- Sezession
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Sezession (lat. secessio „Abspaltung“, „Abseitsgehen“) bezeichnet im Politischen die Loslösung einzelner Landesteile aus einem bestehenden Staat mit dem Ziel, einen neuen souveränen Staat zu bilden.
Sezessionsbestrebungen einer Teilbevölkerung werden auch als Separatismus (aus dem Lateinischen separatus für getrennt, abgesondert) bezeichnet und gehen oft – jedoch nicht zwangsläufig – mit kriegerischen Auseinandersetzungen einher. Im engeren Sinne bezeichnet Separatismus die ideologische Grundlage oder die politisch-soziale Aktion, die bei Erfolg zur Sezession führt. Separatismus kann, aber muss nicht identisch sein mit Regionalismus oder Nationalismus von Minderheiten.
Inhaltsverzeichnis
Recht auf Sezession
Unter Völkerrechtlern ist umstritten, ob das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch das Recht von Minderheiten einschließt, aus einem Staatsverband auszutreten. Die in der Rechtswissenschaft vorherrschende Meinung lehnt ein solches offensives Selbstbestimmungsrecht unter Hinweis auf das Integritätsinteresse bestehender Staatsverbände, also das defensive Selbstbestimmungsrecht, ab.[1] Matthias Herdegen etwa vertritt dagegen die Ansicht, dass einer diskriminierten Minderheit, deren Menschenrechte fundamental verletzt werden und die vom Prozess der politischen Willensbildung ausgeschlossen ist, ein Recht auf Sezession einzuräumen ist.[2]
Problematisch ist darüber hinaus, was eigentlich ein „Volk“ im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Völker ist. Wird ein Volk nicht als solches anerkannt, werden ihm auch keine Sonderrechte zugestanden.
Es existieren etliche sezessionistische Völker und Regionen, die entweder friedlich oder militärisch nach Unabhängigkeit streben. Manche haben sogar de facto bereits die vollständige Kontrolle über ihr Territorium. Um allerdings in die Vereinten Nationen als eigenständiger Staat aufgenommen werden zu können, bedarf es der Anerkennung durch alle fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates, welcher sich aus den USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien zusammensetzt.
In den Vereinigten Staaten hat der Oberste Gerichtshof im Fall Texas v. White entschieden, dass der Beitritt zur Union unwiderruflich ist und ein Recht auf Sezession der US-Bundesstaaten demzufolge nicht besteht.
Historische Beispiele
Als secessio plebis wurde im alten Rom der legendäre Auszug des Volkes aus der Stadt auf den Mons Sacer, den heiligen Berg, im Jahre 494 v. Chr. bezeichnet. Die nichtadligen Plebejer erreichten mit dieser Protestaktion die Einrichtung des Volkstribunats und damit ein politisches Mitspracherecht in der vorher allein von den adligen Patriziern regierten Stadt.
Als Separatisten werden radikale Kongregationalisten bezeichnet, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von der Kirche von England trennten, da ihnen die Reformation dieser Kirche nicht weit genug ging. Insbesondere lehnten sie das Bischofsamt ab. Um der Verfolgung zu entgehen, wanderte eine Gruppe von ihnen, die später Pilgerväter (Pilgrim Fathers) genannt wurde, zunächst in die Niederlande aus, überquerte dann 1620 auf der Mayflower den Atlantik. Kurz vor Verlassen des Schiffes bei Cape Cod (Massachusetts) verfassten sie den Mayflower-Vertrag (Mayflower Compact), der für die demokratische Entwicklung der Gemeinwesen in Nordamerika grundlegend wurde. Sie gründeten die Plymouth Colony.
Der bekannteste Fall einer politischen Sezession war die Trennung der sklavenhaltenden Südstaaten von den USA im Jahr 1860/61 und die Bildung der Konföderierten Staaten (CSA). Sie hatte den Sezessionskrieg zur Folge, der mit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit endete.
Erfolgreiche Unabhängigkeitskriege waren die der Alten Eidgenossenschaft vom Ende des 13. Jahrhunderts an und die der Niederlande ab 1568. Beide richteten sich gegen die Herrschaft des Hauses Habsburg und erreichten im Westfälischen Frieden von 1648 die Anerkennung ihrer Selbständigkeit durch die Habsburger.
