- Falk Harnack
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Falk Harnack (* 2. März 1913 in Stuttgart; † 3. September 1991 in Berlin) war ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Inhaltsverzeichnis
Familie
Falk Erich Walter Harnack war der jüngste Sohn der Malerin Clara Harnack, geb. Reichau, und des Literaturwissenschaftlers Otto Harnack, ein Neffe des Theologen Adolf von Harnack und des Professors der Pharmakologie und physiologischen Chemie Erich Harnack, Enkel des Theologen Theodosius Harnack und der jüngere Bruder des Juristen und Widerstandskämpfers Arvid Harnack sowie ein Vetter des Theologen Dietrich Bonhoeffer und Cousin von Ernst von Harnack, die wie sein Bruder Opfer des Naziregimes wurden. Seinen Vater, der 1914 Suizid beging, lernte er nicht mehr kennen. Seine Schwester Inge (1904–1974) war von 1922 bis 1930 mit Johannes Ilmari Auerbach und ab 1931 mit dem Violinisten Gustav Havemann, einem Verwandten Robert Havemanns, verheiratet.
Biografie
Schon sehr früh kam er durch seinen Bruder Arvid mit dem Humanismus in Verbindung, durch den er auch Kontakt zu Menschen bekam, die später zur Widerstandsgruppe Rote Kapelle gehörten. Diese Bekannten machten einen großen Eindruck auf ihn, so dass die Propaganda der NSDAP an ihm abprallte. Nach dem Schulbesuch in Weimar, bei dem er auch seine Schulfreundin und spätere Verlobte Lilo Ramdohr in den Kreis seiner im nahen Jena wohnenden Familie einführte, absolvierte er 1932 das Abitur. 1933 nahm er sein Studium auf, zunächst in Berlin, ab April 1934 in München.
Er beteiligte sich als Student schon im Mai 1934 an einer Flugblattaktion gegen den NS-Studentenbund an der Universität München. 1936 promovierte er bei Artur Kutscher über den Dramatiker Karl Bleibtreu und ging im Folgejahr an das Nationaltheater Weimar und das Landestheater Altenburg, wo er bis 1940 als Regisseur arbeitete. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen.
1942, als er sich in Chemnitz befand, nahmen Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose, vor allem Hans Scholl und Alexander Schmorell, durch die Vermittlung der gemeinsamen Bekannten Lilo Ramdohr, Kontakt zu ihm auf. Über ihn wollten sie Verbindung zu den Berliner Widerstandsbewegungen um seinen Bruder Arvid und Harro Schulze-Boysen sowie zu Hans von Dohnanyi herstellen. Er stellte die Verbindung über seine Vettern Klaus und Dietrich Bonhoeffer her. Doch noch im selben Jahr wurde die Gruppe verhaftet. Viele von ihnen wurden hingerichtet, darunter am 22. Dezember 1942 sein Bruder Arvid und am 16. Februar 1943 dessen Ehefrau Mildred, eine gebürtige US-Amerikanerin.
Falk Harnack hatte im Februar 1943 auch Kontakt zu Sophie und Hans Scholl. Nachdem die Geschwister Scholl und weitere Mitglieder der „Weißen Rose“ verhaftet und ermordet worden waren, schien ihn das gleiche Schicksal zu ereilen. Doch überraschend wurde er vom Volksgerichtshof München am 19. April 1943 aus Mangel an Beweisen und wegen „einmalig besonderer Verhältnisse“[1] freigesprochen.
Im August 1943 wurde er von seiner bisherigen Wehrmachtseinheit ins Strafbataillon 999 nach Griechenland abkommandiert.[2] Als er im Dezember verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht werden sollte, gelang ihm dank der Hilfe seines Vorgesetzten, Leutnant Gerhard Fauth, die Flucht. Er schloss sich der griechischen Partisanenbewegung ELAS an. Zusammen mit Gerhard Reinhardt gründete er das Antifaschistische Komitee Freies Deutschland und wurde dessen Leiter.
Als er nach Kriegsende nach Deutschland zurückkehrte, erfuhr er, dass mehrere Angehörige seiner Familie, nämlich sein Cousin Ernst von Harnack, die Vettern Klaus und Dietrich Bonhoeffer und der Schwager Hans von Dohnanyi, noch im Frühjahr 1945 von der SS ermordet worden waren. Seine berufliche Tätigkeit als Regisseur und Dramaturg nahm er zuerst am Bayerischen Staatsschauspiel München auf. 1947 ging er an das Deutsche Theater Berlin.
