Talavya

Talavya
Sanskrit (संस्कृत)

Gesprochen in

Indien
Sprecher nur als Zweitsprache (1961: 190.000)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von Indien (eine von 22 anerkannten Nationalsprachen)
Sprachcodes
ISO 639-1:

sa

ISO 639-2:

san

ISO 639-3:

san

Das Wort Sanskrit in Devanagari-Schrift

Sanskrit (संस्कृत, n., saṃskṛta, von sam „zusammen“ und kṛta „gemacht“, wörtl.: „zusammengefügt“, saṃskṛtā vāk: „zusammengesetzte Sprache“) ist die Sprache der Veden und der klassischen indischen Kultur und spielt vor allem im Hinduismus eine wesentliche Rolle. Sie ist die klassische Sprache der Brahmanen und wurde erstmals von Panini im 4. Jahrhundert v. Chr. systematisiert.

Die Entstehung wird auf 1200 v. Chr. datiert, das zu dieser Zeit übliche Vedisch unterscheidet sich jedoch noch vom klassischen Sanskrit. Beim Sprachausbau des Hindi wurden sehr viele Sanskrit-Wörter verwendet. Sanskrit wird seit einigen Jahrhunderten hauptsächlich in Devanagarischrift geschrieben, gelegentlich auch in lokalen Schriften. (Das erste gedruckte Werk in Sanskrit erschien in Bengali-Schrift.) Es ist heute eine weitgehend tote Sprache wie Latein, aber immer noch die heilige Sprache der Hindus, da alle religiösen Schriften von den Veden und Upanishaden bis zur Bhagavad-Gita auf Sanskrit verfasst wurden und häufig auch so vorgetragen werden. Auch für religiöse Rituale wie Gottesdienste, Hochzeiten und Totenrituale ist sie noch heute unerlässlich.

Beispiele für Sanskrit-Lehnwörter im Deutschen: Arier, Ashram, Avatar, Bhagwan, Chakra, Guru, Dschungel, Ingwer, Orange, Kajal, Mandala, Mantra, Moschus, Nirwana, Swastika, Tantra, Yoga.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung und Verbreitung des Sanskrit

Für Indien spielt Sanskrit eine ähnliche Rolle wie das Latein für Europa oder das Hebräische für die antiken und heutigen Juden. Zahlreiche überlieferte religiöse, philosophische und wissenschaftliche Texte sind in Sanskrit verfasst. Die Rolle einer Sondersprache spielte Sanskrit schon im indischen Altertum. Sanskrit ist in Gegensatz zu sehen zu Prakrit, der damals gesprochenen Populärsprache, wozu auch Pali zählt. Obwohl beispielsweise viele buddhistische Texte in Sanskrit verfasst wurden, soll bereits Siddharta Gautama selbst die volkstümlichere Sprachvariante Pali bevorzugt haben.

Bei einer Zählung im Jahre 1981 gab es etwa 6.000 Menschen in Indien, die Sanskrit als Muttersprache angaben. Etwa 190.000 gaben es bei der Volkszählung 1961 als Zweitsprache an. Aktuelle Bemühungen gehen dahin, Sanskrit selbst als Lebendiges Sanskrit wiederzubeleben, auch indem neue Wörter für moderne Gegenstände entwickelt und junge Leute dazu motiviert werden, sich in dieser Sprache zu verständigen. Es gibt Zeitungen und Radiosendungen in Sanskrit. In den meisten Schulen der Sekundarstufe im modernen Indien (besonders dort, wo die Staatssprache Hindi gesprochen wird) wird Sanskrit als dritte Sprache nach Hindi und Englisch gelehrt.

Im Rahmen des Hindu-Nationalismus gibt es Tendenzen, in Hindi die Begriffe arabischen und persischen Ursprungs durch Sanskrit-Begriffe zu ersetzen und so die Sprache von Fremdeinflüssen zu „reinigen“. Diese Entwicklung dauert noch an, so dass die Unterschiede zwischen Urdu und Hindi größer werden.

Geschichte

Sanskrit ist in der Form des Vedischen die älteste der Indoarischen Sprachen. Aus ihm entstanden Sprachen wie Hindi, Urdu, Bengalisch, Marathi, Kashmiri, Panjabi, Nepalesisch und Romani. Vedisches Sanskrit (Vedisch) ist eine archaische Form des Sanskrit, in der die vier heiligen Veden der Hindus verfasst wurden. Vedisches Sanskrit unterscheidet sich von Klassischem Sanskrit in etwa wie Homerisches Griechisch von Klassischem Griechisch. Beide Sanskritversionen beinhalten eine große Anzahl an Wortentlehnungen aus den Dravidischen Sprachen. Zu ihren wichtigsten Unterschieden zählen:

Sanskrit wurde im Gegensatz zum Prakrit als die reine und heilige Sprache bewertet und war immer eine Hoch- beziehungsweise „Literatur“-Sprache für religiöse und wissenschaftliche Themen. Viele Sanskrittexte wurden mündlich überliefert, bevor sie in späteren Jahrhunderten (oft erst im Mittelalter) niedergeschrieben wurden. Das gilt auch für die älteste erhaltene Grammatik zum Sanskrit von Panini, der bereits im 5. beziehungsweise 4. Jahrhundert vor Chr. in seinem Werk Ashtadhyayi die fast 4000 Regeln der Sanskrit-Morphologie beschrieb. In seiner ausgeklügelten Systematik entwickelte er die Konzepte der Phoneme, Morpheme und Wurzeln, die in die westliche Linguistik erst rund 2500 Jahre später Eingang fanden:

An erster Stelle stehen bei Panini die Vokale (a ā i ī u ū e ai o au), es folgen – nach der Artikulationsstelle – von hinten nach vorne die Konsonantenreihen:

  1. Gutturale (Kanthya, कण्ठय, kaṇṭhya),
  2. Palatale (Talavya, तालव्य, tālavya),
  3. Zerebrale (Murdhanya, मूर्धन्य, mūrdhanya),
  4. Dentale (Dantya, ढन्त्य, dantya),
  5. Labiale (Oshthya, ओष्ठ्य, oṣṭhya).

Am Ende der Liste stehen:

  • Halbvokale (ya, ra, la, va)
  • Zischlaute (śa, ṣa, sa)
  • Hauchlaut (ha)

Diese (auf der genauen Beobachtung von Klängen basierende) Systematik des Sanskrit wurde einige Zeit vor den indischen Schriften (Brahmi, Devanagari) entwickelt.

Verwandtschaft mit anderen Sprachen

Sanskrit gehört zum indoarischen Zweig der indogermanischen Sprachfamilie und hat damit einen gemeinsamen Ursprung mit fast allen modernen europäischen Sprachen, aber auch mit den klassischen Sprachen wie Latein und Griechisch. Die Verwandtschaft kann beispielsweise illustriert werden mit den Worten für Mutter und Vater: matri und pitri im Sanskrit; mater und pater im Latein sowie mētēr (μήτηρ) und patēr (πατήρ) im Altgriechischen. Der Begriff yoga geht auf dieselbe Wortwurzel wie das lateinische iugum zurück (deutsch Joch).