In Deutschland kam es zuletzt während der französischen Rheinlandbesetzung im Jahr 1923 zu Sezessionsbestrebungen Rheinischer Separatisten. Sie traten für eine Trennung des Rheinlands vom Deutschen Reich beziehungsweise vom Land Preußen ein, scheiterten aber an der fehlenden Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit. In den Jahren nach den beiden Weltkriegen versuchte außerdem die französische Besatzungsmacht den Separatismus im Saarland zu fördern. Die Pläne scheiterten aber beide Male in Volksabstimmungen. Statt für die Unabhängigkeit oder die Angliederung an Frankreich votierte die Bevölkerung 1957 für die Eingliederung des Saargebiets als eigenes Bundesland in die Bundesrepublik Deutschland.
Separatistische Bewegungen spielten 1991 eine große Rolle bei dem Zerfall der Sowjetunion in die Staaten Armenien, Aserbaidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Lettland, Litauen, Kirgisistan, Moldawien, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Weißrussland.
Die Loslösung der früheren Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina aus dem jugoslawischen Staatsverband 1991/92 löste vor allem in den letzteren beiden Republiken mehrere Kriege aus, die 1995 mit dem Daytoner Abkommen beendet wurden. Die Trennung Mazedoniens erfolgte jedoch zur selben Zeit friedlich. Serbien trat weiterhin als Bundesrepublik Jugoslawien auf, sah diese als identisch mit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) und nahm damit eine Mindermeinung an (siehe auch Abschnitt „Sonderfälle“). Folglich bewertete es die Vorgänge als Sezessionen der übrigen Teilrepubliken. Im Mai 2006 stimmte auch die Bevölkerung von Montenegro mehrheitlich für eine Auflösung der Union mit Serbien, welche ebenfalls friedlich vollzogen wurde.
Friedlich verlief auch 1993 der Zerfall der Tschechoslowakei, nachdem die Slowakei ihre Abspaltung angestrebt hatte.
Ein langwieriger Krieg ging dagegen der im selben Jahr erreichten Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien voraus. Im Biafra-Krieg scheitere zuvor in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die Loslösung Biafras von Nigeria. Ebenso scheiterte 1994 in einem kurzen Bürgerkrieg die Sezession der vormaligen Volksdemokratischen Republik Jemen von Jemen, nachdem es erst vier Jahre zuvor zur Wiedervereinigung mit der Jemenitischen Arabischen Republik gekommen war.
Zu den erfolgreichen Unabhängigkeitsbewegungen der letzten Jahre gehört jene in Osttimor, die 2002 nach 24-jähriger Besatzung, Guerillakrieg und drei Jahren UN-Verwaltung die Trennung ihres Inselteils von Indonesien durchsetzte. Da die vorangegangene völkerrechtswidrige Annexion Osttimors durch Indonesien von der internationalen Staatengemeinschaft nie anerkannt worden war, fand aber keine wirkliche Sezession eines Landesteils statt. Jüngstes Beispiel ist die Abspaltung des Südsudan von Sudan, die nach einem erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendum am 9. November 2011 in der neuen Hauptstadt Juba erklärt wurde. Seit dem 14. Juli 2011 ist Südsudan der 193. Mitgliedstaat der Vereinten Nationen.
Aktuelle Beispiele
Unabhängigkeitsbewegungen
In Westeuropa gibt es in Schottland, Katalonien, im Baskenland und in den beiden Teilen Belgiens sowie auch vereinzelt in Südtirol politische Parteien in den jeweiligen Parlamenten, die eine Sezession anstreben. Auf Korsika und im Baskenland gibt es immer wieder terroristische Attentate durch Separatisten.
Aktive Unabhängigkeitsbewegungen existieren derzeit unter anderem in den Kurdengebieten der Türkei, des Iraks und des Irans, in Tibet und Uiguristan, in der russischen Teilrepublik Tschetschenien, in Québec (siehe Reference re Secession of Quebec), in Bougainville und in einigen Minderheitengebieten Myanmars, Moldawiens, Georgiens und Aserbaidschans. Auch Grönland strebt für die nahe Zukunft die Unabhängigkeit von Dänemark an. Die Republika Srpska strebt die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina an.
