- Südossetienkrieg
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Kaukasus-Konflikt 2008
Verlauf des Kaukasus-Konflikts 2008Datum 7. August–16. August[1] Ort Georgien Ausgang georgische Niederlage Folgen Anerkennung von Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten am 26. August 2008 durch Russland .[2] Konfliktparteien Südossetien
Russland
AbchasienGeorgien Befehlshaber GenLt Anatoli Barankewitsch
Oberst Alexander Melnik
GenLt Anatoli Chruljow
GenLt Wladimir Schamanow[3]
GenMaj Murat Kulachmetow
V.Adm. Alexander Klezkow
GenLt Igor MiroschnitschenkoBrigGen Sasa Gogawa[4]
BrigGen Mamuka Kuraschwili[5]
KZS Bessik Schengelia
Oberst Dawit NairaschwiliNach Angaben des UNHCR sind 20.000 Zivilisten in Georgien auf der Flucht. Nach HRW sind aus Südossetien 24.000 Zivilisten (nach russischen Angaben 30.000) nach Russland geflohen.[6]
Es gibt keine genauen und von unabhängiger Seite bestätigten Berichte über die Stärke der involvierten Truppen. 162 südossetische Zivilisten wurden getötet.Der Kaukasus-Konflikt 2008 (auch als Kaukasuskrieg, Georgienkrieg oder [Kaukasischer] Fünftagekrieg bezeichnet) war ein bewaffneter militärischer Konflikt im Kaukasus zwischen Georgien auf der einen und Russland sowie den international nicht anerkannten Republiken Südossetien und Abchasien auf der anderen Seite. Der Konflikt wurde auf georgischem Staatsgebiet ausgetragen. Die offenen Kampfhandlungen zwischen Soldaten der georgischen Armee und südossetischen Milizverbänden begannen bereits im Juli 2008 und eskalierten in der Nacht zum 8. August, in der georgische Einheiten eine Offensive zur Rückgewinnung der Kontrolle über die ganze Region begannen. Daraufhin griffen aus dem Nordkaukasus russische Truppen ein, drängten die georgische Armee zurück und drangen bis ins georgische Kernland vor. 162 südossetische Zivilisten wurden getötet. [7]
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Auflösung der Sowjetunion
- Siehe: Geschichte Südossetiens
Die Ethnien im Kaukasus unterscheiden sich stark sozial-kulturell und sozial-strukturell. Während einige Volksgruppen früh Staaten bildeten, verfügten andere nie über eine eigene Staatlichkeit. Immer wieder gab es durch Kriege Wanderungen.
Bereits 1918, als sich Georgien vom Russischen Reich lossagte, versuchten die Südosseten während der Oktoberrevolution 1920 den Bruch mit Tiflis. Kurz bevor Georgien 1921 in die Sowjetunion eingegliedert wurde, marschierten georgische Truppen in Zchinwali ein. Südossetien wurde Autonome Oblast.[8]
Schon vor dem Zerfall der Sowjetunion hatte sich Südossetien 1990 von Georgien losgesagt, nachdem es bereits 1989 eine Erweiterung seines Autonomiestatus’ zur Autonomen Republik angestrebt hatte. Noch vor der Erklärung der Unabhängigkeit Georgiens von der Sowjetunion, rief man im Herbst 1991 die Südossetische Demokratische Sowjetrepublik aus und bemühte sich um russische Anerkennung. Im darauf folgenden Bürgerkrieg kamen geschätzte 1500 Menschen ums Leben.[8] 100.000 Südosseten flohen aus Georgien und Südossetien nach Russland, 20.000 Georgier flohen nach Georgien. In diese Auseinandersetzungen griff Russland ein, um die Kontrahenten zu trennen. Im Juni 1992 unterzeichneten Russland und Georgien ein Waffenstillstandsabkommen zur Aufstellung einer GUS-Friedenstruppe für Südossetien, für die russische, ossetische und georgische Militärs abgestellt wurden. Russland und Georgien zogen darauf ihre regulären Truppen aus Südossetien zurück.
Der georgische Präsident Micheil Saakaschwili legte im September 2004 vor der UN-Generalversammlung einen Plan vor, der unter anderem Südossetien und Abchasien wieder in Georgien eingliedern sollte. Beide abtrünnigen Gebiete lehnten den Plan ab. Nach der Errichtung eines Kontrollpunktes an der Transkaukasischen Fernstraße durch Georgien verschlechterten sich die Beziehungen deutlich. Wiederholt kam es zu Schusswechseln zwischen georgischen und südossetischen Einheiten. Ein in Moskau unterzeichnetes Waffenstillstandsabkommen vom Juli 2004 konnte die Region nicht dauerhaft befrieden.
