- Orientteppich
-
Orientteppiche sind alle im Orient, historisch als Morgenland bezeichnet, gefertigten Teppiche. Traditionell haben sich in den orientalischen Ländern sehr unterschiedliche Formen bei Teppichen entwickelt. So lässt sich aus Machart, Muster und Material die Herkunft bestimmen. In den Ursprungsländern Persien, Türkei, Turkmenistan, Afghanistan, Zentralasien und im Kaukasus wird der Teppich zur Wärmeisolation genutzt, er liegt auf dem Boden, am Eingang des Zeltes. Dafür ist insbesondere Schafwolle als Material geeignet.
Geschichte
Mit einiger Sicherheit ist der Ursprung der Flachgewebe (Kelim) in Zentral- und Mittelasien zu suchen. Für ihr tägliches Leben stellten die Nomaden unentbehrliches Zubehör wie Säcke, Taschen, Decken, Flachgewebe und Teppiche, und Wandbehänge für ihre Zelte her. Das Flechten wird als Vorstufe des Webens angesehen. Ein Gewebe herstellen bedeutet im Prinzip nichts anderes als Kett- und Schussfaden zu verflechten. Die Flachgewebe waren immer Teil des nomadischen und bäuerlichen Alltags. Zur Herstellung stand ihnen Schafwolle, Ziegen- oder Kamelhaar zur Verfügung. Das erste Knüpfzentrum wird in der Stadt Erzurum (die Araber nannten diese Stadt Kalikala) vermutet. In Turfan in Zentralasien wurden Teppichreste aus dem 3. und 6. Jahrhundert ausgegraben. In einem skythischen Fürstengrab bei Pazyryk (Altaigebirge/Sibirien) fanden russische Forscher (Prof. Sergei Iwanowitsch Rudenko und M. Grjasnow) im Jahr 1949 einen Wollknüpfteppich von ungewöhnlicher Knüpfdichte und seltener Schönheit. Wissenschaftler schätzen sein Alter auf 2.500 Jahre, d.h. er muss im 5. Jh. v. Chr. entstanden sein, mit großer Wahrscheinlichkeit aber nicht im nomadischen Milieu, sondern im Reich der Achämeniden.[1] Somit dürfte er, zumindest nach heutigem Wissensstand, der älteste erhaltene Teppich der Welt sein. Bis zum 13. Jahrhundert gibt es dann eine Nachweislücke. Einige Quellen weisen darauf hin, dass die Teppiche, die 1905 von F. R. Martin in der Alaaddin ('Ala' al-Din) Moschee in Konya aus der Seldschuken-Herrschaft (13. Jahrhundert) gefunden wurden, die besten dieser Zeit waren. Im Mittelalter kamen einige Teppiche durch die Kreuzritter nach Europa und später wurden Teppiche aus dem Orient von Reisenden und Geschäftsleuten als Geschenke nach Europa gebracht, u. a. Rom oder Venedig.
Die Stabilität eines geknüpften Wollteppichs ist einem Schaffell ähnlich. Der Teppich bietet jedoch die Möglichkeit einer individuellen, künstlerischen Gestaltung. Das Unendlichkeitsprinzip ist eine wichtige Eigenschaft der Teppiche. Es sind die Grundmotive, die verschnörkelten Bordüren und die harmonische Zusammenstellung der Farben Rot, Blau und Gelb, die dem Betrachter einen Eindruck des „Grenzenlosen“ geben. Bei allen Teppichen wird dem Betrachter optisch das Gefühl gegeben das Grundmuster würde sich über die Bordüren hinweg verbreiten. Anfängliche Tiermotive wurden in der Mitte des 15. Jahrhunderts von geometrischen und Pflanzenmotiven abgelöst. Das 16. und 17. Jahrhundert sind die Klassische Epoche des Teppichs. Durch die Hofmanufakturen der regierenden Schahs, Sultane und Mogule gewannen die Palastteppiche jetzt an Bedeutung. Es gibt verschiedene Musterschemata mit Medaillons, Sternen, Vögeln, Blumen oder abgewandelten, einst chinesischen Muster.
Gebetsteppiche haben ihre eigene Bedeutung und Wirkung. Sie wurden vorwiegend in den Knüpfzentren, wie Gördes, Kula, Lâdik, Bergama, Milas, Mucur und Kırşehir angefertigt. Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Hereke-Seidenteppiche als neuer Typ auf. Im 20. Jahrhundert geht die türkische Knüpfkunst durch das Aufkommen neuer Produkte zurück.
Herstellung und Aufbau
Knüpfstuhl
Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Knüpfstühlen: dem liegenden oder horizontalen und dem stehenden oder vertikalen Knüpfstuhl.
Horizontaler Knüpfstuhl
Die Nomaden verwenden den horizontalen Knüpfstuhl. Das recht einfache Prinzip besteht darin, dass das Gerät aus vier Pflöcken im Boden und zwei Querbalken zum Spannen der Kettfäden besteht. Hierdurch wird nomadische Flexibilität gewahrt. Wird mit dem Vieh weitergezogen, werden die Pflöcke aus dem Boden gezogen und samt dem halbfertigen Erzeugnis zusammengefaltet und am neuen Standort wieder aufgebaut. Die Größe des Teppichs ist dabei durch die Maße des eingerichteten „Knüpfstuhls“ begrenzt. Diese Technik wird auch heute noch unter den Nomadenstämmen praktiziert. Andererseits sind viele Nomaden sesshaft geworden, so dass ihre Teppiche in Heimarbeit entstehen.
- Afscharen, Bachtiaren, Belutschen, Kaschgai, Kurden, Luren und Turkmenen in Persien,
- Belutschen und Turkmenen in Afghanistan
- Kurden und Bergnomaden (Yörük) in Anatolien.
Vertikaler Knüpfstuhl
Im Gegensatz zum horizontalen Knüpfstuhl ermöglicht der stehende oder vertikale andere Arbeitsweisen, zudem auch größere Teppichformate. Der einfachste Stuhl hat feste Querbäume und die Länge des Webstuhls bestimmt die Teppichlänge. In den Manufakturen werden die Kettfäden aus Baumwolle auf Balken oder im Walzenwebstuhl auf Metallwalzen gespannt. Je nach Breite können auch mehrere Knüpferinnen am Knüpfstuhl gleichzeitig arbeiten. Die Walzen mit den Kettfäden werden weiter gedreht und der fertige Teppichteil nach unten oder hinten umgelegt. Dadurch bleibt die Arbeitshöhe der vor dem Knüpfstuhl sitzenden Frauen beibehalten.
Je enger die Kettfäden beieinander liegen, desto dichter wird der Teppich. Die Breite wird durch die Querbalken bestimmt. Aus dem gesamten Abstand der Querbalken wird die Länge des Teppichs festgelegt. Der Knüpfvorgang beginnt am unteren Ende der Kettfäden.
Material
Kette und Schuss bilden das Grundgewebe und der Flor das Muster. Hierfür werden verschiedene Materialkombinationen eingesetzt.
Kette Schuss Flor Schafwolle Schafwolle Schafwolle Baumwolle Baumwolle Baumwolle Naturseide Naturseide Naturseide Baumwolle Baumwolle Naturseide Baumwolle Baumwolle Kunstseide Baumwolle Baumwolle Schafwolle Fasern aus Wolle, Baumwolle und Seide müssen gezwirnt oder gesponnen werden. Der Zwirn kann als S-Drehung im Gegen-Uhrzeigersinn oder als Z Uhrzeigersinn versponnene Wolle sein. Bei der Alters- bzw. Herkunfts-Bestimmung eines Teppichs kann die entsprechende Analyse des Garns sehr hilfreich sein. [2]
Wolle
Für die Teppichproduktion sind drei Arten von Schafrassen wichtig: Das Merinoschaf, das Crossbredschaf (Kreuzzucht) und das Cheviotschaf.
Unterschiede in der Qualität und im Erscheinungsbild ergeben sich aus der Schafrasse und den klimatischen Verhältnissen, unter denen die Tiere leben. Hochlandschafe geben durch Klima und Vegetation eine bessere Wolle als Schafe aus milden Klimazonen. Das Alter der Tiere beeinflusst die Qualität ebenfalls. In jungen Jahren ist die „Wolligkeit“ besser, ausreichende Widerstandskraft erhält sie erst nach dem ersten Lebensjahr des Tieres. Die Schur erfolgt meist im Frühjahr.
Wolle wird unterschieden wann und wie oft geschoren wird. Jährlingswolle stammt von der ersten oder zweiten Schur nach zehn bis zwölf Monaten. Lammwolle ist die Wolle der ersten Schur nach sechs Monaten, die sogenannte Kurkwolle (pers. = Flaum, weiche Wolle). Einschurwolle wird nur einmal im Jahr geschoren, Zweischurwolle von Schafen, die zweimal im Jahr geschoren werden. Haut- oder Schlachtwolle ist Wolle der geschlachteten, Sterblingswolle die von verendeten Schafen.
Die Vliesteile sind noch roh und naturverschmutzt, sie werden in mehreren hintereinander geschalteten Bottichen schonend in Wasser unter Zusatz von schwachen Alkalien gewaschen und entfettet. Die mechanische Belastung muss gering bleiben, um ein Verfilzen zu vermeiden. Heute werden zunehmend synthetische Detergenzien eingesetzt, die leichter entfetten. Von einem Merinoschaf werden zwei Kilogramm gewaschene Wolle erhalten. Vor dem Spinnen werden die Fasern geöffnet und gekämmt. Ohne jegliche Hilfsmittel kann die Wolle mit den Händen ausgezupft werden. Handkarden sind zwei Brettchen mit Handgriffen, die an der Innenseite mit vielen kleinen abgewinkelten Häkchen aus Stahl besetzt sind, damit das Lockern schneller und gleichmäßiger möglich. In der modernen Spinnerei stehen dafür Kardiermaschinen bereit.
Seit Erfindung der Dampfmaschine wird Wolle maschinell versponnen. Zuvor wurde die gesamte Rohwolle für die Teppichherstellung von Spinnerinnen in Handarbeit versponnen, diese wird gekennzeichnet durch eine Art Maserung, eine unregelmäßige Stärke der einzelnen Fäden. Besonders Teppiche mit wenig Muster oder gar keinem Muster erhalten dadurch ihre Eigenart, wie die Gabbeh.
Seide
Naturseide wird aus den Kokons des Maulbeerspinners gewonnen. Die Herkunft dieses Insektes ist China, über Korea kam die Zucht nach Byzanz und ins südliche und mittlere Europa und wurde hier in Italien und dann in Frankreich zu Stoffen verarbeitet. Zehn Tagen nach der Eiablage schlüpfen Raupen, die ausschließlich frische Blätter des Maulbeerbaums fressen. Nach vier Wochen sind sie fingerdick und Verpuppen sich. Bevor die Spinner schlüpfen, werden die Larven in den Kokons durch heißes Wasser oder Wasserdampf abgetötet. Dabei lösen sich die äußeren Lagen. Jetzt wird die Haspelseide von den Kokons „abgehaspelt“, d.h. abgewickelt und aufgespult. Ein Kokon kann bis zu 25.000 m Faden ergeben.[3]
Bei Isfahan-Teppichen aus Persien und Hereke-Teppichen aus der Türkei wird diese Haspelseide für Kettfäden genutzt. Einige Teppicharten werden auch gänzlich aus Seide hergestellt. Seide ist nicht so elastisch wie Schafwolle, aber sehr strapazierfähig. Aufgrund ihrer hohen Reißfestigkeit lässt sich Seide dünner verspinnen und Teppiche von sehr hoher Feinheit, mit hoher Knotendichte können geknüpft werden.
