- Lessing-Gymnasium (Frankfurt)
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Lessing-Gymnasium Schulform Gymnasium Gründung 1520 Ort Frankfurt am Main Land Hessen Staat Deutschland Koordinaten 50° 7′ 31″ N, 8° 40′ 20″ O50.1252777777788.6722222222222Koordinaten: 50° 7′ 31″ N, 8° 40′ 20″ O Träger Stadt Frankfurt am Main Schüler etwa 1000 Lehrer etwa 80 Leitung Rupert Frankerl Website www.lessing-ffm.de Das Lessing-Gymnasium ist ein altsprachliches Gymnasium mit musikalischem Schwerpunkt und eine der traditionsreichsten Schulen in Frankfurt am Main, benannt nach Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781). Es geht auf die städtische Lateinschule zurück, die 1519 vom Stadtrat zur Erziehung der Patriziersöhne gegründet wurde. Bis heute beruft es sich auf seine humanistische Tradition, so dass die erste Fremdsprache Latein ist und in der achten Klasse als dritte Fremdsprache Altgriechisch gewählt werden kann. Im Schuljahr 2008/2009 besuchen ungefähr 940 Schüler das Lessing-Gymnasium.
Inhaltsverzeichnis
Schulprofil und Schulleben heute
Das Lessing-Gymnasium ist der Tradition des humanistischen Gymnasiums verpflichtet. Zu den pädagogischen Zielen gehören eine breite Grundbildung, Werte- und Methodenorientierung, Wissenschaftsorientierung, Handlungs- und Berufsorientierung mit dem Ziel, die Persönlichkeit der Schüler umfassend zu bilden.[1] Es ist eine der beiden Schulen in Frankfurt, die mit Latein als erster Fremdsprache beginnen. Englisch wird als zweite Fremdsprache ebenfalls bereits ab der Sexta (fünfte Klasse) unterrichtet. Bis Ende des 20. Jahrhunderts war Altgriechisch Pflichtfach, seitdem wird es neben Französisch als dritte Fremdsprache ab der Untertertia (achte Klasse) angeboten. In der Unter- (zwölfte Klasse) und Oberprima (dreizehnte Klasse) belegten im Schuljahr 2006/2007 insgesamt fünf Schüler einen Griechischkurs, im Schuljahr 2007/2008 zwölf Schüler.
Das Lessing-Gymnasium zeichnet sich besonders durch seine Orchester und Chöre aus und führt damit seine musische Tradition fort. So gibt es jeweils für die Unterstufe, die Mittelstufe und die Oberstufe ein Orchester. Daneben existieren noch drei Chöre; einer für die Sexta, einer für Quinta (sechste Klasse) und Quarta und einer für die Mittel- und Oberstufe. Neben den traditionellen symphonischen Schulkonzerten, die in der Aula der Schule stattfinden, treten die Chöre auch gelegentlich auf öffentlichen Bühnen auf, so etwa an der Oper Frankfurt 2002 bei der Uraufführung der Kinderoper Dr. Popels fiese Falle von Moritz Eggert.[2] Eine Theater-AG, an der sich Schüler aus allen Klassenstufen beteiligen können, rundet das kulturelle Angebot der Schule ab.
Traditionell findet jährlich seit 1967 während der Weihnachtsferien eine Ski-Freizeit nach Niederau (Gemeinde Wildschönau, Tirol) statt, an der über 200 Schüler teilnehmen.
Das Lessing-Gymnasium unterhält eine Schulpartnerschaft mit der Duluti Secondary School in Arusha, Tansania. Seit etwa 50 Jahren besteht ein regelmäßiger Schüleraustausch mit dem Lycée du Parc in der Frankfurter Partnerstadt Lyon.
Geschichte
Gründung der Lateinschule
Rektoren der Lateinschule Zeitraum Rektor 1520–1523 Wilhelm Nesen 1523–1524 Ludwig Carinus 1524–1533 Jakob Micyllus (1533–1537) Johann Moser 1537–1547 Jakob Micyllus 1547–1550 Eobaldus Sylvius 1550–1562 Johann Knipius 1562–1563 Georg Dimpelius 1563–? Jeremias Homberger ?–1576 Philipp Lonicer 1576–1580 Henricus Petreius 1581–1582 Theobald Müller 1583 Johannes Raschius 1584–1598 Mathaeus Bader 1599–1615 Adelarius Cravelius Als erster Rektor wurde am 11. Oktober 1520 der Poet und Erfarne in lateinischer und griechischer Sprach Wilhelm Nesen durch den Rat der Stadt Frankfurt am Main berufen. Dieser Tag gilt daher als Gründungsdatum der Schule, obwohl Nesen schon seit dem Frühjahr 1520 in Frankfurt die Söhne einiger prominenter Patrizier unterrichtete, unter ihnen des Ratsherrn und Bürgermeisters Hamman von Holzhausen. Nesen erhielt ein Jahresgehalt von 50 Gulden sowie ein Schulgeld von zwei Gulden pro Schüler und Jahr.
