- Jugendsünde
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Sünde ist ein Begriff insbesondere der abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam). Er bezeichnet vor allem im christlichen Verständnis den unvollkommenen Zustand des Menschen, der von Gott getrennt ist. Diese Trennung wurde, der biblischen Erzählung (Gen 3 EU) zufolge, durch den Sündenfall herbeigeführt. Die Sünde resultiert im christlichen Verständnis aus einer willentlichen oder zumindest verführten Abkehr von Gottes Heilsplan.
Daneben bezeichnet der Begriff Sünde die verwerfliche und daher sündige Tat. Die Tat-Sünden – beispielsweise unerlaubter sexueller Genuss – sind eine Folge aus der durch Unglauben verursachten Trennung. Sünde kann auch als das Gegenteil von moralischer Verantwortung aufgefasst werden oder die Ursache für psychologisches Fehlverhalten sein.
Letztlich führt die Sünde zur Verurteilung im sogenannten Jüngsten Gericht Gottes, zu zweierlei Schicksal für Glaubende und Ungläubige.
Ein Tatbestand wird als verwerflich bzw. schlecht angesehen, weil er von Gott als Sünde gekennzeichnet wird, z. B. durch die Zehn Gebote. Durch Sünde kommen andere Mitmenschen oder der Sünder selbst immer direkt oder indirekt zu Schaden. Somit ist der Sünder nicht nur durch die Übertretung selbst, sondern auch immer durch ihre Folgen mit einer Schuld behaftet.
Sühne ist der Vorgang, durch den der Sünder wieder mit Gott versöhnt wird. Diese ursprünglich jüdische Lehre wurde zu einer zentralen Lehre in der christlichen Theologie. Eng verbunden mit der Sünde sind das Bekennen und Bereuen derselben sowie die Buße. Durch diese Reue und die Heilstat Jesu Christi erfahren Christen Vergebung.
In anderen Religionen wird die Vergebung durch gnädig stimmen eines Gottes erreicht (Verdienst, Selbsterlösung). Im Hinduismus und anderen vedischen Religionen werden unter Sünde Handlungen verstanden, die Karma verursachen.
Umgangssprachlich wird unter Sünde oft eine als falsch angesehene Handlung verstanden, ohne dass damit eine theologische Aussage impliziert wäre. In trivialisierter Form begegnet der Begriff im Verstoß gegen Diätvorschriften.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Der griechische Ausdruck αμαρτια (hamartia) des Neuen Testaments und das hebräischen Wort chat’at des Alten Testamentes bedeuten Verfehlen eines Ziels – konkret und im übertragenen Sinn, also Verfehlung – und wird in deutschen Bibelübersetzungen mit Sünde wiedergegeben.
Das deutsche Wort Sünde hat eine gemeinsame Wurzel mit Worten anderer germanischer Sprachen (Englisch sin, Altenglisch synn, Altnorwegisch synd). Der Ursprung ist nicht genau geklärt. Möglicherweise geht das Wort auf die indogermanische Wurzel *es- zurück, das Partizip des Verbes sein, soviel wie seiend im Sinne von „derjenige (der es war) seiend“ bedeutend. Im Deutschen wurde Sünde erstmals als christlicher Begriff gebraucht.
Eine falsche, volksetymologische Deutung führt es auf das germanische sund zurück, weil Sund eine Trennung bezeichne. Allerdings bezeichnet „Sund“ im Gegenteil etymologisch eine Enge, also eine Verbindung, zum Beispiel eine Landenge.
Judentum
Im Judentum ist die Übertretung eines Gesetzes Gottes eine Sünde. Die Gesetze sind dabei die Gebote der Tora, andere Vorschriften im Tanach sowie die im Talmud zusammengestellten Auslegungen. Nach jüdischem Verständnis begeht jeder Mensch im Laufe seines Lebens Sünden. Gott gleicht dabei die angemessene Strafe durch Gnade aus.
Das allgemeine hebräische Wort für Sünde ist aveira. Nach der Auslegung des Tanach werden drei Formen der Sünde unterschieden:
- Pesha oder Mered: Absichtlich begangene Sünde, in bewusster Auflehnung gegen Gott.
- Avon: Emotional begangene Sünde, bewusst, aber nicht in Auflehnung gegen Gott.
- Chet: Unbeabsichtigte Sünde
Nach jüdischer Lehre ist kein Mensch perfekt, und alle Menschen haben mehrfach gesündigt. Diese Handlungen bedingen allerdings keine andauernde Verdammung; nur wenige Sünden sind (fast) unvergebbar. Nach dem babylonischen Talmud wird Gottes Gnade in dreizehn Attributen zusammengefasst:
- Gott ist gnädig, noch bevor der Mensch sündigt, obwohl er weiß, dass der Mensch zur Sünde fähig ist.
