Martin Böttcher

Martin Böttcher
Martin Böttcher (2002)

Martin Hermann Böttcher (* 17. Juni 1927 in Berlin, Pseudonyme Michael Thomas, Renardo) ist ein deutscher Filmkomponist, Dirigent und Arrangeur.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Jugend

Martin Böttcher ist Urenkel eines Weimarer Hofkapellmeisters und erwarb schon früh durch Klavierunterricht musikalische Kenntnisse. Zunächst wollte er indes Pilot werden. Knapp siebzehn Jahre alt, wurde er im Krieg bei der Luftwaffe ausgebildet. Zu einem Einsatz kam es aber aus Mangel an Treibstoff nicht mehr. Während der Kriegsgefangenschaft gelang es Böttcher, eine Gitarre zu organisieren und autodidaktisch das Gitarrenspiel zu erlernen. Aufgrund eines Unfalls mit Schädelbasisbruch und Gehörnervquetschung ist Martin Böttcher auf dem linken Ohr taub [1].

Der Jazz-Gitarrist

Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft führte ihn der Weg nach Hamburg. Dort spielte Martin Böttcher Gitarre unter Günter Fuhlisch, Alfred Hause und Franz Thon im von Willi Steiner neu formierten Tanz- und Unterhaltungsorchester des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks, das selbst im Big-Band-verwöhnten England mit Hochachtung erwähnt wurde. Nebenbei eignete sich Böttcher sein musikalisches Rüstzeug bei Generalmusikdirektor Richard Richter und auf dem Gebiet der U-Musik bei Kurt Wege an.

Seine bevorzugte Musikgattung war zunächst der Jazz, wo es Martin Böttcher schaffte, als Gitarrist zur Nummer 2 beim deutschen Jazz-Poll aufzusteigen. Schon in dieser Zeit sammelte er Erfahrungen als Arrangeur bei Filmkomponisten wie Michael Jary oder Hans-Martin Majewski, für den er Teile der Musik zum Film „Liebe 47“ arrangierte.

Arbeit für den Film

EP vom Soundtrack des Films Die Halbstarken, 1956

Bereits ab 1946 schrieb Böttcher Arrangements. 1954 nahm er Abschied vom NWDR und wechselte vom Notenpult zum Skizzenpapier. Dank Produzent Artur Brauner debütierte Böttcher 1955 mit der Musik zur Militärsatire Der Hauptmann und sein Held. Seine zweite Filmmusik schrieb er zu einem Meilenstein des deutschen Films der Nachkriegszeit: „Die Halbstarken“ (1956) von Georg Tressler, in der Hauptrolle Horst Buchholz. Es spielte die eigens hierfür gegründete Formation Mister Martin’s Band, in der Musiker wie der Klarinettist Fatty George, der Vibraphonist Bill Grah, der Posaunist Ernst Mosch und, noch als Hans Last, der Bassist James Last mitwirkten.

Für Hans Albers schrieb Martin Böttcher drei Lieder in „13 kleine Esel und der Sonnenhof“ (1958), ebenso die Musik für Heinz RühmannsPater Brown“-Filme „Das schwarze Schaf“ und „Er kann’s nicht lassen“. In „Max, der Taschendieb“ fand die zuvor unter dem Pseudonym Michael Thomas geschriebene und nach kurzer Zeit weltberühmt gewordene Melodie „Hawaii Tattoo“ Verwendung, die später auch in die amerikanischen „Billboard-Charts“ aufstieg.

Daneben schrieb Böttcher Chansons für Françoise Hardy, Romy Schneider, Peggy March, Elisabeth Flickenschildt und andere. Am 6. Februar 1960 nahm Martin Böttcher an der deutschen Endausscheidung zum Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne mit dem Titel „Oh, wie schön“ teil. Den Titel sang der belgische Entertainer Tony Sandler, der später in Las Vegas Karriere machte. Das Lied schlug sich achtbar auf einem vorderen Platz, es gewann allerdings „Bonne nuit, ma cherie“ von Wyn Hoop vor „Wir wollen niemals auseinandergeh’n“ von Heidi Brühl. Der Titel von Wyn Hoop wurde dann im eigentlichen Eurovision-Song-Contest Vierter.

