- Atomkraftwerk Grafenrheinfeld
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Kernkraftwerk Grafenrheinfeld Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Rechts und links die beiden Naturzug-Nasskühltürme, in der Mitte der Druckwasserreaktor
Lage Koordinaten 49° 59′ 2,7″ N, 10° 11′ 4,8″ O49.98408611111110.184669444444Koordinaten: 49° 59′ 2,7″ N, 10° 11′ 4,8″ O Land: Deutschland Daten Eigentümer: E.ON Betreiber: E.ON Projektbeginn: 1. Jan. 1975 Kommerzieller Betrieb: 17. Juni 1982 Aktive Reaktoren (Brutto):
1 (1345 MW) Eingespeiste Energie im Jahre 2006: 9.425 GWh Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 235.027 GWh Website: Seite bei E.ON Stand: 22. Juli 2007 Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (Abkürzung: KKG – nicht zu verwechseln mit dem ebenso abgekürzten Kernkraftwerk Gösgen in der Schweiz) liegt südlich von Schweinfurt beim unterfränkischen Grafenrheinfeld am linken Mainufer. Baubeginn war 1974 durch die Bayernwerk AG, die Inbetriebnahme erfolgte am 9. Dezember 1981. Es handelt sich um einen Druckwasserreaktor der dritten Generation („Vor-Konvoi“-Anlage) mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1345 Megawatt. Die jährliche Stromproduktion beläuft sich durchschnittlich auf über zehn Milliarden Kilowattstunden. Betreiber ist die E.ON Kernkraft GmbH mit Sitz in Hannover. Das Kernkraftwerk hat zwei weithin sichtbare Kühltürme mit einer Höhe von jeweils 143 Metern. Auf dem Gelände befindet sich ein Informationszentrum. Ein am Standort neu erbautes Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennelemente ging am 1. März 2006 in Betrieb.
Inhaltsverzeichnis
Standort
Das Kernkraftwerk liegt etwa 7,5 Kilometer südlich von Schweinfurt und 25 Kilometer nordöstlich von Würzburg auf etwa 210 Meter über Normalnull im Schweinfurter Becken. Es ist von Mittelgebirgen wie dem Steigerwald und dem Gramschatzer Wald in jeweils 20 Kilometer Entfernung und dem Spessart in 30 bis 40 Kilometer Entfernung umgeben. Der Main verläuft westlich in etwa 500 Meter Entfernung in Nord-Süd-Richtung. Im Umkreis von zehn Kilometern leben etwa 126.000 Menschen, davon etwa 55.000 in Schweinfurt.[1] Das Areal des Kernkraftwerks wird von überwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzten Bereichen sowie mehreren kleineren Landschafts- und Naturschutzgebieten umgeben. Im Umkreis bis zu zehn Kilometern befinden sich vier Anlagen der Stadt Schweinfurt zur Trinkwasserversorgung, drei Anlagen der Fernwasserversorgung und drei Einzelversorgungsanlagen.[1]
Der Standort des Kernkraftwerkes bei Grafenrheinfeld bietet topografisch und meteorologisch günstige Voraussetzungen. Die Region um das Kernkraftwerk gilt als erdbebensicher und ist durch Hochwasserschutzdämme vor Überflutungen geschützt.[2] Die Bereitstellung großer Mengen Wasser für die Kühltürme ist durch die Lage am Main gewährleistet. Das gut ausgebaute Verkehrsnetz der Umgebung ist für einen reibungslosen Transport der vom Kernkraftwerk benötigten Güter von Vorteil. Der vom Kraftwerk erzeugte Strom wird über das Schaltwerk in das bayerische Hochspannungsnetz beziehungsweise in das europäische Verbundnetz eingespeist, wobei der Netzbetrieb durch einen Lastverteiler in Karlsfeld bei München zentral gesteuert wird. [2]
Anlage
Kernreaktor
Bei dem Kernreaktor handelt es sich um einen Druckwasserreaktor der dritten Generation, eine sogenannte vor-Konvoi-Anlage. Das Basisdesign dieses Reaktortyps stammt aus den 1970er Jahren. Der Reaktor hat eine elektrische Bruttoleistung (Nennleistung) des Generators von 1345 Megawatt (MW). Die Nettoleistung liegt bei 1275 Megawatt.[3] Dieser Wert gibt die maximale Leistung an, die ins Netz eingespeist werden kann. Er entspricht dem Bruttowert abzüglich des Kraftwerkseigenverbrauchs von Neben- und Hilfsanlagen. Die thermische Reaktorleistung liegt bei 3765 Megawatt.[4]
Zum Reaktorbereich gehört der Reaktordruckbehälter mit einem Innendurchmesser von fünf Metern, bei einer Gesamthöhe einschließlich Steuerstabantriebsstutzen von 12,8 Metern. Das Gesamtgewicht des Druckbehälters beträgt etwa 530 Tonnen, die Wandstärke 25 Zentimeter. Der Reaktorkern fasst 193 Brennelemente mit einer Brennstablänge von 3,9 Metern und einem Brennstoffgewicht von 103 Tonnen. Die vier Dampferzeuger haben ein Gesamtgewicht von 335 Tonnen, bei einem größten Durchmesser von 4,9 Metern und einer Gesamthöhe von 21,3 Metern.
