Geschichte des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland

Geschichte des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland

Vorhergehende Geschichte Großbritanniens: Geschichte des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland


Nach dem Anglo-Irischen Krieg wurde 1921 der Anglo-Irische Vertrag geschlossen, der für 26 der 32 Irischen Countys die Unabhängigkeit von Großbritannien garantierte. Die sechs nördlichen Countys von Ulster blieben als Nordirland Teil des Vereinigten Königreiches. Der offizielle Name änderte sich erst 1927 in „Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland“.

Inhaltsverzeichnis

Zwischenkriegszeit

Innenpolitik

Die Liberalen, die das 19. Jahrhundert politisch bestimmt hatten, verloren zunehmend an Bedeutung. Ein Grund dafür war die Tatsache, dass sich die Wähler stärker über die Zugehörigkeit zur bürgerlichen oder Arbeiterklasse definierten und dadurch entweder zu den Konservativen oder zu Labour tendierten. Darüber hinaus hatten die zahlreichen staatlichen Eingriffe in viele Politikfelder während des Ersten Weltkrieges den Liberalen programmatisch geschadet. Zu einer regelrechten Spaltung und damit Schwächung der Liberalen hatte 1916 ein Streit zwischen Lloyd George und Herbert Henry Asquith geführt. Zunächst profitierten vor allem die Konservativen von dieser Entwicklung, da die Labour Party noch nicht stark genug war, um die Mehrheit im Unterhaus zu erringen.

Einer der wichtigsten Streitpunkte der Nachkriegspolitik war die Auseinandersetzung um eine protektionistische oder eine freihändlerisch ausgerichtete Wirtschaftspolitik. Diese Debatte brachte bei der Wahl 1923 sowohl den Liberalen als auch Labour Stimmgewinne, was 1924 zu einer ersten Labour-Minderheitsregierung unter Ramsay MacDonald mit liberaler Billigung führte, doch noch im selben Jahr übernahmen nach Neuwahlen mit Stanley Baldwin wieder die Konservativen das Amt des Premiers.

Die 1920er Jahre waren geprägt von harten Arbeitskämpfen, die sich an der geplanten Privatisierung des international kaum noch konkurrenzfähigen Bergbaus entzündeten. 1926 weitete sich ein Streik der Bergarbeiter zum Generalstreik aus, doch brach er bald zusammen. Zusammen mit einem danach erlassenen Streikverbot führte dieser Misserfolg zu einer Schwächung der Gewerkschaften.

1928 erhielten die Frauen das Wahlrecht ab 21 Jahren.

1929 wurde die Labour Party erstmals stärkste Partei, doch musste sie bald ihre Minderheitsregierung zugunsten einer Allparteienregierung aufgeben. Der Widerstand von Parlamentariern führte zu Parteispaltungstendenzen. Das Statut von Westminster vom 11. Dezember 1931 bestätigte den 1926 festgelegten Dominionstatus. Zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise setzte die britische Politik von 1931 bis 1935 unter dem Labour-Premier Ramsay MacDonald auf die Beteiligung von liberalen und konservativen Ministern. Diesen Allparteienkurs verfolgte auch Ramsays konservativer Nachfolger Stanley Baldwin. Unter beiden Regierungen wurde zudem eine Wirtschaftspolitik nach den Prinzipien des Ökonomen John Maynard Keynes verfolgt.

Das Ansehen der Monarchie wurde beeinträchtigt, als Eduard VIII. darauf bestand, eine bereits zweimal geschiedene Amerikanerin zu heiraten. 1936 wurde er zur Abdankung gezwungen.

Außenpolitik

Außenpolitisch ging Großbritannien zunächst gestärkt aus dem Ersten Weltkrieg hervor. Durch die weitgehend kampflose Vernichtung der deutschen Flotte war die wichtigste konkurrierende Seemacht verschwunden, ohne dass dafür britische Marineressourcen im größeren Maß verbraucht worden wären. Das Kolonialreich wurde durch den Erwerb ehemals deutscher Kolonien, mehr aber noch durch Teile des Osmanischen Reiches vergrößert. Zudem war Russland durch die Revolution vorerst als geopolitischer Konkurrent ausgeschaltet. Insgesamt setzte sich nach dem Krieg auch unter dem Eindruck der starken Friedensbewegung in der Arbeiterschaft eine Haltung durch, die auf Verhandlungen zum Klären internationaler Streitigkeiten setzte und aus der sich später die Appeasementpolitik entwickelte.