Auch das lateinische Wort deus (Gott), (nicht aber das altgriechische theos, wohl aber der Göttername Zeus), entspricht dem Sanskritwort deva (Gott). Lateinisch „esse“ (sein) geht auf die gleiche indogermanische Wurzel wie das indische as (sein) zurück ; das Perfekt fuisse wie das englische be und das deutsche bin auf die gleiche wie Sanskrit bhu (ebenfalls „sein“). Mehr hierzu findet sich unter Indogermanische Wortwurzeln.

Bemerkenswert ist zudem die ähnliche Grundstruktur der Grammatik, etwa Geschlechter, Funktion der Kasus (Fälle), Tempora (Zeitgefüge), Modi: Zum Beispiel ist die Endung der wir-Form in der einfachen Gegenwart im Sanskrit -mah, im Latein -mus, im Altgriechischen -men, im Althochdeutschen -mes. Im Sanskrit sind alle der acht Fälle, die für die indogermanischen Ursprache rekonstruiert wurden, erhalten geblieben (siehe bei "Grammatik").

Die Ähnlichkeiten zwischen Latein, Griechisch und Sanskrit spielten eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Indogermanistik; erst als im Rahmen der Kolonialisierung Europäer nach Indien kamen und begannen, indische Literatur zu übersetzen, wurde die auffallende Ähnlichkeit der Sprachen entdeckt.

Bereits in das vedische Sanskrit sind Wörter anderer Sprachen eingeflossen. Im Rigveda sind etwa vier Prozent der Wörter autochthoner Herkunft (nicht-indoarischen Ursprungs). Hierbei handelt es sich um Begriffe aus dravidischen, jedoch auch aus austroasiatischen Sprachen (vor allem Munda).

Auch afrikanische Sprachen haben Sanskrit-Wörter übernommen: Auf Kisuaheli heißt „Löwe“ Simba (siehe den Walt-Disney-Film „Simba der Löwe“), dieses Wort stammt von Sanskrit simha für „Löwe“ ab.

Phonologie und Schrift

Klassisches Sanskrit hat 48 Phoneme, vedisches Sanskrit hat 49.

Die Phoneme werden hier in ihrer traditionellen Reihenfolge beschrieben: Vokale, Plosive und Nasale (geordnet nach dem Artikulationsort, von hinten nach vorne) und schließlich Approximanten und Frikative.

Die Transliteration erfolgt in den beiden Systemen IAST (International Alphabet of Sanskrit Transliteration) und HK (Harvard-Kyoto).

Anmerkung: Die langen Vokale werden etwa doppelt so lang wie ihre kurzen Gegenstücke ausgesprochen. Darüber hinaus existiert für die meisten Vokale eine dritte Quantitätsstufe 'sehr lang', die zum Beispiel im Vokativ Anwendung findet.

Vokale

Devanāgarī Diakritisches Zeichen mit “प् Aussprache Aussprache mit / p / IAST ITRANS Deutsch
/ ə / / pə / a a kurzer Schwa: wie e in alte
पा / ɑː / / pɑː / ā A langer Ungerundeter offener Hinterzungenvokal: wie a in Vater
पि / i / / pi / i i kurzer Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal: wie i in singen
पी / iː / / piː / ī I langer Ungerundeter geschlossener Vorderzungenvokal: wie ie in Spiel
पु / u / / pu / u u kurzer Geschlossener hinterer gerundeter Vokal: wie u in Hund
पू / uː / / puː / ū U langer Geschlossener hinterer gerundeter Vokal: wie u in tun
पे / eː / / peː / e e langer Ungerundeter halbgeschlossener Vorderzungenvokal: wie e in dem
पै / əi / od. / ai / / pəi / od. / pai / ai ai ein langer Diphthong: wie ei in heilig
पो / οː / / poː / o o langer Gerundeter halbgeschlossener Hinterzungenvokal: wie o in rot
पौ / əu / od. / au / / pəu / od. / pau / au au ein langer Diphthong: wie au in haus
पृ /ɻˌ / / pɻˌ / R kurzer syllabischer Stimmhafter retroflexer Approximant wie ein Vokal: ungefähr wie ir in American English bird
पॄ / ɻˌː / / pɻˌː / RR langer syllabischer Stimmhafter retroflexer Approximant wie ein Vokal: Eine längere Variante von / r̩ /
पॢ / ɭˌ / / pɭ̩ˌ / LR kurzer syllabischer Stimmhafter lateraler retroflexer Approximant wie ein Vokal: ungefähr wie l in Englisch handle
पॣ / ɭ̩ˌː / / pɭ̩ˌː / LRR langer syllabischer Stimmhafter lateraler retroflexer Approximant wie ein Vokal: Eine längere Variante von / ɭˌ /

Anders als in den meisten europäischen Sprachen einschließlich des Deutschen sind , und im Sanskrit Vokale. Einige Grammatiken erwähnen noch ॡ , eine längere Version des , aber dieser Vokal tritt im Sanskrit eigentlich nicht auf und ist augenscheinlich in Analogie zu den anderen Vokalen hinzugefügt worden, um eine Symmetrie von langen und kurzen Vokalen zu komplettieren. Die Sanskrit-Grammatiker klassifizieren / eː / und / oː / für grammatikalische Zwecke als Diphthonge, aber sie werden als Monophthonge ausgesprochen. Wenn ein einzelner Konsonant ohne Vokal geschrieben werden soll, wird der sogenannte „halanta/virama“ (प्) verwendet. Dieser wird besonders am Ende eines Wortes verwendet. Ein Konsonant ohne irgendein diakritisches Zeichen bedeutet, dass ihm der kurze Vokal schwa (/ ə /) folgt.

Alle Vokale können nasaliert werden.

Konsonanten

Diese Tabelle gibt die Phonologie der Konsonanten in Sanskrit wieder.

Labial Labiodental Dental Retroflex Palatal Velar Pharyngal
Plosive unaspiriert p b t d ṭ (T) ट ḍ (D) ड c (ch) j k g
aspiriert ph bh th dh ṭh (Th) ठ ḍh (Dh) ढ ch (chh) jh kh gh
Nasale m n (N) ñ (J) (G)
Halbvokale v y
Approximanten l r
Frikative s (S) ś (z) ḥ (H) ः h

Daneben gibt es noch das anusvāra (ṃ (M) ं), das entweder die Nasalierung des vorhergehenden Vokals oder einen zum folgenden Konsonanten homorganen Nasal anzeigt.

Diese Tabelle zeigt die Liste der Sanskrit-Konsonanten mit Aussprachebeispielen in Deutsch und Englisch.