1967 produzierte Oswalt Kolle den ersten AufklärungsfilmOswalt Kolle: Das Wunder der Liebe“ in Deutschland. Martin Böttcher wurde mit der Komposition der Musikuntermalung beauftragt. Die Titel lehnte dann der wissenschaftliche Berater des Films, der Sexualforscher Prof. Hans Giese, als „nicht unterkühlt genug“ ab (er befürchtete, dass sich das männliche Publikum zu unzüchtigen Handlungen hinreißen lassen könnte …). Die Musik ging aber nicht verloren. Kolle verwendete sie als Hintergrundmusik für seine Hörplatte „Das Wunder der Liebe“, und das Titelthema Wonderland of Love wurde ein oft verwendeter Titel auf Sampler-Platten von Martin Böttcher.

Der Weg zu Karl May

Chartplatzierungen Erklärung der Daten
Singles
Elephant’s Honeymoon [2]
  DE 44 11.08.1962 (4 Wo.)
Hawaii Tattoo [3]
  DE 4 9.12.1962 (37 Wo.)
Old-Shatterhand-Melodie [4]
  DE 49 20.04.1963 (3 Wo.)
Schut-Melodie [5]
  DE 49 05.12.1964 (1 Wo.)
Winnetou-Melodie [6]
  DE 35 02.01.1965 (2 Wo.)


Anfang der sechziger Jahre beauftragte Rialto Film-Chef Horst Wendlandt den Komponisten mit Filmmusiken für seine Edgar-Wallace-Reihe. Mit seiner Musik für die ebenfalls zu jener Zeit von Rialto Film produzierten Karl-May-Filme avancierte Martin Böttcher in den sechziger Jahren zum erfolgreichsten deutschen Filmkomponisten. Das Titelthema zum Karl-May-Film „Der Schatz im Silbersee“ – die „Old-Shatterhand-Melodie“ – führte 1962 siebzehn Wochen lang die Charts in Deutschland an und wurde mehr als 100.000-mal verkauft, ein Novum in der deutschen Musikgeschichte zu dieser Zeit.

Zu insgesamt zehn Karl-May-Kinofilmen komponierte er die Musik, außerdem in den siebziger Jahren zur 26-teiligen ZDF-Karl-May-Serie „Kara Ben Nemsi Effendi“. „An dem Erfolg des Films ist zur Hälfte die Musik beteiligt“, schrieb ein Kritiker nach der Uraufführung von „Der Schatz im Silbersee“. Die Musikstücke werden als Medley in den siebziger und achtziger Jahren mehrfach in den damals populären Musik- und Galashows des Fernsehens wie „Musik ist Trumpf“ gespielt und zu dieser Zeit erstmals auf Samplern herausgebracht. Auch heute noch ist die Karl-May-Filmmusik erfolgreich und wird immer wieder in Cover-Versionen oder auf CDs herausgegeben.

„Für mich war es eine besonders schöne Zeit, als ich die Musik zum Schatz im Silbersee und all den anderen Filmen komponieren durfte. Es hat wahnsinnig viel Freude gemacht – nicht nur, weil mir die Melodien so viel Erfolg brachten, sondern weil die Filme meiner Mentalität entgegenkamen. Das Grundmotiv war die Freiheit und die Ungebundenheit des Menschen. Ich musste nicht lange überlegen, bis mir die passenden Noten einfielen, die Musik kam aus dem Bauch. Vielleicht ist sie gerade deshalb so ein Erfolg geworden.“

Martin Böttcher, Zitat aus „Michael Petzel: Karl-May-Filmbuch“

Musik für das Fernsehen

Martin Böttcher beim „Super Wunschkonzert“ des ZDF in Emden 2002

Mit dem Kinosterben Ende der sechziger Jahre verlegte Martin Böttcher seinen Wirkungskreis verstärkt auf das Fernsehen. So ertönte in der allerersten Krimiserie, die im frisch gegründeten ZDF lief, „Das Kriminalmuseum“, als Titelmelodie eine Böttcher-Komposition. Es folgte in den siebziger Jahren eine Vielzahl von Musiken wie die zur Serie Sonderdezernat K 1 oder für diverse Episoden von Der Alte und Derrick, z.B. die Salzburg-Melodie aus der Derrick-Episode „Ein Koffer aus Salzburg“ von 1975. Böttcher komponiert seither regelmäßig für Fernsehserien, zuletzt für Pfarrer Braun. Insgesamt schrieb Böttcher die Musik zu 56 Spielfilmen und rund 400 Fernsehspielen und -serien.