- Gott ist dem Sünder gnädig, nachdem jener gesündigt hat.
- Gott kann sogar gnädig sein, wo es ein Mensch nicht vermag oder verdient.
- Gott ist mitleidsvoll, und erleichtert dem Schuldigen die Strafe.
- Gott ist sogar denen gegenüber gnädig, die es nicht verdienen.
- Gott lässt sich nicht leicht in Zorn bringen.
- Gottes Freundlichkeit ist vielfältig.
- Gott ist ein Gott der Wahrheit; daher gilt sein Versprechen, dem bekennenden Sünder zu vergeben.
- Gott ist den zukünftigen Generationen freundlich, so wie die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs seine Freundlichkeit erfuhren.
- Gott vergibt bewusst begangene Sünden, wenn der Sünder bereut.
- Gott vergibt das bewusste Verärgern seiner selbst, wenn der Sünder bereut.
- Gott vergibt aus Irrtum begangene Sünden.
- Gott vergisst die Sünden derer, die bereuen.
Der Jude soll diese selben Prinzipien in seinem Umgang mit den Mitmenschen anwenden.
Traditionell war der Tempel der Ort, an dem der jüdische Sünder durch Opfer sühnte. Priester führten die in der Tora festgelegten Rituale (Gesang, Gebet, Gaben, Tieropfer) durch. Der Feiertag Jom Kippur ist ein spezieller Tag, an dem das ganze jüdische Volk zur Vergebung seiner Sünden zusammenkommt.
In den späteren Büchern der Propheten werden leere Rituale abgelehnt und die Einstellung der Bittsteller in den Vordergrund gerückt. Gebet, aufrichtige Reue und Umkehr (Jona 3,5–10 EU), (Dan 4,27 EU) sowie das Geben von Almosen sind zentrale Elemente der Sühne.
Christentum
Der Begriff der Sünde, und insbesondere seine Überwindung, hat im Christentum eine zentrale Bedeutung. Sünde bezeichnet hier den durch den Menschen verschuldeten Zustand des Getrenntseins von Gott und ebenso einzelne schuldhafte Verfehlungen gegen Gottes Gebote, die aus diesem Zustand resultieren. Allerdings gibt es hier leicht unterschiedliche Zugänge zur Thematik zwischen den verschiedenen christlichen Traditionen (siehe weiter unten).
Die Lehre von der Sünde ist die Hamartiologie. Daneben ist auch die (eigentlich nicht ganz korrekte) Schreibweise „Hamartologie“ verbreitet. Im klassischen theologischen Denkgebäude ist die Hamartiologie ein Teil der Anthropologie (die Anthropologie wiederum ist ein Teil der Schöpfungslehre, die Schöpfungslehre ist ein Teil der Dogmatik, die Dogmatik ein Teil der Theologie).
Grundsätzlich ist nach der Theologie der Christen jeder Mensch sündig. Jesus von Nazaret wurde allerdings nicht im Zustand der Sünde geboren, so dass dieser nicht sündigen konnte.
Eine besondere Form der Sünde ist die Sünde wider den Heiligen Geist, welche nach Aussage der Bibel nicht vergeben wird.
Allgemeines
Die generelle christliche Sichtweise der Sünde bezieht ihre wichtigsten Aussagen aus alt- wie neutestamentlichen Texten und unterscheidet sich insofern teilweise von der jüdischen Theologie.
Danach zerstört die Sünde die vertrauensvolle Beziehung des Menschen zu Gott, die von diesem gewollt ist. Die vielen einzelnen Sünden (sündhaften Handlungen) werden als Symptome bzw. Folgen der einen Sünde gesehen, die im Leben ohne Gottesbeziehung besteht. Sünde im christlichen Sinn ist immer zugleich eine Verfehlung gegen Gott – das Sündig-werden an Mitmenschen als Gottes Geschöpfe ist implizit gegen deren Schöpfer gerichtet. Ein Beispiel gibt das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32 EU), in dem der Sohn sich eigentlich nur zwischenmenschlich verfehlt, aber dann zur Erkenntnis kommt: „Vater, ich habe gesündigt, gegen den Himmel und vor dir“ (Lk 15,18 EU).
Im neutestamentlichen Verständnis ist kein Mensch von Natur aus frei von Sünde: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ (1 Joh 1,8 EU). Sünden haben die Tendenz, weitere Sünden nach sich zu ziehen. Der Mensch hat keine Chance, im Alleingang frei von Sünde zu werden.