Plosive
unaspiriert
Stimmlosigkeit
aspiriert
Stimmlosigkeit
unaspiriert
Stimmhaftigkeit
aspiriert
Stimmhaftigkeit
Nasal
Velar
/ kə /; Deutsch: klar

/ khə /; ≈Deutsch: kein

/ gə /; Deutsch: gehen

/ gɦə /; aspiriert / g /

/ ŋə /; Deutsch: ring
Palatal
/ cə /; ≈Deutsch: Deutschland

/ chə /; aspiriert / c /

/ ɟə /; ≈Englisch: joke

/ ɟɦə /; aspiriert / ɟ /

/ ɲə /; Englisch: finch
Retroflex
/ ʈə /; Amerikanisch-Eng: hurting

/ ʈhə /; aspiriert / ʈ /

/ ɖə /; Americanisch Eng: murder

/ ɖɦə /; aspiriert / ɖ /

/ ɳə /; Amerikanisch-Eng: hunter
Apico-Dental
/ t̪ə /; Tomate

/ t̪hə /; aspiriert / t̪ /

/ d̪ə /; Spanish: donde

/ d̪ɦə /; aspiriert / d̪ /

/ nə /; Deutsch: Name
Labial
/ pə /; Deutsch: Platz

/ phə /; Deutsch: Pik

/ bə /; Deutsch: Beruf

/ bɦə /; aspiriert / b /

/ mə /; Deutsch: mein
Non-Plosives/Sonorants
Palatal Retroflex Dental/
Alveolar
Velar/
Glottal
Approximant
/ jə /; Deutsch: Jude

/ ɻə /; Amerikanisch-Eng: tearing

/ lə /; Deutsch: lieben

/ ʋə /; ≈Deutsch: was
Sibilant/
Frikative

/ ɕə / od. / ʃə /; Deutsch: Schaf

/ ʂə /; Retroflex / ʃ /

/ sə /; Deutsch: wissen

/ ɦə /; ≈Deutsch: heim

Betonung

Sanskrit selbst ist eine Akzentsprache, im älteren Vedisch dagegen werden Silben durch einen sogenannten melodischen oder musikalischen Akzent betont, d.h., die betonte Silbe durch eine hörbar andere Tonhöhe markiert. Vedisch ist also eine gemäßigte Tonsprache. Indische Grammatiken definieren drei Töne (svara): udātta 'erhöht', anudātta 'nicht erhöht' und svarita. In der Transliteration wird udātta üblicherweise mit einem Akut (´) und anudātta mit einem Gravis (`) angezeigt. Svarita tritt nur als Produkt euphonischer Vokalkombinationen auf und ist dadurch deutlich seltener als die beiden anderen Töne. Der Tonakzent ist im klassischen Sanskrit verloren gegangen (und wurde nur in vedischen Gesängen bewahrt).

Sandhi

Sanskrit hat ein komplexes System phonologischer Regeln namens Sandhi und Samaas, die auch in der Schriftsprache (außer in sogenannten pada-Texten) wiedergegeben werden. Sandhi meint die beim Kombinieren von Phonemen auftretenden Veränderungen, insbesondere an Wortgrenzen. Diese Vorgänge sind in jeder gesprochenen Sprache anzutreffen, im Sanskrit jedoch sind sie genau reguliert und kodifiziert.

Beispiele:

  • a + u → o (Kathopanishad)
  • o + i → avi
  • t + c → cc (Saccit)

Der Anfang der Nala-Episode des Mahabharata lautet

āsīd rājā nalo nāma vīrasenasuto balī
upapanno guṇair iṣṭai rūpavān aśvakovidaḥ

(Es war ein König namens Nala, mächtiger Sohn des Virasena; mit begehrten Tugenden begabt, stattlich und gewandt im Umgang mit Pferden)

Ohne Sandhi hieße der Text:

āsīt rājā nalaḥ nāma vīrasenasutaḥ balī
upapannaḥ guṇai iṣṭai rūpavān aśvakovidaḥ

Anfängern und ungeübten Lesern können Sandhi erhebliche Schwierigkeiten beim Lesen von Sanskrittexten bereiten. Sie erzeugen außerdem Mehrdeutigkeiten, die von guten Dichtern genutzt werden, um Gedichte zu schreiben, die auf verschiedenartige und durchaus widersprüchliche Weisen gelesen werden können – je nachdem, wie der Leser die Sandhi auflöst.

Schrift

Devimahatmya in Sanskrit auf Palmblättern, Bihar oder Nepal, 11. Jahrhundert

Sanskrit hatte in seiner Geschichte keine einzelne mit ihm assoziierte Schrift. Ashoka benutzte die Brahmi-Schrift für seine Säuleninschriften (die nicht in Sanskrit, sondern in Prakrit-Dialekten und anderen Sprachen verfasst wurden). Ungefähr zur selben Zeit wie die Brahmi-Schrift wurde auch die Kharoshthi-Schrift benutzt. Später, etwa im vierten bis achten nachchristlichen Jahrhundert, war die aus der Brahmi-Schrift abgeleitete Gupta-Schrift vorherrschend in Gebrauch. Etwa im 8. Jahrhundert entwickelte sich aus dem Gupta die Sharada-Schrift, die vom 12. Jahrhundert an über Zwischenstufen wie Siddham wiederum durch Devanagari abgelöst wurde. Daneben wurde noch in zahlreichen anderen Schriften geschrieben, z. B. Kannada im Süden oder in bengalischer Schrift im Norden; diese unterscheiden sich aber nur in der Zeichengestalt und in der Hinzunahme einzelner Zeichen zur Darstellung neuer Laute, nicht aber im Grundprinzip von Devanagari.

Seit dem Mittelalter und insbesondere heute ist Devanāgarī ('die in der Stadt der Götter benutzte (Schrift)') die am weitesten verbreitete und gebräuchlichste Schrift für Sanskrit. Gelegentlich finden sich in Gegenden Indiens, in denen Devanagari nicht die übliche Gebrauchsschrift ist, noch Texte in lokalen Schriften.

Die Schrift kam erst relativ spät nach Indien und war auch dann nur von untergeordneter Bedeutung, da Wissen meist mündlich vermittelt und auswendig gelernt wurde. Nach Thomas William Rhys Davids könnte die Schrift von Händlern aus dem Nahen Osten nach Indien gebracht worden sein. Sanskrit, das ausschließlich zu sakralen Zwecken benutzt wurde, blieb jedoch bis weit in die klassische Periode Indiens eine rein mündliche Sprache.

Seit dem 19. Jahrhundert gibt es auch eine Transliteration des Sanskrit in lateinischer Umschrift. Die gebräuchlichste Umschrift ist gegenwärtig IAST (International Alphabet of Sanskrit Transliteration), der akademische Standard seit 1912. Andere Transliterationssysteme wurden entwickelt, um die Schwierigkeiten bei Anzeige und Druck der notwendigen Sonderzeichen für Sanskrit zu umgehen, so etwa das früher gängige Harvard-Kyoto und ITRANS, ein verlustloses Transliterationssystem, das vor allem im Internet weite Verbreitung findet.