Baumwolle
Nach Wolle ist Baumwolle das Material bei Teppichherstellung. Die Baumwollpflanze ist ein strauch- bis baumartiges Gewächs, das jährlich neu angebaut wird. Die reife Fruchtkapsel platzt und die Fasern der Baumwolle quillt heraus. Diese Faserbällchen werden per Hand oder maschinell eingesammelt und entkörnt, das Egrenieren ist das Abtrennen der Samenhaare von den Samenkörnern. Baumwollfäden sind sehr zugfest und robust und haben sich als Träger für die Knoten im Grundgewebe in Schuss und Kette durchgesetzt. Für den Flor sind sie ungeeignet. In der Knüpfteppichproduktion wird auch Mercerisierte Baumwolle eingesetzt. Durch ein Bad in kalter Natronlauge erhält die Baumwolle Seidenglanz. Das Verfahren wurde 1844 von John Mercer entwickelt.
Gelegentlich wird Baumwolle als Effektgarn im Pol oder für das Knüpfen besonders leuchtend weißer Ornamente verwendet, ungebleichte Tierwolle hat stets einen gelblich-weißen Farbton. Allerdings nimmt Baumwolle als Florgarn leicht Schmutz an und die Polfestigkeit ist gering, der Flor tritt sich schnell zusammen. Reine Baumwollteppiche nur als sogenannte Sommerteppiche verwendet, man bezeichnet sie auch als Blender oder Flosch. Sommerteppiche sind Flachgewebe, die während der Sommermonate ausliegen und zu besonderen Gelegenheiten und während der kalten Jahreszeit wurden geknüpfte Teppiche darüber gelegt. Auch in Anatolien, in der Panderma-Region wurden Sommerteppiche angefertigt. In Indien heißen sie Dhurries.
1901 entdeckte Marc Aurel Stein in Niya bei Khotan ein Flachgewebefragment, dessen Musterung und Farbgebung eine Herstellung in Nordindien vermuten ließ. Dieser älteste bekannte Dhurrie ist in der Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. entstanden.
Farben und Färbung
Naturfarben
Die Färbekunst entwickelte sich mit der Knüpfkunst, sie geht auf jahrtausendalte, überlieferte Methoden zurück. Wolle und Seide für die Teppichherstellung werden vorzugsweise mit natürlichen Farbstoffen gefärbt. Die erreichbaren Färbungen sind nicht grell und schreiend, sondern fügen sich zu zarten und harmonischen Kombinationen. Ein häufiges Farbmittel für Rot und Rotbraun wird aus der der Wurzel der Färberkrapppflanze gewonnen. Hierbei sind die Farbstoffe Alizarin und Purpurin von besonderer Bedeutung. Unterschiedliche Farbtöne wurden durch Beizen mit Aluminiumsalzen (Rot) oder Eisensalzen (Violett bis Braun) erreicht. Purpurrot – „die Farbe der Könige“ - stammt aus dem Panzer der Schildlaus. Für Blau wird die Wurzel der Indigopflanze, für Gelb Färber-Wau, Gelbwurz, Curcuma, Kamille oder der Farbstoff der Granatapfelschalen. Grüne Töne lassen durch Überfärben von Indigo mit einem gelben Farbstoff erzeugen. Mit Indigo und Krapp färbt man violette und braunviolette Töne. Safran liefert einen gelborangen Farbton. Cochenille als Insektenfarbstoff der Farblaus und Blauholz (Campecheholz) aus Amerika erreichten im 16. Jahrhundert den Orient. Weitere Insektenfarbstoffe stammen aus Sekreten, die im Wesentlichen Schellack bzw. Stocklack enthalten. Die Farbstoffe sind hierbei Carminsäure und Laccainsäure, die ein bläuliches Rot lieferten.
Kleine Garnstränge für den Flor werden per Hand gefärbt. Jedes gefärbte Los der Wolle wird per Hand in den Teppich geknüpft. Beim nächsten Los der gefärbten Wolle ist eine Farbabweichung unvermeidlich – diese wird Abrasch genannt. Die Farbveränderung zeigt sich in horizontaler Richtung, also in Arbeitsrichtung.
Es ist nicht mit Sicherheit möglich festzustellen, ob die Farben in einem Teppich von natürlichen Farbstoffen stammen. Oft kann dies nur mit Hilfe von chemischen Tests festgestellt werden. Zwei der wichtigsten Naturfarben - Indigoblau und Krapprot - können chemisch exakt imitiert werden.[4]
Synthetische Farbmittel
Als halbsynthetischer Farbstoff wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts in einigen Teppichen Indigosulfonsäure, hergestellt aus Indigo und Schwefelsäure, verwendet. Anilinfarben aus Steinkohlenteer wurden in Europa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hauptsächlich von den deutschen Farbenfabriken hergestellt und gelangten bald auf unterschiedlichen Handelswegen in den Orient. Wegen des geringen Preises und der leuchtenderen Farben verbreiteten sie sich und ersetzten bzw. ergänzten teilweise die Naturfarbstoffe. Dadurch lassen sich Teppiche zwischen 1860 und 1870 leicht datieren. Insbesondere wurden Triphenylmethanfarbstoffe und Azofarbstoffe verwendet. Zum Färben eingesetzte Farbstoffe waren beispielsweise Mauvein, Anilinblau, Fuchsin, Kongorot, Kristallviolett, Malachitgrün, Methylorange, Naphtholgelb, Ponceau 2R, Echtrot A (Roccelline) und Amaranth. In einem kurdischen Teppich konnte auch Pikrinsäure nachgewiesen werden. Allerdings waren die ersten synthetischen Farbstoffe noch unrein, verblassten schnell und die Schurwolle verfilzte leicht beim Färbevorgang, so dass die Nachfrage nach diesen Produkten wieder sank. In Persien wurden sie auf Befehl des Schahs 1900 verboten.[5] Dennoch sind moderne Farbstoffe bei den verbesserten Echtheiten und Farbstärken und dem durchgängig geringeren Preis zum Faserfärben im Einsatz.
Die Knoten
Der türkische Gördesknoten ist ein symmetrischer Doppelknoten, der hauptsächlich in der anatolischen Knüpfkunst benutzt wird. Der anatolische Teppich beansprucht durch den Gördes-Knoten mehr Knüpfzeit und benötigt auch mehr der wertvollen Wolle. Beim symmetrischen oder türkischen Knoten schauen die beiden Enden eines Knotenfadens zwischen den entsprechenden beiden Kettfäden nach oben und bilden den Flor.
Der persische Sennehknoten ist als asymmetrischer Einfachknoten charakteristisch für die persischen Teppiche. Dabei ähnelt der persische Senneh, dem heutigen Sanandadsch, wo seit jeher der türkische Knoten Verwendung fand. Beim asymmetrischen oder persischen Knoten schaut nur ein Ende eines Knotenfadens zwischen den entsprechenden beiden Kettfäden nach oben, während das andere Ende des Knotenfadens neben beiden Kettfäden nach oben geführt wird.
Eine geografische Zuordnung dieser beiden Knotentypen gibt es nicht. Beide werden (fast) überall angewendet.
Dschuftiknoten nennt man eine Knotenart, die meist aus Ersparnisgründen statt zwei jeweils vier Kettfäden umfasst. Er findet vor allem in modernen Teppichen Anwendung, um die Herstellung zu beschleunigen, ergibt aber eine schlechtere Qualität. [6]
Die Knotendichte
Die Feinheit von Orientteppichen wird nach der Knotenzahl pro Fläche definiert[7].
Bewertung Anzahl der Knoten/m² sehr grob geknüpft 15.000 - 25.000 grob geknüpft 25.000 - 60.000 mittelfein geknüpft 60.000 - 120.000 fein geknüpft 120.000 - 200.000 sehr fein geknüpft 200.000 - 400.000 selten fein geknüpft über 400.000 Die ungefähre Knotenanzahl pro Quadratmeter ermittelt man durch das Auszählen auf der Rückseite des Teppichs mit Hilfe eines Lineals. Die Anzahl der Knoten, jene kleinen „Höcker“ werden auf 10 mm waagerecht und danach 10 mm senkrecht bestimmt und das Ergebnis für die Fläche multipliziert. Die Anzahl der Knoten pro Quadratzentimeter mit dem Faktor 10.000 multipliziert ergibt die Knotenanzahl per Quadratmeter. Bei fünf Knoten auf 10 mm waagrecht und sechs Knoten auf 10 mm senkrecht ergeben sich 5 x 6 = 30 Knoten pro Quadratzentimeter und mithin 30 x 10.000 = 300.000 Knoten pro Quadratmeter.
Bei einer Knotendichte von 10 x 10 Knoten (=100 pro cm²) wird für einen Quadratmeter Orientteppich beim Knüpfen etwa ein Jahr benötigt. Bei einer Knotenzahl von 15 x 15 Knoten (= 225 pro cm²) sind je Quadratmeter bereits drei bis fünf Jahre zu kalkulieren. Bei 24 x 24 Knoten (= 576 pro cm²) handelt es sich um einen Weltklasseteppich aus Seide, für dessen Herstellung etwa elf Jahre benötigt wurden.
Umrechnung von radj auf Knoten
Die Knotendichte von Täbris-Teppichen wird in Radj angegeben. Die persischen Angaben für Knüpfdichten sind in Knoten auf der Kette pro Radj angegeben. Dabei entspricht die Länge von einem Radj etwa 7 Zentimeter, also 0,07 Meter. Ein Meter entspricht demnach 14,29 Radj und die Knoten pro Laufmeter Kette berechnen sich aus Radj x 14,29. Ein Teppich mit 22 Knoten pro Radj hat demnach 310 Knoten pro Laufmeter Kette, weil 22 x 14,29 = 314.
Um auf übliche Knotenzahl pro Quadratmeter umzurechnen, gilt Radj x Radj x 14,29 x 14,29 = Radj x Radj x 204. Die Angabe „22 Radj-Teppich“ beispielsweise entspricht einer Knüpfdichte von 100.000 Knoten pro Quadratmeter, auf Grund folgender Rechenweise 22 x 22 x 204 = 98.736, also nahezu 100.000.
Das Knüpfen
Zu Beginn muss immer ein Stück Kelim gewebt werden. Dabei werden die Schüsse eingetragen und fest geschlagen, um der ersten Knotenreihe des entstehenden Knüpfteppichs Halt zu geben. Zum Knüpfen eines Knotens wird ein Faden in der entsprechenden Farbe gewählt. Mit einem Knüpfmesser („Tich“) wird von dem über der Knüpferin hängenden Knäueln ein Fadenstück abgeschnitten. Der Faden wird um zwei benachbarte Kettfäden geschlungen, so dass das rechte Fadenende hervorschaut. Die Schlinge wird straff nach unten gezogen und während des Hinunterziehens auf Höhe des rechten Fadenendes abgeschnitten. So wird mit jedem Kettenpaar verfahren. Für den Ghiordesknoten wird in einigen Regionen ein Spezialmesser genutzt. Die Spitze dieses „Täbriz-Knüpfhakens“ ist mit einem Häkchen versehen, so kann man mit ihm den rechten Kettfaden ergreifen und die rechte Hälfte des Knotens ziehen.