Am 20. September 2005 beschoss die georgische Armee Zchinwali mit Mörsern. Der ehemalige Verteidigungsminister Georgiens, Irakli Okruaschwili, erklärte gegenüber Reuters, Georgien habe bereits in diesem Jahr eine Militäroperation zur Rückeroberung Südossetiens und Abchasiens geplant.[9] Ende 2006 führten beide Seiten konkurrierende Volksabstimmungen und Präsidentschaftswahlen durch, an denen die Gegenseite nicht teilnehmen konnte. Während die Osseten nahezu einheitlich für eine Unabhängigkeit stimmten, sprachen sich die südossetischen Georgier genauso geschlossen für eine Wiedervereinigung aus. Der Europarat nannte das südossetische Referendum „unfair, unnecessary and unhelpful“, während das russische Außenministerium erklärte: „Ob man es mag oder nicht, wir haben es hier mit der freien Meinungsäußerung des Volkes von Südossetien zu tun, die durch demokratische Prozeduren zustande kam.“[8]
Geopolitischer Hintergrund
Für Russland gilt die Kaukasusregion als „Nahes Ausland“, in dem das Land Sicherheitsinteressen für sich reklamiert. Während es seit Jahren die Unabhängigkeitsbestrebungen in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan bekämpft, unterstützte es schon früh die Sezessionisten in Südossetien und Abchasien finanziell, militärisch und personell, auch wenn eine formelle Anerkennung als unabhängige Staaten mit Blick auf die eigenen Minderheiten zunächst vermieden wurde. Russland bot den Südosseten kostenlose medizinische Versorgung und Schulbildung, die Einwohner konnten zudem russische Mobilfunknetze benutzen.[8] Die Mehrheit der Südosseten (85 %) und Abchasier nahm, durch die Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung von ehemaligen Bürgern der Sowjetunion, die russische Staatsbürgerschaft an, was Moskau das Argument lieferte, es müsse im Kaukasus seine Staatsbürger schützen.[10] Die vereinfachte Einbürgerung war zeitweilig ausgesetzt, ist aber seit 2005 wieder möglich,[11] nachdem zuvor unter anderem von Menschenrechtsorganisationen massive Kritik am Einbürgerungsgesetz von 2002 geäußert wurde.[12] Die Vergabe von Staatsbürgerschaften in umstrittenen Gebieten durch einen der Konfliktpartner gilt als völkerrechtlich umstritten. Auch in anderen Staaten und Regionen der früheren Sowjetunion gibt es unter der Wohnbevölkerung einen hohen Anteil russischer Staatsbürger, wie zum Beispiel auf der ukrainischen Krim.
Die Vereinigten Staaten sehen Georgien und Aserbaidschan, die beide zur Koalition der Willigen gehören, als einen wichtigen Brückenkopf in der bis nach Zentralasien und Iran angrenzenden Region.[13] In den letzten Jahren haben die Vereinigten Staaten Georgien moderne Militärausrüstung zukommen lassen und in die Ausbildung georgischer Soldaten investiert. Im Zeitraum von 2003 bis 2008 hatte Georgien zudem seinen Verteidigungshaushalt von 18 auf 900 Millionen Dollar gesteigert.[14] Darüber hinaus gibt es von mehreren NATO-Mitgliedern den Wunsch, Georgien vom Standard des IPAP (Individual Partnership Action Plan) zu MAP (Membership Action Plan) aufzuwerten, was die direkte Vorstufe des NATO-Beitritts wäre. Dies wurde am 3. April 2008 noch auf dem NATO-Gipfel in Bukarest abgelehnt, Georgien aber grundsätzlich die Möglichkeit für einen NATO-Beitritt bestätigt.[15][10] Die Diskussionen über das Gebiet Südossetiens führten neben anderen Gründen dazu, dass die NATO-Mitgliedsstaaten die Anpassung des KSE-Vertrags (AKSE) nicht ratifizierten. Russland setzte den KSE-Vertrag daraufhin am 14. Juli 2007 außer Kraft. Kurz nach dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 baute Russland die Beziehungen mit Südossetien weiter aus.
Die Europäische Union hat 2006 ein Nachbarschaftsabkommen mit Georgien unterzeichnet, ähnlich jenen mit Armenien und Aserbaidschan. Dem Land soll dadurch der Zugang zum europäischen Binnenmarkt erleichtert werden.[8]
Russland sieht im amerikanischen Engagement in Georgien den Versuch eines Aufbaus einer unipolaren Welt unter der Führung der USA. Solch eine Welt hält Russland für instabil und konfliktanfällig.[16] Dementsprechend wird der Kaukasus-Konflikt als die erste militärische Aktion interpretiert, die sich gegen die „amerikanische Ausdehnungspolitik“ richten würde. Russland spricht vom Ende der „Amerikanischen Welt“.[17]
Trotz dieser Spannungen wies eine im November 2007 im georgischen Parlament vorgestellte Risikoanalyse des georgischen Verteidigungsministeriums die Wahrscheinlichkeit einer großangelegten Invasion von Georgien durch andere Staaten als „extrem gering“ mit in Zukunft „sinkender Tendenz“ aus.[18]
Kriegsverlauf
Weg in den Krieg
Entgegen dem Friedensabkommen von 1994 drang am 21. April 2008 eine georgische Aufklärungsdrohne in den Luftraum über Abchasien ein und wurde abgeschossen. Während Georgien ein russisches Kampfflugzeug für den Abschuss verantwortlich machte, wurde die Drohne nach russischen Angaben von abchasischen Streitkräften zerstört.[19]
Im Mai 2008 schickte Russland Eisenbahntruppen nach Abchasien zur Erneuerung der Schienenwege. Georgien sah sich dadurch veranlasst, seine Streitkräfte in erhöhte Gefechtsbereitschaft zu versetzen.