In der Wissenschaft verwendet man für die Transkription und Reproduktion ganzer Texte und längerer Ausschnitte entweder lateinische Umschrift oder Devanāgarī. Individuelle Namen und einzelne Wörter werden in Texten, die in europäischen Sprachen verfasst sind, meist in lateinischer Umschrift wiedergegeben. Für religiöse Zwecke bedient man sich aber bevorzugt der Devanagarischrift, manchmal auch zusammen mit Glossen in lateinischer Umschrift.

Grammatik

Sanskrit ist wie Deutsch oder Latein eine flektierende Sprache, hat jedoch eine noch viel umfangreichere Flexionsmorphologie als diese: So gibt es zu jedem Verb im Präsens etwa 96 verschiedene Formen im Sanskrit, jedoch nur etwa 29 im Latein und im Neuhochdeutschen nur noch etwa acht. Viele Funktionen im Satz werden lediglich durch Suffixe bezeichnet (so z.B. Ort, Richtung, Herkunft, Passiv, Veranlassung, Möglichkeitsform, Wunsch, Verbot...). Die folgenden Abschnitte benutzen das IAST-Transliterationsschema.

Substantive

Die Deklination der Substantive im Sanskrit erfolgt nach

  • drei Genera:
    Maskulinum (puṃliṅga, männlich), Femininum (strīliṅga, weiblich), Neutrum (napuṃsakaliṅga, sächlich)
  • drei Numeri:
    Singular (ekavacana, Einzahl), Dual (dvivacana, Zweizahl), Plural (bahuvacana, Mehrzahl)
  • acht Kasus:
    Nominativ (prathamā, „der Pfad“), Akkusativ (dvitīyā, „den Pfad, auf den Pfad“), Instrumental (tṛtīyā, „durch den Pfad“), Dativ (caturthī, „dem Pfade, für den Pfad“), Ablativ (pañcamī, „vom Pfade (her)“), Genitiv (ṣaṣṭhī, „des Pfades“), Lokativ (saptamī, „auf dem Pfade“), Vokativ (sambodhana, „oh Pfad!“)

Artikel verwendet das Sanskrit nicht als verpflichtende Elemente. Das Demonstrativpronomen „tad“ und das Indefinitpronomen „kimcit“ werden aber oft optional als bestimmte oder unbestimmte Artikel eingesetzt.

Die Substantive im Sanskrit werden in vokalische und bukkalische (konsonantische) Stämme geteilt.

Vokalische Stämme

Zu den vokalische Stämmen zählen

  • Stämme auf a (Maskulina, Neutra)
  • Stämme auf ā (Feminina)
  • Stämme auf i (Maskulina, Feminina, Neutra)
  • Stämme auf ī (Feminina)
  • Stämme auf u (Maskulina, Feminina, Neutra)
  • Stämme auf ū (Feminina)
  • Stämme auf Diphthong (ai, au, o) (nur drei Substantive nach dieser Deklination: √rai „Besitz“, √nau „Schiff“, und √go „Kuh“).

Einen Überblick über die Deklinationsmuster der vokalischen Stämme gibt folgende Tabelle.

a-Stamm ā-Stamm i-Stamm ī-Stamm
kāma (m)
(Liebe)
rūpa (n)
(Schönheit)
bāla (f)
(Mädchen)
agni (m)
(Feuer)
vāri (n)
(Wasser)
mati (f)
(Meinung)
dhī (f)
(Gedanke)
nadī (f)
(Fluss)
Singular Nominativ kāma rūpam bālā agni vāri mati dhī nadī
Vokativ kāma rūpa bāle agne vār[i/e] mate dhī nadi
Akkusativ kāmam rūpam bālām agnim vāri matim dhiyam nadīm
Instrumental kāmena rūpeṇa bālayā agni vāriṇā mat dhi nad
Dativ kāmāya rūpāya bālāyai agnaye vāriṇe mat[aye/yai] dhi[ye/yai] nadyai
Ablativ kāmāt rūpāt bālāyāḥ agneḥ vāriṇāḥ mat[eḥ/yāḥ] dhi[yaḥ/yāḥ] nadyāḥ
Genitiv kāmasya rūpasya bālāyāḥ agneḥ vāriṇāḥ mat[eḥ/yāḥ] dhi[yaḥ/yāḥ] nadyāḥ
Lokativ kāme rūpe bālāyām agnau vāriṇi mat[au/yām] dhi[yi/yām] nadyām
Dual Nominativ kāmau rūpe bāle agnī vāriṇī matī dhiyau nadyau
Vokativ kāmau rūpe bāle agnī vāriṇī matī dhiyau nadyau
Akkusativ kāmau rūpe bāle agnī vāriṇī matī dhiyau nadyau
Instrumental kāmābhyām rūpābhyām bālābhyām agnibhyām vāribhyām matibhyām dhībhyām nadībhyām
Dativ kāmābhyām rūpābhyām bālābhyām agnibhyām vāribhyām matibhyām dhībhyām nadībhyām
Ablativ kāmābhyām rūpābhyām bālābhyām agnibhyām vāribhyām matibhyām dhībhyām nadībhyām
Genitiv kāmayoḥ rūpayoḥ bālayoḥ agnyoḥ vāriṇoḥ matyoḥ dhiyoḥ nadiyoḥ
Lokativ kāmayoḥ rūpayoḥ bālayoḥ agnyoḥ vāriṇoḥ matyoḥ dhiyoḥ nadiyoḥ
Plural Nominativ kāmā rūpāṇi bālā agnayaḥ vārīṇi matayaḥ dhiyaḥ nadyaḥ
Vokativ kāmā rūpāṇi bālā agnayaḥ vārīṇi matayaḥ dhiyaḥ nadyaḥ
Akkusativ kāmān rūpāṇi bālā agnīn vārīṇi matīḥ dhiyaḥ nadīḥ
Instrumental kāmaiḥ rūpaiḥ bālābhiḥ agnibhiḥ vāribhiḥ matibhiḥ dhībhiḥ nadībhiḥ
Dativ kāmebhyaḥ rūpebhyaḥ bālābhyaḥ agnibhyaḥ vāribhyaḥ matibhyaḥ dhībhyaḥ nadībhyaḥ
Ablativ kāmebhyaḥ rūpebhyaḥ bālābhyaḥ agnibhyaḥ vāribhyaḥ matibhyaḥ dhībhyaḥ nadībhyaḥ
Genitiv kāmānām rūpāṇām bālānām agnīnām vārīṇām matīnām dh[iyām/īnām] nadīnām
Lokativ kameṣu rūpeṣu bālāsu agniṣu vāriṣu matiṣu dhīṣu nadīṣu
u-Stamm ū-Stamm Diphthong-Stamm
vāyu (m)
(Wind)
madhu (n)
(Honig)
dhenu (f)
(Kuh)
bhū (f)
(Erde)
vadhū (f)
(Frau)
rai (f)
(Besitz)
nau (f)
(Schiff)
go (f)
(Rind)
Singular Nominativ vāyu madhu dhenu bhū vadhū nau gau
Vokativ vāyo madh[u/o] dheno bhū vadhu nau gau
Akkusativ vāyum madhu dhenum bhuvam vadhūm rāyam nāvam m
Instrumental vāyu madhu dhen bhu vadh rāyā nāvā gavā
Dativ vāyave madhune dhenave bhu[ve/vai] vadhvai rāye nāve gave
Ablativ vāyoḥ madhunāḥ dhen[oḥ/vāḥ] bhu[vaḥ/vāḥ] vadhvāḥ rāyaḥ nāvaḥ go
Genitiv vāyoḥ madhunāḥ dhen[oḥ/vāḥ] bhu[vaḥ/vāḥ] vadhvāḥ rāyaḥ nāvaḥ go
Lokativ vāyau madhuni dhen[au/vām] bhu[vi/vām] vadhvām rāyi nāvi gavi
Dual Nominativ vāyū madhu dhenū bhuvau vadhvau rāyau nāvau gāvau
Vokativ vāyū madhu dhenū bhuvau vadhvau rāyau nāvau gāvau
Akkusativ vāyū madhu dhenū bhuvau vadhvau rāyau nāvau gāvau
Instrumental vāyubhyām madhubhyām dhenubhyām bhūbhyām vadhūbhyām bhyām naubhyām gobhyām
Dativ vāyubhyām madhubhyām dhenubhyām bhūbhyām vadhūbhyām bhyām naubhyām gobhyām
Ablativ vāyubhyām madhubhyām dhenubhyām bhūbhyām vadhūbhyām bhyām naubhyām gobhyām
Genitiv vāyvoḥ madhunoḥ dhenvoḥ bhuvoḥ vadhvoḥ rāyoḥ nāvoḥ gavoḥ
Lokativ vāyvoḥ madhunoḥ dhenvoḥ bhuvoḥ vadhvoḥ rāyoḥ nāvoḥ gavoḥ
Plural Nominativ vāyavaḥ madhūni dhenavaḥ bhuvaḥ vadhvaḥ rāyaḥ nāvaḥ gāvaḥ
Vokativ vāyavaḥ madhūni dhenavaḥ bhuvaḥ vadhvaḥ rāyaḥ nāvaḥ gāvaḥ
Akkusativ vāyūn madhūni dhenūḥ bhuvaḥ vadhūḥ rāyaḥ nāvaḥ
Instrumental vāyubhiḥ madhubhiḥ dhenubhiḥ bhūbhiḥ vadhūbhiḥ bhiḥ naubhiḥ gobhiḥ
Dativ vāyubhyaḥ madhubhyaḥ dhenubhyaḥ bhūbhyaḥ vadhūbhyaḥ bhyaḥ naubhyaḥ gobhyaḥ
Ablativ vāyubhyaḥ madhubhyaḥ dhenubhyaḥ bhūbhyaḥ vadhūbhyaḥ bhyaḥ naubhyaḥ gobhyaḥ
Genitiv vāyūnām madhūnām dhenūnām bh[uvām/ūnām] vadhūnām rāyām nāvām gavām
Lokativ vāyuṣu madhuṣu dhenuṣu bhūṣu vadhūṣu ṣu nauṣu goṣu