Konkrete Sünden, die im Neuen Testament erwähnt werden sind: Entweihung des Tempels (Mk 11,15–18 EU), Heuchelei (Mt 23,1–36) EU), Habsucht (Lk 12,15 EU), Gotteslästerung (Mt 12,22–37 EU), Ehebruch (Mt 5,27–32 EU), Prahlerei (Mt 6,1–18 EU). Sündenlisten gibt es an mehreren Stellen des Neuen Testaments: in der Apostelgeschichte, in den Briefen von Paulus, sowie in der Offenbarung des Johannes.
Die Gebote Gottes (das Gesetz) machen die Sünde und die Sünden erkennbar: ohne die Gebote hätten die Menschen keinen Maßstab, um ihre Sünde zu erkennen (Röm 7,7–13 EU). Das wird heute noch zum Beispiel im Beichtspiegel angewendet, wo als Vorbereitung auf die Beichte eine Liste der zehn Gebote mit möglichen Verstößen betrachtet wird.
Sichtweise der Bibel
Sünde ist der von Menschen verursachte Grund für die geistige Trennung von Gott, welche von Gott nicht gewollt ist (Jes 59,1 EU). Diese Trennung von Gott wird auch als „Wandeln in der Finsternis“ bezeichnet (Apg 26,17f EU). Sünde bewirkt den Tod. Damit ist nicht nur die jetzige Trennung gemeint, sondern die ewige Trennung von Gott (Röm 6,23 EU). Umgekehrt bedeutet die Vergebung der Sünde Ewiges Leben. Sünde stört aber nicht nur die Beziehung mit Gott, sondern auch zu unseren Mitmenschen (Lk 15,21 EU). Hauptsächlich wendet sich Sünde jedoch gegen Gott (Ps 51,6 EU).
Die Bibel setzt Sünde auch mit Gesetzlosigkeit (1 Joh 3,4 EU) bzw. mit Ungerechtigkeit gleich (1 Joh 5,17 EU). Daraus ergibt sich der Zusammenhang von Sünde und Gesetzesübertretung. Durch Gottes Gesetz wird die Sünde erkannt (Röm 3,20 EU). Da jeder Mensch mindestens einmal in seinem Leben gegen Gottes Gesetz verstößt, ist jeder Mensch von sich aus ein Sünder (Röm 3,23 EU).
Die Zurechnungen von Übertretungen setzt die Kenntnis (Röm 5,13 EU) und Gültigkeit (Röm 6,14 EU) des Gesetzes voraus. Nicht aus eigener Kraft wird der Mensch gerettet, sondern durch Gottes Gnade (Eph 2,8f EU).
Ostkirche
Die Orthodoxe Kirche heben insbesondere den Effekt der Sünde auf die Beziehungen zwischen Mensch und Gott sowie die zwischenmenschlichen Folgen hervor. Daher wird bei der Erlösung die Aussöhnung und erneuerte Beziehung betont.
Westliche Kirchen
Westliche Kirchen (katholische Kirchen, evangelische Kirchen) sehen dagegen eher den rechtlichen Aspekt, der dann auch bei der Erlösung eine Rolle spielt. Die römisch-katholische Kirche versteht unter Sünde nur die Handlung selbst, während die Kirchen der Reformation die menschliche Natur selbst als sündhaft bezeichnen.
Römisch-katholische Kirche
In der römisch-katholischen Kirche beschäftigt sich die Moraltheologie mit der Sündenlehre.
Die römisch-katholische Kirche kennt eine begrifflich ausgearbeitete Lehre bezüglich der Sünde[1] und ihrer kirchlich vermittelten Vergebung.[2] Dazu gehören unter anderem die Unterscheidung von Todsünde und lässlicher Sünde. Todsünden bewirken nach gegenwärtigem Urteil die „ewige Verdammnis“ in der Hölle, lässliche erfordern eine Reinigung (Strafe) im Fegefeuer. Daneben gibt es den Ablass zum Erlass von „zeitlichen Sündenstrafen“ (Sündenfolgen in der Zeit), die im Falle des Ablebens das Purgatorium mildern.
Nach römisch-katholischer Lehre hat die Erbsünde zwar die ursprüngliche Perfektion des Menschen angeschlagen, aber nicht vollständig ausgelöscht. Daher ist der gefallene Mensch von sich aus bestrebt, Gottes Vergebung und Erlösung zu suchen. Methodistische und wesleyanische Kirchen, die zu den evangelische Kirchen gehören, teilen diese Sichtweise.
Die Sündentaten lassen sich in sichtbare Handlungen wie Totschlag und Diebstahl und in Gedanken vollzogene Taten wie Neid und Habgier und Unterlassungssünden (Jak 4,17 EU) unterscheiden. Sünden, die jemand mit großer Erkenntnis verübt, wiegen schwerer als Sünden, die jemand mit wenig Erkenntnis verübt (Lk 12,47f EU).