Das Verhältnis zu den USA war ambivalent. Die Vereinigten Staaten überflügelten Großbritannien in der Zwischenkriegszeit als wichtigste Wirtschaftsmacht der Welt. Zudem begann die amerikanische Flotte die Größe der britischen zu erreichen. Aufgrund der zwischen Isolationismus und Intervention schwankenden Haltung der Vereinigten Staaten blieb die britische Außenpolitik unsicher im Umgang mit den USA. 1921 und 1922 gab es eine Reihe von Konferenzen in Washington, in denen beide Länder ein Flottenabkommen abschlossen, die Briten aber ihr Bündnis mit Japan aufkündigen mussten.

Noch zwiespältiger war die Haltung dem nachrevolutionären Russland gegenüber. Zwar unterstützte die britische Politik zunächst die zarentreuen Kräfte, doch gab es in der Arbeiterschaft starke Sympathien für die kommunistische Seite. In den ersten Nachkriegsjahren taten sich die britischen Regierungen schwer, die zukünftige Rolle und Bedeutung Russlands einzuschätzen, doch begann eine langsame Annäherung. Die Unterstützung für die auf dem Rückzug befindlichen zarentreuen Truppen ging zurück, während vorsichtig Beziehungen zur kommunistischen Regierung geknüpft wurden. 1921 wurde ein erster Handelsvertrag geschlossen, 1924 offizielle diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Misstrauisch wurde in Großbritannieren die französische Außenpolitik betrachtet, der man den Versuch der Hegemoniebildung auf dem Kontinent unterstellte. Ein mögliches Wiedererstarken Deutschlands wurde zwar als Gefahr angesehen, dennoch schätzte vor allem Lloyd George die Bedeutung eines stabilen Deutschland für die Wirtschaft Mitteleuropas hoch ein. Politisch erkannte er ihm die Bedeutung eines wichtigen Gegengewichts gegen Frankreich und das kommunistische Russland zu. Deshalb wandte sich die britische Politik weitgehend geschlossen gegen die Ruhrbesetzung, versuchte die Reparationsforderungen der Siegermächte Deutschland gegenüber zu mildern und zeigte Verständnis für deutsche Bemühungen nach einer Teilrevision der Versailler Verträge.

In den britischen Kolonien begannen die lokalen Eliten ein Selbstbewusstsein zu entwickeln. In Indien war diese Bewegung zunächst am stärksten und wurde von der Kongresspartei unter Mahatma Gandhi getragen. Während die Kolonialverwaltung meist zu Zugeständnissen bereit war, verlangte die Zentralregierung Repressionen. In den 1930er Jahren begann sich zunächst ein gewisses Mitspracherecht der Inder in ihrem Land zu etablieren. Ähnliche Entwicklungen spielten sich auch in China und Ägypten ab. In den Siedlungskolonien kam unterdessen die bereits vorher begonnene Entwicklung zu mehr Eigenständigkeit zu einem vorläufigen Höhepunkt: Mit der Balfour-Definition wurde 1926 die weitgehende Selbstverwaltung als Dominions formuliert und 1931 im Statut von Westminster festgeschrieben. Damit begann die Auflösung des British Empire, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Abschluss finden sollte.

Die nationalsozialistische Machtübernahme wurde in Großbritannien als der Beginn des seit dem Kriegsende erwarteten Wiedererstarken Deutschlands gewertet. Bündnisangebote Hitlers lehnten die britischen Regierungen ab, verstärkten aber ihre auf Appeasement ausgerichtete Verhandlungspolitik und versuchten zugleich die USA und die Sowjetunion aus diesen Verhandlungen herauszuhalten, um selbst die bestimmende Macht bei der Einbindung des nationalsozialistischen Deutschlands zu bleiben. Lediglich einzelne konservative Abgeordnete, Labour und Winston Churchill sprachen sich entschieden gegen das Appeasement Deutschland gegenüber aus. Wegen der angespannten Haushaltslage war die Regierung zudem an einer Beschränkung der Rüstungskosten interessiert und schloss daher 1935 ein britisch-deutsches Flottenabkommen, bei dem das Verhältnis der Flotten auf 35 : 100 (D : GB) festgelegt wurde. Um das dadurch verbesserte Verhältnis zu Deutschland nicht zu gefährden und wegen der verbreiteten Antikriegsstimmung in der Bevölkerung, billigte Großbritannien 1936 den deutschen Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland, obwohl das dem Vertrag von Versailles widersprach und akzeptierte 1938 den Anschluss Österreichs an Deutschland. Im Zuge seiner Appeasement-Politik machte sich Arthur Neville Chamberlain sogar für die Annahme des Münchner Abkommens von 1938 stark, das die Tschechoslowakei zur Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland verpflichtete. An diesem Punkt versagte der Großteil seines Kabinetts dem Premierminister die weitere Unterstützung des Appeasements. Erst als Hitler entgegen seinen Versprechungen im März 1939 in Prag einmarschierte, sagte das Vereinigte Königreich Polen, Griechenland und Rumänien für den Fall einer deutschen Invasion militärische Unterstützung zu. Bereits 1932 war Großbritannien von der Abrüstungspolitik seit 1918 abgewichen, 1934/35 wurden Modernisierungsprogramme vor allem für Luftwaffe und Marine aufgelegt. Im April 1939 wurde angesichts einer drohenden deutschen Invasion die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und Verhandlungen mit Frankreich und der Sowjetunion aufgenommen.