Von 1949 bis 1952 war er künstlerischer Direktor bei der DEFA. In dieser Zeit drehte er dort den Film Das Beil von Wandsbek nach einem Buch von Arnold Zweig. Die Ereignisse, die in diesem Film geschildert werden, sind unter der Bezeichnung „Altonaer Blutsonntag“ in die Geschichte eingegangen. Als es mit der SED zu Auseinandersetzungen über diesen Film kam, verließ er 1952 die DDR und ging nach West-Berlin. Ursprünglich war er auch als Regisseur für den Film Der Untertan vorgesehen, aber dazu kam es nicht mehr.
In den ersten Jahren arbeitete er für die Produktionsfirma CCC-Film und war neben Helmut Käutner und Wolfgang Staudte der wichtigste Regisseur des deutschen Nachkriegsfilms.[3] Ab Ende der 1950er Jahre war er fast nur noch für das Fernsehen tätig. Zu vielen seiner Filme schrieb er auch die Drehbücher. Von 1962 bis 1965 war er leitender Regisseur beim neu gegründeten ZDF. In den folgenden Jahren war er freischaffend tätig. Neben Unterhaltungsfilmen drehte er auch anspruchsvolle Filme, die teilweise die Zeit des Nationalsozialismus und den Kampf dagegen zum Thema hatten. So schuf er 1955 den Kinofilm Der 20. Juli, der sich mit dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler beschäftigte.[4] Dieser Film wurde 1956 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Filme, die zur Förderung des demokratischen Gedankens beitragen“ ausgezeichnet. 1962 drehte er für das Fernsehen den Film Jeder stirbt für sich allein nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, in dem es um den Widerstand kleiner Leute geht, nämlich um das Ehepaar Anna und Otto Quangel (Edith Schultze-Westrum und Alfred Schieske), die am Ende scheitern und hingerichtet werden.
Falk Harnack war mit der Schauspielerin Käthe Braun verheiratet, die auch öfter in seinen Filmen zu sehen war. Er verstarb am 3. September 1991 nach einer langen schweren Krankheit.
Auszeichnungen (Auswahl)
- 1940 Goethe-Medaille des Deutschen Nationaltheaters Weimar
- 1952 Ehrennadel der DEFA in Gold
- 1959 Silberne Ehrennadel der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA)
- 1977 Ehrenurkunde der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes)
- 1983 Filmband in Gold in der Kategorie: „Langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film“
- 1989 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der BRD
Filmografie
- 1951: Das Beil von Wandsbek – mit Erwin Geschonneck, Käthe Braun, Claus Holm, Gisela May
- 1954: Roman eines Frauenarztes – mit Rudolf Prack, Anne-Marie Blanc, Winnie Markus, Jan Hendriks
- 1955: Der 20. Juli – mit Wolfgang Preiss, Annemarie Düringer, Wolfgang Büttner
- 1956: Nacht der Entscheidung – mit Carl Raddatz, Hilde Krahl, Albert Lieven
- 1956: Anastasia, die letzte Zarentochter – mit Lilli Palmer, Ivan Desny, Ellen Schwiers, Tilla Durieux
- 1957: Wie ein Sturmwind – mit Lilli Palmer, Ivan Desny, Susanne Cramer, Siegfried Schürenberg
- 1958: Unruhige Nacht – mit Bernhard Wicki, Ulla Jacobsson, Hansjörg Felmy
- 1959: Arzt ohne Gewissen – mit Ewald Balser, Wolfgang Preiss, Barbara Rütting, Wolfgang Kieling
- 1959: Der Fall Pinedus (TV) – mit Alfred Balthoff, Franz Schafheitlin, Fritz Tillmann, Hans-Christian Blech
- 1960: Der Prozess (TV)
- 1961: Die Marquise von Arcis (TV) – mit Alexander Kerst, Hilde Krahl, Brigitte Mira, Uta Sax
- 1962: Jeder stirbt für sich allein (TV) – mit Edith Schultze-Westrum, Alfred Schieske, Anneli Granget, Hartmut Reck
- 1963: Die Wölfe (TV) – mit Thomas Holtzmann, Martin Hirthe, Kurt Pieritz
- 1964: Manchmal spielt der Himmel mit (TV) – mit Wolf Ackva, Isolde Bräuner, Sascha Hehn
- 1964: Pamela (TV)
- 1964: Ein Frauenarzt klagt an – Angeklagt: Dr. Thomas – mit Dieter Borsche, Anita Höfer, Dietmar Schönherr, Hans Nielsen, Inge Meysel