Die Schule war zunächst im Haus Zum Goldstein untergebracht (in der Buchgasse, etwa dort, wo heute der Rathausturm Langer Franz steht). Schräg gegenüber lag der Gasthof Zum Strauß, wo Martin Luther auf seiner Reise zum Wormser Reichstag am Sonntag, dem 14. April 1521 sowie bei seiner Rückkehr am Samstag, dem 27. April 1521 abstieg.[3][4]
Am Tag nach seiner Ankunft besichtigte Luther die neugegründete Lateinschule und lernte dabei auch Nesen kennen. Nesen wurde zum intellektuellen Kopf der Anhänger Luthers in Frankfurt, seine Auseinandersetzung mit dem radikalen Luther-Gegner Johannes Cochläus war einer der ersten Schritte zur Einführung der Reformation in Frankfurt. Im April 1523 wurde er an die Universität Wittenberg berufen. Nachfolger als Rektor der Lateinschule wurde sein Freund Ludwig Carinus aus Luzern.
In Wittenberg lernte Nesen Philipp Melanchthon kennen, der für die weitere Entwicklung der Lateinschule prägend wurde. Im Sommer 1524 reisten Nesen, Melanchthon und Camerarius gemeinsam durch Frankfurt. Da Carinus in seinem Rektorenamt unzufrieden war, empfahl Melanchthon einen seiner Schüler, den erst 21 Jahre alten Jakob Micyllus, als Nachfolger. In seinem Empfehlungsschreiben an Hamman von Holzhausen schrieb er:
„Nicht nur Micylls Gelehrsamkeit verdient Hochachtung, sondern seine Sitten sind auch so liebenswürdig, daß sie seiner Gelehrsamkeit zum Schmuck gereichen. Die Sitten und der Charakter mancher Gelehrten tun dem Rufe der Wissenschaften selbst Eintrag; aber Micylls feines und rücksichtsvolles Betragen kann nur dazu dienen, den Wert der gelehrten Studien in den Augen aller Wohlgesinnten zu erhöhen.[5]“
Micyll wurde daraufhin zum Rektor berufen. Zu seinen ersten Schülern zählten Johann Fichard und Hartmann Beyer. 1528 bezog die Schule das aufgelassene Barfüßerklosters. Die Schüler und Lehrer waren auch für den Chorgesang an der Barfüßerkirche (der heutigen Paulskirche), der evangelischen Hauptkirche von Frankfurt, zuständig.
Micyll blieb zunächst Rektor bis 1534 und nahm dann eine Professur in Heidelberg an. Dieses Amt war zwar schlechter bezahlt, doch hatte er in Frankfurt unter zunehmenden Angriffen der radikalen reformierten Prädikanten zu leiden. Nach seinem Weggang blieb das Rektorenamt zunächst vakant – der in einigen Chroniken als Nachfolger genannte Johann Moser war nicht durch den Rat berufen, sondern amtierte als Privatmann. In den Folgejahren suchte Frankfurt Anschluss an den lutherischen Flügel der Reformation. Nach dem Beitritt zum Schmalkaldischen Bund und der Unterzeichnung der Wittenberger Konkordie 1536 erreichten die Frankfurter Patrizier Justinian von Holzhausen, Johann Fichard und Johann von Glauburg, dass Micyll einen erneuten Ruf nach Frankfurt erhielt, verbunden mit einer Erhöhung seines Jahresgehalts auf 150 Gulden.
Während seiner zweiten Amtszeit von 1537 bis 1547 etablierte sich das Gymnasium Francofurtanum endgültig. Es erhielt 1537 seine erste Schulordnung und bezog 1542 ein renoviertes Gebäude im Barfüßerkloster, wo es bis 1838 ansässig blieb. 1549 war die Schule in vier Klassen eingeteilt.