Bukkalische Stämme

Man kann die Nomina mit bukkalischen Stämmen unterteilen in

  • einstämmige Nomen, welche in allen Kasus denselben Stamm haben. Zu ihnen gehören:
    • Wurzelnomen, das sind einsilbige Stämme, an welche direkt die Kasusendung gehängt wird
    • zweisilbige Stämme auf Verschlusslaut oder Affrikate
    • zwei- oder mehrsilbige Stämme auf -as/-is/-us
  • mehrstämmige Nomen. Zu ihnen gehören Stämme :
    • auf -(a)nt
    • auf -(a)n
    • auf -(i)n
    • auf -ar/-ṛ
    • auf -iyaṁs/-iyas
    • auf -vaṁs/-uṣ
    • auf -añc

Komposita

Die nominale Komposition ist insbesondere für die späteren Formen der Sprache charakteristisch. Hierbei erscheinen in der Regel sämtliche Glieder bis auf das letzte in einer unflektierten Form. Die verschiedenen Kompositaformen sind Dvandva, Tatpuruṣa, Karmadhāraya und Bahuvrīhi. Diese Sanskritbezeichnungen sind auch als Fachausdrücke in der allgemeinen Linguistik gebräuchlich.

Bei den Dvandva (Kopulativkomposita) handelt es sich an eine Aneinanderkettung von Substantiven, die im Deutschen durch „und“ verbunden wären. Das Genus richtet sich dabei nach dem Schlussglied, der Numerus ist die Gesamtzahl der bezeichneten Objekte. ācāryaśiṣyau heißt: Lehrer (ācārya, Nominativ Singular ācārya) und Schüler (śiṣa, Nominativ Singular śiṣaḥ, Nominativ Dual śiṣau). Da es zwei Personen sind, steht der Ausdruck im Dual. aśvagajabālanarā nṛtyanti Pferde, Elefanten, Jungen und Männer tanzen. (aśva Pferd, gaja Elefant, bāla Junge, nara Mann, Nominativ Plural im Sandhi vor n narā). Das Dvandva steht in der indischen Tradition in besonderem Ansehen; Krishna sagt in Vers 10.33 der Bhagavadgita „Unter den Schriftzeichen bin ich das A, unter den Komposita das Dvandva“.

Die Tatpuruṣa (Determinativkomposita, wörtlich „sein Mann“) entsprechen der häufigsten Form der Komposita im Deutschen: Das Vorderglied steht in einem grammatisch nicht explizit bezeichneten „Kasus“-Bezug zum Schlussglied (das auch ein Adjektiv oder Partizip sein kann): Akkusativ (grāmagata ins Dorf gegangen), Instrumental (devadatta von Gott gegeben), Dativ (varṇasukha dem Ohr angenehm), Ablativ (svargapatita vom Himmel gefallen), Genitiv (rājakanyā Königstochter), Lokativ (saṃgarānta Tod im Kampf).

Karmadhāraya (Appositionskomposita) sind Tatpuruṣa, bei denen das Vorderglied im selben Kasus wie das Hauptglied steht. (cauravījanaḥ Diebsleute).