Die wachsende Macht der Arbeiterschaft, die neuen Rechte der Frauen und die zunehmende Unabhängigkeit der Dominions lassen sich als Folgen der Zugeständnisse interpretieren, die die Regierung diesen Gruppen während des Krieges machten, um sie in die allgemeinen Kriegsanstrengungen einzubinden.

Wirtschaftliche Entwicklung in der Zwischenkriegszeit

Während des Ersten Weltkrieges war die Produktion der Landwirtschaft enorm gesteigert worden, zum Teil durch staatliche Zwangsmaßnahmen. Grund dafür war der Rückgang des Imports durch den deutschen U-Boot-Krieg. Die eigentliche Modernisierung setzte aber erst mit der Mechanisierung der Landwirtschaft nach amerikanischem Vorbild nach dem Krieg ein. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges griff der Staat wieder stärker ein, mit dem Ziel einer größeren Selbstversorgung. Kunstdünger, Zuckerrüben und die Viehzucht wurden gefördert.

Auf dem Feld der Schwerindustrie hatte die einstige weltweite Führungsnation bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg massive Konkurrenz vor allem von den USA und Deutschland bekommen. Sowohl Kohleförderung als auch Schiffbau erreichten in der Zwischenkriegszeit nicht mehr den Stand von vor 1914. Lediglich der Stahlausstoß stieg weiter an. Zudem wurde die Kohle zunehmend von Öl als Energieträger verdrängt. In den 1930er Jahren wurden weite Teile des Landes an das Elektrizitätsnetz angeschlossen. In der Textilindustrie wurden asiatische Staaten zunehmend Konkurrenten Großbritanniens. In den neuen Industriezweigen wie Elektro-, Automobil- und Chemieindustrie besaß das Land keinen Startvorteil gegenüber den anderen Industriestaaten. Zudem verlor London seine Position als wichtigster Bankenstandort der Welt an New York. Die vor allem in den USA aufgenommenen Kriegskredite belasteten die britische Wirtschaft. Die USA und China hatten Großbritannien während des Krieges wichtige Absatzmärkte in Asien abgenommen.

Die Wirtschaftspolitik kehrte nach den umfassenden Eingriffen der Kriegswirtschaft nie wieder ganz zur Freihandelsorientierung des 19. Jahrhunderts zurück. Zu den Kriegsfolgen gehörte auch eine große Schuldenlast des Staates.

Die Weltwirtschaftskrise von 1929 hatte in Großbritannien geringere Auswirkungen als in den USA oder in Deutschland. Allerdings erreichte die Arbeitslosenquote 1932 zwölf Prozent. Als Reaktion auf die Krise wurde eine auf Ebene des Commonwealth protektionistische Handelspolitik verfolgt.

Gesellschaftliche Entwicklung bis 1930

Das Bevölkerungswachstum setzte sich fort, wenn auch auf deutlich geringerem Niveau als im 19. Jahrhundert. Von 41,5 Millionen Einwohnern im Jahr 1901 stieg die Bevölkerung bis 1931 auf 47 Millionen. Grund für das geringe Wachstum war die zurückgegangene Geburtenrate, was wiederum auf eine beginnende Familienplanung zurückzuführen war.