Am 17. Mai 1996 wurde die Komposition „Friedensmelodie“ im Rahmen der Radebeuler Karl-May-Tage im Rahmen eines Benefizkonzertes für das Kinderkrankenhaus in Mostar live uraufgeführt.

Rezeption

Die deutsche Gruppe Superboys erreichte am 12. September 1998 den ersten Platz in der ZDF-Hitparade mit einer Adaption der Winnetou-Melodie unter dem Titel Wish U Were Here – wünscht’, Du wärst bei mir. In Tschechien erhielt im März 2000 eine Cover-Version mit dem Titel „Vinetů“ der Gruppe Těžkej Pokondr aus dem Album „Vypusťte Krakena“ Doppel-Platin. Ein weiterer Erfolgstitel der Gruppe war der Titel „Vontové“, eine Gesangsfassung der „Old-Shatterhand-Melodie“ auf dem Album „Ježek v peci“.

Auszeichnungen

Bundesverdienstkreuz für Martin Böttcher (Januar 2004)
  • Die amerikanische „Max Steiner Society“ verlieh Böttcher die Ehrenmitgliedschaft für seine Einspielungen der Weltmelodien „Tara’s Theme“ und „Theme from ‚A Summerplace‘“.
  • Am 9. November 1995 wurde Böttcher als erster Preisträger für seinen „besonderen Beitrag zur deutschen Filmgeschichte“ in Bonn mit dem „Ehrenpreis für Filmmusik“ (Erich-Wolfgang-Korngold-Preis) ausgezeichnet (gestiftet unter anderem von der Stiftung Deutsche Kinemathek, dem Deutschen Musikrat, der Deutschen Phono-Akademie und der Filmstiftung NRW).
  • Auf dem Karl-May-Fest 1994 in Bad Segeberg erhielt Martin Böttcher den Scharlih, die älteste und bekannteste Auszeichnung, die mit dem Namen Karl Mays verbunden ist.
  • Während eines weiteren Karl-May-Festes (vom 25. bis 27. Juli 1997) wurde er mit einem „Special Award" der Schacht-Musikverlage ausgezeichnet.
  • Am 15. April 2000 wurde ihm in Titisee-Neustadt (Schwarzwald) der Edgar Wallace-Preis in Gold für Verdienste um den deutschen Kriminalfilm überreicht.
  • Am 25. Januar 2004 erhielt Böttcher in St. Moritz das Bundesverdienstkreuz am Bande für sein Lebenswerk. Die Auszeichnung überreichte der deutsche Botschafter in der Schweiz, Dr. Frank Elbe (Bild).
  • Am 28. Mai 2009 wurde Martin Böttcher in Berlin anlässlich des erstmals verliehenen Deutschen Musikautorenpreises in der Sparte „Komposition Filmmusik“ ausgezeichnet.

Filmografie

Spielfilme

Fernsehproduktionen

Martin Böttcher hat unter anderem für nachfolgende Fernsehserien und -produktionen entweder die Titelmusik geschrieben und/oder mehrfach Musik beigesteuert:

Diskografie (Auswahl)