Im Juni 2008 meldete die OSZE nahezu tägliche militärische Zusammenstöße in den Konfliktgebieten.[10] Der Chef der OSZE-Mission für Georgien, Teri Hakala, berichtete, dass OSZE-Beobachter angegriffen würden und die Konfliktparteien nicht miteinander sprächen.[20]
Die Tötung eines südossetischen Polizeichefs und ein Anschlag auf Dimitri Sanakojew[21], Chef der gegenüber Georgien loyalen „Gegenregierung“ in Südossetien, am 3. Juli 2008 führten für zwei Tage zu Granatgefechten. Die südossetische Regierung beschuldigte Georgien seine Stellungen auszubauen. Am 9. Juli drang die russische Luftwaffe mehrfach in den georgischen Luftraum ein, „um die Heißsporne in Tiflis abzukühlen“, so Moskau.[22]
Am 15. Juli 2008 begannen russische Truppen der 58. Armee und der 4. Luftarmee mit etwa 8000 Soldaten und 700 Fahrzeugen auf den Gebieten von Nordossetien, Tschetschenien, Inguschetien, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien mit Militärmanövern.[23]
Am 15. Juli 2008 begannen US-Militärs gemeinsam mit Truppen aus Georgien, Armenien, Aserbaidschan und der Ukraine mit Militärmanövern bei Wasiani.[24]
Am 27. Juli 2008 hinderten südossetische Truppen OSZE-Beobachter daran, Berichte über illegalen Stellungsbau nahe Chorbauli zu überprüfen.[25]
Am 31. Juli wurden sechs georgische Polizisten bei einem Bombenanschlag in Eredwi an der ossetischen Grenze verletzt. Hier führt die Straße von Georgien in den von Tiflis kontrollierten Teil Südossetiens.[10] Tags darauf brachen heftige Kämpfe zwischen georgischen Truppen und paramilitärischen Einheiten der südossetischen Regierung von Eduard Kokoity aus. Tote und Verletzte gab es auf beiden Seiten. Südossetien gab den Verlust von drei eigenen Soldaten durch georgisches Scharfschützenfeuer bekannt.[26] Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, die Kämpfe begonnen zu haben.[27] Außerdem meldete die Regierung Kokoity die Ankunft von 300 Kämpfern aus Nordossetien, die die eigenen Milizen unterstützen wollen.[10]
Am 1. August wurden nach Angaben des südossetischen Präsidenten in Georgien 5000 Reservisten einberufen und mit einer allgemeinen Mobilmachung begonnen. Die südossetische Hauptstadt wurde in der Nacht zum 2. August 2008 von der georgischen Seite aus beschossen, wobei es sechs Tote gab. [28]
Am 2. August 2008 meldeten georgische Stellen den Beschuss des Dorfes Dwani durch südossetische Einheiten und gaben bekannt, das Feuer erwidert zu haben.[26]
Die russische Regierung erlaubte ab 3. August die Evakuierung von südossetischen Zivilisten nach Nordossetien.[29] Vorwürfe Georgiens, russische Friedenstruppen hätten die Südosseten in den Kämpfen in den Vortagen unterstützt, wurden von Moskau zurückgewiesen. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete aber, dass russische Luftlandetruppen zu einem Einsatz in Südossetien bereitstünden. Südossetische Regierungsvertreter verweigerten ein georgisches Verhandlungsgesuch.[10]
Am 4. August sollen laut Presseberichten fünf Bataillone der russischen 58. Armee in die Nähe des Roki-Tunnels, der Nordossetien mit Südossetien verbindet, verlegt worden sein.[30]
Am 5. August 2008 teilte der südossetische Gesandte, Dmitri Medojew, in Moskau mit, dass Freiwillige, überwiegend aus Nordossetien, bereits Südossetien erreicht hätten. Russische Regionen im Nordkaukasus und Vertreter der Kosaken hätten ihre Bereitschaft bekundet, Südossetien zu unterstützen.[31][32]
Sporadische Kämpfe und Duelle mit Mörsern dauerten auch die nächsten Tage an.[33][34] Am 7. August brachte Georgien Panzer, Artillerie und Truppen an die Grenze. Das georgische Innenministerium gab bekannt, dass bis zum 7. August bei den Kämpfen zehn georgische Soldaten getötet worden seien.[35][36]
Am 7. August sollen, laut georgischen Angaben, südossetische Einheiten georgische Soldaten und Dörfer in Südossetien angegriffen haben. Die georgische Seite behauptete den Verlust eines Schützenpanzers nahe Awnewi.[10][37] Am Nachmittag (gegen 16 Uhr Ortszeit) sprach das südossetische Verteidigungsministerium von einem Beschuss der Stadt „durch Unbekannte“ aus Richtung georgischer Dörfer.[38] Die in Zchinwali angesetzten Friedensgespräche kamen nicht zustande, denn die südossetische Delegation und der russische Botschafter Juri Popow erschienen nicht.[39]
Daraufhin verkündete gegen 19:10 Uhr Ortszeit der georgische Präsident in einer Fernsehansprache die sofortige Bereitschaft seiner Regierung für Friedensgespräche jeder Art, für eine vollständige Autonomie Südossetiens und eine Generalamnestie.[40][41] Er kündigte zudem eine einseitige Waffenruhe für die georgischen Streitkräfte in Südossetien an.[42] Als einzige Reaktion berichteten georgische Stellen von verstärktem Beschuss der georgischen Dörfer in Südossetien gegen 22:30 Uhr Ortszeit. OSZE Beobachter in Zvinchali dagegen registrierten keinen nächtlichen Beschuss georgischer Dörfer.[43] Man sehe sich deshalb gezwungen „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen.[44] Der georgische Präsident erklärte später, dass zu diesem Zeitpunkt russische Schützenpanzer durch den Roki-Tunnel von Nord- nach Südossetien unterwegs gewesen seien. Er habe nur eine Möglichkeit gesehen den Konvoi zu stoppen, nämlich durch Artilleriefeuer.[45]
In den Tagen vor dem Krieg hat Georgien große Truppenverbände in der nur wenige Kilometer von Südossetien entfernten Stadt Gori zusammengezogen. Gegen 24:00 Uhr Ortszeit sollen nach georgischen Berichten südossetische Truppen einen Angriff auf die nahe Zchinwali stationierten georgischen Soldaten begonnen haben. Es sollen zehn Georgier getötet worden sein. Auch seien in der Nacht Artillerie, Panzer und RPGs illegal nach Südossetien gebracht worden. Von der südossetischen und russischen Seite wird argumentiert, dass Saakaschwili den einseitigen Waffenstillstand nur ausgerufen hat, um den Gegner in Sicherheit zu wiegen.[46] Laut den Südosseten war die Nacht vor dem Angriff der Georgier ruhig.[47]