Unabhängigkeitserklärungen
Folgende Gebiete haben ihre Sezession erklärt, sind aber derzeit noch nicht vollständig oder gar nicht als unabhängige Staaten anerkannt:
- Abchasien – betrachtet sich seit 1992 als unabhängig von Georgien und wurde nur von Russland (26. August 2008), Nicaragua (3. September 2008), Venezuela (10. September 2009), Nauru (15. Dezember 2009) und Tuvalu (23. September 2011) anerkannt.
- Bergkarabach – offiziell Teil Aserbaidschans, seit 1991 unabhängig bzw. von Armenien besetzt und wird von Russland teilweise unterstützt.
- Demokratische Arabische Republik Sahara – 1976 von der POLISARIO ausgerufen, seit 1991 Waffenstillstand mit Marokko, von ca. 50 Staaten anerkannt
- Das Parlament des Kosovo mit seiner albanischen Bevölkerungsmehrheit erklärte am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit von Serbien. Während 85 der 193 UN-Mitgliedstaaten den Kosovo bisher als unabhängigen Staat anerkannten,[3] wird die Unabhängigkeit u. a. durch Serbien sowie Russland und China bestritten.
- Somaliland (seit 1991), Puntland (seit 1998) und Galmudug (seit 2006) – international nicht anerkannte Unabhängigkeit von Somalia
- Südossetien – erklärte sich 1991 als unabhängig von Georgien und wurde nur von Russland (26. August 2008), Nicaragua (3. September 2008), Venezuela (10. September 2009)[4] und Nauru (15. Dezember 2009)[5] anerkannt.
- Transnistrien – seit 1991 von Moldawien abgespalten und wird von Russland unterstützt.
- Tschetschenien – völkerrechtlich Teil von Russland, erklärte sich 1991 als unabhängig von der damaligen Sowjetunion.
- Türkische Republik Nordzypern – betrachtet sich seit der Besetzung durch türkische Truppen 1974 nicht mehr als Teil der Republik Zypern, sondern als eine eigene Republik. Sie wird nur von der Türkei anerkannt.
- Das FATA-Territorium[6] – liegt innerhalb der Grenzen Pakistans, doch die pakistanische Zentralregierung besitzt keine Kontrolle über das Gebiet.
- Republika Srpska – strebt die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina an.
Sonderfälle
Kein Fall von Sezession liegt im Falle des Taiwan-Konflikts vor. Taiwan hat sich zwar als Republik China infolge des Chinesischen Bürgerkrieges von China gelöst, jedoch verstehen sich bis heute beide chinesische Staaten laut ihrer Verfassung als rechtmäßige Vertreter Chinas.
Umstritten war die Rechtslage nach dem Zerfall Jugoslawiens, der teilweise als Sezession, teilweise als Dismembration angesehen wurde. Die internationale Gemeinschaft entschied sich für die letztgenannte Option (→ Badinter-Kommission).
Siehe auch
- De-facto-Regime
- Liste der völkerrechtlich nicht anerkannten Länder
- Organisation der nicht-repräsentierten Nationen und Völker UNPO
Literatur
- Matthias Herdegen: Völkerrecht, 4. Aufl., München 2005
Weblinks
- Separatismus in Europa Schwerpunkt auf eurotopics.net (Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung)
- Allen Buchanan: Eintrag, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)
Einzelnachweise
- ↑ Herdegen, § 36 Rn 5 ff.
- ↑ Herdegen, § 36 Rn 6.
- ↑ Siehe Webseite des kosovarischen Außenministeriums: Countries Recognitions
- ↑ russland.RU vom 11. September 2009: Venezuela erkennt Südossetien und Abchasien an
- ↑ net-tribune.DE vom 15. Dezember 2009: Pazifikstaat Nauru erkennt Abchasien und Südossetien an
- ↑ Pakistan: Neuer Separatismus im Schatten der Kaschmir-Krise
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