Insgesamt verbesserten sich die Einkommensverhältnisse der Arbeiterschaft vor allem im Verlauf des Ersten Weltkrieges. Der Anteil der armen Bevölkerung sank ständig. Das staatliche soziale Netz hatte daran nur begrenzten Anteil. Stärker wirkte sich die Politik in Gestalt von Wohnbauförderung in der Zwischenkriegszeit auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse aus. In der Mittelschicht wurde das Wohnen im eigenen Haus in dieser Zeit zum Regelfall. Darüber hinaus breitete sich der Besitz von Automobilen und Haushaltsgeräten aus, der Fleischverzehr nahm zu, ebenso der Konsum von Unterhaltungs-Dienstleistungen. Ebenfalls im frühen 20. Jahrhundert begann sich in verschiedenen Genres eine populäre Kulturproduktion zu entwickeln.

Zweiter Weltkrieg

Churchill 1944

Auf den deutschen Einmarsch in Polen hin erklärten am 3. September 1939 das Vereinigte Königreich und Frankreich Deutschland den Krieg. Während des Kriegs in Polen konnte die britische Armee wegen des schnellen Vormarschs der Deutschen nicht mehr eingreifen. Vielmehr wurden zunächst innenpolitische Kriegsvorbereitungen getroffen. Chamberlain nahm Winston Churchill, zuvor der Führer der innerparteilichen Opposition und heftiger Kritiker des Appeasements, in sein Kabinett auf. Zudem wurden die Steuern erhöht, wichtige Güter rationiert und die Wehrpflicht wieder eingeführt. Erste militärische Aktion war eine Seeblockade gegen das Deutsche Reich. Bodentruppen wurden erstmals gegen den deutschen Überfall auf Dänemark und Norwegen eingesetzt, dann jedoch ohne größere Kampfhandlungen abgezogen, weil die Deutschen erneut überraschend schnell vorgingen. Als Reaktion darauf wurde Churchill neuer Premierminister. In Frankreich kam es kurz darauf zu den ersten schweren Kämpfen und einer Niederlage des britischen Expeditionsheeres, die in der Schlacht von Dünkirchen am 3. Juni 1940 gipfelte.

Frankreich kapitulierte im Juni 1940 und das Vereinigte Königreich war damit isoliert. Im Sommer und Herbst 1940 spielte sich die entscheidende Phase der Luftschlacht um England ab. Die deutsche Luftwaffe versuchte zunächst ihr britisches Gegenstück am Boden zu vernichten, um eine Invasion auf der Insel vorzubereiten. Als dies misslang, gab Hitler im Herbst 1940 die Invasionspläne auf und setzte verstärkt auf den Luftkrieg gegen englische Städte. Bei deutschen Luftangriffen wurden Coventry, große Teile Londons und anderer Städte zerstört und mehr als 32.000 Zivilisten getötet. Bereits im Februar 1940 waren britische Truppen in Abessinien erfolgreich gegen Italien als Verbündeten Deutschlands vorgegangen und waren damit auch auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz aktiv geworden, vor allem um seine Positionen im Nahen Osten zu schützen. Die Situation entspannte sich etwas, als Anfang 1941 die Vereinigten Staaten Großbritannien mit Kriegsmaterial unterstützten (Leih- und Pachtgesetz vom 11. März 1941) und im August die Atlantik-Charta zwischen Churchill und dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt vereinbart wurde. Ebenfalls 1941 wurde eine Dienstpflicht für Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren eingeführt, die 1942 auf 18 bis 50 Jahre ausgeweitet wurde.

Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 wurden große Teile des britischen Empire in Südostasien von den Japanern besetzt, und Churchills Position geriet ins Schwanken. Im August 1942 scheiterte eine Invasion an der französischen Küste. Churchills politische Lage verbesserte sich mit der günstigeren militärischen Lage im Herbst 1942. Im Frühjahr 1942 begann die britische Luftwaffe mit verstärkten Angriffen auf Ziele in Deutschland, zunächst wurden ausschließlich militärische Einrichtungen unter Feuer genommen, schnell aber auch Städte, wobei dieses Vorgehen auch in Großbritannien umstritten war. Am 1. Dezember 1942 legte Lord William Beveridge einen Bericht zur Einführung des Wohlfahrtsstaates vor.