Gymnasium Francofurtanum
Mit der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes im Schmalkaldischen Krieg 1547 und der erzwungenen Annahme des Augsburger Interims 1548 begann für die lutherische Reichsstadt Frankfurt eine Zeit der außenpolitischen und wirtschaftlichen Bedrängnis, die sich auch auf das Gymnasium auswirkte. Eine fortschreitende Geldentwertung und vor allem gegen Ende des 16. Jahrhunderts spürbare Münzverschlechterung bewirkte, dass die Lehrer trotz nominell steigender Gehälter erhebliche Verluste an Kaufkraft hinnehmen mussten. Auch der soziale Status der Collaboranten, die den Rektor unterstützten, war gering. Lersner erwähnt das Gymnasium in seiner Chronik hauptsächlich im Zusammenhang mit Gehaltsforderungen und Bittgesuchen von Lehrern. Unter dem 15. Mai 1555 schreibt er beispielsweise, dass Johannes Acontius und Johannes Latomus, beide Collaboranten in der Schul zu den Barfüßer, gebeten, sie des Fronens, Hütens und Wachens frei zu lassen: Soll man ihnen ihr Begehren abschlagen.[6] Die Collaboranten waren somit nicht als Angehörige des Gelehrtenstandes anerkannt, im Gegensatz zu den Predigern und den Syndici des Rates. 1563 gelang es immerhin dem neu berufenen Rektor Jeremias Homberger, seine Befreiung vom Wachen und Hüten beim Rat durchzusetzen.
Um ihren Lebensunterhalt zu fristen, waren vor allem die älteren Lehrer, die Familien zu ernähren hatten, auf Nebeneinkünfte angewiesen, zum Beispiel durch die Aufnahme von Privatschülern und Tischgästen im eigenen Haushalt, oder durch die Vermietung von Räumen während der Messen oder Kaiserkrönungen. Dabei finden sich in dieser Zeit immer wieder Klagen über unangemessene Nebentätigkeiten. 1561 entlässt der Rat den Sohn des Rektors Johannes Cnipius, der als Collaborant seines Vaters an der Schule arbeitet, weil er nebenher in der Egenolffschen Druckerei arbeitet. 1604 beantragt der Lehrer der Quinta, Laurentius Bulla, zu Messezeiten als Schreiber an der Stadtwaage arbeiten zu dürfen.
Die Disziplin an der Schule ließ in dieser Zeit offenbar zu wünschen übrig. Vor allem während der Amtszeit des Rektors Adelarius Cravelius 1599 bis 1615 berichten die Chroniken über nächtliche Ausschweifungen von Schülern und Lehrern, die als grobe und verlaufene Bacchanten durch die Gassen zogen und sich dem Zugriff der Stadtwache durch Rückzug ins benachbarte Bockenheim entzogen. Während des Fettmilch-Aufstandes 1612 bis 1614 ermahnte der Rat den Rektor, anstatt bisher gebrauchter Vehemenz eine gebührende Sanftmut und Bescheidenheit anzuwenden, seiner Schul fleißig abzuwarten, auf der Gasse bei Nacht das Singen einzustellen und auf Geschenke der Armenschüler künftig zu verzichten[7] Der Ruf des Frankfurter Gymnasium war dementsprechend schlecht. Um 1610 galten die Frankfurter Schüler an den umliegenden Universitäten als schlechte Grammatiker (Francofurtani mali grammatici).
Rektoren 1616 bis 1822 Zeitraum Rektor 1616–1627 Heinrich Hirtzwig (1627–1635) Ludwig Selzer 1635–1684 Johannes Valentini 1684–1691 Georgius Grabowius 1691–1716 Johann Gerhard Arnold 1717–1722 Johann Jakob Schudt 1722–1737 Johann Thomas Klumpf 1737–1770 Johann Georg Albrecht 1770–1806 Johann Georg Purmann 1806–1822 Friedrich Christian Matthiä 1615 wandte sich das Predigerministerium mit einer Petition an den Rat, um die Besoldung der Lehrer am Gymnasium zu verbessern und sie von ihren Nebeneinkünften unabhängiger zu machen. Die Lehrer der Sekunda, Tertia und Quarta erhielten daraufhin neben einem auf 200 Gulden erhöhten Jahresgehalt noch ein Wohngeld sowie Deputate an Korn, Salz und Feuerholz. Der Quintanus, Lehrer der Eingangsklasse, musste sich mit einem geringeren Gehalt von 130 Gulden begnügen, erhielt aber dafür eine freie Wohnung. Zum neuen Rektor berief der Rat Heinrich Hirtzwig, der zuvor Rektor in Speyer gewesen war. Er erhielt ein Jahresgehalt von 300 Gulden, was deutlich mehr war als die Bezüge eines Professors der nächstgelegenen Universität in Gießen.