Bahuvrīhi (exozentrische Komposita, wörtlich „viel Reis (besitzend)“) bezeichnen eine Eigenschaft, die eine Person hat. Sie bilden Adjektive, die in allen drei Geschlechtern auftreten können, unabhängig vom Geschlecht der Kompositionsglieder. Im deutschen entsprechen diese Bildungen auf -ig. (Viṣṇurūpa, vishnugestaltig, in der Gestalt des Vishnu, als Vishnu verkleidet)

Pronomina

Ähnlich wie andere indogermanische Sprachen weist auch das Sanskrit bei der Flexion der Pronomina Besonderheiten zur Flexion der Substantiva auf. Die Charakteristika der Pronominalen Flexion des Sanskrit sind im wesentlichen folgende:

Die Form des Neutrums endet im Nom./Akk. Sg. meist auf -d, im absoluten Auslaut gemäß den Gesetzmäßigkeiten des [Sandhi] als -t verwirklicht (tat „das“, „dieses“; id-am „dieses“).

Dativ, Ablativ und Lokativ Singular werden bei den Formen der Maskulina und Neutra mit Hilfe eines Einschubes -sm gebildet (Dat. Sg. m./n. tasmai devaaya "diesem Gott", Abl. Sg. m./n. tasmaat devaat „von diesem Gott“, Lok. Sg. m./n. tasmin deve „in diesem Gott“).

Feminina bilden Genitiv, Dativ, Ablativ und Lokativ Singular mit Hilfe einer Erweiterung -sy (Gen. Sg. f. tasyaah devyaah „dieser Göttin“, Dat. Sg. f. tasyai devyai „dieser Göttin“,Abl. Sg. f. tasyaah devyaah „von dieser Göttin“, Lok. Sg. f.tasyaam devyaam „in dieser Göttin“).

Der Genitiv Plural endet auf -saam bzw. -shaam (z.B. teshaam devaanaam „dieser Götter“).

Verben

Die Konjugation der Verben im Sanskrit hat folgende Kategorien:

  • Drei Genera Verbi:
    Aktiv (Parasmaipada) („er sieht“), Medium (Atmanepada) („er sieht sich / er wird gesehen“) und Passiv („er wird gesehen“), welches jedoch in der Regel durch das Medium repräsentiert wird (auch in unpersönlicher Form: „Es soll gegangen werden“ = höfliche Form für „Geht bitte!“)
  • Präsensstamm für Präsens und Imperfekt
  • Futurstamm für Futur und Konditionalis
  • Aoriststamm für Aorist
  • Perfektstamm für Perfekt
  • Drei Modi:
    Indikativ, Optativ, Imperativ.
    Der Optativ im Aorist wird Prekativ genannt, wobei in dieser Form der ausgedrückte Wunsch gegenüber dem Optativ Präsens stärker formuliert wird. Außerdem finden sich Reste eines vierten Modus, dem Injunktiv in der Aoristform, welche Prohibitiv genannt wird („geh nicht!“). Im Vedischen hatte der Injunktiv noch viel weitreichendere Bedeutung.
  • Drei Personen je Numerus:
    1. Person (prathamapuruṣa), 2. Person (madhyamapuruṣa), 3. Person (uttamapuruṣa). In traditioneller Sanskritgrammatik ist die 1. Person „Er/Sie/Es“ bzw. „Sie“ (Pl) und die 3. Person „Ich“

Präsenssystem

Die Verben des Sanskrit wurden von den alten indischen Grammatikern in 10 Klassen zur Formbildung im Präsenssystem eingeteilt. Viele Verben können nach mehreren Präsensklassen flektiert werden. Man vermutet, dass diese Klassen ursprünglich auch semantische Unterschiede kennzeichneten. Im Sanskrit gibt es meist jedoch keine Bedeutungsdifferenzierung mehr (z. B. bibharti (3. Kl.) und bharati (1. Kl.) sind synonym). Die 10 Klassen kann man in athematische und thematische Klassen kategorisieren. Thematisch bedeutet dabei, dass der Stamm mittels eines Themavokals - im Sanskrit a als letzter Vokal des Stammes - gebildet wird. Bei athematischen Stämmen erfolgt die Bildung anders. Nach Zählung der indischen Grammatiker hat man folgende Präsensklassen:

  1. Präsensklasse: thematisch, Themavokal a tritt an vollstufige Wurzel. Bsp. √bhṛ, Vollstufe √bhar, bharati („er trägt“)
  2. Präsensklasse: athematisch, Stamm ist identisch mit Wurzel. Bsp. √as, asti („er ist“)
  3. Präsensklasse: athematisch, Stamm wird mit Reduplikation gebildet, Bsp. √dhā, dadhāti („er legt“)
  4. Präsensklasse: thematisch, Suffix ya tritt an die vollstufige Wurzel, wenn der Wurzelsonant a ist, sonst an die schwundstufige Wurzel. Bsp. √pś, paśyati („er sieht“)
  5. Präsensklasse: athematisch, Suffix nu/no tritt an die Wurzel, Bsp. √stṛ, stṛnoti („er streut“), stṛnumaḥ („wir streuen“), stṛnvanti („sie streuen“)
  6. Präsensklasse: thematisch, Themavokal a tritt an die schwundstufige Wurzel. Bsp. √tud, tudati („er stößt“)
  7. Präsensklasse: athematisch, die Wurzel wird durch Infix na/n ergänzt. Bsp. √yuj, Stamm: yunaj, yunakti („er verbindet“)
  8. Präsensklasse: athematisch, Suffix o/u tritt an die Wurzel, Bsp. √kṛ, karoti („er macht“)
  9. Präsensklasse: athematisch, Suffix nā/nī tritt an die Wurzel, Bsp. √pū, pūnati („er reinigt“)
  10. Präsensklasse: thematisch, Suffix aya tritt an die Wurzel. Bsp. √pūj, pūjayati („er ehrt“), √cur, Vollstufe √cor, corayati („er stiehlt“), √du, Dehnstufe √dāv, dāvayati („er brennt“),

Mit den so gebildeten Stämmen können im Präsenssystem die Präsens- und Imperfektformen im Aktiv und Medium gebildet werden. Die folgende Tabelle zeigt die Präsens- und Imperfektkonjugation für die 1. Präsensklasse am Beispiel des Verbs √bhṛ (tragen).