  • Deutsche Filmkomponisten, Folge 1: „Martin Böttcher“ – Sampler 2000, Bear Family Records BCD 16481 AR
  • Die Halbstarken, Bear Family Records, BCD 16403 AR (O.S.T.)
  • Kriminalfilm-Musik von Martin Böttcher, BSC Music, 307.6518.2
    enthält Musik aus den Pater-Brown-Filmen mit Heinz Rühmann, Max, der Taschendieb und aus Edgar-Wallace-Filmen
  • Kriminalfilmmusik Martin Böttcher Vol. 2, Prudence 398.6534.2
    enthält Musik aus Das Kriminalmuseum, Die Diamantenhölle am Mekong, Mörderspiel, Wartezimmer zum Jenseits und aus Edgar-Wallace-Filmen
  • Marina / Am Tag, als der Regen kam, Bear Family Records, BCD 16588 AH
    enthält Eigenkompositionen von Martin Böttcher und Cover-Versionen, die in beiden Filmen gespielt wurden
  • Martin Böttcher Original-Filmmusik, peermusic, CD 0103
    enthält Musik aus Unser Haus in Kamerun, Der Fälscher von London, Straße der Verheißung, Auf Engel schießt man nicht, Musik aus Lufthansa-Werbefilmen und drei Bonus-Tracks
  • Winnetous Rückkehr, Polydor 557 021-2, Soundtrack zum ZDF-Zweiteiler
  • Pfarrer Braun und andere …, Colosseum, CST 8092-2, Soundtrack zur ARD-Serie und Musik aus Schöne Ferien und weiteren Fernsehfilmen von Martin Böttcher
  • Martin Böttcher sound kaleidoscope, Motor Music, 539 107-2, Sampler mit 25 Titeln
  • „Wilder Westen – Heißer Orient“ - Karl-May-Filmmusik 1936–1968
    Bear Family Records BCD 16413 HL – 8 CDs mit 192 Seiten Filmbuch.
    Enthält 10 Karl-May-Filmmusiken von Martin Böttcher.
  • Karl-May-Melodien (CD, Neuausgabe des LP-Samplers von 1966)
  • „Martin Böttcher – Die großen Film- und TV-Melodien“, Warner Music Group, 5050467-3717-2-9, 2CD mit insgesamt 50 Titeln

Mit der zuletzt angeführten Veröffentlichung liegt die erste Doppel-CD mit Böttchers Interpretationen vor. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie nur Musikaufnahmen von ehemaligen Telefunken- oder Teldec-Veröffentlichungen umfasst. Die meisten Originalaufnahmen (viele damals noch in Mono) wurden ursprünglich bei Polydor, Heliodor, London, Ariola und anderen veröffentlicht. Bei Telefunken und Teldec spielte Böttcher diese erneut in überarbeiteter Form ein, teils mit anderem Arrangement und, vor allem, in Stereo. Auf der ersten CD sind 25 Titel aus Kinofilmen aufgenommen (dabei auch Titel von anderen Komponisten), auf der zweiten CD 25 Titel aus Fernsehsendungen und -serien nur von Martin Böttcher.

  • Auf der dritten vom ZDF initiierten CD unter dem Motto „Aus vollem Herzen“, auf der Prominente ihre lyrischen Lieblingsstücke vortragen, kann man seit 2005 Martin Böttcher auch als Rezitator erleben. Er liest ein Gedicht von Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (Der Hörverlag, München, ISBN 3-89940-674-5).
  • Tief in der Nacht, Francis Durbridge-Kriminalhörspiel mit Musikuntermalung von Martin Böttcher, Der Audio Verlag, ISBN 3-89813-152-1 (das einzige Hörspiel, für das Martin Böttcher Musik schrieb)

Literatur

  • Reiner Boller: Winnetou-Melodie. Martin Böttcher. Die Biographie mit einem Vorwort von Pierre Brice. Gryphon Verlag (2003) – ISBN 3-89602-444-2
  • Reiner Boller: Winnetou-Melodie. Martin Böttcher. Die Biographie – erweiterte Jubiläumsausgabe zum 80. Geburtstag, Gryphon Verlagsallianz (2007) – ISBN 978-3-938109-16-8
  • Karl-Heinz Becker: Martin Böttcher – „Ich bin ein Freund des Klanges und schreibe von der Leber weg, wie ich empfinde.“, in: Filmharmonische Blätter. Heft 3/Sommer 1986, S. 36–39

Einzelnachweise

  1. Aussage Martin Böttchers in einem Interview auf der DVD zur Serie Das Kriminalmuseum
  2. Deutsche Chart-Singles auf CD-ROM, Taurus Press
  3. Deutsche Chart Singles 1956–1980, Taurus Press, ISBN 3-922542-24-7
  4. Deutsche Chart-Singles auf CD-ROM, Taurus Press
  5. Deutsche Chart-Singles auf CD-ROM, Taurus Press
  6. Deutsche Chart-Singles auf CD-ROM, Taurus Press

Weblinks

 Commons: Martin Böttcher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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