Hirztwig machte sich an einen Neuaufbau des Kollegiums. 1616 wurde der Quintanus Laurentius Bulla wegen Unfleißes entlassen, 1623 sein Nachfolger Eucharius Arminius. 1626 war keiner der Lehrer von 1615 mehr im Amt. In diesem Jahr verbot der Rat den Gymnasiallehrer strikt jeglichen Privatunterricht, auch in den Ferien. Auch um die Disziplin der Schüler bemühte sich Hirtzwig. Vier Schüler wurden der Anstalt verwiesen, das Amt eines für die Ordnung und Aufsicht verantwortlichen Decurio eingerichtet.
Die Schülerzahlen wuchsen in diesen Jahren stark an. 1616 wurde eine Sexta als neue Eingangsklasse geschaffen. 1626 zählte die Sexta über 100 Schüler, so dass sie in zwei Haufen geteilt wurde und ihr unterer Haufe 1627 zur Septima erweitert. Überdies richtete Hirtzwig eine Exemtenklasse für ältere Schüler ein, die nicht in das normale Klassensystem integriert war. Primaner und Exemte bildeten zusammen die Oberstufe des Gymnasiums, sie wurden vom Rektor sowie dem eigens für den Unterricht in Dialektik, Rhetorik, Ethik, Physik und Metaphysik eingestellten Magister Ludwig Selzer unterrichtet. Die genaue Schülerzahl aus diesen Jahren ist nicht bekannt.[8]
Bei allem Reformeifer brachte Rektor Hirtzwig durch sein autokratisches Verhalten und eine Neigung zur Unnachgiebigkeit einflussreiche Gegner gegen sich auf, darunter die Prediger. Der Rat tadelte ihn wegen eigenmächtiger Veränderungen an der Schulordnung. Als Hirtzwig 1627 seine Berufung als Hofprediger nach Butzbach betrieb, verabschiedete ihn der Rat ohne große Formalitäten. Als sein Nachfolger amtierte Ludwig Selzer bis 1635, ohne dass ihn der Rat formal zum Rektor berief.
Während des Dreißigjährigen Krieges brach 1635 eine schwere Pestepidemie in der Stadt aus. 80 Schüler sowie zahlreiche Exemte starben, andere zogen fort. Auch der 1635 neu berufene Rektor Johannes Valentini sowie drei Lehrer erkrankten an der Pest, wurden aber wieder gesund. Insgesamt starben während der Pestjahre 1635 und 1636 über 10000 Menschen in Frankfurt.
Die Schulaufsicht lag seit 1540 bei einer Ratskommission, deren zumeist vier Mitglieder seit 1592 als Scholarchen bezeichnet wurden. Sie versahen ihr Amt gemeinsam mit dem Predigerministerium, dem Führungsgremium der 12 lutherischen Pfarrer der Stadt. Nachdem es zwischen Scholarchen und Predigern mehrfach zu Rang- und Kompetenzstreitigkeiten gekommen war, bildete der Rat 1728 eine gemeinsame Behörde, das Evangelisch-lutherische Consistorium, welches aus fünf Ratsherren, zwei Theologen und zwei Juristen bestand.
Bis zur Zeit des Großherzogtums Frankfurt (1810 bis 1813) hatte die Schule ausschließlich lutherische Schüler und Lehrer, erst danach wurde sie auch für andere Konfessionen (Katholiken, Reformierte und Juden) geöffnet. Der Rektor Matthiä begründete 1809 gemeinsam mit dem Frankfurter Arzt Johann Christian Ehrmann den satirischen Orden der verrückten Hofräthe, der bis 1820 neben dem Konrektor Georg Friedrich Grotefend auch weitern Mitgliedern des damaligen Kollegiums seine Aufmerksamkeit und Anerkennung schenkte. Nach dem Verlust der städtischen Selbständigkeit 1866 wurde die Schulaufsicht Angelegenheit des preußischen Staates. Sie wurde vom Provinzial-Schul-Kollegium in Kassel wahrgenommen.