Präsens Imperfekt
Indikativ Optativ Imperativ Prohibitiv Indikativ
Aktiv Singular 1. Person bhar-ā-mi bhar-e-yam bhar-ā-ni mā bhar-a-m a-bhar-a-m
2. Person bhar-a-si bhar-e-ḥ bhar-a mā bhar-a-ḥ a-bhar-a-ḥ
3. Person bhar-a-ti bhar-e-t bhar-a-tu mā bhar-a-t a-bhar-a-t
Dual 1. Person bhar-ā-vaḥ bhar-e-va bhar-ā-va mā bhar-ā-va a-bhar-ā-va
2. Person bhar-a-thaḥ bhar-e-tam bhar-a-tam mā bhar-a-tam a-bhar-a-tam
3. Person bhar-a-taḥ bhar-e-tām bhar-a-tām mā bhar-a-tām a-bhar-a-tām
Plural 1. Person bhar-ā-maḥ bhar-e-ma bhar-ā-ma mā bhar-ā-ma a-bhar-ā-ma
2. Person bhar-a-tha bhar-e-ta bhar-a-ta mā bhar-a-ta a-bhar-a-ta
3. Person bhar-a-nti bhar-e-yuḥ bhar-a-ntu mā bhar-a-n a-bhar-a-n
Medium Singular 1. Person bhar-e bhar-e-ya bhar-ai mā bhar-e a-bhar-e
2. Person bhar-a-se bhar-e-thāḥ bhar-a-sva mā bhar-a-thāḥ a-bhar-a-thāḥ
3. Person bhar-a-te bhar-e-ta bhar-a-tām mā bhar-a-ta a-bhar-a-ta
Dual 1. Person bhar-ā-vahe bhar-e-vahi bhar-ā-vahai mā bhar-ā-vahi a-bhar-ā-vahi
2. Person bhar-ethe bhar-e-yāthām bhar-e-thām mā bhar-e-thām a-bhar-e-thām
3. Person bhar-e-te bhar-e-yātām bhar-e-tām mā bhar-e-tām a-bhar-e-tām
Plural 1. Person bhar-ā-mahe bhar-e-mahi bhar-ā-mahai mā bhar-ā-mahi a-bhar-ā-mahi
2. Person bhar-a-dhve bhar-e-dhvam bhar-a-dhvam mā bhar-a-dhvam a-bhar-a-dhvam
3. Person bhar-a-nte bhar-e-ran bhar-a-ntām mā bhar-a-nta a-bhar-a-nta

Man beachte das Augment a im Imperfekt, das dem Stamm vorangesetzt wird. Auch der Prohibitiv wird vom Präsensstamm gebildet, er entspricht der Form nach dem Imperfekt ohne Augment und existiert im Sanskrit nur noch in der verneinten Form () des ehemaligen Injunktivs.

Neben den oben genannten primären Stämmen (Präsensstamm, Futurstamm, Perfektstamm, Aoriststamm) für die Tempora gibt es noch weitere sekundäre Stammformen für den Passiv, Kausativ, Desiderativ, Intensiv und Denominativ.

Das Passiv besitzt im Präsens einen besonderen Stamm, der mit dem Suffix ya gebildet wird, welches direkt an die (schwundstufige) Wurzel tritt. Die Personalendungen sind identisch mit den Medialendungen im Präsens. Obige Tabelle kann also folgendermaßen ergänzt werden.

Präsens Imperfekt
Indikativ Optativ Imperativ Prohibitiv Indikativ
Passiv Singular 1. Person bhri-ye bhri-ye-ya bhri-yai mā bhri-ye a-bhri-ye
2. Person bhri-ya-se bhri-ye-thāḥ bhri-ya-sva mā bhri-ya-thāḥ a-bhri-ya-thāḥ
3. Person bhri-ya-te bhri-ye-ta bhri-ya-tām mā bhri-ya-ta a-bhri-ya-ta
Dual 1. Person bhri-yāva-he bhri-ye-vahi bhri-yā-vahai mā bhri-yā-vahi a-bhri-yā-vahi
2. Person bhri-ye-the bhri-ye-yāthām bhri-ye-thām mā bhri-ye-thām a-bhri-ye-thām
3. Person bhri-ye-te bhri-ye-yātām bhri-ye-tām mā bhri-ye-tam a-bhri-ye-tam
Plural 1. Person bhri-yā-mahe bhri-ye-mahi bhri-yā-mahai mā bhri-yā-mahi a-bhri-yā-mahi
2. Person bhri-ya-dhve bhri-ye-dhvam bhri-ya-dhvam mā bhri-ya-dhvam a-bhri-ya-dhvam
3. Person bhri-ya-nte bhri-ye-ran bhri-ya-ntām mā bhri-ya-nta a-bhri-ya-nta

Der Kausativ wird in der Regel mit dem Suffix aya gebildet, welches an die Verbalwurzel tritt. Zum Beispiel wird aus karoti („er macht“) kār-aya-ti („er lässt machen“).

Der Desiderativ ist meist gekennzeichnet durch Reduplikation der Wurzel und dem Suffix sa. Zum Beispiel wird aus karoti („er macht“) ci-kīr-ṣa-ti („er wünscht zu tun“). Dies kann auch mit dem Kausativ kombiniert werden, z. B. wird aus kār-aya-ti (er lässt machen) ci-kār-ay-i-ṣa-ti („er wünscht machen zu lassen“).

Der Intensiv (auch Frequentativ genannt) bezeichnet eine wiederholte oder besonders intensive Tätigkeit. Bei Verben der Bewegung bedeutet er soviel wie „hin und her“. Gebildet wird der Intensiv durch eine besondere Reduplikation und das Suffix ya mit medialer Flexion bei thematischen Stämmen, ansonsten ohne Suffix und aktiver Flexion bei athematischen Stämmen. Zum Beispiel wird aus bhramati („er schweift umher“) baṃ-bhram-ya-te („er schweift kreuz und quer umher“)

Futursystem

Der Futurstamm des einfachen Futurs und des Konditionals wird mit dem Suffix -sya gebildet, welches bei Verben der 1.-9. Klasse an die vollstufige Wurzel gesetzt wird, gegebenenfalls mit Bindevokal i. Aus √bhṛ wird also bhar-i-ṣya. Bei Verben der 10. Klasse wird das Suffix an den Präsensstamm gesetzt, z. B. wird aus √cur mit dem Präsensstamm cor-aya der Futurstamm coray-i-ṣya.

Neben dem einfachen Futur gibt es noch das periphrastische Futur. Es wird wie bei den Nomina Agentis mit dem Suffix tar gebildet und Formen der Wurzel √as („sein“).

Alle Passivformen sind identisch mit dem Medium. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über alle Formen des Futurstamms.

Indikativ
einfaches Futur Konditional periphrastisches Futur
√bhṛ (tragen) √kṛ (tun/Täter sein)
Aktiv Singular 1. Person bhar-i-ṣyā-mi a-bhar-i-ṣya-m kar-tā-smi
2. Person bhar-i-ṣya-si a-bhar-i-ṣya-ḥ kar-tā-si
3. Person bhar-i-ṣya-ti a-bhar-i-ṣya-t kar-
Dual 1. Person bhar-i-ṣyā-vaḥ a-bhar-i-ṣyā-va kar-tā-svaḥ
2. Person bhar-i-ṣya-thaḥ a-bhar-i-ṣya-tam kar-tā-sthaḥ
3. Person bhar-i-ṣya-taḥ a-bhar-i-ṣya-tām kar-tār-au
Plural 1. Person bhar-i-ṣyā-maḥ a-bhar-i-ṣyā-ma kar-tā-smaḥ
2. Person bhar-i-ṣya-tha a-bhar-i-ṣya-ta kar-tā-stha
3. Person bhar-i-ṣya-nti a-bhar-i-ṣya-n kar-tār-aḥ
Medium &
Passiv
Singular 1. Person bhar-i-ṣy-e a-bhar-i-ṣy-e kar-tā-he
2. Person bhar-i-ṣya-se a-bhar-i-ṣya-thāḥ kar-tā-se
3. Person bhar-i-ṣya-te a-bhar-i-ṣya-ta kar-
Dual 1. Person bhar-i-ṣyā-vahe a-bhar-i-ṣyā-vahi kar-tā-svahe
2. Person bhar-i-ṣy-ethe a-bhar-i-ṣy-ethām kar-tā-sāthe
3. Person bhar-i-ṣy-ete a-bhar-i-ṣy-etām kar-tār-au
Plural 1. Person bhar-i-ṣyā-mahe a-bhar-i-ṣyā-mahi kar-tā-smahe
2. Person bhar-i-ṣya-dhve a-bhar-i-ṣya-dhvam kar-tā-dhve
3. Person bhar-i-ṣya-nte a-bhar-i-ṣya-nta kar-tār-aḥ

