Soccer Boyz (heute: Mad Boyz) aus Leverkusen.[10] In den meisten Vereinen übernahmen die Ultràs erst nach der Jahrtausendwende die „Vorherrschaft“ in den Fankurven gegenüber unorganisierten oder in normalen Fanclubs organisierten Fans.
Mittlerweile existieren bei fast allen Vereinen der oberen drei Ligen, aber auch in hierarchisch tieferen Spielklassen Gruppen, die sich selbst als Ultràs sehen.
Österreich
Auch in Österreich gibt es einige Ultrà-Gruppierungen mit einem unterschiedlichen Grad an Aktivität und Bekanntheit.
Die älteste und international bekannteste Gruppe sind die Ultras Rapid 1988, die auf der „Block West“ genannten Westtribüne des Gerhard-Hanappi-Stadions den SK Rapid Wien unterstützen. Sie sind eine der wenigen Ultrà-Gruppierungen in Europa, die bei jedem Spiel eine Choreographie zeigen. Die Ultras Rapid wurden 2005 von der T.I.F.O. (Torcida International Fans Organisation) zur Gruppierung mit den besten Choreographien in Europa gewählt.
Die Kurve des SK Sturm Graz beheimatet neben der bekanntesten Gruppe, der Brigata Graz 1994 auch die Grazer Sturmflut 96 und die Jewels Sturm. Die Salzburger Gruppierungen Union Ultrà '99 und Tough Guys Salzburg 92 litten sehr stark unter der Übernahme ihres Klubs Austria Salzburg durch Red Bull, da diese in weiten Teilen der Salzburger Fanszene auf Ablehnung stieß. Beide Fangruppierungen unterstützen jetzt die neue Austria Salzburg. Zu erwähnen ist auch die Ultràfanszene des FC Wacker Innsbruck, wo die Verrückten Köpfe 1991 beheimatet sind. Bei der Austria Wien sind einige erwähnenswerte Fangruppen: die Fedayn 1995, Viola Fanatics 2001, Boys Viola 2003, Kai 2000 und Inferno Wien 2009. Auch hervorzuheben wären die Ultrás des GAK, vor allem die von der Fan-Gruppierung Red Firm.
Portugal
Auch in Portugal gibt es einige Ultrà-Gruppierungen. Die bekanntesten sind die Diabos Vermelhos und No Name Boys (abgekürzt NN) von Benfica Lissabon. Außerdem gibt es noch die Super Dragões vom FC Porto, sowie die Juve Leo und Torcida Verde von Sporting Lissabon. Alle anderen Ultrà-Gruppierungen sind eher weniger bekannt.
Türkei
Wie im gesamten Balkanraum gehört auch die Szene in der Türkei zu den ausgeprägtesten Ultrà-Bewegungen Europas. Neben den Gruppen der İstanbuler Großklubs ultrAslan (Galatasaray), Kill For You (Fenerbahçe) und Çarşı (Beşiktaş) gibt es auch etabilierte Gruppen vieler anatolischer Mannschaften, wie z.B. Teksas (Bursaspor), Gecekondu (Ankaragücü), Tatangalar (Sakaryaspor) und Karşıyaka Çarşı (Karşıyaka SK). Der Türkische Fußballverband und die Vereinsvorstände entscheiden zu Saisonbeginn, ob Ultrà-Gruppierungen Spiele in den Stadien der "Erzrivalen" besuchen dürfen. Hin und wieder bekommen auch die Spieler die Rivalitäten in Form von Feuerzeugen, Kleingeld oder Plastikflaschen zu spüren. Bei folgenden Begegnungen kommt es nicht selten zu Ausschreitungen: Galatasaray - Fenerbahce, Bursaspor - Beşiktaş, Karşıyaka SK - Göztepe. [11]
Griechenland
Die Szene in Griechenland gilt als eine der extremsten Europas. Bei Duellen der großen Clubs im Großraum Athen (Olympiakos Piräus, Panathinaikos Athen, AEK Athen) kommt es häufig zu schweren Ausschreitungen. Deshalb ist es den dortigen Ultrà-Gruppierungen seit einigen Jahren verboten, Derbys im Stadion des Gegners zu besuchen. Die bekanntesten Gruppen sind Thyra 13 (Gate 13, Panathinakos), Thyra 7 (Olympiakos Piräus), Thyra 4 (PAOK), Autonomous Gate 10 (Iraklis Thessaloniki), Super3 (Aris Thessaloniki), Monsters (AEL) und Original 21 (AEK Athen).