Städtisches Gymnasium
1839 wurde das baufällig gewordene Barfüßerkloster abgerissen und die Schule zog in den Arnsburger Hof in der Predigergasse um. Der uralte, verwinkelte Gebäudekomplex war für den Schulbetrieb denkbar ungeeignet. Trotzdem erfolgte erst 1876 ein weiterer Umzug. Die Stadt hatte ein 1873 von der Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren Hilfswissenschaften errichtetes Gebäude in der Neuen Rothofstraße/Ecke Junghofstraße übernommen und für die Zwecke des Gymnasiums hergerichtet. Während die Schülerzahl in den ersten 350 Jahren der Schulgeschichte stets zwischen 100 und 200 gelegen hatte, stieg sie nach 1868 schnell an. 1886 besuchten bereits 744 Schüler das Gymnasium, das über 18 normale Klassenräume, zwei Fachräume für physikalischen und naturwissenschaftlichen Unterricht, einen Raum für den katholischen Religionsunterricht, einen Singsaal, einen Zeichensaal und eine kleine Turnhalle verfügte.[9]
1888 wurde zur Entlastung das staatliche Kaiser-Friedrich-Gymnasium (heute Heinrich-von-Gagern-Gymnasium) gegründet. Trotzdem stiegen die Schülerzahlen der nunmehr Städtisches Gymnasium genannten Schule weiter an. 1896 zählte das Gymnasium 638 Schüler, davon waren 138 jüdischen Glaubens.
Gründung des Lessing-Gymnasiums
1897 wurde die städtische Lehranstalt wegen der ständig steigenden Schülerzahlen geteilt, nachdem die Klassen bereits seit 1892 in zwei Abteilungen geführt worden waren:
- Das Goethe-Gymnasium wurde als Reformgymnasium nach dem Frankfurter Lehrplan des seit 1886 als Nachfolger von Tycho Mommsen amtierenden Direktors Karl Reinhardt neu gegründet. Es bezog einen Neubau in der Bahnstraße (heute Friedrich-Ebert-Anlage), während das
- Lessing-Gymnasium am alten Ort in der Junghofstraße unter dem bisherigen stellvertretenden Direktor Christian Baier die Tradition des humanistischen Gymnasiums fortführte. Es übernahm auch die Bibliothek und das Archiv des Städtischen Gymnasiums und gilt als dessen Nachfolger.
1902 bezog das Lessing-Gymnasium an der Hansaallee einen gotisierenden Neubau mit aufwendigem Treppenhaus und einer Aula, in der bis 1933 auch griechische Dramen in der Originalsprache aufgeführt wurden. Zum Schulgelände gehörten ein nördlicher und ein südlicher Schulhof, sowie nördlich anschließend ein Palaestra genanntes Sportgelände.
Zeit des Nationalsozialismus
1933 erreichte mit der nationalsozialistischen Machtergreifung auch der Antisemitismus das Lessing-Gymnasium. Am 1. April 1933 beging ein jüdischer Schüler, der Primaner Hans Stern, wegen der Schikanen durch seine Mitschüler Selbstmord. Der damalige Direktor, Ernst Majer-Leonhard, versuchte sich der Gleichschaltung zu widersetzen, wurde jedoch – nicht zuletzt aufgrund von Interventionen aus dem Kollegium – in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Das bisherige Wahlfach Hebräisch wurde 1934 abgeschafft. Die jüdischen Schüler wurden nach und nach von der Anstalt gedrängt. Ostern 1936 legte mit Werner Bamberger der letzte jüdische Abiturient seine Prüfung ab.[10] Für die ehemaligen jüdischen Schüler gibt es im Treppenhaus ein Mahnmal.
1944 wurde die Schule durch Bomben schwer beschädigt und die Schüler nach Marienberg im Westerwald ausgelagert.
Wiederaufbau und Neuzeit
Da das Schulgelände nach Kriegsende im amerikanischen Sperrgebiet um das I.G.-Farben-Haus lag, wurden die Klassen zunächst in den Räumen des gleichfalls beschädigten Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums unterrichtet. 1948 hatte das Lessing-Gymnasium 210 Schüler. 1952 konnte der Schulbetrieb in der notdürftig wiederhergestellten Ruine wieder aufgenommen werden. Turnhalle, Musik- und Zeichensaal waren zerstört, der Bau nur mit einem Notdach gedeckt. Zunächst standen nur zehn Klassenräume zur Verfügung, so dass der Unterricht bis 1955 im Schichtbetrieb statt. 1957 mietete die Stadt eine Wohnung im nahegelegenen Holzhausenviertel an, in der weitere vier Klassenräume und ein Lehrerzimmer entstanden. 1958 besuchten bereits 684 Schüler, darunter 107 Mädchen, das Lessing-Gymnasium.