Von Ende 1942 an stellten sich militärische Erfolge ein, zum einen im Nordafrikafeldzug unter Führung des Generals Bernard Montgomery, zum anderen bei der Invasion Siziliens und Italiens 1943, schließlich bei der Invasion in Frankreich 1944 und der endgültigen Niederwerfung Deutschlands 1945. Rund 300.000 britische Soldaten waren gefallen, rund 60.000 britische Zivilisten durch deutsche Luftangriffe umgekommen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg

Nachkriegszeit (1945–1951)

Trotz des militärischen Sieges wurden die Konservativen 1945 abgewählt und Clement Attlee wurde erster Labour-Premier mit einer eigenen parlamentarischen Mehrheit. Erstmals war es Labour gelungen, im größeren Umfang bürgerliche Wähler zu gewinnen. Attlee begann einige Verstaatlichungen (Zivilluftfahrt-Gesellschaft, Bank of England, Kohlebergbau, Transportwesen, Gas- und Stromversorgung und – besonders umstritten – Eisen- und Stahlindustrie), hob Einschränkungen für die Gewerkschaftsarbeit auf und führte 1946 eine umfassende Sozialversicherungsgesetzgebung sowie den staatlichen Gesundheitsdienst National Health Service ein. Beides beruhte auf den bereits während des Krieges erarbeiteten Konzepten und wurde von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung und der Politik getragen. Die Regierung Attlee führte die staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik der Kriegsjahre weiter, richtete sie keynesianistisch aus und nahm zusätzlich zu den Kriegskrediten im großen Umfang Anleihen zur Finanzierung des Sozialstaats auf, vor allem bei den USA. Nahezu alle seiner umfangreichen wirtschaftspolitischen Projekte standen im Zeichen des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit. Eine Bildungspolitik, die das Bildungsniveau insgesamt heben und die Chancengleichheit erhöhen sollte, gehörte ebenfalls zum Reformprogramm und wurde von der Gründung zahlreicher neuer Universitäten begleitet. Zunächst waren die Reformen Attlees von Erfolg gekrönt: Ende der 1940er Jahre herrschte nahezu Vollbeschäftigung. Anfang 1950 wurde zudem das Pfund abgewertet, was zwar die Exportwirtschaft belebte, aber angesichts der einstigen Bedeutung als Leitwährung der gesamten Welt äußerst unpopulär war.

1947 schied Indien aus dem Empire aus. Damit begann ein Prozess, in dem Großbritannien nach und nach seine verbliebenen Kolonien verlor und auch innerhalb des Commonwealth zunehmend weniger dominierte. Ebenfalls 1947 trat das Vereinigte Königreich auf Drängen der USA dem GATT bei. Ab 1948 erhielt es Hilfe aus dem Marshallplan. Im selben Jahr gab es die Verwaltung des Mandatsgebietes Palästina ab und gab Ceylon und Birma, heute Myanmar, die Unabhängigkeit. Außenpolitisch lehnte sich Großbritannien an die USA an, obwohl sich das Land selbst nach wie vor als Weltmacht verstand. Die Labour-Regierung, allen voran Außenminister Ernest Bevin, trieb die Gründung der NATO 1949 entschieden voran, um die USA institutionell als Schutzmacht gegen die Sowjetunion an Westeuropa zu binden.

1948 wurde das Prinzip one man one vote eingeführt und das Doppelwahlrecht für Eigentümer und Akademiker, die Möglichkeit in zwei verschiedenen Wahlkreisen zu wählen, abgeschafft.

Konservative Regierungen (1951–1964)

Als die Konservativen mit Winston Churchill wieder den Premier stellten, ließen sie die Sozialgesetzgebung unangetastet und nahmen nur die Verstaatlichung der Eisen- und Stahlindustrie zurück. Es folgten Jahre wirtschaftlichen Aufschwungs mit hohen Wachstumsraten im Wohnungsbau. Die Krönungsfeierlichkeiten für Elisabeth II. 1953 standen für das Überwinden der Einschränkungen der Nachkriegszeit, die auf der Insel etwa bei der Lebensmittelrationierung länger angedauert hatten als in der Bundesrepublik Deutschland. Die 1950er und frühen 60er Jahre waren geprägt von einem wirtschaftlichen Aufschwung, der breiten Bevölkerungsschichten zu Wohlstand verhalf. Die Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erreichten einen für Großbritannien äußerst niedrigen Stand.