Nach dem Fertigstellen der ersten Reihe von Knoten werden zwei oder mehrere Schüsse eingezogen, das heißt die Schussfäden werden wechselweise um die Kettfäden durchgeführt. Dann schlägt die Knüpferin die Knoten und die Schüsse mit einem hölzernen oder metallenen Kamm nieder und es folgt die nächste Reihe von Knoten. So gewinnt der Teppich, Reihe um Reihe, von unten nach oben seine Länge. Die Gesamtheit der eingeknüpften verschiedenfarbigen Knoten bildet den Flor mit dem gewünschten Muster. Den oberen Abschluss der fertigen Knüpfarbeit bilden wiederum - wie zu Beginn - einige Reihen von fest verwebten Schussfäden in Kelimart. Ersatzweise wird ein entsprechender Sicherungsfaden eingeführt. Beide Varianten haben die Aufgabe, das Ablösen der Randknoten vom Gewebe zu verhindern. Die seitlichen Abschlüsse bilden die Randbefestigung an den Längsseiten der Teppiche. Sie entstehen durch Umwickeln der Kanten mit dem passenden Material. Die durchlaufenden Kettfäden sind am fertigen Stück als Fransen an den Schmalseiten sichtbar.
Das Scheren
Der Flor muss nach dem Knüpfen auf eine einheitliche Höhe gebracht werden. Durch das Scheren wird der Flor um drei bis sechs Zentimeter niedriger. Hier gilt, dass eine dichte Knüpfung einen niedrigen Flor, grobe Teppiche einen längeren Flor aufweisen. Dieses Scheren geschieht mit großen, flachen und handgeschmiedeten Scheren. Dabei wird der Teppich vom Schermeister oftmals über eine Rolle gelegt und bearbeitet, damit das “Bild” des Teppichs einwandfrei herauskommt. Für einen Teppich der Größe 3 x 4 m benötigen die Scherer zwischen sechs und acht Stunden. Diese Arbeit erfordert viel Kraft und ein gutes Auge.
Die Wäsche
Ein Teppich mit schlecht gewaschener Wolle ist immer schwerer, schmutzempfindlicher und gegen Motten anfälliger. Die Wollwäsche ist in der Manufaktur einer der wichtigsten Aufbereitungsfaktoren. Es handelt sich dabei um einen mehrstufigen Prozess, wie Vorwäsche, Hauptwäsche und diversen Spülgängen. Dadurch werden lose Fasern entfernt, überschüssige Farbe ausgespült und Glanz erreicht, der Flor ordnet und glättet sich und das Muster tritt deutlicher hervor. Vormals wurde das fertige Stück einfach in das fließende Wasser eines Baches getaucht und zum Trocknen in die Sonne gehängt. Ein guter Wäscher kann heute viele Wirkungen hervorrufen, die sich im Laufe der Zeit von selbst einstellen – er kann das Rot leuchtend lassen oder es zu Nuancen von Rosa, Rost, Kupfer bis Braun, Gold oder Beige dämpfen.[8] Lüster (Florglanz) wird vielfach durch eine Chlor- oder Glanzwäsche erreicht. In den Knüpfereien wird der Teppich nach dem Waschen gespannt, getrocknet und weichgeklopft.
Muster und Stil
Orientteppiche haben gemeinsame Merkmale, die sich seit Jahrhunderten nicht verändert haben. Die meisten Teppiche sind rechteckig, man findet jedoch gelegentlich auch quadratische, runde und sechseckige Formen. Innerhalb dieser rechteckigen Form sind nahezu alle Muster in ein Mittelfeld und eine Bordüre aufgeteilt. Die Bordüre, oder der Rahmen, setzt sich aus Streifen von unterschiedlicher Breite zusammen. Die formale Gestaltung des Innenfeldes kann nach folgenden Grundmustern vorgenommen werden:
Die Muster des Mittelfeldes
Medaillonmusterung Das Hauptmotiv befindet sich in der Mitte des Feldes oder mehrere kleine Medaillons sind auf einer Längsachse hintereinander angeordnet. Sogenannte Eckviertel, die meist einem Viertel des Hauptmotivs entsprechen, befinden sich in den Ecken des Feldes. Bei einem leeren Mittelfeld mit oder ohne Medaillon spricht man von Spiegelteppichen.
Feldermusterung
Der Fond wird in mehrere rechteckige oder quadratische Felder, Rauten oder in Diagonalstreifen aufgeteilt.
Rapportmusterung
Diese Musterung entsteht durch mehrfache Wiederholung gleicher Motive oder Motivkombinationen im Teppichinnenfeld (All-over).
Bilderteppich
Der gesamte Fond ist in Form bildlicher Darstellungen (Garten-, Jagd-, Pflanzen-, Tier-, Vasenteppich) gestaltet.
Gebetsteppich
Das Charakteristische dieser Teppiche ist die Gebetsnische (Mihrab) im Innenfeld.
Unterteilung nach Mustern
Eine grobe Einteilung der Muster kann in drei Kategorien erfolgen:
- der geometrische Stil
- der kurvilinearer oder florale Stil
- der figurale Stil, der sich auf Menschen und Tiere bezieht
Der geometrische Stil verwendet die gerade Linie mit horizontalen, vertikalen und diagonalen Abschnitten und bildet daraus seine verschiedenen Muster. In Anatolien dominierte der geometrische Stil, der vom 11. – 13. Jahrhundert unter der Dynastie der Seldschuken stark entwickelt wurde, bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts. Die Musterung erstreckt sich über das gesamte Mittelfeld. Geometrische Muster wie achteckige Sterne, hakenbesetzte Oktagone und Quadrate finden sich in der gesamten nachfolgenden Teppichkunst Vorderasiens wieder.
Der florale Stil hingegen verwendet die gekrümmte Linie. Deshalb spricht man auch von einem kurvilinearen Stil. Die persischen Künstler der Safavidenzeit waren Schiiten und ihnen waren die figürlichen Darstellungen gestattet, sofern sie im spirituellen oder kontemplativen Zusammenhang verwendet wurden. Sie hatten die Aufgabe, durch epische oder mythische Szenen eine Vorstellung vom Paradies zu geben oder moralische Auffassungen darzulegen. Die indischen Moghule orientierten sich stark an den persischen Hof.
Die Künstler der osmanischen Herrscher waren „Sunniten“ und sie hielten sich an die orthodoxe Sunna, die jede figürliche Darstellung verbot, weil sie zum Götzenkult führen könne und eine Nachahmung der göttlichen Schöpfung ohnehin unzulässig sei. Lediglich in osmanischen Miniaturen wurden die Vorfälle dokumentiert, die Macht und Stärke der Sultane wiedergegeben und der Lebensstil der Gesellschaft widergespiegelt und somit auch Menschen gemalt. Die Bildmalerei wurde bei der Verzierung verfasster Werke und zur Erklärung der Themen mit Bildern eingesetzt. Die Künstler, die sich damit befassten, wurden Nakkaş genannt. [9]
Arabeske - Eslimi - Rumi
Das in Persien als Eslimi oder Islimi bezeichnete Muster ist in Europa als „Arabesken-Dessin“ geläufig. Die türkische Bezeichnung für dieses Ornament lautete „rumi“. Bei der Arabeske handelte es sich um eine Laubranke, die aus zwei Elementen bestand, einer gespaltenen Blattvolute, die sich wiederholte, sowie einer verbindenden Ranke. Das Rankenwerk war äußerst wandlungsfähig in seiner Erscheinungsform, seine meist spiralförmig gebogenen Einzelformen konnten auch auf die verschiedensten Arten miteinander verflochten und ineinander verschlungen sein. Es ist wohl das orientalischste aller Muster und entstammt ursprünglich der schon früh im Orient gepflegten hohen Kunst der Fayencearbeiten. Die Kuppeln der Moscheen und anderer Gebäude sind oft gedeckt mit reich verzierten Kacheln, die durch ihre Glasierung Wind und Wetter trotzen. Nach diesem vorbildlichen Farb- und Musterspiel knüpfte man entsprechende Teppichmuster mit Blüten, Pflanzen-, Zweig- und Rankenornamenten. Gepaart mit stilisierten Blättern, Gabelranken und Wolkenbandornamenten, wird dieses Gesamtmuster zum sogenannten Eslimi-Dessin.[10]
Alter und Datierung
In einigen Museen kann man auf einem Teppich genaue Jahreszahlen entdecken. Diese Exemplare stammen auf keinen Fall aus dem jeweiligen Jahrhundert. Diese Jahreszahl bezieht sich auf die islamische Zeitrechnung und ist folgendermaßen in den gregorianischen Kalender umzurechnen. Man zieht von der vorhandenen islamischen Jahreszahl drei Prozent ab und zählt zu dieser Zahl 622 dazu, so erhält man das christliche Datum. Im Jahre 622 beginnt die islamische Zeitrechnung mit der Flucht Mohammeds nach Medina. Da 33 Mondjahre 32 Sonnenjahre unserer Zeitrechnung entsprechen, sind 3% in Abzug zu bringen. Dafür stehen auch Umrechnungskalender[11] zur Verfügung. „AH“ minus 3% plus 622 = „AD“ (1312 AH = 1895 AD)
Für jede Teppichart und jede Periode liegen inzwischen ausreichende wissenschaftliche Arbeiten vor. Stammen Teppiche aus Ausgrabungen, so ist oftmals eine exakte Datierung vorhanden. Vom 12. bis zum 18./19. Jahrhundert existieren tausende von datierten Ölgemälden, auf denen Orientteppiche vorkommen. Aus diesem Grunde bezeichnet man einige anatolische Teppichtypen nach den Malern, die sie auf ihren Bildern dargestellt haben. So bezieht der „Lotto – Uschak“ beispielsweise seinen Namen vom italienischen Meister Lorenzo Lotto, der eine Reihe dieser Knüpfteppiche auf seinen Werken verewigte und so, wie viele andere Künstler, unbewusst bei der genauen Datierung von Teppichen mithalfen.
Im Jahre 1633 berichtet Evliya Celebi[12], der im Hofdienst bei Sultan Murad IV stand, dass es 111 Teppich-Händler in der Gilde von Istanbul gab und erwähnte vierzig Geschäfte, in denen Teppiche aus Izmir, Thessaloniki, Kairo, Isfahan, Uşak und Kavala verkauft wurden. Wissenschaftliche Werke über Mustervergleiche aus der Miniatur- oder Buchmalerei, Persische Miniatur (Heratschule um 1405/20) und aus der Keramik, sowie historische Tatsachen über das Aufkommen neuer Farben zu bestimmten Zeiten haben ebenfalls viel zur seriösen Datierung beigetragen. Nicht zuletzt sind es Unmengen von Inventarlisten aus Klöstern, Schlössern, Museen, Herrscherhäusern und Privatbesitzen, welche Teppiche beinhalten und zumindest ein jeweiliges Mindestalter von den in den Listen angegebenen Stücken belegen. Allerdings ist bis heute der Ort der Entstehung - selbst bei einigen berühmten Teppichen - teilweise umstritten, weil kaum vergleichbare Stücke erhalten geblieben sind. In den Habsburger Nachlassverzeichnissen erscheint zum Tod Erzherzog Karl II. 1590 der wenig hilfreiche Eintrag „Türggische fuestepich, gross und klain, drei“.[13]
Mit der Erfindung der Spektroskopie verbesserte sich die Analyse und die Datierung der Materialien organischer Zusammensetzung. So wird diese Methode auch für die Altersbestimmung von Teppichen und Textilien eingesetzt.