In der Sündenlehre der römisch-katholischen Kirche kommt auch den Mitchristen des Sünders eine Verantwortung zu. Der Katholische Erwachsenenkatechismus kennt die „Pflicht zur brüderlichen Zurechtweisung“, die er in der christlichen Tradition als ein „Werk der Barmherzigkeit“ definiert (Mt 18,15–17 EU). Diese Pflicht zur brüderlichen Zurechtweisung setzt eine sogenannte „schwere Sünde“ voraus. Als Sünde kann auch religiöse Unwissenheit gelten (vgl. Joh 8.32).
Der Katholische Erwachsenenkatechismus unterscheidet im Kapitel Sünde und Umkehr zwischen Tod- und lässlichen, bzw. schweren und leichten Sünden. Dabei wird ein Mord als zum Himmel schreiende Sünde bezeichnet (Gen 4,10).
Siehe auch: Soteriologie
Zitat
„Die Kirche hat den Unterscheidungen zwischen schwerer und leichter Sünde bzw. Todsünde und läßlicher Sünde im Zusammenhang mit dem Bußsakrament besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Abgrenzungen können auch Mißverständnisse mit sich bringen und dazu führen, daß leichte Sünden entweder verharmlost oder überschätzt werden und in Gewisssensängste treiben. (…) Oft tragen zu den Fehlentscheidungen Einflüsse von außen bei: das gesellschaftliche Umfeld, das Vorbild und die Ratschläge anderer Menschen oder die öffentliche Meinung. Doch heben solche Einflüsse nicht die Verantwortung des einzelnen auf. (…) Doch wie tief jemand auch in Sünde gefallen ist, er muß nicht darin bleiben.“
– Katholischer Erwachsenenkatechismus
Evangelische Kirchen
Die Auswirkung der Erbsünde wird in vielen reformatorischen Kirchen anders gesehen. Am prägnantesten formulierte dies der Calvinismus, aber auch lutherische Kirchen kennen teilweise ähnliche Bestimmungen. Danach ist der Mensch durch die Erbsünde in einem Zustand „totaler Verderbtheit“ gefangen – also der vollständigen Abkehr von Gott, d. h. der Fixierung auf sich selbst[3] und die Welt (vgl. Samsara). Dies kann allein durch Gottes Initiative und Gnade (sola gratia) durchbrochen werden. Der damit geschenkte Glaube (Sola fide) erhalte den Menschen im Zustand der Gnade.
Sühne im Christentum
Ursprung der Sühne
Die Sünde wird durch die Sühne aufgehoben; nach christlicher Lehre geschah diese Erlösung „in, mit und unter“ Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi. Die genaue Bedeutung und Interpretation dieses im Christentum so zentralen Gegebenheit wurde historisch unterschiedlich bewertet. Neutestamentlich beginnt die christliche Theologie in der Regel mit der Ähnlichkeit zum alttestamentlichen jüdischen Tieropfer (Sühneopfer), welches die Sünden abträgt.
Die Fragen zur Bedeutung des Todes und den Grund des Sterben-müssens sind im Laufe der Geschichte folgendermaßen beantwortet worden:
- Origenes lehrte, dass der Tod Christi ein dem Satan gezahlter Preis sei, um seine gerechtfertigte Forderung nach den Seelen der sündigen Menschen abzugelten.
- Irenäus von Lyon lehrte, dass Christus in sich selbst alle Sünden aufnahm, und somit die aus Adams Ungehorsam bedingte Erbsünde ausglich.
- Athanasius von Alexandria lehrte, dass Christus kam, um Tod und Korruption zu besiegen, und um die Menschheit wieder in Gottes Bildnis zu versetzen.
- Gregor von Nazianz lehrte, dass der Tod Christi ein höchst freiwilliges Opfer des selbst göttlichen Christus an Gott sei, jedoch nicht um dessen Zorn zu befriedigen oder ihn mit der Menschheit zu versöhnen, sondern um umgekehrt die Menschen mit Gott zu versöhnen.
- Anselm von Canterbury lehrte, dass Christi Tod Gottes Gerechtigkeitssinn zufriedenstelle. Diese Lehre ist in Anselms Cur deus homo entwickelt.
- Peter Abaelard sah Christi Leiden (Passion) als Gottes leiden mit seiner Schöpfung, wodurch er seine Liebe zeigte.
- Johannes Calvin lehrte, dass Christus, der einzige Mensch ohne Sünde, freiwillig die Strafe aller Menschen Sünden auf sich nahm, und stellvertretend gebüßt hat.