Premier Anthony Eden ließ sich 1956 zusammen mit Frankreich auf das Abenteuer einer Besetzung des Sueskanalgeländes ein, doch zeigte sich, dass keine Politik mehr gegen den gemeinsamen Druck von Sowjetunion und den USA möglich war. So kam es zu Edens Rücktritt. Sein Nachfolger Harold Macmillan führte das Vereinigte Königreich 1960 in die EFTA und entließ eine ganze Reihe von Kolonien in die Unabhängigkeit (Ghana, Nigeria, Somalia, Tansania, Sierra Leone, Uganda, Kenia, Malaysia, Zypern und Jamaika). 1961 stellte er gegen massiven Widerstand in der Bevölkerung und der eigenen Partei einen Beitrittsantrag in die EG (heute EU), der 1963 auf Drängen Charles de Gaulles abgelehnt wurde. MacMillans Nachfolger Alec Douglas-Home unterlag bei den Unterhauswahlen 1964 knapp dem Führer der Labour Party Harold Wilson.

Von der Inflation zum Winter of Discontent (1964–1979)

Wilson wurde bald mit einer erheblichen Inflation und einer daraus resultierenden andauernden Schwäche des Pfund Sterling und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit konfrontiert, die er weder durch Preisbeobachtung noch durch Einschränkung der Einwanderung aus Commonwealth-Staaten in den Griff bekam. Zudem sanken die britischen Exporte zusehends, was unter anderem auf eine falsche Produkt- und Preispolitik vieler Unternehmen, insbesondere der staatlichen Konzerne, zurückzuführen war. Hohe Steuern, hohe Lohnabschlüsse und wieder streikfreudigere Gewerkschaften belasteten die Wirtschaft zusätzlich. Trotz internationaler Stützungsaktionen der Zentralbanken war er 1967 schließlich doch zu einer Abwertung des Pfundes um 14,3 Prozent gezwungen, die den Währungsspekulanten Recht gab.

Auf anderen Politikfeldern gelangen Wilson mit der Abschaffung der Todesstrafe, der Reform des Oberhauses und Gesetzen gegen Rassendiskriminierung auch dauerhafte Reformen. Überlegungen zur Einschränkung der Macht der Gewerkschaften musste er unter deren Druck angesichts ihres großen Einflusses auf die Labour Party aufgeben.

Der Regierungswechsel zu den Konservativen unter Edward Heath brachte keine wirtschaftliche Entspannung. Die Freigabe des Wechselkurses des Pfundes 1972 führte zu einer Abwertung um etwa 20%. Die Mitgliedschaft in der EG ab 1973 hatte kaum wirtschaftliche Effekte. Als im Januar 1974 die Energieversorgung in Schwierigkeiten geriet, musste zeitweise allgemein die Drei-Tage-Woche eingeführt werden. Die Ölkrise wirkte sich auf den Staatshaushalt wenig aus, da Großbritannien über seine Ölfelder in der Nordsee vom Preisanstieg profitierte. Weitere Schwierigkeiten brachte der Regierung der Bergarbeiterstreik durch die NUM, so dass sich Heath entschloss, das Unterhaus aufzulösen. Die Wahlen brachten aber keine klaren Mehrheitsverhältnisse, schließlich bildete wieder Harold Wilson ein Labourkabinett, aber als Minderheitsregierung.

Weder er noch sein Nachfolger James Callaghan konnten mit Preis- und Lohnkontrollen die Probleme lösen. Die Inflation erreichte im August 1975 mit 26,9% ihren Höchststand, außerdem stieg die Arbeitslosigkeit 1977 mit 1,3 Mill. auf ihren Höchststand seit 1939. Diese Kombination von Inflation und fehlendem Wirtschaftswachstum, Stagflation genannt, war damals allerdings ein international weit verbreitetes Phänomen. Der darauf folgende Streikwinter (Winter of Discontent) führte zur Abwahl Callaghans.

In Nordirland war angesichts des Aufschwungs der Nachkriegszeit zunächst Ruhe eingekehrt. Angesichts der sich nun verschlechternden wirtschaftlichen Lage und angeregt durch die Bürgerrechtsbewegung in den USA begann sich in der Mitte der 1960er Jahre der katholische Separatismus erneut zu formieren. Bald kam es zu Terrorakten auf beiden Seiten sowie zum harten militärischen Vorgehen der britischen Sicherheitskräfte und ab 1969 auch der britischen Armee. So wurde am 3. August 1971 der Notstand ausgerufen. Kurz darauf übernahm die Regierung in London die direkte Verwaltung Nordirlands.

Die Ära Thatcher (1979–1990)

Margaret Thatcher

Margaret Thatcher, der erste weibliche Premier des Vereinigten Königreiches, orientierte sich in ihrer Wirtschaftspolitik an USA-Präsident Ronald Reagan mit einer sehr unternehmerfreundlichen Wirtschaftspolitik und bekämpfte die Macht der Gewerkschaften. Als eine der ersten Entscheidungen senkte die Regierung Thatcher 1979 den Spitzensteuersatz von 83 auf 60 Prozent. Zunächst stieg die Inflation weiter auf bis zu 22 Prozent im Mai 1980, sank jedoch bis 1982 in den einstelligen Prozentbereich.