Die Höfischen Produktionsstätten
Insgesamt gibt es vier höfische Dynastien der verschiedenen Imperien, die im Gegensatz zum bisherigen Nomadenteppich in einem völlig veränderten sozialen Hintergrund sowohl Muster und Formen als auch neue Arbeitsprozesse entwickelten. Durch das Schaffen von Hofmanufakturen wurde das Knüpfen vom Gebrauchshandwerk zum „Kunst“handwerk erhoben. Das Interesse der Herrscher an der Kunst führte die verschiedenen Kunstarten mit den Künstlern des Landes oder aus anderen Ländern in Ateliers zusammen. So konnten sich unterschiedliche Stile und Merkmale gegenseitig beeinflussen. Das benötigte Material stand am Hofe in Fülle zur Verfügung. Aus diesen Teppichdynastien sind viele herausragende Werke in Museen und Privatsammlungen erhalten. Sie dienten nachfolgenden Knüpfmeistern als Vorbild und Inspiration. [14]
- Osmanen in Anatolien (Türkei) (1281 - 1924)
- Mameluken in Ägypten (1250 – 1517)
- Safawiden in Persien (Iran) (1501 – 1722)
- Mogulreich in Indien (1526 - 1858)
Kurt Erdmann, langjähriger Direktor des Museums für Islamische Kunst in Berlin, schrieb „Teppiche waren so lebenswichtig für die Möblierung ihrer großen Zelte, dass Könige, Generäle und andere wichtige Männer diese mitführten, wenn sie zur Jagd oder auf Reisen gingen, ja sogar wenn sie in den Krieg zogen. Wenn ein Herrscher zu jener Zeit reiste, wurden die ausgeklügeltsten Mittel angewendet, um sein Zelt so wohnlich wie seinen Palast zu gestalten. Nichts sollte fehlen und eine ganze Armee von Bediensteten reiste ihrem Herrscher voraus, so dass sie am Zielort ausreichend Zeit hatten, um die riesigen Zelte aufzubauen, die tatsächlich tragbare Paläste waren mit vielen Räumen, die mit jedem erdenklichen Luxus und mit vielen schönen Teppichen ausgestattet waren. In einigen Fällen wurden Bäche umgeleitet und Gärten mit Fontänen angelegt. Sogar Bäume wurden mitgeführt ebenso wie die Menagerie der Herren.“ ([15]) Sultan Süleyman soll bei der erfolglosen Belagerung von Wien in Jahre 1529 dort Teppiche aus seiner „Möblierung“ zurückgelassen haben.
Die Osmanischen Hofmanufakturen
Suleyman I war der zehnte Sultan und hatte die der längsten Regierungszeit (1520-1566). Er fiel viermal in Persien ein und zwang damit Schah Tahmasp (1524 – 1576) seine Hauptstadt von Täbris nach Quazvin zu verlegen, bis dann 1555 der Friede von Amasya geschlossen wurde. So wurden viele Kunsthandwerker aus Täbriz und Umgebung durch diese Kriege an den osmanischen Hof deportiert. Der „Prächtige“ im Westen, der „Gesetzgeber“ im Orient genannt erreichte Süleyman I. für das Osmanische Reich nicht nur politische sondern auch wirtschaftliche Macht. Konstantinopel (Istanbul) war Treffpunkt von Diplomaten, Kaufleuten und Künstler. In diesem bemerkenswerten halben Jahrhundert entwickelte sich das künstlerische Schaffen enorm. In den Residenzen des Reiches arbeiteten Künstler und Handwerker verschiedenster Kunstrichtungen in den Hofwerkstätten (Ehl-i Hiref). im Umfeld des Palastes. Die Kalligraphie und Buchmalerei wurde im Scriptorium, der nakkaşhane, betrieben und beeinflussten die Teppichknüpferei. Berühmte Orte osmanischen Kunsthandwerks waren neben Istanbul vor allem Bursa, Iznik, Kütahya und Uschak mit lokal unterschiedlichen Spezialisierungen. Bursa war als „Seidenstadt“ berühmt für Seidenstoffe und Brokate, Iznik sowie Kütaya für Feinkeramik und Fliesen und Uschak besonders für Teppiche.
Einige der bedeutendsten Teppicharten des 16. Jahrhunderts kommen aus der Region Ushak (heute wird auch Bergama – das alte Pergamon – mit einbezogen) einem der Zentren der osmanischen Hofwebereien. Von hier kommen die sogenannten „Holbein“- und „Lotto“-Teppiche. Durch italienische Händler fanden diese Teppiche mit ihrer Harmonie in Farbe und Ornamentik Eingang in viele europäische Adelshäuser. Diese Fürsten ließen ihre Teppiche gern auf den Gemälden des 16. Jahrhunderts darstellen. Besonders bekannt sind die Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren, Lorenzo Lotto, Hans Memling, Jan van Eyck und Jan Vermeer, so wurden die von diesen Künstlern abgebildeten Teppiche nach den Malern benannt, die sie am häufigsten in ihren Gemälden abgebildet hatten. Dadurch sind sie heute im Abendland bekannt als „Lotto“-, „Holbein“- oder „Memling“-Teppiche
Aufgrund der Verteilung und Größe der raffinierten geometrischen Medaillons unterscheidet man die Holbein-Teppiche mit großer und die mit kleiner Musterung. Bei letzterem sind kleine Achtecke, die oft einen Stern enthalten, in regelmäßigen Reihen über das Feld verteilt und werden von geometrischen Arabesken eingeschlossen. Die Holbein-Teppiche mit großer Musterung heißen auch Kassetten-Medaillon-Teppiche und zeigen nur zwei oder drei große Oktagone, die die oft achtstrahlige Sterne einschließen. Das Feld ist von winzigen blauen floralen Mustern übersät. Zwei besonders schöne Exemplare aus dem 16. Jahrhundert befinden sich in den Museen MAK in Wien[1] und im Louvre in Paris.[2] Es gibt viele Beispiele von Teppichen mit rotem Grund, aber nur 15 mit blauem Grund sind bekannt, das schließt die Fragmente ein.
Bei den Lotto-Teppichen befindet sich auf dem leuchtend roten Feld ein gelbes Gitternetz aus geometrischen Arabesken, wobei kreuzförmige mit achteckigen oder rautenförmigen Elementen abwechseln. Die ältesten Stücke vom Ende des 15. Jahrhunderts weisen eine Kufi-Bordüre auf. Das stets rotgrundige Feld wird in seiner ganzen Ausdehnung von leuchtend gelbem Blattwerk überzogen, dem ein Rapport aus Rauten und Oktogonen zugrunde liegt. Die Teppiche wurden in allen Größen bis zu einer Länge von sechs Metern hergestellt.
Das Repertoire an Dekorformen war abwechslungsreich und fast ausschließlich dem Pflanzenreich entlehnt. Bevorzugte Motive waren Gartenblumen, vor allem Tulpen, Rosen und Nelken, aber auch Hyazinthen, Narzissen, Lilien, Jasmin, Veilchen, gelegentlich Phantasieblumen. Andere pflanzliche Formen fanden ebenfalls Verwendung, so Früchte (Granatapfel, Pinienzapfen), Bäume (Zypresse) sowie Blattranken und Girlanden, die aus den verschiedensten Blattformen (Weinblätter, Palmetten) bestanden. Das Metropolitan Museum of Art, (MET) in New York besitzt mit der Sammlung James F. Ballard einen türkischen Gebetsteppich aus dem späten 16. Jahrhundert, der bis heute nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Es werden DREI mögliche Manufakturen genannt: Kairo /oder Bursa / oder Istanbul.[3]
Siehe auch → Gebetsteppich und Smyrnateppich.
Im 18. Jahrhundert entstanden keine neuen Stile, aber gegen Ende des Jahrhunderts entwickelte sich der von der französischen Kunst sehr stark geprägte „türkische Barock“. Es entstanden Teppiche nach dem Vorbild von der Savonnerie und von Aubusson. Sultan Abdul Mecid I. (1839-1861) begann mit dem Bau des Dolmabahçe-Palast, dem „Palast der aufgeschütteten Gärten“. In dem sollte es „die feinsten Teppiche der Welt“ geben. 60 km von Istanbul entfernt, nahe der Stadt Izmit, gründete er 1844 die königliche Hofmanufaktur in Hereke. Hier versammelte er die besten Künstler und Knüpfmeister seines Reiches, um einzigartige, nie da gewesene Muster zu entwerfen und die „feinsten Teppiche“ der Welt zu knüpfen. Der Dolmabahce Palast und die darin befindlichen 4.454 m² Teppiche aus Hereke belegen die Kunstfertigkeit und das Können der Künstler und Handwerker der damaligen Zeit.
Die Mamluk-Sultanats-Werkstätten
Der Name Mamluken (oder Mamelucken) geht zurück auf Sklaven türkisch-kaukasischer Herkunft, die unter der Herrschaft der Aijubiden in Ägypten und Syrien Kriegsdienst leisteten, dort im 13. Jh. selbst die Macht ergriffen und diese bis zur osmanischen Eroberung Anfang des 16. Jahrhunderts verteidigten. Sie schufen ein Reich, das Ägypten, Palästina, Syrien und den Hedschas umfasste. Bis 1517 übten die Mamluken die Oberherrschaft über die Heiligen Städte Mekka und Medina aus. Die Mamluken verstanden sich als Streitmacht für den Islam.[16]
Unter den Mamluken erlebten Ägypten, Palästina und Syrien einen enormen wirtschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Aufschwung, der in erster Linie von den städtischen Zentren Kairo, Damaskus und Jerusalem ausging. Die Mamlukenhauptstadt Kairo wurde gefeiert als „Metropole des Universums“ und als „Garten der Welt“. Kairo war damals ein Anziehungspunkt für Intellektuelle, Gelehrte, Wissenschaftler, Handwerker und Händler. Die Buchkunst war auf einem hohen Niveau, wie die erhaltenen Korane zeigen. Hier sei noch ein Buch erwähnt, bekannt unter „Automata“, das 1315 von al-Jazari (al-Dschazarīal-Dschazarī) kopiert wurde, und 50 mechanische Apparaturen abbildet. (Die Handschrift befindet sich im Museum of Fine Arts, Boston.)