- Karl Barth sah den Tod Christi als ein Zeichen der Liebe Gottes und seines Hasses der Sünde.
Diese Ansichten lassen sich (mit Einschränkungen) folgendermaßen gruppieren:
- Ersatz: Gott nahm in Christus die Strafe für die Sünden der Menschheit auf sich, damit die Glaubenden der Strafe entrinnen können.
- Beispiel: Der Tod Christi zeigt dem Christen, was es bedeutet, sich dem Willen Gottes zu unterwerfen; dadurch wird der Weg zum ewigen Leben aufgezeigt.
- Offenbarung: Christi Tod offenbart dem Christen das Wesen und die Liebe Gottes, und zeigt die versprochene Auferstehung.
- Sieg: Der Tod Christi besiegte den Tod, und gibt den Toten ewiges Leben.
Ein vollständiges Verständnis der christlichen Vorstellung von Sühne erfordert eine Kombination dieser Punkte.
- (siehe auch Sühnopfer (Christentum)
Befreiung von der Sünde
Die Frage, wer in den Genuss der Befreiung von der Sünde kommt, und wie dies geschieht, wird innerhalb christlicher Kirchen unterschiedlich gesehen. Es lassen sich jedoch einige Gemeinsamkeiten feststellen.
Im Vordergrund steht die Gnade, die dem Menschen ohne sein Zutun geschenkt wird: die sogenannte Gerechtmachung des Sünders oder auch Rechtfertigung. Umstritten ist, inwiefern der Mensch sich aus eigenen Kräften schon Gott zuwenden kann. Im Zustand der Gnade jedenfalls erkennt der Mensch an, dass Gott in Jesus Christus als dem Heiland die Sünde(n) vergibt. Von Bedeutung für die Befreiung von der Sünde sind die Sakramente der Taufe und des (nicht einheitlich verstandenen) Abendmahls: die Taufe zur Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft („Leib Christi“), das Abendmahl als immer wieder aufs Neue zugesprochene Sündenvergebung durch Gott.
Der Christ wird durch den seelsorgerlichen Akt der Sündenvergebung von den Sünden freigesprochen und die Gnade Gottes wird ihm zugleich zugesprochen; im Laufe der Christentumsgeschichte entwickelte sich der formale Vorgang des Bekennens (Beichte) vor einem Priester und der von diesem auferlegten Buße. Im Einzelnen gibt es heute diesbezüglich jedoch Unterschiede:
- In der römisch-katholischen Kirche gibt es das Bußsakrament, bei dem die Sünden einem Priester gebeichtet werden, durch den Jesus Christus diese vergibt. Zusätzlich kann der Priester Bußübungen auftragen.
- Nach dem Verständnis der orthodoxen Kirche werden Sünden im Beisein eines Priesters direkt Jesus Christus gebeichtet, der dabei meist durch eine Ikone repräsentiert wird. Der Priester empfiehlt dann teilweise Bußübungen, nach deren Erfüllung er den Sünder im Namen Gottes von den Sünden losspricht.
- In nahezu allen evangelischen und anglikanischen Kirchen gibt es üblicherweise bei jedem Abendmahl das gemeinsame Sündenbekenntnis mit Zuspruch der Vergebung durch den Pfarrer.
- Ein Beichtsakrament wie in der römisch-katholischen Kirche existiert in den evangelischen Kirchen nicht. Grundlegend ist die Annahme, dass der Christ sich während seines Lebens in einem Übergang vom Sündersein zum Gerechtsein befindet; deswegen ist die immer wieder aufs neue zugesprochene Sündenvergebung notwendig. Sie wird also entweder im Rahmen des Abendmahls sowie im Sprechen des Glaubensbekenntnisses selbst zugesprochen. Dies geschieht ebenso in der Taufe. Darüber hinaus ist es Aufgabe des von der Gemeinde delegierten Pfarrers, in seelsorgerlichen Situationen Vergebung zuzusprechen. Dies kann aber ebenso ein Mitchrist (der kein Geistlicher sein muss) tun. Entscheidend dafür ist die Vorstellung des Priestertums aller Gläubigen.
Siehe auch: Ablass
Erbsünde
Das christliche Konzept der Erbsünde beschreibt einen überindividuell – für den Einzelnen von Geburt an – bestehenden Zustand der Sünde, der irreversibel ist und nur durch die Gnade Gottes beseitigt werden kann (evangelisch), oder die Neigung zur Sünde, der vom Individuum handelnd aktualisiert und dadurch bejaht wird, solange die Gnade ihm nicht zu Hilfe kommt (katholisch).