- 1964: Und nicht mehr Jessica (TV) – mit Wolf Ackva, Wolfgang Büttner, Margot Trooger, Sascha Hehn
- 1965: Der Gärtner von Toulouse (TV)
- 1966: Weiß gibt auf (TV) – mit Rudolf Platte, Siegfried Lowitz, Friedrich Schoenfelder, Doris Kirchner
- 1966: Die Ersten und die Letzten (TV)
- 1966: Wer rettet unseren Ackerknecht (TV)
- 1967: Ein Schlaf Gefangener (TV) – mit Walter Buschhoff, Fritz Wepper, Paul Dahlke, Hellmut Lange
- 1967: Kampf um Kautschuk (TV)
- 1968: Die schwarze Sonne (TV) – mit Christine Ostermayer, Friedhelm Ptok, Horst Naumann, Maria Sebaldt
- 1968: Unwiederbringlich (nach Theodor Fontane, TV) – mit Lothar Blumhagen, Solveig Thomas, Lil Dagover, Karin Hübner
- 1970: Ferdinand Graf von Zeppelin – Stunde der Entscheidung (TV) – mit Wolfgang Büttner, Gerd Baltus, Gisela Holzinger, Lis Verhoeven, Wolfgang Völz
- 1970: Peenemünde (Zweiteiliger Dokumentarfilm, TV)
- 1971: Das Ding an sich und wie man es dreht (TV) – mit Friedrich G. Beckhaus, Friedrich W. Bauschulte, Horst Bollmann, Volkert Kraeft
- 1971: Ein Fall für Herrn Schmidt (TV) – mit Gaby Dohm, Heinz Meier, Klaus Schwarzkopf, Käthe Braun
- 1973: Der Astronaut (TV)
- 1973: Der Tote vom Pont Neuf (TV)
- 1974: Der Verfolger (TV) – mit Gerd Böckmann, Kornelia Boje,
- 1974: Silverson (TV) – mit Herbert Bötticher, Gracia-Maria Kaus, Ernst Schröder, Isabell Stumpf
- 1975: Hier ruht George Dillon (TV)
- 1976: Erika (Schauspiel nach Ursula Krechel, TV) – mit Silvia Reize, Eva-Maria Bauer, Eva Brumby, Irmgard Riessen, Kyra Mladeck
Hörspiele
- 1946: Bolwieser
- 1972: Androklus und der Löwe (nach George Bernard Shaw) – mit Wilfried Herbst, Hanns Ernst Jäger, Käthe Braun
Literatur
- Armin Ziegler: Dramaturg des Widerstands – Falk Harnack und die Geschichte der „Weißen Rose“. Ein Beitrag zur „Weiße-Rose-“ Forschung. Broschiert, 35 Seiten Text und 21 Seiten Dokumente, Selbstverlag, September 2005.
- Lilo Fürst-Ramdohr: Freundschaften in der Weißen Rose. Verlag Geschichtswerkstatt Neuhausen, München 1995. ISBN 3-931231-00-3.
- Falk Harnack: Die Dramen Carl Bleibtreus. Eine dramaturgische Untersuchung. (Germanische Studienhefte 199), Kraus-Reprint, Nendeln/Liechtenstein 1967.
- Maike Bruhns: Kunst in der Krise, Band 2, Dölling und Galitz Verlag, München u. Hamburg 2001, ISBN 3-933374-95-2, S. 43.
- Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel : Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Edition Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-894681-10-1, S. 117.
- Gottfried Hamacher et al. (Hrsg.): Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung »Freies Deutschland«. Kurzbiografien (Reihe: Manuskripte/Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 53) Dietz, Berlin 2005, ISBN 3-320-02941-X, S. 76.
Weblinks
- Literatur von und über Falk Harnack im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Falk Harnack in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Biographie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
- Filmplakate und Biographie von Falk Harnack
- Falk-Harnack-Archiv der Akademie der Künste Berlin
- Harnacks Auszeichnungen
- Biografien von Mitgliedern der Widerstandsgruppe Rote Kapelle (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Nachlass Falk Harnack in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.
S.a. Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Biographien - ↑ http://books.google.de/books?lr=&cd=8&id=iyBoAAAAMAAJ&dq=XIII.+ELAS-Division&q=harnack#search_anchor
- ↑ http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0716/kultur/0215/index.html
- ↑ http://www.filmreporter.de/retro/news/2080;20-Juli-Fakten-statt-Fiktion
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