In Kairo, Damaskus und Jerusalem entstanden zahlreiche Märkte oder Handelszentren, die Karawansereien, auch bekannt unter den Namen Suq, Kahn und Wikala. Sie waren eine Anlaufstelle für Kaufleute und Karawanen aus fernen Ländern. Die internationale Vielfalt der in den Wikalas erhältlichen Waren – darunter Textilien, Metallarbeiten, Waffen, Einlegearbeiten, Glas- und Töpferwaren – inspirierte auch die Handwerker vor Ort. Durch umfangreiche Aufträge stimulierten die Mamluken die Produktion in ihren Sultanats-Werkstätten und bereicherten das Angebot auf den städtischen Basaren in ganz Ägypten und Syrien. Als Folge erreichte das Kunsthandwerk ein bis dahin unbekanntes Niveau hinsichtlich Qualität und künstlerischer Gestaltung.
Während ihrer gesamten Herrschaft unterhielten die Mamluken enge diplomatische Verbindungen zu den südeuropäischen Mächten Kastilien und Sizilien, zu den italienischen Republiken und zu Byzanz, ebenso wie zu den Mongolen und dem Fernen Osten. Die Verbindungen zwischen der venezianischen Oligarchie, Adel, Kaufleuten und dem Mamelukischen Königshaus und dessen Gefolge waren besonders stark. Der Doge von Venedig mit der längsten Regierungszeit (1423-57), Francesco Foscari, wurde in Ägypten geboren.
Die enge Verbindung zwischen Mamluken-Teppichen und Italien wurde 1983 durch die Entdeckung zweier großer Teppiche aus dem Besitz der Medici in den Depots des Palazzo Pitti in Florenz und eines ebenfalls überformatigen Mamluken-Teppichs in der Scuola di San Rocco in Venedig bestätigt. In der Sammlung des Florentiner Antiquitätenhändler Stefano Bardini (geb. 1836) gab es einen aus 17 Fragmenten zusammengesetzten, fast 10 Meter langen Teppich mit dem Wappen des mamlukischen Sultans Qa´it Bay (1468 bis 1496).[17]
Aus der Zeit der Mamlukenherrschaft sind Teppiche von besonderer Eigenart erhalten. Sie zeigen feinste filigranartige Musterungen in geometrischer Struktur, deren Hauptelement ein Zentralmedaillon ist, das aus einem Oktogon, einem Quadrat und einer Raute besteht, die übereinander gelagert sind, sodass der Eindruck eines achtzackigen Sterns entsteht. Die Farbpalette ist sehr sparsam, meist ein leuchtendes Rot, Grün, Hellblau mit etwas Gelb und Weiß. Ein wesentliches Merkmal dieser Teppiche war der fehlende Kontrast zwischen der Bordüre und dem Mittelfeldmuster. Erhaltene Dokumente belegen, dass zwischen dem 2. Viertel des 14. Jh. und dem 1. Viertel des 17. Jh. in Kairo Knüpfteppiche produziert und gehandelt wurden, darunter offenbar auch seidene. Das Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien besitzt „den einzigen auf der Welt noch erhaltenen seidenen Mamluken-Teppich“. [18]
Sultan Murad II. beorderte 1585 elf Teppichmeister von Kairo nach Istanbul und schärfte ihnen ausdrücklich ein, die erforderliche Wolle mitzubringen. [19]. Von diesem Zeitpunkt an streiten sich die Gelehrten, welche Teppiche in Kairo bzw. in Istanbul hergestellt wurden. Ein Osmanen-Teppich aus dem 17. Jahrh., der sog. „KAIRENER OSMANE“, befindet sich ebenfalls im MAK.[4] Bis zum Jahre 1939, als Kurt Erdmann die Bezeichnung „Mamluken-Teppiche“ prägte, nannte man diese Teppiche „Damaskus-Teppiche“, aber auch Mossul und sogar Bagdad wurden schon als Knüpfort genannt.
Die safawidischen Hofmanufakturen
Mit dem Zerfall des Kalifates im 13. Jh. unter dem Ansturm von Mongolen geriet Persien bis ins 15. Jh. unter die Herrschaft mongolischer Ilkaniden. Diese setzte sich von 1405 unter den Timuriden (Nachfolger des Mongolen Timur Leng) fort. Mit deren Zusammenbruch übernahm die Dynastie der Safawiden die Macht und einte Persien zu einem schiitisch-moslemischen Staat
Im 16. Jahrhundert wurden Teppiche bereits in staatlichen Manufakturen geknüpft. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten signierten und datierten Teppiche, was den Schluss zulässt, dass die nunmehr als Kunstwerke angesehen wurden. Dafür waren sorgfältige Entwurfszeichnungen für die Arbeiten in den höfischen Manufakturen erforderlich. (Ardebil-Teppich 1539/1540). Ein Jagdteppich zeigt Jäger, die mit wilden Löwen, Hirschen und anderen Tieren kämpfen, sie tragen die typischen Turbane der frühsafawidischen Zeit, bei denen der Stoff um einen roten Stab geschlungen wurde. Die Inschrift nennt Ghiyath ad-Din Djami als denjenigen, der diesen Teppich im Jahr 949 der Hedschra (1542/43) gemacht bzw. entworfen hat.[5] Es ist zu vermuten, dass dieser Teppich unter dem kaiserlichen Thron des regierenden Schah Tahmasps ausgelegt werden sollte. Er befindet sich im Museo Poldi Pezzoli in Mailand. Das hohe Niveau der Vorlagen geht wohl auf die Buchmalerei zurück. Bihzad (ca. 1455-1535) und seine Schule waren in Herat tätig. Sein Schüler Sultan-Mohammad (ca. 1505-1550) wird auch mit dem Wiener Jagdteppich in Verbindung gebracht, der Anfang des 16. Jh. in Keschan hergestellt wurde. Shah Tahmasp (1524-1576) schenkte dem Osmanischen Sultan Selim II einen Teppich als dieser nach dem Tod von Süleyman 1566 den Thron bestieg.[20]
Seine Blütezeit erreichte der Perserteppich unter Schah Abbas I. auch Schah Abbas der Grosse genannt, der von 1588 bis 1629 regierte. Abbas I. erneuerte im Krieg zwischen den Osmanen und den Usbeken das persische Reich, indem er die Usbeken bei Herat besiegte und sie aus Khorasan vertrieb. 1598 verlegte er seine Hauptstadt von Qazvin nach Isfahan, wo er viele berühmte Bauwerke errichten ließ. Damit beginnt auch die Hochzeit der persischen Teppichkunst. Schah Abbas I. erhebt das Teppichknüpfen zur Hofkunst und richtet kaiserliche Manufakturen ein, die von hochrangigen Beamten geführt werden. Um eine hohe Kunstfertigkeit schon bei den Knüpfvorlagen zu erreichen, werden die Mustergestalter von Malern und Miniaturisten der berühmten Schulen von Herat und Täbriz ausgebildet. Die Muster wurden auf Millimeterpapier gezeichnet und auf den Teppich übertragen. Dieser „Karton“ diente als Knüpfvorlage. Ein Knüpfmeister (pers.Ustad) überwachte die Ausführung der Arbeit Da immer feinere Teppiche geknüpft wurden und um auch die kleinsten Details darstellen zu können, erhöhten die Knüpfer die Knotenzahl auf über eine Million Knoten pro Quadratmeter. Um diese Feinheit zu erreichen, verwenden die Knüpfmeister dafür Seide, und benutzten sogar Gold- und Silberfäden. Um die Fortschritte der Arbeit an den Teppichen in seinen Ateliers beobachten zu können, waren diese vom kaiserlichen Palast aus direkt zu erreichen. Das bezeugt den hohen Stellenwert, den die Teppichkunst unter den Safawiden innehatte.
Schah Abbas I. machte das Seidengeschäft zum Staatsmonopol und ließ den Hof nun direkt mit den auf Seidenhandel spezialisierten Armeniern handeln. Dafür hatte er Armenier von Djulfa am Araxes (Aserbaidschan) nach Neu-Djolfa umgesiedelt, einer neu errichteten Vorstadt im Süden Isfahans. So kamen auch diese mit der Zeit zu Wohlstand. Die Seidenstrasse, die durch den nördlichen Iran nach Indien führte, wurde im 16. Jahrhundert als Handelsroute wieder belebt. Abbas I. förderte direkt den Handel mit Europa, besonders mit England und den Niederlanden, die persische Teppiche, Seide und Textilien suchten.
Iran war unter Schah Abbas ein kosmopolitischer Staat. Der Herrscher war tolerant gegenüber Europäern und lud sie ein, sein Land zu besuchen. Besonders wurde seine Hauptstadt Isfahan ein kultureller Kreuzweg, wo sich europäische und indische Händler, Reisende und Abenteurer mit den vielen Rangstufen der safawidischen Hofgesellschaft vermischten. Schah Abbas sah die Herrscher des christlichen Europas als potentielle Verbündete gegen seine Feinde, die Osmanen, an. Sie wurden auch Handelspartner, indem Luxusgüter wie z. B. Seide und Teppiche gegen Gold und Silber getauscht wurden, das in Persien gefragt und in Europa - aufgrund der Eroberung Südamerikas – in Fülle vorhanden war.[21]
Die sog. „Polenteppiche“ (auch Schah-Abbas-Teppiche genannt) wurden unter Verwendung von Gold- und Silberfäden in Zentralpersien, wahrscheinlich Keschan (Kaschan) hergestellt. Diese „diplomatischen“ Teppiche dienten als repräsentative Geschenke von Schah Abbas I. an die bedeutendsten europäischen Fürstenhöfe. Die Herstellungszeit reichte vom Ende des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. [22] Spanien ließ sich an seinem Hof durch Ordensgeistliche vertreten, und Jakob I. von England schickte Sir Dodmore Connton nach Isfahan. König Sigismund von Polen sandte Händler nach Persien, um Teppiche zu kaufen und König Ludwig XIV entsandte französische Weber nach Persien, um die dortige Knüpfkunst zu erlernen. Abbas war unstreitig der hervorragendste Monarch auf dem Thron Persiens in der Neuzeit.
Im Museo San Marco sind fünf Teppiche ausgestellt. Online wird nicht erwähnt, welcher der Dogen sie erwarb oder als Geschenk erhielt. Sie sind alle aus Seide geknüpft und mit Gold- und Silberfäden broschiert und werden als einige der frühesten Stücke dieser Art angesehen, die in Isfahan Ende des 16. Jh. hergestellt wurden. Die Hofwerkstätten stellten diese Teppiche sowohl für den Hof her als auch für diplomatische Geschenke an Herrscher und die Mächtigen in Europa.[23]
Die kaiserlichen Mogul-Werkstätten
Wer das heutige Indien sieht, kann sich kaum vorstellen, dass es vor rund 150 Jahren noch ein islamischer Staat gewesen ist. Das Mogulreich existierte von 1526 bis 1858. Das Kernland des Reiches lag im Norden, in der Indus-Ganges-Ebene um die Städte Delhi, Agra und Lahore. Staatssprache war Persisch. Die Herrscher wurden als Mogul, Großmogul oder Mogulkaiser tituliert. Als bedeutendster Mogulherrscher gilt Akbar. In den 49 Jahren seiner Regierung (von 1556 bis 1605) festigte er das Reich. Siehe auch: → Mogulreich
Die indischen Teppichwerkstätten erlebten ihre Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert, etwa zur gleichen Zeit wie die Manufakturen der Safawiden. Die Mogul-Schulen der Buchmalerei, die stark von Persien beeinflusst waren, lieferten die Motive. Es heißt, dass Akbar nicht nur persische Teppiche importierte, sondern auch Knüpfmeister von Schah Abbas erbeten habe, um Manufakturen in Agra und Fatehpur Sikri, den beiden Hauptstädten seines Reiches, sowie in Lahore, dem heutigen Pakistan, zu errichten. Da alle Herrscher die Jagd liebten, so zeigen auch die ersten Teppiche der Mogul-Dynastie Jagdszenen.