Georgische Offensive
Am 8. August um 0:53 Uhr Ortszeit (am 7. August um 20:53 Uhr UTC) berichtete eine russische Agentur, dass georgische Kräfte am Vorabend aus den Grenzsiedlungen Nikosi und Ergneti mit dem Beschuss von Zchinwali mit Mörsern begonnen und dabei auch die als Flüchtlingsroute dienende Straße in Richtung Russland ins Ziel genommen hätten.[48]
Nach dem nächtlichen Beschuss der Hauptstadt Südossetiens mit Haubitzen, BM-21 Grad Mehrfachraketenwerfern und Mörsern drang die Armee Georgiens mit Kampfpanzern und Transportpanzern in Richtung Zchinwali vor. Die georgischen Streitkräfte rückten in einer Formation eines umgekehrten Dreiecks auf Zchinwali vor, mit der 3. und 4. Brigade an beiden vorderen Enden und der Artillerie im Hintergrund. Die 2. Brigade blieb in Reserve.[49] Trotz der südossetischen Gegenwehr kontrollierte die georgische Armee am Ende des Tages einen großen Teil der Stadt. Bereits am frühen Morgen hatte der georgische Wiedervereinigungsminister Temur Jakobaschwili erklärt, die Stadt sei nahezu eingeschlossen und zwei Drittel Südossetiens werde von Georgien kontrolliert.[50] Laut georgischen Angaben war die Stadt um 14:30 „zu 100 Prozent unter georgischer Kontrolle“. Danach sei ein dreistündiger Waffenstillstand ausgerufen worden, damit Verwundete verpflegt werden und Flüchtlinge die Stadt verlassen konnten.[51] Nach südossetischen und russischen Angaben wurden durch die georgische Offensive 30000 Zivilisten vertrieben. Die Zahl der getöteten südossetischen Zivilisten wurde von Russland zunächst auf über 2000 beziffert, dann auf 1400 reduziert. [52] Im Dezember korrigierte Russland die Anzahl auf 162. [53]
Kurze Zeit darauf gab Georgien bekannt, auch die Kontrolle über die Dörfer Znauri, Sarabuk, Khetagurov, Atoci, Kvemo Okona, Dmenisi, Muguti und Didmukha erlangt zu haben. Die südossetischen Rebellentruppen seien geflohen.[54]
Russisches und abchasisches Eingreifen
Um 5:30 Uhr Ortszeit durchquerte, nach georgischen Angaben, ein russischer Konvoi mit 150 Panzern den Roki-Tunnel und stieß auf der Transkaukasischen Fernstraße in Richtung Zchinwali vor.[55] Daraufhin versuchten georgische Einheiten die Kurta-Brücke, wenige Kilometer nördlich der südossetischen Hauptstadt, zu sprengen, was aber, nach georgischen Angaben, durch den Angriff russischer Truppen um 6:00 Uhr verhindert wurde, so dass die strategisch wichtige Brücke nur beschädigt wurde und die georgischen Truppen sich zurückziehen mussten.[39] Andere Augenzeugen berichteten, dass die Russen erst einige Stunden nach 6:00 Uhr angegriffen hätten. Beobachter des Instititute for War and Peace Reporting konnten keine zerstörten Brücken im Gebiet um Kurta finden. Es scheint, dass die russischen Truppen bestens über die starken georgischen Truppenbewegungen vor und bei Ausbruch des Krieges informiert waren und sehr schnell reagieren konnten.[46]
Russland beantragte um 8:00 Uhr eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats unter Beteiligung Georgiens, die zwei Stunden später abgehalten wurde. Die Teilnehmer konnten sich aber nicht auf einen gemeinsamen Aufruf zur Einstellung der Feindlichkeiten einigen.[56]
Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hielt sich am 8. August wegen der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Peking auf und machte bei seiner Rückkehr einen Zwischenstopp im Kaukasus. Putin verurteilte das georgische Vorgehen als aggressive Maßnahme, die Russland zur Vergeltung veranlasse.[57]
Das offizielle Eingreifen Russlands in den Krieg um die abtrünnige georgische Region begründete die russische Regierung unter anderem mit dem Schutz der dortigen Bevölkerung und der in Abchasien vor der Gewalt der georgischen Truppen.[58] Ministerpräsident Putin warf Georgien vor, an den Osseten Völkermord zu begehen.[59] Nach georgischen Angaben begannen um 16:30 am Freitag russische Bombardierungen im georgischen Kernland,[60] was von russischer Seite für diesen Zeitpunkt bestritten wurde.[61]
Der abchasische Präsident Sergei Bagapsch berief eine Sondersitzung des nationalen Sicherheitsrats ein, der die Verlegung von Truppen an die georgische Grenze sowie die Entsendung von 1000 Kriegsfreiwilligen nach Südossetien beschloss.
Bereits wenige Stunden nach der georgischen Meldung über die Einnahme der südossetischen Hauptstadt Zchinwali begann mobile russische Artillerie aus dem Gebiet um die Stadt Dschawa mit dem heftigem Beschuss vermuteter georgischer Positionen in der georgischen Enklave Kurta und von georgischen Stellungen in Zchinwali.[62][63]
Die russische 58. Armee besetzte gegen 18:20 Ortszeit nördliche Teile von Zchinwali. Auch rund 200 Kriegsfreiwillige aus Nordossetien trafen in Südossetien ein.[64]
Am 9. August rief die georgische Regierung das Kriegsrecht aus.[65] Georgien meldete Angriffe der russischen Luftwaffe auf insgesamt 15 georgische Städte,[66]darunter auf Poti[67] und verschiedene Gemeinden im oberen Kodori-Tal.[68] Auch die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline soll nach Angaben des georgischen Premierministers Lado Gurgenidse bombardiert, wenn auch nicht getroffen worden sein.[69] Der Mehrheitseigentümer des Pipeline-Konsortiums BP bestätigte diese Angriffe nicht.[70])
Soldaten des russischen 234. Luftlande-Regiments aus Pskow marschierten am 9. August gegen Mittag in Zchinwali ein. Zusätzlich verlegte Russland Einheiten der 98. Luftlandedivision (217. oder 229. Luftlande-Regiment) aus Iwanowo sowie Spezialeinheiten des 45. Aufklärungsregiments nach Südossetien. Rund 12 georgische Panzer sollen am Südrand von Zchinwali zerstört worden sein.[64] Am 11. August trafen russische Fallschirmjäger in Abchasien ein.