1967 wurde das heute noch bestehende Schulgebäude errichtet und bezogen. Der Unterrichtsbetrieb wurde während der Bauzeit in Baracken fortgesetzt, die auf einem brachliegenden Gelände an der Hansaallee errichtet wurden. Die offizielle Einweihung des Neubaus fand am 4. März 1968 statt. 1976 führte das Lessing-Gymnasium als eine der letzten Schulen in Hessen die Reformierte Oberstufe ein. Die Schülerzahl stieg im Laufe der 1970er Jahre von etwa 700 auf über 900, um danach bis Ende der 1990er Jahre allmählich wieder auf etwa 620 Schüler abzusinken, da die altsprachliche Ausrichtung mit Griechisch als Pflichtfach bis zum Abitur allmählich an Attraktivität verlor. Mit der Umstellung der Lehrpläne begannen die Schülerzahlen wieder zu steigen.
Ab Frühjahr 2010 ist eine grundlegende Sanierung des Gebäudes geplant. Während der Bauzeit findet ein Teil des Unterrichts in Containern statt.
Persönlichkeiten
Zahlreiche bekannte Personen waren und sind mit der Schule verbunden. Die folgende Liste enthält einige von ihnen:
Lehrer
- Wilhelm Nesen (1492–1524), Humanist und Pädagoge, erster Rektor der Lateinschule
- Jakob Micyllus (1503–1558), Humanist und Pädagoge, Rektor 1524 bis 1533 und 1536 bis 1547
- Georg Philipp Telemann (1681–1767), Komponist
- Johann Balthasar König (1691–1758), Komponist und Kirchenmusiker
- Christian Julius Wilhelm Mosche (1768-1815), Theologe und Altsprachler, später Rektor des Katharineums in Lübeck
- Georg Friedrich Grotefend (1775–1853), Sprachwissenschaftler und Altertumsforscher, 1806 bis 1821 Konrektor
- Johann Heinrich Moritz von Poppe (1776–1854), erster Mathematiker und Physiker des Kollegiums (1805 bis 1818)
- Friedrich Christoph Schlosser (1776–1861), Historiker, 1810 bis 1819 Professor für Geschichte
- Anton Kirchner (1779–1834), evangelischer Pfarrer, Historiker, Lehrer und Schulreformer, 1806 bis 1823 Professor für Religion, Kirchengeschichte und hebräische Sprache
- Carl Ritter (1779–1859), Begründer der wissenschaftlichen Geographie, 1819 Professor am Gymnasium
- Johannes Classen (1805–1891), Altphilologe, Direktor von 1853 bis 1864
- Georg Ludwig Kriegk (1805–1878), Historiker, Professor für Geschichte 1848 bis 1863
- Theodor Creizenach (1818–1877), Historiker und Schriftsteller, Gymnasialprofessor für Deutsch und Geschichte 1861 bis 1877
- Ludwig Roediger (1798-1866), Prorektor
- Alfred Fleckeisen (1820–1899), Professor für alte Sprachen 1854 bis 1861
- Johannes Janssen (1829–1891), katholischer Historiker und Priester, Gymnasialprofessor für Geschichte und katholische Religion 1854 bis 1891
- Tycho Mommsen (1819–1900), Altphilologe, Direktor von 1864 bis 1886
- Rudolf Eucken (1846–1926), Philosoph, Literaturnobelpreisträger 1908, unterrichtete 1869 bis 1871 am Frankfurter Gymnasium Alte Sprachen und evangelische Religion
- Karl Reinhardt (1849–1923), preußischer Schulreformer, Direktor 1886 bis 1897
- Eduard Pelissier (1850–1931), Historiker, Gymnasialprofessor von 1879 bis 1913
- Richard Schwemer (1857–1928), Historiker, Gymnasialprofessor von 1883 bis 1897
- Friedrich Neubauer (1861-1923), Historiker, Direktor 1905 bis 1926
- Julius Ziehen (1864–1925), Pädagoge. am städtischen Gymnasium 1889 bis 1897
- Richard Wachsmuth (1868–1941), Physiker, 1914 für kurze Zeit am Gymnasium
- Otto Schumann (1888-1950), Altphilologe, 1939-1946 stellvertretender Schulleiter, später Professor für Mittellatein an der Universität Frankfurt
- Ernst Majer-Leonhard (1889–1966), Direktor von 1926 bis 1933
- Eduard Bornemann (1894–1976), Altphilologe, am Lessing-Gymnasium 1926 bis 1960, später Professor für die Didaktik des Lateinischen und Griechischen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