Diese erste Phase der der Moghulteppichkunst von 1580 bis 1630 schließt auch die Herrschaft seines Sohnes Nur-du-Din Dschahangir (reg.1605- 27) mit ein. Dschalangirs große Leidenschaft war die Botanik. Unter seiner Herrschaft gingen alle Kunstgattungen zu floralen Mustern über. Die Blüten wurden mit einem derartigen Naturalismus und Artenreichtum dargestellt, dass man sie mit westlichen Herbarien vergleichen kann.
Ein sehr berühmtes Beispiel für einen Mogulteppich der ersten Periode ist der Bildteppich mit Landschaft und Vogelpaaren aus dem Museum für angewandte Kunst in Wien. Dieser Bildteppich stammt sehr wahrscheinlich aus Lahore im Norden (im heutigen Pakistan) und ist um 1600 datiert.[6]
Bevor sich unter Schah Jahan der Moghul-Stil auch im Teppich durchsetzte, gab es die relativ große Gruppe der Spiralranken-Teppiche mit Tier- und Blumenmotiven, deren persischer Einfluss unübersehbar ist und die überwiegend der Regierungszeit Jahangirs zuzuordnen sind. Insgesamt gilt die Epoche Jahangirs als Blütezeit der Mogulmalerei. Aus jener Zeit sind viele Namen berühmter Künstler überliefert, darunter Abu al-Hasan, Ustad Mansur, Bichitr und Bishandas.
1627 eroberte Shah Jahan (auch Gahan) den Thron. Er gilt als glanzvollster Mogulherrscher. Unter seiner Herrschaft erreichte die Hofhaltung den Höhepunkt ihrer Prachtentfaltung, und die Architektur im indisch-islamischen Mischstil gelangte zu höchster Blüte. Sein bekanntestes Bauwerk ist das Taj Mahal in Agra.
Bei den floralen Mustern waren Chrysanthemen, Mohnpflanzen, Glockenblumen, Rosen und Dahlien besonders beliebt. Unter den dargestellten Tieren Indiens dominieren vor allem der Tiger, der Gepard das Nashorn und der Elefant. Figürliche Darstellungen geben Episoden aus indischen Epen und häufiger noch Jagdszenen wieder. Gestalten werden meistens auch in Bewegung dargestellt. Die Zeichnungen sind im Allgemeinen asymmetrisch über das Feld verteilt und wenden sich vom strengen persischen Kompositionsschema ab. Der Fond ist nicht ganz von Zeichnungen ausgefüllt. Arabesken fehlen gänzlich. Es herrscht ein Gleichgewicht zwischen Leere und Zeichnung. Der Fond soll durch seine besondere Farbe wirken. Typisch indisch ist das Lackrot, das aus der Lackschildlaus gewonnen wurde. Die Zeichnungen erscheinen in Hellgelb, Senfgelb, Hellrot, Rosa, Hellblau, Nachtblau, Hellgrün, Smaragdgrün, Orange, Schwarz und Braun. Die indischen Färber waren große Meister und konnten durch mehrere Färbebäder hintereinander ausgesprochen intensive Farben erreichen. Bemerkenswert ist auch, wie die Farben nebeneinander gesetzt wurden, nämlich ohne andersfarbige Umrisse.
Die feinsten und schönsten Teppiche wurden nicht mit Seide geknüpft sondern mit "pashmina", mit Kaschmir-Wolle. Dabei bezeichnet "Kaschmir" nur den Handelsort. Tatsächlich ist Paschmina die feine Unterwolle einer Himalaya Ziege aus Westtibet. Diese extrem feine Wolle ermöglicht Knüpfdichten von kaum vorstellbaren 3 Millionen Knoten pro m² auf Seidenstruktur. Der Knüpfteppich war also von Anfang an ein ausschließlich höfisches Kunstprodukt.
Daniel Walker, Kurator der Islamischen Abteilung des MMA in New York, stellte im Katalog 1998 zu seiner Ausstellung „Flower Underfoot“ die 3 Thesen auf:
- Erstens
Zu dieser Gruppe gehören die technisch vollendetsten Teppiche, die je gemacht wurden
- Zweitens
Indische Knüpfer vermochten es besser als alle anderen, mit dem Knüpfmaterial gleichsam zu malen;
- Drittens
Der naturalistisch und zugleich formalisierte Blumenstil unter Schah Jahan, der Moghul-Stil schlechthin, ist ein genuiner stilistischer Beitrag zur Teppichkunst“[24]
In Europa gibt es nur einen einzigen indischen Teppich, dessen Geschichte und Daten genau bekannt sind. Es ist der Teppich der Gürtelmacher-Zunft, einer in London seit 1449 bis heute existierenden Handwerks-Gilde. Robert Bell, Meister dieser Gilde und Direktor der Ostindischen Kompagnie gab diesen Teppich als Tischteppich 1630 in Lahore in Auftrag. Er wurde dort geknüpft, 1634 nach London geliefert und hat seither die "Girdlers Hall", für Ausstellungen erst zweimal verlassen.
Weitere Regionen und Provenienzen
Im Teppichhandel hat sich der aus dem Wirtschaftsleben gebräuchliche Begriff „Provenienz“ für die Bezeichnung der Herkunft eines Teppichs durchgesetzt. Der Orts- oder Landschaftsname des Orientteppichs ist die Herkunftsbezeichnung, seine Provenienz, diese ist zugleich auch Qualitätsbezeichnung, das „made in“. Jeder Ort und jedes Gebiet hat eine eigene Tradition in Gestaltung und Qualität. Zum Teil beziehen sich die Bezeichnungen aber auf reine Handelsplätze. Man schätzt, dass es mehr als 10.000 Orte gibt, an denen Teppiche geknüpft werden.[25]
Kaukasus
Der Kaukasus ist ein Gebiet mit wechselvoller Geschichte und uneinheitlicher Besiedelung. In der stark zerklüfteten Landschaft des großen Kaukasus, sowie in Nord-Kaukasien und dem südlichen Transkaukasien, haben sich einzelne Stämme angesiedelt und, zum Teil bis heute, ihre Unabhängigkeit bewahrt. Obwohl sie im Laufe der Zeit erst dem assyrischen, später dem georgischen und dem armenischen Reich angegliedert waren und schließlich einzelne Teilrepubliken der ehemaligen UdSSR wurden, haben sie ihre eigene Kultur immer gepflegt. Hier leben Azerbaidjaren, Armenier, Georgier, Mongolen, Kurden und Krimtataren. Gesprochen wird Russisch und viele eigene Stammessprachen und Dialekte.
Die ältesten erhaltenen Teppiche gehören in das 17. bis 18. Jahrhundert, in denen zwei besondere Teppichtypen entstanden. Sie wurden in beträchtlicher Größe in spezialisierten Manufakturen für reiche Auftraggeber hergestellt.
Die Drachenteppiche
Wie schon der Name verrät, sind im Feld der Drachenteppiche diese Tiere in regelmäßiger Abfolge und mehr oder minder stark stilisierter Form vorhanden. Sie zeigen einen gitterartigen Aufbau, dessen Grundstruktur von länglichen, schmalen stilisierten Blättern gebildet wird, die große rhombenförmige Felder abgrenzen. Im Inneren dieser Felder befinden sich die stilisierten S-förmigen Drachen, sowie weitere Fabeltiere. Die Farben des Fonds sind im allgemeinen Rot, Schwarz oder Blau, während die Drachen und die übrigen Schmuckelemente in Elfenbein, Gelb oder Grün gehalten sind. Sowohl die Herkunft als auch die Datierung sind umstritten. Früher schrieb man sie eher Armenien oder der Umgebung von Kuba zu, während man heute zum Gebiet von Karabach im südlichen Teil des Kaukasus neigt, wo auch später sehr viele Teppichtypen entstanden. Die beiden Drachenteppiche im Philadelphia Museum of Art weisen einmal aus a) wahrscheinlich hergestellt „in Shusha, Caucasus, Karabagh province“[26] und b) wahrscheinlich hergestellt in Kurdistan[27]. Dies ist der einzig bekannte Drachenteppich, der mit dem persischen Knoten geknüpft ist. Das Metropolitan Museum of Art schreibt seinen Drachenteppich Kuba im Kaukasus zu.[28] Auf diesem Ausschnitt sind die Drachen gut zu erkennen.
Die Blütenteppiche
Die älteste Komposition des Blütenteppichs zeigt dasselbe Gittermuster wie die Drachenteppiche, ersetzt dabei aber diese mythischen Tiere durch stilisierte Palmetten und kreuzförmige, unterschiedlich ausgebildete kleine Medaillons. Im 18. Jahrhundert verschwindet das Gittermuster und die Medaillons vergrößern sich und nehmen eine Strahlenform an. Sie ordnen sich senkrecht in der Längsachse an. Danach verwendet man im ganzen Feld winzige geometrische Motive, die einen floralen Ursprung haben und untereinander durch Stiele und Arabesken verbunden sind. Persische Vorbilder aus Herat oder Isfahan sind darin zu erkennen sowie Afschan- oder Kharschang-Motive. Als Entstehungsort gibt man heute den Südkaukasus im weiteren Sinne an.
Als die Russen dieses Gebiet zu Beginn des 19. Jahrhunderts übernahmen, verschwand der kaukasische Adel und die Produktion großer höfischer Teppiche. Die großen Manufakturen schlossen und die weniger reiche Produktion in den kleinen Dörfern erlebte eine Wiederbelebung. Der kaukasische Teppich ist mit der Wiederentdeckung der eigenen Wurzeln im 19. Jahrhundert entstanden dies ist auch seine Blütezeit. Aus dieser Zeit stammen die meisten heute in Museumsbesitz befindlichen kaukasischen Teppiche.
m Kauskasus knüpfen die Turkmenen im Osten und die Aserbaidschaner im Westen. Ostanatolien und Armenien sind die westlichen Ausläufer des Gebietes. Im Süden reicht es bis Azeri-Persien, im Osten werden die Usbeken geknüpft, dieses Gebiet reicht bis nach China hinein.
Einige berühmte Namen aus dem westlichen Kaukasus sind
- Schirwan. Dazu gehören die Knüpforte Kuba,
- der Ordutsch Konakgent.
- Der Perepedil mit seinen Widderhörnern und dem einfachen weißen Shirazi.
- Der Akstafa mit den sagenhaften Vögeln mit überlangen Schwanzfedern.
- Der Surahani in Läuferformat.
- Die Kasaken.
- Der Lori Pampak und der Fachralo mit den unverwechselbaren Medaillons.
- Der Adlerkasak Tschelaberd, eindeutig der bekannteste Kaukase.
- Der sog. Wolkenband-Kasak (Karabach-Chondsoresk) mit den geschwungenen Wolkenbändern.