Rund 2000 georgische Soldaten, die als Teil der Koalitionsstreitkräfte in der irakischen Provinz Diyala und in Bagdad stationiert waren, wurden am 11. August durch eine US-amerikanische Luftbrücke nach Georgien zurückgeflogen.[71]
Bei einem Angriff auf Gori am Morgen des 12. August wurde der niederländische Kameramann Stan Storimans getötet, ein weiterer Kollege wurde verletzt; insgesamt sollen fünf Menschen gestorben sein.[72][73] Nach verschiedenen Berichten, haben russische Kampfflugzeuge die Stadt bombardiert.[74][75] Von Experten der UNO ausgewertete Satellitenfotos stellten jedoch nur geringe Schäden in Gori fest.[76]
Am 12. August drangen abchasische Spähtrupps unter Führung des stellvertretenden Verteidigungsministers Abchasiens, Oberst Alexander Melnik, in den georgischen Verwaltungsbezirk Ober-Abchasien im oberen Kodori-Tal vor und besetzten die Verwaltungshauptstadt Tschchalta, wo sie Waffen und Munition der georgischen Sicherheitskräfte sicherstellten.[77] Präsident Saakaschwili gab hingegen an, russische Truppen hätten das Tal besetzt und dabei sämtliche einheimischen Georgier aus dem Tal vertrieben.[78]
Rückzug der georgischen Truppen
Georgien gab am 10. August 2008 bekannt, seine Truppen aus Südossetien zurückgezogen zu haben.[79]
Präsident Saakaschwili musste einen Besuch in der Stadt Gori mit dem französischen Außenminister Bernard Kouchner, der als Vermittler nach Georgien gereist war, aufgrund eines befürchteten russischen Luftangriffs am Abend des 11. August abbrechen.[80] Mit der Offensive in der Umgebung von Gori erreichte die russische Führung eine Unterbrechung der Hauptverbindung von Tiflis in den Westen des Landes, womit georgische Truppen in Abchasien und in der Stadt Senaki eingekesselt waren und das Land praktisch in zwei Hälften geteilt wurde.[81]
Augenzeugenberichten und Aufnahmen zufolge war der Rückzug der georgischen Truppen eher eine Flucht unter massenweiser Zurücklassung von Kriegsgerät.[82][83] Gori, Senaki, Poti und andere georgische Städte wurden ohne Gegenwehr den russischen Streitkräften überlassen. Zeitungsberichten zufolge verlief die Flucht aus Gori am Abend des 11. August in Panik und Unordnung.[80]
Am Abend des 11. August zogen sich die russischen Truppen wieder aus der Stadt Senaki zurück, in der sie die Offensive einer georgischen Infanteriebrigade verhindern sollten.[84] Am 12. August ordnet der russische Präsident Dmitri Medwedew die Einstellung der Kampfhandlungen in Georgien an. Die Operation im Südkaukasus sei abgeschlossen, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax.[84]
Am 13. August kontrollierten trotz gegenteiliger Ankündigungen immer noch russische Streitkräfte die Stadt Gori. Auch die georgische Hafenstadt Poti und andere Orte außerhalb der umstrittenen Republiken blieben bis zum 13. September von Russen besetzt, darunter der Kolchi-Militärflugplatz bei Senaki. Präsident Saakaschwili kündigte zwischenzeitlich den Austritt Georgiens aus der GUS an.[85][86]
Als Resultat der Kämpfe sind die 1. und 2. georgische Infanteriebrigade, das unabhängige georgische Panzerbataillon mit Hauptquartier in Gori sowie ein Großteil der georgischen Artillerie nicht länger einsatzbereit.[87] Auch die zwölf georgischen Jagdbomber wurden noch am Boden zerstört sowie auch alle acht Schiffe der georgischen Marine.[88]
Ungeachtet des Waffenstillstandes hat nach russischen Angaben die georgische Luftwaffe unbemannte Aufklärungsflüge über Südossetien fortgesetzt.[89] Nach Angaben des russischen Generalstabs wurde am 27. August ein georgisches unbemanntes Aufklärungsflugzeug über Südossetien abgeschossen.[90][91]
Seeblockade gegen Georgien
Die russische Schwarzmeerflotte hat russischen Medienberichten zufolge ab dem 9. August mit sieben Kriegsschiffen eine Seeblockade gegen Georgien errichtet. Dadurch sollten Lieferungen von Waffen und anderem Kriegsmaterial verhindert werden, berichtete die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das russische Marinekommando. Laut Nachrichtenagentur RIA Nowosti erreichten Kriegsschiffe im Schwarzen Meer die Grenze der georgischen Gewässer.[92] Russische Schiffe liefen abchasische Häfen an.[93] Nach russischen Angaben wurde ein georgisches Schnellboot versenkt, welches zuvor das Feuer eröffnet haben soll.[94]
Am 14. August drangen vorgeschobene Einheiten der russischen Armee, mit Panzern und Infanterie in die georgische Hafenstadt Poti ein und zerstörten mehrere Schiffe der georgischen Marine und Küstenwache an ihren Liegeplätzen.[95]
Krieg im Internet
Schon am 8. August 2008 bei Kriegsausbruch waren die Internetseiten der südossetischen De-facto-Regierung nicht mehr erreichbar, zudem blockierte Georgiens Regierung alle russischen Internetseiten der Endung .ru, was aber nur vorübergehend erfolgreich war, und machte den Empfang aller russischen Fernsehsender in Georgien unmöglich.[96] Mutmaßlich russische Hacker legten die Webserver georgischer Regierungsstellen lahm und veränderten den Internetauftritt von Behörden und Ministerien.[97] So wurde beispielsweise die Internetpräsenz des georgischen Außenministeriums manipuliert und zeigte für kurze Zeit ein Propagandabild, auf dem der Staatspräsident Georgiens, Micheil Saakaschwili, mit Diktator Adolf Hitler verglichen wird.[98] Mittlerweile sind viele der gehackten Internetangebote georgischer Regierungsstellen auf Servern im Ausland gehostet und daher wieder erreichbar.