Kroatien
Die älteste Ultrà-Gruppierung in Kroatien ist die sog. Torcida von Hajduk Split. Die Gruppe hat ihre Wurzeln im Jahr 1950, als im Vorfeld eines entscheidenden Meisterschaftsspiels eine nach heutigen Maßstäben ultrà-artige Unterstützung organisiert wurde. Nach dem raschen Verbot durch die jugoslawische Staatsführung und der in den folgenden Jahren zwangsweise unorganisierten Anhängerschaft erfolgte 1980 eine Wiedergeburt. Heute sind die 1986 gegründeten Bad Blue Boys vom Hauptstadtklub Dinamo Zagreb die größten Rivalen in der Szene. Zwischen den Mitgliedern der rivalisierenden Gruppen kommt es häufig zu schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen. Des Weiteren erwähnenswert ist die Gruppe Armada, die den Verein HNK Rijeka unterstützt.
Serbien
Auch in Serbien gibt es bei vielen Vereinen Ultrà-Gruppierungen. Die größten Gruppen sind die Delije von Roter Stern Belgrad und die Grobari von Partizan Belgrad, aber auch bei OFK Belgrad und Vojvodina Novi Sad gibt es größere Gruppierungen. Weiter ist aber zu erwähnen, dass die Wörter Delije und Grobari eher zur allgemeinen Bezeichnung von Fans von Roter Stern Belgrad und Partizan Belgrad benutzt werden. Was auch heißt, jeder Fan von Roter Stern ist somit automatisch ein Delija und ein Fan von Partizan automatisch ein Grobar. Innerhalb der Delijas und der Grobaris gibt es neben unzähligen Fan-Gruppen und Fan-Clubs Ultrà-Gruppierungen. Im Marakana-Stadion von Roter Stern Belgrad sind in ihrer „Nordkurve“ die Stühle so eingerichtet, dass sie in rot-weiß und in kyrillischer Schrift das Wort Delije (Mehrzahl von Delija) bilden. Die Benutzung von Pyrotechnik gehört in serbischen Stadien zum Alltag, außerdem kommt es im Umfeld von Fußballspielen häufig zu Gewaltausbrüchen.
Schweiz
In der Schweiz sind in den letzten Jahren auch bei den meisten erstklassigen Vereinen Ultrà-Gruppierungen entstanden; die wichtigsten sind in Basel, Bern, Zürich, Sion, Luzern und St. Gallen beheimatet. In Zürich findet man die Ultràs vor allem in der sogenannten "Zürcher Südkurve", welche den FC Zürich unterstützt. Sie sind in der ganzen Schweiz bekannt für sehr kreative und aufwändige Choreographien. Auch beim Stadtrivalen Grasshoppers Zürich (GC) gibt es zwei große Ultrà-Gruppierungen ("Blue Side", "Bulldogs") in der sogenannten "Estrade Ost". Zu erwähnen sind auch die "Zaungäste" und "BWEL", welche den FC Luzern unterstützen, die "Ultras Sion", "Freaks Sion" oder "Red Side" des FC Sion, die "Greenflash", "Jokers" und die "Green-Fires" beim FC St. Gallen in der Südkurve und die Ultrà Gruppierungen in der Ostkurve Bern der Young Boys Bern wie Maniacs, "Schurken" oder "Capital Followers".
Hervorzuheben sind auch die "Inferno Basel", "Fanatics" und "Kaos" vom FC Basel, die in der "Muttenzer Kurve" beheimatet sind. Obwohl die Basler Fans für ihre aufwendigen Choreos bekannt sind, machte die Basler Szene auch immer wieder negative Schlagzeilen. Nach der knapp verpassten Meisterschaft 2006 (letztes Spiel) im eigenen Stadion gegen den FC Zürich kam es zu einem Platzsturm und Ausschreitungen im und außerhalb des Stadion, nachdem der FC Zürich in der 93. Minute das meisterschaftsentscheidende Tor schoss. Die Basler Ultràszene ist für ihre Krawalle bekannt; so wurde der Gästesektor im Stadion Hardtum der Grasshoppers Zürich mehrmals in Brand gesetzt und dadurch Sachschaden verursacht.