Nach dem Sieg im Falklandkrieg 1982 hatte Thatcher genügend Rückhalt im Parlament und in der Bevölkerung, um einen einjährigen Bergarbeiterstreik unter dem Führer Arthur Scargill am 3. März 1985 siegreich zu beenden und danach die Rechte der Gewerkschaften durch eine scharfe Gesetzgebung erheblich zu beschneiden. Durch ihr hartes Vorgehen gegen innerparteiliche Kritiker hatte sich die Premierministerin innerhalb der konservativen Partei zahlreiche Feinde geschaffen, zudem begann die Inflation wieder zu steigen. Bei der Einführung eines neuen Kommunalsteuersystems, der poll tax, formierte sich der Widerstand gegen Thatcher und zwang sie am 22. November 1990 zum Rücktritt. Damit beendete sie nach elf Jahren die längste fortlaufende Regierungszeit eines Premierministers von Großbritannien seit den Napoleonischen Kriegen.

Ihr konservativer Nachfolger John Major blieb in ihrem Schatten, war zeitweise aufgrund Inflation und Arbeitslosigkeit der unbeliebteste Premier der Nachkriegszeit (14 Prozent in Umfrageergebnissen) und erlitt aufgrund von Skandalen in seiner Regierung, illegaler Waffengeschäfte und Versagens im Umgang mit der Rinderseuche BSE sowie einer Reformentwicklung der Labour Party – unter Neil Kinnock, John Smith und Tony Blair – zu New Labour am 1. Mai 1997 eine schwere Wahlniederlage (schlechtestes Ergebnis seit 1832). Erstmals seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erreichten auch die Liberalen wieder eine nennenswerte Anzahl von Sitzen im Unterhaus.

New Labour (ab 1997)

Tony Blair

In der Ära Thatcher war es zu regelrechten Zerfallserscheinungen von Labour gekommen. Der entschiedene Linkskurs der Führung hatte liberale Mitglieder aus der Partei getrieben.

Tony Blair führte zwar einerseits Arbeitsbeschaffungsprogramme und Mindestlöhne ein, doch betrieb er daneben auch industriefreundliche Deregulierung, so auch eine größere Unabhängigkeit der Bank of England. Populär machte er sich auch durch seine rasche Reaktion auf den Tod (1997) der beliebten Prinzessin Diana, der queen of hearts, besonders da die königliche Familie eine dem Volk befremdliche Zurückhaltung übte.

Einer der größten Erfolge während seiner ersten Amtszeit war die Unterzeichnung des Karfreitags-Abkommens, welches den Nordirland-Konflikt wesentlich entschärfte. Die Verhandlungen über ein Abkommen hatten bereits unter Blairs Vorgänger John Major begonnen. Es wurde schließlich am 10. April 1998 unterzeichnet. Am 26. November des gleichen Jahres war Blair der erste britische Premierminister überhaupt, der vor dem irischen Parlament eine Rede hielt. Auch wenn die Einlösung vieler Teile des Abkommens auf sich warten lässt, haben die Waffenstillstandsvereinbarungen und neuen politischen Strukturen für Nordirland die Perspektiven für einen langfristigen Frieden in Nordirland wesentlich verbessert.

Es gab zudem wesentliche Verfassungsreformen. Ein Menschenrechtskatalog wurde 1998 eingeführt; in Wales und Schottland wurden Regionalparlamente errichtet, und erbliche Adelstitel berechtigten in den meisten Fällen nicht mehr zum Einzug ins Oberhaus. Allerdings haben die Regionalparlamente nur beschränkte Befugnisse. Das schottische Parlament darf zwar in einem gewissen Rahmen Gesetze erlassen, doch die Parlamente von Wales und Nordirland dürfen lediglich über den Etat frei verfügen, der von der britischen Zentralregierung bereitgestellt wird. Im Jahr 2000 wurde eine neue regionale Struktur für den Großraum London geschaffen und ein "Freedom of Information Act" verabschiedet.

