Cérésole

Cérésole
Paul Cérésole

Paul Cérésole (* 16. November 1832 in Friedrichsdorf; † 7. Januar 1905 in Lausanne) war ein Schweizer Politiker und Rechtsanwalt. Nach etwas mehr als zehn Jahren Tätigkeit als Gemeinderat von Vevey, Regierungsrat des Kantons Waadt und Nationalrat wurde er 1870 als Vertreter der liberal-radikalen Fraktion (der heutigen FDP) in den Bundesrat gewählt. Er war 1873 Bundespräsident und 1872 Vizepräsident. Bis 1875 gehörte er der Landesregierung an und war anschliessend während zehn Jahren Direktor einer Eisenbahngesellschaft. Sein Sohn Pierre Ceresole war ein bekannter Pazifist und Gründer von Service Civil International.

Inhaltsverzeichnis

Studium und Kantonspolitik

Cérésole wurde in Friedrichsdorf in der Landgrafschaft Hessen-Homburg geboren, wo sein Vater als Pastor der protestantischen Kirchgemeinde wirkte. 1844 liess sich die Familie, die ursprünglich aus Ceresole Alba im Piemont stammt, in Moudon nieder. Von 1845 bis 1850 besuchte er die Akademie in Neuchâtel, anschliessend studierte er Rechtswissenschaft an der Akademie in Lausanne. Nach Studienabschluss mit Lizenziat im Jahr 1855 und kurzen Aufenthalten im benachbarten Ausland absolvierte er in Vevey ein Anwaltspraktikum bei Jules Martin, der zu seinem politischen Ziehvater wurde und ihn 1858 als Gesellschafter der Kanzlei aufnahm.

Einen ersten Einblick in die Politik hatte Cérésole, der fliessend Deutsch sprach, 1852 als Übersetzer im Ständerat erhalten. Seine eigene politische Karriere begann 1859 mit der Wahl in die Gemeindelegislative und kurz darauf in den Gemeinderat von Vevey, dem er bis 1862 angehörte. Im Jahr 1861 arbeitete er als Mitglied des Verfassungsrates an einer neuen Verfassung für den Kanton Waadt mit, wobei er sich insbesondere für die Religionsfreiheit und eine einheitliche Einkommens- und Vermögensbesteuerung einsetzte.

1862 wurde Cérésole in die Kantonsregierung gewählt, den Conseil d’État. Während seiner vierjährigen Amtszeit war er für die Aufgabenbereiche Militär, Justiz und Polizei zuständig, wobei er das Waadtländer Heer reorganisierte (das Militär gehörte damals zur Kompetenz der Kantone). 1864 war er Regierungspräsident. 1866 folgte die Wahl ins Kantonsparlament (Grand Conseil). Im selben Jahr wurde Cérésole als Nationalrat gewählt.

Bundesrat

Nach dem Tod von Victor Ruffy bildeten sich vor der Wahl eines neuen Bundesrates drei Gruppen. Die Zentralisten schlugen Eugène Borel vor, die Berner und Waadtländer Radikalen Louis Ruchonnet und das liberale Zentrum (unterstützt von den Katholisch-Konservativen) sprach sich für Paul Cérésole aus. Letzterer erhielt am 1. Februar 1870 im zweiten Wahlgang 83 von 155 abgegebenen Stimmen der vereinigten Bundesversammlung. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit nahm er die Wahl an und erhielt das Finanzdepartement zugewiesen.

Der Deutsch-Französische Krieg war eine grosse Belastung für die Bundesfinanzen. Zu den Besoldungen der fünf Schweizer Armeedivisionen kamen noch die Kosten für die Internierung der französischen Bourbaki-Armee hinzu. Während das erste Problem mit der Aufnahme von Krediten gelöst werden konnte, wurden die Internierungskosten nach Kriegsende durch Frankreich zurückerstattet, nachdem Cérésole bei Verhandlungen darauf gedrängt hatte. 1872 leitete er das Militärdepartement.

Nachdem die Totalrevision der Bundesverfassung in der Volksabstimmung im Mai 1872 knapp gescheitert war – wobei der Kanton Waadt mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatte – weigerte sich Cérésole, ein halbes Jahr später in seinem eigenen Kanton zu den Nationalratswahlen anzutreten, da ihm zentralisierungsfreundliche Tendenzen vorgeworfen worden waren. Stattdessen liess er sich in einem Wahlkreis im Berner Oberland wiederwählen.

1873 leitete er – wie damals üblich – als Bundespräsident das Politische Departement und war somit Aussenminister. Damals beschäftigte der Kulturkampf in der Schweiz die Öffentlichkeit. Der Heilige Stuhl schuf in Genf gegen den Willen der Landesregierung ein Apostolisches Vikariat. Der Bundesrat verweigerte die Anerkennung, woraufhin Cérésole den Vikar Gaspard Mermillod des Landes verwies. Papst Pius IX. beschuldigte die Schweiz in der Enzyklika Etsi multa luctuosa, die Glaubensfreiheit verletzt zu haben, woraufhin Cérésole die Ausweisung des Nuntius anordnete.

Nachdem er 1874 das Justiz- und Polizeidepartement übernommen hatte, wehrte er sich erfolgreich gegen die Forderung der Linken, alle Klöster in der Schweiz aufzuheben. Ausserdem nahm er die Beschwerden von Bischof Eugène Lachat an, der sich über diskriminierende Massnahmen der Berner Regierung gegen die katholische Kirche im Berner Jura beklagte. Am 7. Dezember 1875 erklärte Cérésole seinen Rücktritt und übergab sein Amt Ende Jahr an seinen Nachfolger Numa Droz.

Weitere Tätigkeiten

Zu Beginn des Jahres 1876 übernahm Cérésole eine neue Aufgabe als Direktor der Eisenbahngesellschaft Compagnie Simplon mit Sitz in Lausanne. Diese fusionierte 1881 mit den Chemins de fer de la Suisse Occidentale zur Suisse-Occidentale-Simplon. Cérésole verhandelte mit dem französischen Minister Léon Gambetta über den Bau eines Eisenbahntunnels unter dem Simplontunnel. Doch die Verhandlungen gerieten ins Stocken und der Verwaltungsrat kündigte 1886 den Arbeitsvertrag.

Daraufhin begann Cérésole wieder als Anwalt zu arbeiten und setzte auch seine militärische Karriere fort. 1891 übertrug ihn der Bundesrat das Kommando des ersten Armeekorps. 1893 wurde er wiederum in den Nationalrat gewählt, dem er bis 1899 angehörte. Seine Hauptanliegen waren die Vereinheitlichung der Armee und der Rückkauf der Eisenbahnen durch den Staat.

Literatur

  • Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon. Artemis Verlag, Zürich / München 1991 (2. Auflage), S. 188–192. ISBN 3-7608-0702-X.

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