Islamische Sichtweise
Im Islam ist der Mensch ständig der Versuchung ausgesetzt, Sünden zu begehen. Diese bestehen darin, Gottes Willen oder seine Schöpfung zu verletzen.
Der Islam versteht Sünde als Ungehorsam gegen Gott, seinen Auftrag oder sein Gesetz. Sünde ist die „absichtliche Übertretung der göttlichen Norm“ (S. Balic) in Gedanken, Worten und Taten.
Der Koran beschreibt die erste Sünde der ersten Menschen (Adam und Eva) als Folge der Irreleitung des Satans (2:36–38). Der Islam lehnt es aber ab, die Sünde dieser beiden auf ihre Nachkommen vererbt zu haben. Der Koran verweist in diesem Bezug auf die Barmherzigkeit Gottes und dessen Macht zu vergeben. Nach der islamischen Lehre also wird der Mensch von der sogenannten „Erbsünde“ und ihre Folgen entlastet. Ein Mensch wird rein geboren und wird so lange rein bleiben, bis er sich aus seinen eigenem Willen gegen Gott versündigt. Erst dann spricht der Islam über eine Sünde. Sünden kann man nicht an reine Menschen vererben, reine Menschen dürfen, allein aus Gottes Gerechtigkeit, nicht für die Sünden anderer Menschen verantwortlich gemacht werden.
Unterscheidung
Unterschieden werden drei Gruppen, nämlich leichte Verfehlungen (wie sündhafte Gedanken), schwere moralische Sünden und die Todsünde „Unglaube“. Unglaube selber kann auch wieder drei Formen haben: Die Nichtanerkennung Gottes (arab. kufr), 2. Vielgötterei (arab. schirk), 3. Abfall vom Glauben (arab. irtidad). Diese Unterscheidung gründet in der Aussage „Diejenigen, die die schweren Sünden und die schändlichen Taten meiden – abgesehen von leichten Verfehlungen – [dürfen auf Vergebung hoffen]. Wahrlich, dein Herr hat eine umfassende Vergebung.“ (Koran 53:32, vgl. auch 42:37; 4:31). Zum Unglauben wird gesagt: „Siehe, diejenigen, welche glauben und hernach ungläubig werden, dann wieder glauben und dann noch zunehmen an Unglauben, denen verzeiht Allah nicht und nicht leitet Er sie des Weges.“ (Sure 4:137 nach Max Henning; vgl. auch Sure 41:27).
Die Theologie ist sich jedoch uneins ob der Anzahl der schändlichen Sünden. Nach Stieglecker soll Mohammed benannt haben:
- Polytheismus und Götzendienst (Ishrak)
- Auflehnung gegen die Eltern
- Tötung eines Menschen
- Meineid
Die Tradition wiederum zählt vier bis 17 schwere Sünden auf. Entsprechend variiert dann auch die Zuordnung zu den schweren und lässlichen Sünden. Der Unglaube (kufr) ist die größte Sünde und verwirkt das Heil des Betroffenen, er gelangt nicht ins Paradies. Apostasie bestraft der Islam mit dem Tode.
Bewertungsansatz von Al-Ghazzali
Nach Al-Ghazzali (1059–1111) bewertete die Schwere der Sünden nach dem Schema: a) Betrifft es Gott? b) Betrifft es Menschen? c) Betrifft es lebensnotwendige Mittel? Sünden gegen Gott und die Offenbarung galten ihm als die schwerwiegendsten, da sie den Eintritt ins Paradies verwehrten. Darauf folgten Delikte gegenüber Mitmenschen wie Mord, Totschlag, Verstümmelung, Gewaltanwendung, Homosexualität oder Ehebruch. Die dritte Sparte enthielt Eigentumsdelikte, „Aneignung des Gutes der Waisen durch den bestellten Vormund“, „Beraubung des Mitmenschen mit Hilfe einer falschen Zeugenaussage“ und die „Aneignung fremden Eigentums durch einen Verhehlungseid“ (H. Stieglecker).
Erbsünde
Der Islam kennt keine Erbsünde. Zwar erinnert der Koran (7:19–25; 2:35–39; 20:117–124) an Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies, (Gen 3,1–24 EU) doch übernimmt er nicht die paulinische Lehre von der Erbsünde (Röm 5 LUT). Somit kennt der Islam notwendigerweise keine Erlösungstheologie.
Alle Sünden werden vom Menschen selbst auf Erden angesammelt. Aus dieser Selbstverschuldung erwächst auch die Selbstverantwortung für das jeweilige Tun und Lassen des einzelnen Menschen.[4]
Sündenvergebung
Der Koran preist an vielen Stellen die Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft Gottes (z. B.: Sure 2:173.182.192.199.218). Gott vergibt dabei, „wem er will“ (z. B.: Sure 2:285; 3:129). Als unverzeihlich gilt jedoch der Unglaube in seinen vielfältigen Formen.