Ende 2006 kritisierten viele Schweizer Städte die Liga und die Vereine, weil der größte Teil nichts an die inzwischen notwendig gewordenen hohen Ausgaben der Städte für die Sicherheit (ab 100.000 CHF pro Heimspiel) bezahlt. In den letzten Jahren wurde die Gewalt bei Schweizer Fußballspielen (von Ultràs und Hooligans) von Medien und Politik stärker als früher registriert und ist deshalb heute ein großes Gesprächsthema.
Brasilien
In Brasilien gibt es einige Ultrà-Bewegungen (Nucleo Ultras 1914 von Palmeiras, Brigada Jovem Lusitana von Portuguesa). Hauptsächlich organisieren sich Fußballbegeisterte jedoch in torcidas (torcer, pt. mitfiebern, (ver-) drehen). Torcidas sind große Organisationen, deren Mitglieder Beiträge zahlen und eigene Erkennungszeichen tragen. Häufig veranstalten torcidas fußballferne Ereignisse: Die Gaviões da Fiel der Corinthians São Paulo ist eine bekannte Sambaschule des Karnevals. In der Vergangenheit gab es zahlreiche Gewalttaten zwischen verfeindeten torcidas (teilweise desselben Vereines) oder Zusammenstöße mit der Polizei.
Andere Sportarten
Handball
Seit dem Jahre 2000 entstehen auch beim Handball Ultrà-Gruppierungen. Als erste und wichtigste gelten die Ultras Flensburg. Sie konnten sich durch die größte Stehplatztribüne der deutschen Handball-Bundesliga entwickeln. Später entstanden auch bei anderen deutschen Handballclubs Ultràgruppen. Im Ausland gibt es noch die Boys aus Aalborg (Dänemark) und die Florijani aus Celje (Slowenien). Dazu kommen viele Gruppen in den Ligen der osteuropäischen Länder.
Eishockey
- Deutschland: Hauptsächlich seit 2000/2001 setzte sich der Ultrà-Gedanke auch in der deutschen Eishockey-Fanszene durch, und so sind in vielen Eishallen und Arenen von der DEL bis in die Oberligen diverse Ultrà-Gruppierungen zu finden. Erste ultrà-ähnliche Gruppierungen bildeten sich jedoch schon früher. Mitte der 90er Jahre gab es in München die ersten Choreographien zu sehen und es bildeten sich die Munich Supporters. Aber auch in Augsburg (Augsburg 98) und Schwenningen (SERC-Supporters 99) bildeten sich noch vor der Jahrtausendwende Gruppen. Zu den bekanntesten und größten Gruppierungen gehören heute Supporters Crew Mannheim (SCMA, Mannheim), sowie der DEG Supporters Club (DSC, Düsseldorf). Charakteristisch für viele Eishockey-Ultràs ist die Identifikation mit Ultrà-Gruppierungen aus der Schweiz und die gleichgültige bis feindselige Haltung der übrigen Fans am jeweiligen Standort. In der recht kleinen Szene bestehen sehr viele Kontakte unter den aktiven Leuten der verschiedenen Gruppen, wobei auch immer wieder an die Oberfläche tritt, dass sich nicht jede aktive Fangruppe im Eishockey explizit als „Ultras“ versteht (Augsburg, Schwenningen).
- Schweiz: In Lugano sind die Ragazzi della Nord anzutreffen, in Ambri die Gioventù Bianco Blù. Diese beiden Ultragruppierungen und ihre Kurven gehören wohl zu den qualitativ stärksten in der Schweiz, die Ultrà-Mentalität prägt die Kurven dieser zwei Tessiner Clubs schon seit vielen Jahren (geographische bedingte Einflüsse aus Italien). Von der Masse kann das CUBE (Commando Ultrà Bern) jedoch je länger je mehr mit den zwei Tessiner Clubs mithalten. Die meisten anderen Schweizer Kurven werden ebenfalls praktisch ausschließlich von Ultrà-Gruppierungen geprägt (Fribourg Boys Fribourg, Fire Lords Biel, IG Genf, Fanatics SCRJ, Crew Eleven, Sektion Uruguay ZSC, Blue Eagles Kloten, South-Side Kloten 2001, North Folk Zug, Hanse Basel, Blue Devilz und Kategorie Davos (HC Davos)). Einzig in Langnau ist die Kurve noch in der Hand der „Kutten“. Auch in der zweithöchsten Spielklasse formieren sich viele Ultràgruppierungen. Insbesondere die Szenen in Lausanne (Section Ouest), Basel (Hanse Basel) und Sierre (Dark Sun) sind dabei stark von der Ultrà-Mentalität geprägt und auch dementsprechend farbig und laut.