- Der Armenier und seine Rosenbouquets.
- Der Schildkasak wirkt archaisch und kriegerisch. Meist haben diese Stücke einen doppelten bis dreifachen braunen Shirazi.
Afghanen und Turkmenen
Afghanistan ist als großes Teppichknüpfland besonders durch seine gleichnamigen Teppiche bekannt geworden. Für diese Orientteppiche ist eine tiefrote bis hin zu braun tendierende Grundfarbe typisch. Die Muster, oft dunkelblau und schwarz, sind streng geometrisch geordnet und zeigen Oktogone und wechselnde Füllmotive und vielfach gegliederte Bordüren. Einsatz kräftiger, derber Wolle als Knüpfmaterial für den Flor, in Kette und Schuss z.T. Ziegenhaar, bei neueren Stücken aus Manufakturen auch gelegentlich Baumwolle.
Afghanistan kann als der Prototyp eines Durchgangslandes gelten. Seit frühgeschichtlicher Zeit kreuzen sich hier die Wege der Völkerwanderungen, Eroberer, Händler und Missionare der unterschiedlichsten Religionen.
Die Eroberung durch die Araber begann im 7. Jahrhundert. Kabul und der Osten wurden im 10. Jahrhundert islamisiert, 977-1187 war Afghanistan Kern des Reiches der turkstämmigen Ghasnawiden, denen die kurzlebige Dynastie der Ghuriden folgte. Im 13. Jahrhundert fielen die Mongolen in Afghanistan ein und im 14. Jahrhundert die Eroberung durch Timur Leng. Im 16. und 17. Jahrhundert war es zwischen Persien und dem indischen Mogulreich geteilt. Anfang des 18. Jahrhunderts erhoben sich afghanische Stämme gegen die Safawiden. 1747 übernahm Ahmed Schah Durrani (1747-73) das unabhängige afghanische Emirat und begründet damit die afghanische nationale Geschichte. Die Durrani-Dynastie blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein an der Macht. Von Kandahar aus, später von Kabul, bildete das Emirat bis 1810 ein einheitliches Staatsgebilde. Dann zerfiel es mit dem Tod von Mahmud Schah in einzelne Khanate. Bereits im späten 18. Jahrhundert hatten sich Belutschistan und Sind selbstständig gemacht und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen Kaschmir und das Pandschab verloren. Im Gefolge der Expansionspolitik Russlands und Großbritanniens im 19. Jh. und den damit einhergehenden Grenzfestlegungen wurden einzelne ethnische Gruppen (Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen u. a.) von ihren angestammten, meist grenzüberschreitenden Siedlungsgebieten, zertrennt (Aufteilung der Völker auf verschiedene Staaten). Aman Ullah (1919-29, seit 1926 König) erreichte mit dem Vertrag von Rawalpindi (1919) die staatliche Unabhängigkeit Afghanistans.
Größte Stadt ist die 3.500 Jahre alte Hauptstadt Kabul. Zweitgrößte Stadt des Landes ist Kandahar im Süden Afghanistans, gefolgt von Alexander dem Großen gegründete Herat im Nordwesten sowie Mazar-e Sharif in Nord-Afghanistan und mit dem Grab des vierten Kalifen Ali ein Wallfahrtsort ist. Sie ist die prunkvollste Grab-Moschee Afghanistans aus dem späten 15. Jahrhundert.
Aus der Stadt Herat im heutigen Afghanistan (früher in Persien) stammt das Herati-Muster, in Persien wird es Mahi-Muster genannt. Es wird in den neueren persischen „Bidjar“, „Täbriz“ und „Mud“ geknüpft. Es ist eine Anordnung von Rauten in Kombination mit stilisierten Blüten in gleichmäßigem Rapport. Durch Wanderung und Deportation der Knüpfnomaden aus dieser Region in den nordpersischen, kaukasischen und türkischen Raum ist diese Art Teppich aus Afghanistan nicht mehr anzutreffen.
Alle turkmenischen Teppiche werden im Norden des Landes zwischen Maimanah im Westen und Kunduz im Osten gewoben. Die meisten Turkmenen in Afghanistan gehören zum Ersari Stamm, einer großen ethnischen Gruppe, unterteilt in Clans, von denen viele ihre eigenen individuellen Teppich Motive und Designs, deren Herkunft und symbolischen Bedeutungen nicht immer klar sind. Die beiden bekanntesten Muster sind der "fil-poi" oder „Elefanten-Fuß“, einem großen achteckigen GÜL und die kleineren Tekke gul oder "Buchara-Muster", wie sie jetzt im Handel genannt werden, und in diesen Motiven gibt es eine große Vielfalt. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl verschiedener Ersari Muster. Andere Turkmenen in Afghanistan, die Teppiche weben sind die Tekke, Yamoud und Sarouq, die alle ihre besondere Webart und Muster besitzen. Die Teppiche der Turkmenen im Norden Afghanistans sind - wie der Afghane - überwiegend rot und rotbraun. Geknüpft wird mit Schafwolle in der Kette, der Schuss ist meist Ziegenhaar. Baumwolle wird in der Region kaum angebaut und ist somit traditionell kein Grundstoff zum Knüpfen. Die Musterung ist eine breit angelegte mehrfache Bordüre. Zehn bis zwanzig kleinere Bordüren werden zu einer großen zusammengeführt, im Hauptfeld liegt das typische „Göl“. Das ist eine Rosette, rund oder eckig oder als Stern angelegt, mitunter ist sie mehrfach unterteilt. Die Größe des Göl unterscheidet sich nach dem Knüpfer, dem Stamm und der Region. Die Zahl der Göls kann bei Dowlatabad-Teppichen mit einer Größe von sechs Quadratmetern an die Hundert betragen, bei Antkois sind es meist 20, bei Brückenformaten sind es nur zwei bis drei.
Der „Buchara“ ist ein aus Turkmenistan stammender Teppich und ähnlich wie der typische Afghane auf Wollkette geknüpft. Auch in der Musterung ist er ähnlich, die Farbe rot bis braun. Durch die Verwendung von weicher Erstschurwolle aus guten Gebieten ist der Buchara edler und seidiger. Bis heute werden diese Teppiche in dieser Region geknüpft, wegen des teureren Ausgangsmaterials allerdings selten. Jomuden und Tekke sind alte und antike Sammlerstücke aus dieser Gegend und teuer.
Während des sowjetisch-afghanischen Krieges hatte zwischen einer und anderthalb Millionen Tote gegeben und fünf Millionen Menschen waren wegen des Krieges aus dem Land geflohen. Viele gingen nach Pakistan, wo die einzig-mögliche Tätigkeit das Teppichknüpfen war. Der einzige Unterschied zu Teppichen vor der Flucht ist die Wolle. Teppiche aus den Flüchtlingslagern sind aus maschinell gesponnener Wolle aus Australien oder Neuseeland.
Seit dem Krieg mit der Sowjetunion bilden Panzer, Helikopter, Jagdbomber, Raketen, Kanonen, Eierhandgranaten, Pistolen, Maschinengewehre und als herausgehobenes Symbol des Widerstandes die Kalaschnikow das neue Hauptmotiv der Teppiche, die sogenannten "war rugs". [29] Mit den amerikanisch-britischen Bombenangriffen vom 7. Oktober 2001 und der seitdem andauernden Besetzung des Landes etablierte sich eine neue Generation der Kriegsteppiche – jetzt mit amerikanischem Kriegsgerät oder dem Angriff auf das Word Trade Center vom 11. September 2001.
Iran
Perserteppiche gibt es im gesamten Iran, dem Knüpfland schlechthin. Knüpfzentren in Persien sind die zentralpersischen Städte: Ghom, Isfahan, Kaschan, Nain und Saruk. Diese Städte liegen nah beieinander und Knüpfmuster und Knüpfarten unterscheiden sich kaum. Als Material kommt vorwiegend Schurwolle auf Baumwollkette geknüpft in einer Feinheit von 90.000 bis 2.000.000 Knoten pro m² vor. Das Muster ist meist floral, mehrere Hauptblüten mit Ranken und kleineren Blüten. Im Fond befindet sich ein rund oder barock in die Länge gezogenes Hauptmedaillon. Die Bordüre ist meist ähnlich der Hauptmusterung floral mit Blüten, Ranken, Palmetten. In den Winkeln bilden sich Eckbordüren, die in der Farbe und Musterung das Medaillon wiedergeben. Hauptfarben sind Rot, Blau und Beige, Grün ist selten. Das mag heute daran liegen, dass die Kunden der Industrieländer keine Grün-Käufer sind, keinesfalls wird auf Grün verzichtet, da es die Farbe des Propheten ist.
In Täbriz im Norden werden ähnliche Teppiche hergestellt, meist überladen mit Blüten und Ranken. Feine Exemplare auf Seide, mit Seide und auch komplett aus Seide sind auch hier werden hergestellt sind aber selten zu finden. Lediglich in Nain werden Echt-Seide-Teppich nicht gefertigt. Das könnte darauf beruhen, dass der Nain-Teppich erst um 1950 aufkam und nicht mit dem Isfahan in unmittelbarer Nähe konkurrieren sollte.
In Bidjar, Täbriz, Mood, auch Veramin und Hosseinabad werden Teppiche mit typischen Herati-Mahi-Motiven geknüpft, die in Europa sehr beliebt ist. Bis in die 1980er Jahre war der Mir-Teppich mit seinen kleinen Palmetten im Rapport der beliebteste deutsche Teppich, heute scheint es der Bidjar zu sein. Dieser ist durchgemustert, pflegeleicht und Flecken sind weniger zu sehen. So ist ein reiches Angebot von Bidjar in verschiedenen Feinheiten entstanden, die groben stammen aus Sanandadsch und werden als „Senneh“ bezeichnet. Anders als heute waren die Bidjar Teppiche im 19. Jahrhundert sehr dick. Die heutige Teppichkundschaft verzichtete seit Anfang der 1990er auf barocke Teppiche mit wulstigen orientalischen Mustern, wie dies in den 1960er und 1970er Jahren modern war. Der Trend geht zum Urbanen, Ursprünglichen. Helle Kiefermöbel aus Schweden brauchen einen Teppich, der auch kindgerecht ist, nicht zu laut, aber auch ein wenig „bohemisierend“, intellektuell, es wurde der sogenannte „Pädagogenteppich“ entwickelt.
Im Süden Persiens produzieren die Knüpfer des Gashgai-Gabbeh-Gebietes unifarbene Gabbehs mit wenig Ornamentik. Mitunter wurde ein stilisiertes Männchen oder ein Esel als Motiv aufgenommen. Die Dicke im Flor beträgt bis zu drei Zentimeter. Die Wolle ist gut und strapazierfähig. Der ursprüngliche Charakter des Gabbehs hat sich verändert und dies in weniger als einer Generation. Aus dem geometrischen Teppich mit vorwiegend wollweißer fast ungefärbter Wolle wurde ein farbintensives Konsumprodukt.