Dazu gehören Polytheismus und Götzendienst (4:48.116), die Apostasie (4:137; vgl. 16:106f; 2:217; 3,86–91), den Glauben nur vorzuheucheln (63:3) und ein Leben in Unglauben bis zum Tode (47:34; 4:18). Menschen, welche diese Sünden begangen haben, wird Gott nicht verzeihen (vgl. 9:80; 63:6), selbst wenn Mohammed für sie eine Fürbitte (shafa’a) einlegte.
Alle anderen Sünden können prinzipiell Vergebung erlangen, soweit wahrhaftiger Glauben (vgl. 20:73; 26:51; 46:31) und die Ausrichtung am Leben Mohammeds gegeben sind: „Sprich: ,Wenn ihr Gott liebt, dann folgt mir, so wird Gott euch lieben und euch eure Sünden vergeben. Und Gott ist voller Vergebung und barmherzig.‘“ (3,31) Unter dieser Prämisse ist die Vergebung auch schwerer Sünden mittels Reue und Buße möglich (42:25; 4:17). Deshalb fordert der Koran Reue und Buße (z. B.: 24:31; 66:8; 5:74), um Gott zu versöhnen (z. B.: 5:39; 25:71). Wer Vergebung erfleht, dem wird vergeben (3:135–136). Kleinere Vergehen kann der Muslime derweil schon durch die gewissenhafte Erfüllung der religiösen Pflichten tilgen.
Zitate
„Ich Jesus Christus sage euch, so wird auch Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die keine Buße brauchen!“
– Lukas 15,7; zit. nach der Schlachter-Bibel
„Ich brauche keine Bequemlichkeit. Ich will Gott, ich will Poesie, ich will wirkliche Gefahren und Freiheit und Tugend. Ich will Sünde!“
– Aldous Huxley: Schöne neue Welt
„Das ist der Vorteil der Marktwirtschaft. Die funktioniert mit Sünde.“
– Hans-Werner Sinn[5]
Jugendsünde
Als Jugendsünde oder auch Jugendtorheit bezeichnet man im deutschen Sprachraum allgemein eine unüberlegte Handlung oder Torheit, die jemand im jugendlichen Alter begangen hat. Als übertriebener und oft scherzhaft gemeinter Begriff gilt der Terminus für eine Schöpfung in jungen Jahren oder zu Beginn eines Berufes, mit der sich der Betroffene später nicht mehr identifizieren kann und möchte.
Im juristischen Sinn ist die Jugendsünde eine Verfehlung, die aufgrund des Alters oder des Entwicklungsstadiums des Ausführenden als minderschwer eingeschätzt wird. Im Unterschied zur Sünde fehlt allerdings im Allgemeinen die religiöse Beurteilung der Tat. Unterscheiden lassen sich hierbei.
- Handlungen, bei denen andere nur geringfügig geschädigt werden (z. B. Streiche) und die, falls sie überhaupt strafrechtlich relevant sind, unter das Jugendstrafrecht fallen.
- Überzeugungen oder Tätigkeiten, die im früheren Kontext des Handelnden akzeptiert wurden, ihm im Nachhinein aber peinlich sind. Hierunter fallen zum Beispiel Modetrends, Überzeugungen oder die Mitwirkung an Filmen. Entscheidend ist hierbei neben dem zeitlichen Abstand, dass sich das Umfeld des Handelnden grundlegend geändert hat.
Mit dem Begriff Modesünde bringt man umgangssprachlich eine negative Beurteilung in Bekleidungsfragen zum Ausdruck, es ist nicht im eigentlichen Sinne eine Sünde.