In der Kosovo-Krise 1999 spielte Blair eine führende Rolle: Nachdem die Labour-Partei die Schwäche der Tory-Regierung während des Bosnienkrieges kritisiert hatte, forderte er ein klares Handeln der NATO gegenüber Slobodan Milošević. Er überzeugte US-Präsident Clinton, notfalls auch Bodentruppen im Kosovo einzusetzen. Er betonte auch seinen Willen zur intensiven Mitarbeit in der Europäischen Union, doch bei der Europäischen Währungsunion ging er nicht mit.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 stellte sich Blair entschieden auf die Seite der USA und half bei der Bildung einer internationalen Koalition zur Intervention in Afghanistan, bei der britische Truppen beteiligt waren. Er unterstützte von Beginn an die Pläne von US-Präsident Bush zu einem möglichen Angriff auf den Irak unter Diktator Saddam Hussein. Der Krieg war international wie auch im eigenen Land heftig umstritten. Blairs Begründungen stützte sich auf die Behauptung, Irak besitze Massenvernichtungswaffen und habe UN-Resolutionen verletzt, da der Sturz einer Diktatur im internationalen Recht kein Kriegsgrund ist. Großbritannien nahm mit 46.000 Soldaten, einem Drittel der gesamten Stärke der Armee, am Irakkrieg von 2003 teil. Nach dem Sturz Saddam Hussein wurden die Truppen vorrangig im Süden des Irak stationiert.

Als sich die Existenz von Massenvernichtungswaffen nach dem Krieg nicht bestätigte, geriet Blair innenpolitisch unter Druck. Ihm wurde vorgeworfen, die vorliegenden Indizien einer irakischen Bedrohungen massiv übertrieben zu haben. Die Kontroverse hält bis heute an.

Innenpolitisch ging Blair nach dem Wahlsieg zunächst die Erfüllung seiner Versprechen bezüglich der öffentlichen Dienstleistungen an. Seine Regierung erhöhte die Steuern, um die Ausgaben für Bildung und Gesundheitswesen zu erhöhen. Er bemühte sich um Reformen bei der Struktur der Gesundheitswesen und gab den Krankenhäusern größere finanzielle Autonomie.

Nach dem Tod des Waffenexperten und Berater der britischen Regierung David Kelly am 17. Juli 2003 wurden die Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen und von der Opposition immer lauter. Am 29. Januar 2004 veröffentlichte der mit der Untersuchung der näheren Umstände des Todes betraute Lordrichter Brian Hutton den Schlussbericht seiner Arbeit. Dort wurde auch die Frage erörtert, ob Tony Blair die Order zur Preisgabe des Namens des Biowaffenexperten gab. Tony Blair und die Öffentlichkeit interpretieren den Abschlussbericht als völlige Entlastung, während der Generaldirektor und der Intendant der BBC umgehend von ihren Ämtern zurücktraten.

Kontroversen gab es auch um Studiengebühren. Ein Gesetz, das Erhöhungen zuließ, brachte Blair am 27. Januar 2004 an den Rand einer Abstimmungsniederlage im Unterhaus. Im April 2004 kündigte er zudem ein Referendum über die EU-Verfassung an. Nach der Ablehnung des Verfassungsentwurfs durch Frankreich und die Niederlande nahm er diese Ankündigung allerdings wieder zurück.

Am 7. Juli 2005 kam es in der britischen Hauptstadt zu vier Bombenanschlägen in drei U-Bahn-Zügen und einem Bus. Die Polizei und die britische Regierung gingen davon aus, dass die Täter aller Wahrscheinlichkeit nach, dem Umkreis der islamistischen Terror-Organisation Al-Qaida zuzurechnen sind und britische Staatsbürger mit pakistanischen Wurzeln waren („Homegrown terrorists“). Die Anschläge forderten über fünfzig Todesopfer und mehr als 600 Verletzte.

Literatur

  • Franz-Josef Brüggemeier: Geschichte Grossbritanniens im 20. Jahrhundert. C.H.Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60176-7 (Rezension)
  • Vernon Bogdanor: The British constitution in the twentieth century. Reprint. Oxford University Press, Oxford [u.a.] 2005, ISBN 978-0-19-726319-8.
  • Kurt Kluxen: Geschichte Englands. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 4. Auflage, Stuttgart 2001, ISBN 3-520-37404-8.
  • Michael Maurer: Kleine Geschichte Englands. Aktualisierte und erweiterte Ausgagbe, Stuttgart 2007, ISBN 3-15-010637-0.

Audiodokumentation

  • Eyewitness: A History of the Twentieth Century in Sound (BBC Audio History)

Weblinks


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