Kriegsfolgen
EU-Friedensplan und Reaktionen des Auslands
Georgien und Russland unterzeichneten am 15. und 16. August 2008 einen Friedensplan, den sogenannten Sechs-Punkte-Plan, für Transkaukasien. Vermittelt wurde er durch den Vorsitzenden des Europäischen Rats, den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der unter anderem vorsieht, dass die russischen Friedenstruppen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, bis internationale Mechanismen vereinbart sind. Diese waren für Russland die Begründung, Soldaten in sogenannten „Pufferzonen“ solange im georgischen Kernland zu belassen, bis eine internationale Mission dieses Gebiet besetzt und damit die Konfliktparteien trennt. Russland hätte aus dieser Sicht den Sechs-Punkte-Plan streng einhalten müssen und erklärte, es würde ihn auch als Basis für eine zukünftige Resolution des UN-Sicherheitsrats sehen.[99]
Die Mitgliedsstaaten der NATO und der Europäischen Union drängten Russland am 19. August 2008 erneut zu einem sofortigen Abzug aus Georgien. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer erklärte bei einem Krisentreffen in Brüssel: „Die Zukunft unserer Beziehungen wird davon abhängen, welche Schritte Russland unternimmt, um das Abzugsversprechen einzulösen, das Präsident Medwedew gegeben hat“. Zuvor wurden die direkten Kontakte im NATO-Russland-Rat bis auf weiteres ausgesetzt. Außerdem wurde die Einsetzung einer NATO-Georgien-Kommission („NATO Georgia Commission“) beschlossen, die die Aufnahme Georgiens in die NATO vorbereiten helfen soll.[100] Der russische Präsident Dmitri Medwedew gab unterdessen einen Truppenabzug bis zum 22. August bekannt.[101]
Vor der NATO hatte bereits Schweden die militärische Zusammenarbeit mit Russland eingestellt. Die Liberale Volkspartei fordert einen Beitritt des Landes zur NATO und eine Beteiligung der schwedischen Luftwaffe an den NATO-Flugpatrouillen über den baltischen Staaten. Auch Finnlands Außenminister Alexander Stubb fordert über einen Beitritt zur NATO nachzudenken.[102]
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) plant mit Zustimmung Russlands und Georgiens die Anzahl von Beobachtern um 100 zu erhöhen. Derzeit sind rund 200 OSZE-Mitarbeiter in Georgien stationiert.
Am 8. September 2008 unterzeichnete Präsident Medwedew nach Verhandlungen mit dem amtierenden Ratspräsidenten der Europäischen Union Sarkozy Zusatzvereinbarungen zum Sechs-Punkte-Plan. Diese regeln den Abzug der russischen Friedenstruppen aus dem Kerngebiet Georgiens bis Mitte Oktober, internationale Kontrollmechanismen sowie Beginn und Inhalte der internationalen Gespräche über die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität in der Region.
Die Europäische Union hat eine Garantie für den Gewaltverzicht der georgischen Seiten gegenüber Abchasien und Südossetien übernommen. Sie wird rund 300 Beobachter in der Region stationieren. Die ersten Patrouillen der EU-Mission begannen am 1. Oktober 2008, dabei traten allerdings Probleme bei der Kontrolle der Sicherheitszone um Südossetien auf. Russland hatte zuvor zugesichert, bis zum 10. Oktober alle Soldaten aus der Sicherheitszone abzuziehen.[103] Am 8. Oktober bestätigte die georgische Seite, dass Russland alle Truppen aus den Pufferzonen um Südossetien und Abchasien abgezogen hat.[104]
Flüchtlingsströme aus Südossetien
Die Kriegshandlungen zwischen den Konfliktparteien führten zu Flüchtlingsströmen der Zivilbevölkerung heraus aus Südossetien. Laut Caritas waren am 12. August 30.000 Menschen nach Norden in russisch kontrollierte Gebiete und weitere 15.000 nach Tiflis geflüchtet.[105]
Nach Angaben des UNHCR sind 115.000 Zivilisten in Georgien und Russland auf der Flucht[106]. Nach HRW sind aus Südossetien 24.000 Zivilisten (nach russischen Angaben 30.000) nach Russland geflohen.[107] Es gibt keine genauen und von unabhängiger Seite bestätigten Berichte über die Stärke der involvierten Truppen sowie über Verluste und Opfer in der Zivilbevölkerung.
Beide Konfliktparteien werfen sich gegenseitig ethnische Säuberungen vor.[108] Deutsche Reporter bestätigten die Zerstörung georgischer Dörfer in Südossetien.[109] Kartiert werden die Zerstörungen im Auftrag der Vereinten Nationen von UNOSAT. Das Gebiet zwischen Kechwi und Zchinwali ist am stärksten betroffen.[110]
Vorwurf von Kriegsverbrechen an Georgien
Im Oktober berichtete die BBC von Anschuldigungen, dass georgische Soldaten beim Artilleriebeschuss von Zchinwali den Tod von Zivilisten in Kauf nahmen und bei der Erstürmung der Stadt wahllos auf Wohnhäuser und zivile Autos schossen.[111]
Vorwürfe, dass Granaten in Keller geworfen worden seien, in denen sich Zivilisten versteckten[112][113], konnten bisher nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.
Die New York Times berichtete darüber, dass internationale Militärexperten, die vor Ort Untersuchungen durchführten, die georgische Version ablehnen, wonach den Angriff auf Südossetien aus "Verteidigungszwecken" erfolgte.[114]
Repressalien gegen Georgier
Nach dem Rückzug der georgischen Truppen aus Südossetien wurden georgische Einwohner aus Zchinwali und Umgebung von russischen und südossetischen Truppen zu Aufräumarbeiten gezwungen.[115] Es kam in den Siedlungen der georgischen Einwohner Südossetiens zu Plünderungen und Brandstiftungen, deren genauer Umfang noch nicht klar ist.[116] Von der UNO veröffentlichte Satellitenfotos belegen jedoch das Aufflammen zahlreicher Feuer in den Dörfern der georgischen Enklaven um Zchinwali zwischen dem 12. und 19. August 2008 - zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich schon seit mindestens zwei Tagen keine georgischen Truppen mehr in dem Gebiet aufhielten.[76] Eine abschließende Bewertung der Ereignisse ist ohne eine umfassende Untersuchung am Boden jedoch noch nicht möglich.