Siehe auch
Quellen
- ↑ siehe Katechismus der Katholischen Kirche, Artikel Sünde, Absatz 1846–1876 und Abschnitt Die zehn Gebote, Absatz 2052–2557
- ↑ Artikel Das Sakrament der Buße und der Versöhnung, Absatz 1420–1498
- ↑ Martin Luther: incurvatus in se ipsum, W[eimarer] A[usgabe] Bd. 56, S. 256, Z. 5
- ↑ Speyer (1961), S, 71f
- ↑ Replik von Hans-Werner Sinn in einem Gespräch mit dem Leipziger Pfarrer Christian Führer in der Zeitschrift Chrismon 3/2006 auf dessen Einwand: „Der Sozialismus musste scheitern, weil er den Menschen falsch gesehen hat, weil er die Sünde ausgeblendet hat.“
Literatur
- Dorothea Sitzler-Osing, Rolf P. Knierim, Stefan Schreiner u. a.: Art. Sünde I. Religionsgeschichtlich II. Altes Testament III. Judentum IV. Neues Testament V. Alte Kirche VI. Mittelalter VII. Reformationszeit und Neuzeit VIII. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 32 (2001), S. 360–442 (umfassender Überblick)
- Harold G. Coward: Sin and Salvation in the World Religions. A Short Introduction; Oxford: Oneworld, 2003; ISBN 1-85168-319-4
- Jonathan Klawans: Impurity and Sin in Ancient Judaism; Oxford: University Press, 2004; ISBN 0-19-517765-7
- Meinolf Schumacher: Sündenschmutz und Herzensreinheit. Studien zur Metaphorik der Sünde in lateinischer und deutscher Literatur des Mittelalters; Münstersche Mittelalter-Schriften 73; München: Fink, 1996; ISBN 3-7705-3127-2
- Søren Kierkegaard: Die Krankheit zum Tode; Philosophische Bibliothek 470; Hamburg: Meiner, 1995
- Robert Koch: Die Sünde im Alten Testament; Frankfurt am Main: Lang, 1992; ISBN 3-631-44657-8
- Hubert Frankemölle (Hrsg.): Sünde und Erlösung im Neuen Testament; Quaestiones Disputatae 161; Freiburg i. Br.: Herder, 1996; ISBN 3-451-02161-7 (Kongressbeiträge)
- Georg Fischer, Knut Backhaus: Sühne und Versöhnung. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments; NEB.Themen 7; Würzburg: Echter, 2000; ISBN 3-429-02173-1
- Michael Beintker u. a.: Sünde und Gericht; Jahrbuch für biblische Theologie 9; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagshaus, 1994; ISBN 3-7887-1500-6
- Ralf Dziewas: Die Sünde der Menschen und die Sündhaftigkeit sozialer Systeme. Überlegungen zu den Bedingungen und Möglichkeiten theologischer Rede von Sünde aus sozialtheologischer Perspektive; Entwürfe 2; Münster, Hamburg: Lit-Verlag, 1995; ISBN 3-8258-2352-0
- Ted Peters: Sin. Radical Evil in Soul and Society; Grand Rapids: Eerdmans, 1994; ISBN 0-8028-3764-6
- Sigrid Brandt u. a.: Sünde. Ein unverständlich gewordenes Thema; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1997; ISBN 3-7887-1568-5
- Hanns-Stephan Haas: „Bekannte Sünde“. Eine systematische Untersuchung zum theologischen Reden von der Sünde in der Gegenwart; Neukirchener Beiträge zur systematischen Theologie 10; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1992; ISBN 3-7887-1409-3
- Gunter M. Prüller-Jagenteufel: Befreit zur Verantwortung. Sünde und Versöhnung in der Ethik Dietrich Bonhoeffers; Ethik im theologischen Diskurs 7; Münster: Lit-Verlag, 2004; ISBN 3-8258-6930-X
- Wolf Krötke: Sünde und Nichtiges bei Karl Barth; Neukirchener Beiträge zur systematischen Theologie 3; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 19832; ISBN 3-7887-0702-X
- Pinchas Lapide: Von Kain bis Judas. Ungewohnte Einsichten zu Sünde und Schuld; Gütersloher Taschenbücher 1439; Gütersl: Gütersloher Verlagshaus, 1994; ISBN 3-579-01439-0
- Gustav Mensching: Die Idee der Sünde. Ihre Entwicklung in den Hochreligionen des Orients und Occidents; Leipzig 1931 (religionswissenschaftlicher Klassiker)
- Themenheft der Zeitschrift Lebendige Seelsorge (1/2007): Sünde – Schuld – Vergebung; ISSN 0343-4591 (siehe auch: http://www.lebendige-seelsorge.de/Archiv/2007_1i.asp)
- Gerhard Schulze, Die Sünde: Das schöne Leben und seine Feinde, München: Hanser 2006; ISBN 3-446-20672-8
Islam
- Arent Jan Wensinck: Art. Khati’a; in: Handwörterbuch des Islam; 1976; S. 307–310
- H. Stieglecker: Die Glaubenslehren des Islam; 1962; S. 625–656
- L. Hagemann: Moralische Normen und ihre Begründung im Islam; 1982
- Artikel Sünde; in: Lexikon des Islam; S. 699ff
- Bernhard Mensen (Hrsg.): Schuld und Versöhnung in verschiedenen Religionen; Nettetal: Steyler, 1986; ISBN 3-87787-210-7; S. 39–58
- Heinrich Speyer: Die biblischen Erzählungen im Qoran; Hildesheim: Georg Olms, 19612
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