Türkei
In Anatolien mit seinen aus Mitgliedern der Turk-Völker, Kurden und Armeniern besiedelten Dörfern werden ähnlich dem Azerbaidschan-Teppich auf Wolle geknüpfte Dorfteppiche gefertigt. Der Ursprung der Teppich-Knüpfung ist wohl der zentralasiatische Raum. Im Zuge der Wanderung der Turkvölker gelangte die Knüpfkunst bis in den Mittelmeerraum. In den Städten wie Istanbul oder Kayseri und Hereke werden hingegen nur sogenannte „Stadtteppiche“ für den Export produziert. Hier wird Konfektionsware für den Export geknüpft. Meist wird Wolle auf Baumwolle geknüpft, die Muster sind persisch ohne festen Gebietsbezug. Hervorzuheben sind einzig die überragenden Reinseiden-Teppiche aus Hereke. Mit einer Knotenfeinheit von mindestens 1.000.000 Knoten pro Quadratmeter sind sie mit die teuersten Teppiche und Brücken der Welt.
Der Aufbau der Nomaden- oder Dorf-Knüpfungen ist prinzipiell den meisten kaukasischen Knüpfungen gleich, wie beim Karabach, dem Aserbaidschan und dem Kasak. Der Schurwoll-Flor liegt auf Woll- oder Ziegenkette mit Wollschuss. Die Musterung ist archaisch und geometrisch, bisweilen floral mit barockem Medaillon, häufig sind es Gebetsteppiche. Yagcebidir und Dösemealti, Bergama und Uschak, Milas und Kars sind Gegenden mit ursprünglichem Knüpfcharakter. Antike Stücke sind genauso selten und wertvoll wie die Kasaks.
Die Feinheit der Seidenteppiche wird nach Knoten pro Quadratzentimeter definiert. Feine Ware beginnt ab 12x12 Knoten pro Quadratzentimeter. Sammlerstücke haben oft 15x15, also 2,25 Millionen Knoten pro Quadratmeter. Feinere und teurere Teppiche haben 20x20, das sind vier Millionen Knoten pro Quadratmeter. Einzelne Stücke gehen noch darüber hinaus. Pro Tag schafft die Knüpferin eines Seidenteppichs selten mehr als 3.000 Knoten, wobei die Anzahl der Farben und das Muster diese Zahl noch verringert.
Kinderarbeit in der Teppichherstellung
Anfang der 90er Jahre wurden in Indien, Nepal und Pakistan viele Fälle von Kinderarbeit in der Teppichproduktion bekannt, die dann auch durch die Medien in den Konsumentenländern gingen. Forderungen nach Bekämpfung dieser Kinderarbeit wurden laut, es kam zu Protesten und dem Ruf nach Boykotten. Kinderarbeit ist fast auf der ganzen Welt verboten. Die meisten der 180 angeschlossenen Staaten haben die Konvention (Nr. 138) der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) unterzeichnet. UN-Kinderrechtskonvention von 1989 [30]
Hier ist die Realität: 29 Millionen der 5- bis 14- Jährigen leisten Kinderarbeit in Indien, das entspricht 12 Prozent der Altersgruppe. [31] Die Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) schätzt, dass rund 250.000 Kinder in Nepal, Indien und Pakistan als Knüpfer arbeiten.
Zum Beispiel verbietet der indische “Child Labour Act” von 1986 Kinderarbeit, klammert aber andererseits die “Mithilfe im eigenen Haushalt” ausdrücklich aus. Es handelt sich also nicht um Kinderarbeit, wenn ein Kind seinen Eltern in der Küche, auf dem Feld oder am Knüpfstuhl hilft. Übervölkerung, Armut und fehlende Sozialgesetzgebung machen Kinderarbeit zu einer bitteren Notwendigkeit. Dennoch kann zwischen “legaler” und “illegaler” Kinderarbeit unterschieden werden. Wenn Kinder für einen Hungerlohn oder ganz ohne Bezahlung, zwölf bis 16 Stunden am Tag schuften oder hochverschuldete Eltern ihre Kinder den Geldverleihern überlassen müssen, die diese dann wiederum in Knüpfereien arbeiten lassen, so kann niemand die Augen vor diesem Unrecht verschließen. [32]
Teppichhandel gegen Kinderarbeit
Der Orientteppich-Fachhandel hat diese Problematik erkannt und eigene Signets hervorgebracht, unter denen Teppiche mit sozialverträglichen Herstellungsmethoden verkauft werden. Die Teppichimporteure in Europa (EUCA) gründeten 1995 in Hamburg die Organisation CARE & FAIR[7] mit 348 Mitgliedern, um die Situation der Knüpfer und ihrer Familien zu verbessern. Seit der Gründung von CARE & FAIR wurden etwa 950.000 Menschen aus Knüpferfamilien in sieben Medizinprojekten in Indien und vier Medizinprojekten in Nepal kostenlos betreut. In eigenen und den unterstützten vierzehn Schulen in Indien, sechs Schulen in Nepal sowie einer Schule in Pakistan erhielten in den vergangenen zehn Jahren nahezu 65.000 Kinder eine kostenlose Schulausbildung.
Ebenso ist RugMark International (RMI)[8] eine globale, nicht kommerzielle Organisation, die 1995 auf Initiative von Nichtregierungsorganisationen (NGGO's) und der Teppichindustrie gegründet wurde. Mitglieder sind die RugMark Foundations in Nepal, Großbritannien, USA und Kanada sowie TransFair Deutschland. RMI ist ein gemeinnütziger Verein. Im Vorstand sind alle Produzenten- und Importländer vertreten. Nach eigenen Angaben wurden seit Gründung mehr als 3600 Kinder von der Arbeit an den Webstühlen befreit.
Einen gemeinsam unterzeichneten Brief veröffentlichten CARE & FAIR und Rugmark im August 1999. Darin wurde der Einzelhandel zum Handeln aufgefordert. 836 Teppichhandelsfirmen wurden daran erinnert, dass sie sich bisher keiner der beiden Organisationen angeschlossen hatten.
Teppiche mit dem Signet “Care & Fair” oder “Goodweave (Rugmark)” sind das Siegel für zertifizierte Teppiche ohne ausbeuterische Kinderarbeit.
Hinweis bei Nachknüpfungen aus Indien oder Pakistan
- Damit der Laie Nachknüpfungen aus Indien oder Pakistan vom Original Orientteppich unterscheiden kann, muss nach EU-Recht für solche Stücke grundsätzlich die Zusatzbezeichnung „Indo“ zugefügt sein und die Angabe des Ursprungslandes etikettiert werden.[33]
Literatur
- A. Naci Eren: Die handgewebten türkischen Teppiche. ISBN 975-7487-25-2
- P.R.J. Ford: Der Orientteppich und seine Muster. Aus dem Englischen von Leonore Schwartz. Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1995, ISBN 3-89350-740-X.
- Robert de Calatchi: Orientteppiche. Aus dem Französischen von Erika Fackiner. Verlag Georg D.W. Callwey, München 2. Auflage 1979, ISBN 3-7667-0489-3.
- Essie Sakhai: Die Geschichte des Orientteppichs. Aus dem Englischen von Volker Scheunert. Karl Müller Verlag, Erlangen 1994, ISBN 3-86070-131-2.
- Enza Milanesi: Teppiche. Aus dem Italienischen von Dr. Marcus Würmli. Mosaik-Verlag, München 1994, ISBN 3-576-10354-6.
- Angela Völker: Die orientalischen Knöpfteppiche im MAK. MAK Wien und Böhlau Verlag Ges., Wien, 2001, ISBN 3-205-99391-8
- Kurt Erdmann. Der orientalische Knüpfteppich. Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 2. Auflage 1960
- Mark C. Whiting: Die Farbstoffe in frühen Orientteppichen, Chemie in unserer Zeit, 15. Jahrg. 1981, Nr. 6, S. 179-189, ISSN 0009-2851
Siehe auch
- In der Ausstellung "Alte Orientteppiche, ausgewählte Stücke deutscher Privatsammlungen" im Völkerkundemuseum in München wurden 1985 acht der insgesamt zwanzig Exemplare der Purrmann-Sammlung gezeigt (Katalog herausgegeben von Martin Volkmann, München 1985). Die gegebenen Beschreibungen zu der kompletten Folge aller 20 Stücke enthalten die Ergebnisse der Arbeiten von Christine Klose aus neuerer Zeit. Die auf der Seite gezeigten Teppich-Fragmente umfassen die großen Orientteppich-Länder.
- Die Sammlung orientalischer Teppiche mit Schwerpunkt Klassische Teppiche des 16. und 17. Jahrhundert im MAK gehört zu den wertvollsten und berühmtesten der Welt. Der seidene Jagdteppich aus Kaschan oder der einzige auf der Welt erhaltenen seidenen Mamlukenteppich (um 1500) aus Ägypten sind sehenswert.[34]
Einzelnachweis
- ↑ Carpet that captive, von Raana Haider, The Circle of Ancient Iranian Studies, online
- ↑ Enza Milanesi, Teppiche, Seite 14
- ↑ Fadenlänge
- ↑ P.R.J. Ford, Der Orientteppich und seine Muster, Seite 25
- ↑ Text des Dekrets „Given at the Palace of Teheran, the 15th day of the month Ramazan, in the year 1317 of the Hegira, Jan'y 1, 1900.MOZAFFER ED DIN. - By the Shah, The Sadr Azame, AMINE SULTAN.”
- ↑ Enza Milanesi, Teppiche, Seite 17
- ↑ Feinheiten
- ↑ P.R.J. Ford, Der Orientteppich und seine Muster, Seite 27
- ↑ Kultur und Tourismus Ministerium der Türkei
- ↑ Heimtex Orient 06/05 (Teppiche)
- ↑ Umrechnung der Kalender
- ↑ Evliya Celebi
- ↑ Angela Völker, Die orientalischen Knüpfteppiche im MAK, S.12
- ↑ Carpets from the Islamic world 1600-1800 MET, NEW York
- ↑ Carpets East Carpets West. This article appeared on pages 8-9 of the March/April 1965 print edition of Saudi Aramco World.
- ↑ [backPid=48 Die Mamelucken in Ägypten]
- ↑ Angela Völker – a.a.O. Seite 36 ff
- ↑ Der seidene Mamluken-Teppich
- ↑ Kurt Erdmann: Der orientalische Knüpfteppich, Seite 51
- ↑ Louvre Paris, Text Englisch
- ↑ Britisches Museum, London, Text Englisch
- ↑ Milanesi, a. a. O, Seite 107
- ↑ Museo San Marco, Venedig, Text Englisch
- ↑ Ausstellung „Flower Underfoot“
- ↑ Kurt Zipper: Lexikon des Orientteppichs. Klinkhardt & Biermann, München 1981
- ↑ Philadelphia Museum (1)
- ↑ Philadelphia Museum (2)
- ↑ Metropolitan Museum
- ↑ Geknüpfter und gewebter Krieg
- ↑ UN-Kinderrechtskonvention von 1989
- ↑ UNICEF: Progress for Children: A Report Card on Child Protection, September 2009, S.26
- ↑ Terre des hommes
- ↑ Heimtex Orient, Ausgabe 04/2004
- ↑ Sammlung orientalischer Teppiche im MAK
Weblinks
- Klose
- Staatliche Museen zu Berlin Keir Collection - Sammlung von Unger
- 30 Afghanische Kriegsteppiche bei flickr
- Kelims und Orientteppiche - Eine Liste an Instituten, Museen und Ausstellungen.
Wikimedia Foundation.