Aoristsystem

Die Zeitform des Aorist taucht im klassischen Sanskrit im Indikativ, im Prekativ und im Prohibitiv auf. Es gibt sieben verschiedene Arten, den Verbstamm für den Aorist zu bilden:

  • Wurzelaorist
  • thematischer Aorist
  • reduplizierter Aorist
  • athematischer s-Aorist
  • athematischer iṣ-Aorist
  • athematischer siṣ-Aorist
  • thematischer s-Aorist

Perfektsystem

Das Perfekt im Sanskrit tritt in Form des einfachen Perfekts und des periphrastischen Perfekts auf. Den Tempus des Perfekts gibt es nur im Indikativ. Das einfache Perfekt ist die verbreitetste Form und wird von den meisten Wurzeln gebildet. Hierbei wird der Perfektstamm durch Reduplikation und gegebenenfalls durch Stammabstufung gebildet. Die konjugierte Form erhält besondere Perfektendungen. Das periphrastische Perfekt wird bei Kausativen, Desiderativen, Denominativen und Wurzeln mit prosodisch langem anlautenden Vokal (außer a/ā) verwendet. Nur wenige Wurzeln können sowohl das einfache als auch das periphrastische Perfekt bilden. Diese sind √bhṛ (tragen), √uṣ (brennen), √vid (wissen), √bhi (sich fürchten), √hu (opfern).

Partizipien

Es gibt Partizipien in den verschiedenen Tempusstämmen im Aktiv und im Medium: Das Partizip Präsens Aktiv auf -ant und Medium auf -māna erinnern auf die entsprechenden Formen im Lateinischen und Griechischen. Eine besondere Rolle spielt das Partizip Perfekt Passiv oder Partizipium Präteriti (Die Bezeichnung „Passiv“ trifft nur auf transitive Verben zu) bei dem -ta oder -na an die Verbwurzel gehängt werden, (vgl. die entsprechenden Formen im Deutschen auf -t oder -en oder das Verbaladjektiv im Griechischen auf -tos).

Infinitiv und Absolutiv

Aus einem alten Verbalsubstantiv auf -tu sind als undeklinierbare Formen der Akkusativ auf -tum als Infinitiv und der Instrumental auf -tvā als Absolutiv erhalten. (vgl. das Lateinische Supinum). Der Absolutiv bezeichnet die Abfolge von Handlungen; im Deutschen entspricht dem eine Konstruktion mit „nachdem“. gṛham tyaktvā vane paribhramati: Nach Verlassen des Hauses wandert er im Wald umher.

Sprachgebrauch

In den nachchristlichen Jahrhunderten entwickelte sich Sanskrit weiter zur kanonischen Gelehrten- und Literatursprache. Die von Panini festgelegten Regeln wurden sorgfältig eingehalten; der Charakter der Sprache selbst änderte sich aber durch den Einfluss der im Alltag gesprochenen Prakrit-Sprachen fundamental.

Die verschiedenen Vergangenheitsformen des Verbs (Imperfekt, Aorist, Perfekt) hatten ihre Bedeutungsunterschiede verloren und bezeichneten unterschiedslos die Vergangenheit. Darüber hinaus gingen alle drei Formen zugunsten Partizipial- und Absolutivkonstruktion zurück: Statt „der Zimmermann fragte“ („rathakāra aprcchat“, Substantiv im Nominativ, Verb in der dritten Person Indikativ Imperfekt aktiv) sagt man jetzt lieber „vom Zimmermann (ist) gefragt worden“ („rathakārena pṛṣṭa“, Substantiv im Instrumental, Verb im Partizip Perfekt Passiv). Diese Bildung ist in den späteren indoarischen Sprachen zur Standard-Vergangenheitsform geworden (So dass das Subjekt eines Satzes in der Vergangenheit einen besonderen Suffix erhält, der aus der alten Instrumentalendung entstanden ist).

Anstelle der zahlreichen Substantivkasus werden nun lieber ausgedehnte Komposita verwendet (bis zu 30 Komponenten kommen vor). Die grammatischen Relationen der Bestandteile ergeben sich aus der Wortstellung und dem Zusammenhang; Zweideutigkeiten werden dabei als poetisches Ausdrucksmittel bewusst eingesetzt.

Dies gibt den Sanskrittexten einen gänzlich anderen Charakter, als es zunächst der Reichtum an Flexionsformen erwarten lässt.

Literatur

  • Franz Bopp: Ausführliches Lehrgebäude der Sanskrita-Sprache. Berlin 1827 (Digitalisat)
  • Georg Bühler: Leitfaden für den Elementarkursus des Sanskrit. 2. Auflage. Wien 1927 (Nachdruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-04102-X)
  • Berthold Delbrück: Altindische Syntax. Halle 1888 (Nachdruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-04105-4)
  • Manfred Mayrhofer: Sanskrit-Grammatik mit sprachvergleichenden Erläuterungen. Walter de Gruyter, Berlin 1978, ISBN 978-3-11-007177-1
  • Wolfgang Morgenroth: Lehrbuch des Sanskrit. Grammatik, Lektionen, Glossar. Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1973.
  • Carl Faulmann: Schriftzeichen und Alphabete aller Zeiten und Völker. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-49-5
  • Franz Kielhorn: Grammatik der Sanskrit-Sprache. Dümmler, Berlin 1888 (Diese Auflage von 1888 gibt es als PDF-Datei beim Sanskritweb)
  • Klaus Mylius: Sanskrit - Deutsch, Deutsch - Sankrit. Wörterbuch. Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05143-4
  • Adolf Friedrich Stenzler: Elementarbuch der Sanskrit-Sprache. Zahlreiche Auflagen (Die 7. Auflage 1902, und auch die 9. Auflage 1915, die identisch ist mit der 17. Auflage 1980, gibt es als PDF-Dateien beim Sanskritweb)
  • Ulrich Stiehl: Sanskrit-Kompendium. Ein Lehr-, Übungs- und Nachschlagewerk. Devanagari-Ausgabe. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-87081-539-4

Siehe auch

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