Basketball
Ende der 90er Jahre entstanden auch im Basketball Ultrà-Gruppierungen, vor allem in südeuropäischen Staaten wie Serbien, Kroatien, Griechenland, Italien und Spanien. Aber auch in der Türkei und Russland entwickelten sich im Basketball fanatische Fan-Gruppierungen. In Serbien, der Türkei und vor allem in Griechenland gehören Choreografien und Pyrotechnik (trotz großer Brandgefährlichkeit in den Hallen) zum Alltag. In einigen Ländern, so zum Beispiel in Griechenland und Kroatien, unterstützen die Ultras eines Vereins sowohl die Fußball- als auch die Basketballmannschaft des Klubs. In Deutschland oder Frankreich gibt es trotz großer Beliebtheit des Basketballs so gut wie keine Ultrà-Gruppierungen, jedoch Fanclubs wie die Ultras Nördlingen, welche Merkmale von Ultrà-Gruppierungen aufweisen. Weil Basketball aber in den letzten Jahren bis heute immer mehr an Beliebtheit gewinnt (Tendenz weiter steigend) ist nicht auszuschließen, dass sich auch in nicht-südeuropäischen Staaten in den nächsten Jahren im Basketball Ultrà-Gruppierungen entwickeln könnten. In Südamerika (vor allem in Argentinien), aber auch in China gibt es im Basketball Ultrà- und ultrà-ähnliche Gruppierungen. In den USA, dem Mutterland des Basketballs, gibt es bis heute keine Ultrà-Gruppierungen.
Quellenbelege
- ↑ mv-online.de: Ultras in den Fußballstadien
- ↑ Ein- und Überblick in die deutsche als auch internationale Fan-/Ultraszene (unter Kapitel 1.2. Ultras)
- ↑ Galerie Soli-Spruchbänder gegen Polizeieinsatz am Fanprojekt
- ↑ Schalke: Polizei überprüfte 190 Ultras
- ↑ a b „11 Freunde“:„Ruhe bitte! - Wie Ultras die Stimmung kaputt machen“
- ↑ Anzeige von Das Erste, Titel "Hier werden Helden geboren", als Hinweis auf die ARD-Sportschau in der Bild am Sonntag vom 31. Juli 2011 auf Seite 59.
- ↑ Giovanni Francesio: Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras. 1. dt. Auflage, Burkhardt & Partner Verlag, Freital 2010
- ↑ In der Buchveröffentlichung von Sommerey, Marcus: Die Jugendkultur der Ultras - Zur Entstehung einer neuen Generation von Fußballfans(ab Seite 53)
- ↑ http://www.bpb.de/themen/4IFKR4,1,0,Fu%DFball_und_Rechtsextremismus_in_Europa.html
- ↑ ultras-leverkusen.de: Die Historie der Leverkusener Ultra-Szene
- ↑ Britische TV-Reportage über die Rivalität zwischen Galatasaray und Fenerbahce-Ultràs sowie der Göztepe und Karşıyaka-Ultràs
Weblinks
Commons: Ultras – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- „Sie können sich ihre Wappen selber basteln“ Artikel der FAZ
- „Ultras, Hooligans, Hooltras?“ Spiegel Online
- „Ultras“ in Jugendszenen.com der Universität Dortmund
- Pilz, Behn, Schwenzer, Steffan, Klose & Wölki: Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball (Deutschland, Kurzfassung), Oktober 2006
Literatur
Giovanni Francesio: Tifare Contro. Eine Geschichte der italienischen Ultras. 1. dt. Auflage, Burkhardt & Partner Verlag, Freital 2010, ISBN 978-3-940159-07-6
Kategorie:- Fußballfankultur
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