Südossetiens Präsident Eduard Kokoity teilte der russischen Presse gegenüber am 15. August mit, dass es georgischen Zivilisten, die geflohen waren, nicht erlaubt werde, in ihre Siedlungen in Südossetien zurückzukehren. Die Georgier, die sich noch in Südossetien aufhielten, könnten das Gebiet jederzeit durch einen „humanitären Korridor“ verlassen.[117]
Am 26. August teilte der Generalsekretär der Vereinten Nationen mit, dass es vermehrt Berichte über Plünderungen, Raub, Morde und Vertreibungen auf georgischem Gebiet gebe. Dies sei eine Folge von fehlender Strafverfolgung in dem Bereich zwischen der Grenze Südossetiens und der Außengrenze der von Russland besetzten Sicherheitszone in Georgien.[118] Auch Südossetiens Präsident berichtete von „Brigantentum“ in diesem „Niemandsland“.[119]
Militärische Folgen
Während des jahrelangen Konflikts um Südossetien, vor dem Ausbruch des Krieges im August 2008, wurden zahlreiche Landminen verlegt.[120] In Südossetien und Abchasien kam es nach Recherchen des ICBL zwischen 2001 und 2007 zu 383 Verletzten und Toten durch Landminen bei allen beteiligten Parteien.[120] Nahe Gori explodierte am 24. August ein mit Öl beladener Zug. Nach georgischen Angaben war er auf eine Mine gefahren.[121] Menschenrechtsorganisationen, insbesondere Human Rights Watch, warfen der russischen Seite auch den Einsatz von Streubomben vor,[122] haben dies allerdings später zurückgezogen,[123] nachdem Georgiens Verteidigungsministerium seinerseits offiziell den Einsatz von eigenen Streubomben gegen mehrere Ziele in Südossetien zugab.[124]
Russland hielt seine Truppen bis in den Oktober 2008 auf dem Territorium „Kerngeorgiens“. Sie bildeten eine 20 Kilometer breite russische Pufferzone um Südossetien und Abchasien[125]. Durch die Pufferzone verliefen die Eisenbahn von Ost- nach Westgeorgien und nördlich von Gori die wichtigste Verbindungsstraße Georgiens zur Hafenstadt Poti. Dort und an dieser Straße in Teklati und Senaki hatte Russland Kontrollpunkte und Stützpunkte errichtet. Russland kündigte zunächst an, in der Zone 2600 Soldaten zu stationieren; 2142 vor Abchasien und 452 vor Südossetien.[126] Als Begründung wurde erklärt, man wolle georgische Waffentransporte und Sabotageakte verhindern. Zudem drohte der russische Vize-Generalstabschef Anatoli Alexejewitsch Nogowizyn, sollten die USA Georgien wieder aufrüsten, würde man die russischen Friedenstruppen weiter verstärken. Tausende Einwohner Potis demonstrierten gegen die Anwesenheit der russischen Soldaten in der Stadt.
In der Operation Assured Delivery wurden ab dem 13. August von der amerikanischen Ramstein Air Base in Deutschland mit Transportflugzeugen Hilfsgüter nach Tiflis geflogen.[127] Am 25. August erreichte der amerikanische Zerstörer USS McFaul den georgischen Hafen Batumi.[128] Er brachte zusammen mit weiteren amerikanischen Kriegsschiffen (bspw. das Kommandoschiff USS Mount Whitney (LCC-20)) Hilfsgüter nach Georgien.
Russland bezeichnete dies als einen Versuch der NATO ihre Stellung in Georgien auszubauen.[128] und kritisierte die aus ihrer Sicht zunehmende Zahl an NATO-Schiffen im Schwarzen Meer.[129] Gemeint waren vier Fregatten der Standing NATO Maritime Group 1, die nach Angaben der NATO nahe Rumänien und Bulgarien an einem lange geplanten Manöver teilnahmen.[130]
In abchasischen Suchumi legten Ende August der Lenkwaffenkreuzer Moskwa und die Flugkörperkorvette Ivanovets (954) der russischen Marine an.[131] Moskau erklärte am 29. August außerdem, Russland wolle in Abchasien und Südossetien Militärbasen errichten. Laut der südossetischen Regierung sind entsprechende Verträge in Vorbereitung.[132][133]
Wirtschaftliche Folgen
Während die EU mit Geldern den Wiederaufbau und die Stabilisierung Georgiens anstrebte,[134] verlor der russische Rubel an Wert. Investoren verloren aufgrund des Kaukasus-Konflikts das Vertrauen in Russland und zogen ihr Kapital ab.[135][136][137]
Standpunkte der Konfliktparteien
Nach den Worten des georgischen Generals Mamuka Kuraschwili wollte Georgien mit seinem militärischen Vorstoß die „verfassungsgemäße Ordnung“ in der abtrünnigen Region wiederherstellen. Ziel der georgischen Truppen sei es nicht, Zchinwali zu besetzen, sondern man wolle die „Stellungen der Separatisten zerstören“.[138]
Nach Aussage des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew beschützen die russischen Truppen die Zivilpersonen in Südossetien. Die Intervention Russlands diene unter anderem dazu, russische Staatsangehörige vor den georgischen Truppen zu schützen.[139] Die russische Armee agiere weiterhin als Folge des Mandates, das sie von der internationalen Gemeinschaft bekommen habe, und setze so den Schutz der Friedensmission in der umstrittenen Region durch.