- Will Richter (1910–1984), Altphilologe, Direktor 1953 bis 1958, später Professor in Göttingen
- Sydney Smith (1927-2011), Autor von Schulbüchern u.a. mit Eduard Bornemann, früher Schüler
Schüler
- Johann Fichard (1512–1580), Jurist und Stadtsyndikus
- Hartmann Beyer (1516–1577), Mathematiker, Theologe und Reformator
- Johann Jacob Schütz (1640–1690), Jurist und Pietist
- Lorenz Heister (1683–1758), Botaniker, Anatom und Chirurg
- Johann Wolfgang Textor (1693–1771), Jurist, Stadtschultheiß und Großvater Johann Wolfgang von Goethes
- Johann Georg Schlosser (1739–1799), Jurist, Historiker und Staatsmann, Schwager Johann Wolfgang von Goethes
- Johann Friedrich von Meyer (1772–1849), Jurist, evangelischer Theologe (Bibelübersetzer) und Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt
- Johann Karl von Fichard (1773–1829), Historiker
- Anton Kirchner (1779–1834), evangelischer Pfarrer, Historiker, Lehrer und Schulreformer
- Johann Gerhard Christian Thomas (1785–1838), Politiker, Rechtshistoriker und Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt
- Johann Friedrich Böhmer (1795–1863), Historiker
- Philipp Friedrich Gwinner (1796–1868), Jurist, Kunsthistoriker und Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt
- Maximilian Reinganum (1798–1878), Jurist, Politiker und Publizist
- Eduard Ludwig von Harnier (1800–1868), Senator und Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt
- Friedrich Wöhler (1800–1882), Chemiker
- Hermann von Meyer (1801–1869), Paläontologe, Sohn von Johann Friedrich von Meyer
- Friedrich Siegmund Jucho (1805–1884), Jurist und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung
- Heinrich Hoffmann (1809–1894), Psychiater und Schriftsteller
- Gustav Körner (1809–1896), deutsch-amerikanischer Rechtsanwalt, Diplomat und Staatsmann, außerdem Teilnehmer am Frankfurter Wachensturm
- Anton Heinrich Emil von Oven (1817–1903), Jurist, Politiker und Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt
- Theodor Creizenach (1818–1877), Historiker und Schriftsteller
- Carl Remigius Fresenius (1818–1897), analytischer Chemiker, geheimer Hofrat und Begründer und Direktor des chemischen Labors zu Wiesbaden
- Carl Peter Burnitz (1824–1886), Maler
- Wilhelm Merton (1848–1916), Unternehmer und Sozialpolitiker
- Rudolf Jung (1859–1922), Historiker und Archivar
- Theodor Ziehen (1862–1950), Psychiater und Philosoph
- Julius Ziehen (1864–1925), Pädagoge
- Otto Loewi (1873–1961), Pharmakologe, Nobelpreisträger für Medizin 1936
- Karl Schwarzschild (1873–1916), Astronom
- Alfred Merton (1878–1954), Unternehmer
- Fritz Weege (1880–1945), Archäologe und Etruskologe
- Edgar Goldschmid (1881–1957), Pathologe und Medizinhistoriker
- Richard Merton (1881–1960), Vorstand der Metallgesellschaft und Ehrenbürger von Frankfurt am Main
- Wilhelm von Möllendorff (1887–1944), Anatom
- Johannes Georgi (1888–1972), Meteorologe und Polarforscher
- Otto Frank (1889–1980), Vater von Anne Frank
- Eduard Ziehen (1896–1945), Pädagoge und Historiker
- Erwin Stein (1903–1992), CDU-Politiker, Richter am Bundesverfassungsgericht Karlsruhe und einer der Väter der hessischen Landesverfassung
- Peter Kohnstamm (1908-1995), Arzt, Dozent, Freund Otto Klemperers, aufgewachsen im international bekannten Sanatorium des Vaters Oskar Kohnstamm
- Karl Heinrich Menges (1908–1991), Experte in zentralasiatischen Sprachen
- Jan Reifenberg (* 1923), langjähriger diplomatischer Korrespondent der FAZ in Washington und Paris
- Sydney Smith (1927-2011), Autor von Schulbüchern u.a. mit Eduard Bornemann, später Lehrer am Gymnasium
- Peter Stein (* 1937), Theater- und Filmregisseur
- Ernst Theodor Rietschel (* 1941), Chemiker, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft.