Untersuchungen
Am 9. September wandte sich Georgien an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit dem Vorwurf, Russland habe in Südossetien und Abchasien gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965 verstoßen. Die Vorwürfe reichen bis zu den Vertreibungen von Georgiern aus Abchasien und Südossetien in den 1990ern zurück. Russland argumentiert, dass eventuelle Verstöße nur von Georgiern, Abchasen und Osseten begangen worden seien. Außerdem gelte die Konvention nicht extraterritoral, sondern nur für Verfolgungen innerhalb eines Landes.[140]
Russland seinerseits hatte mehrfach angekündigt den Internationalen Gerichtshof anzurufen. Mitte August hatte ein russisches Ermittlungskomitee Beweise in Südossetien gesammelt.[141] Am 10. September legte das Ermittlungskomitee in Moskau seinen Bericht vor. Es hatte 2500 Personen befragt, um Beweise für den behaupteten Völkermord an den Südosseten zu sammeln. Die Süddeutsche Zeitung meldet, dass statt der bisher angegebenen 2000 Toten das Komitee nun von 134 zivilen Opfern berichtet.[142] Am 24. September listete das Komitee auf seiner Webseite die Namen von 364 zivilen Opfern auf.[143] Der südossetische Generalstaatsanwalt Taimuras Chugajew sprach am 10. September von vorläufig 1692 Toten.[144]
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat durch eine Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutz am 15. Oktober 2008 in dem Konflikt beide Seiten zur Wahrung der vertraglichen Pflichten aus dem Anti-Rassendiskriminierung-Übereinkommen ermahnt. [145] [146] Die Entscheidung hat wegen ihres vorläufigen Sicherungscharakters nichts zur Klärung der Schulfrage beigetragen, war dennoch wegen eines Sondervotum durch immerhin sieben der 15 Richtern höchst umstritten. Zum einen legte die Entscheidung beiden Parteien keine Maßnahmen auf, zu denen sie nicht bereits direkt aus der Anti-Rassendiskriminierung-Übereinkommen verpflichtet gewesen wären, zum anderen hielten die abweichenden Richter die Streitfrage für eine Frage der Rassendiskriminierung, sondern für eine Territorialstreitigkeit und verneinten auch die für eine vorläufige Sicherungsanordnung notwendige Dringlichkeit, da zu diesem Zeitpunkt die Situation durch den Einsatz der EU-, UN-, sowie OSZE-Beobachtern bereits hinreichend gesichert gewesen sei. [147]
Russlands Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien
Jahrelang waren Südossetien und Abchasien zunächst nur von denen mit ihnen in der Gemeinschaft nichtanerkannter Staaten zusammengeschlossenen De-facto-Regime Transnistrien und Nagorny Karabach anerkannt worden.
Am 25. August 2008 sprachen sich der russische Föderationsrat und die Staatsduma ohne Gegenstimme für die Anerkennung der Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien aus.[148] Dieser Aufforderung kam Präsident Medwedew am Tag darauf nach und unterzeichnete die Anerkennung der Unabhängigkeit für beide Republiken.[149] Russland verwies dabei auf Parallelen zum Kosovo.[150]
Am 27. August 2008 verurteilten die G-7-Staaten die Anerkennung der Konfliktregionen und erklärten: Russland habe damit „sein Engagement für Frieden und Sicherheit im Kaukasus in Frage gestellt“.[151]
Georgien brach am 29. August die diplomatischen Beziehungen zu Russland ab und beorderte sein Botschaftspersonal aus Moskau zurück. Eine EU-Delegation unter Leitung der belgischen Senatorin Anne-Marie Lizin bestätigte am selben Tag die von den russischen Streitkräften eingerichtete Pufferzone von mindestens 18 Kilometern außerhalb von Abchasien und Südossetien auf dem Kerngebiet Georgiens. Auf einem Sondergipfel in Brüssel am 1. September verurteilten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die russische Anerkennung von Südossetien und Abchasien. Die EU forderte außerdem andere Staaten dazu auf, die Anerkennung für diese georgischen Gebiete zu verweigern.[152]
Am 5. September folgte die zweite Anerkennung von Abchasien und Südossetien durch Nicaragua.[153] [154] Mehrere zentralasiatische Staaten und die Volksrepublik China erklärten bereits einige Tage zuvor im Rahmen der Konferenz der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) 2008 in Duschanbe die Anerkennungspolitik Russlands nicht unterstützen zu wollen.[155][156] Die SOZ unterstützt aber „die aktive Rolle Russlands in den Friedenseinsätzen“ und den von der französischen EU-Ratspräsidentschaft vermittelten Sechs-Punkte-Plan.[157] In der russischen Presse vermerkte man das Auftreten Medwedews in Duschanbe als diplomatischen Fehlschlag.[158] Weißrussland hat trotz gegenteiliger Aussagen ihres Präsidenten bisher die beiden abtrünnigen Republiken nicht anerkannt.
Der Präsident Südossetiens, Eduard Kokoity, erklärte am 11. September 2008 auf einer Tagung, dass Südossetien nicht unabhängig bleiben sondern der Russischen Föderation beitreten wolle. [159] Kokoity hatte bereits zuvor den Beitritt gefordert. Im Mai hatte er erklärt: „Unser größtes Ziel ist die Vereinigung mit Russland.“ Am 12. August wiederholte Kokoity den Anschlusswunsch.[142] Georgien hatte schon zuvor Befürchtungen geäußert, dass die Anerkennung der beiden Republiken durch Russland nur ein erster Schritt Richtung Annexion sei.[128] Nachdem sich diese Aussage über Nachrichtenagenturen verbreitet hatte, sah sich Russlands Außenminister Lawrow zu einem Dementi veranlasst. Kokoity verlautbarte, seine Äußerungen seien "offensichtlich missverstanden" worden. [160] Über die Valdai-Club-Tagung und die Kokoity-Äußerungen veröffentlichte Kommersant einen Hintergrundbericht.[161]
Anhang
Interne Verweise
Weblinks
- Tagesschau: "Natürlich haben wir im Rahmen des Völkerrechts gehandelt", Interview mit Wladimir Putin am 29. August 2008
Einzelnachweise
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- ↑ der Standard: kostenpflichtiger Artikel
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