- Eva Demski (* 1944), Schriftstellerin
- Jörg Fauser (1944-1987), Schriftsteller
- Micha Brumlik (* 1947), Erziehungswissenschaftler
- Hannelore Kohl (* 1948), Präsidentin des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern
- Andreas von Schoeler (* 1948), Oberbürgermeister von Frankfurt am Main (1991–1995)
- Martin Mosebach (* 1951), Schriftsteller
- Matthias Lutz-Bachmann (* 1952), Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
- Ulrich Martin Drescher (* 1952), Organisationsberater und Moderationsexperte
- Bernd Hucke (* 1952), Richter am Bundesgerichtshof
- Uwe Schmitt (* 1955), Journalist, zunächst Jazzmusiker
- Christoph von Marschall (* 1959), Journalist und Redakteur
- Martin Rocholl (* 1959), Biologe, politischer Direktor der European Climate Foundation, Ehrenvorsitzender von Friends of the Earth
- Albrecht Ritschl (* 1959), Wirtschaftshistoriker
- Armin Kraaz (* 1965), Fußballspieler und -trainer bei Eintracht Frankfurt
- Gábor Paál (* 1967), Journalist, Hörfunk-Moderator, Publizist.
- Thea Dorn (* 1970), Schriftstellerin (Christiane Scherer)
- Boris Rhein (* 1972), Politiker (CDU), hessischer Staatsminister des Inneren und für Sport
- Florian Henckel von Donnersmarck (* 1973), Filmemacher, Regisseur, und Drehbuchautor, Oscar-Preisträger 2007 für den besten nicht englischsprachigen Film (Das Leben der Anderen)
Auch drei der Attentäter vom 20. Juli 1944, nämlich Carl-Heinrich von Stülpnagel, Caesar von Hofacker und Friedrich Karl Klausing haben auf dem Lessing-Gymnasium Abitur gemacht.
Literatur
- Rudolf Bonnet: Das Lessing-Gymnasium zu Frankfurt am Main. Lehrer und Schüler 1897–1947. Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1954.
- Heinz-Joachim Heydorn, Karl Ringshausen (Hrsg.): Jenseits von Resignation und Illusion: Festschrift zum 450-jährigen Bestehen des Lessing-Gymnasiums, der alten Frankfurter Lateinschule von 1520. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1971.
Einzelnachweise
- ↑ Schulinfo für Eltern von Grundschulkindern, Jahrgang 2008/2009
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 2002
- ↑ Ernst Nebhut, Ferry Ahrlé: Frankfurter Straßen und Plätze. Erstausg., Societäts-Verl., Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-7973-0261-4, Seite 20.
- ↑ Achim Mittler (frankfurt-nordend.de): Martin-Luther-Straße
- ↑ Gerhard Dolinsky, Aus der Geschichte des Frankfurter Gymnasiums, in: Heinz-Joachim Heydorn, Karl Ringshausen (Hrsg.): Jenseits von Resignation und Illusion: Festschrift zum 450-jährigen Bestehen des Lessing-Gymnasiums, der alten Frankfurter Lateinschule von 1520. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1971, S. 19
- ↑ Achilles Augustus von Lersner, Der Weit-berühmten Freyen Reichs-, Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn Chronica : Oder Ordentliche Beschreibung der Stadt Franckfurt Herkunfft und Auffnehmen, wie auch allerley denckwürdiger Sachen und Geschichten ... / Anfänglich durch Gebhard Florian, an Tag gegeben, Anjetzo aber Aus vielen Autoribus und Manuscriptis vermehret, ... und per modum Annalium verfasset, und zusammen getragen Durch Achillem Augustum von Lersner, Patricium Nobilem, Civitatis Francofurtensis
- ↑ Zitiert nach Karl Reinhardt, Schulprogramm 1891
- ↑ Tycho Mommsen ging im Programm 1880 von 450 Schülern um 1630 aus, das ist eine Zahl, die erst um 1880 wieder erreicht wurde.
- ↑ Architekten- und Ingenieurverein (Hrsg.), Frankfurt am Main und seine Bauten, Frankfurt am Main 1886, S. 188
- ↑ Die jüdischen Schüler und Lehrer am Lessing-Gymnasium 1897-1938, Dokumentation zur Ausstellung der Archiv-AG des Lessing-Gymnasiums von 1998
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