Stromerzeugung
Zur Stromerzeugung dienen die maschinentechnischen Anlagen, wie die Turbine, die durch Dampf angetrieben wird, und der Generator. Die Turbine besteht aus einem Hochdruck- und zwei Niederdruckteilen, die direkt mit dem Drehstrom-Generator gekoppelt sind. Der Dampf strömt mit 65 bar in die Hochdruckturbine und verrichtet in zwölf Stufen Arbeit. In den neun Stufen der zwei nachfolgenden Niederdruckteile entspannt er sich auf einen Druck von 0,088 bar, wobei er teilweise wieder zu flüssigen Wasser kondensiert. Der Außendurchmesser des letzten Schaufelrades beträgt 5,6 Meter, die Nenndrehzahl liegt bei 1500 Umdrehungen pro Minute. Der Generator mit einem Gesamtgewicht von 675 Tonnen wird von den Turbinen angetrieben und wandelt deren aufgenommene Energie in elektrischen Strom. Die Leistung beträgt 1345 Megawatt. Mit Drehstromtransformatoren wird die Spannung hochtransformiert und in das 380-Kilovolt-Höchstspannungsnetz eingespeist.
Auffallend ist, dass die abgehenden Leitungen teilweise auf sehr niederen Masten verlegt sind. Die Benutzung des Weges außerhalb des Kraftwerksgeländes entlang der Schaltanlage ist deshalb für Fahrzeuge mit mehr als vier Metern Höhe untersagt. Darauf wird auch mit entsprechenden Schildern hingewiesen.
Im Kernkraftwerk ist eine permanente Stromerzeugung gewährleistet. Aus ihr wird der Eigenbedarf an Strom bezogen, den das Kraftwerk zur Aufrechterhaltung seiner Betriebsfähigkeit benötigt. Der Generator wird bei einem Ausfall der Stromerzeugung durch einen Leistungsschalter vom Maschinentrafo getrennt. Der Eigenbedarf wird in einem solchen Fall aus dem Netz über die Maschinentransformatoren entnommen. Wenn die Stromversorgung weder durch das Kernkraftwerk selbst (beispielsweise bei Abschaltung) noch durch das Höchstspannungsnetz gewährleistet werden kann, wird der Strom über vier redundante Notstromdieselaggregate bezogen. Im Notfall sollen Batterieanlagen und weitere Notstromdieselaggregate die Stromversorgung sicherstellen.
Kühltürme
Zur vollständigen Kondensation des Niedrigdruck-Dampfes werden zwei Naturzugkühltürme, beide mit einer Höhe von 143 Metern eingesetzt. Diese sind über einen weiteren Kühlkreislauf mit dem Kondensator verbunden. Der Durchmesser der Kühltürme an der Basis beträgt 104 Meter, der Austrittsdurchmesser oben 64 Meter.[5] Pro Stunde werden 160.000 Kubikmeter dem Main entnommenes Wasser im Kreislaufbetrieb umgewälzt. Das Wasser passiert den Turbinenkondensator und wird anschließend im Kühlturm auf zehn Meter Höhe gepumpt. Dort wird es gleichmäßig verteilt und rieselt in die Kühlturmtasse, den Sammelbereich des herabrieselnden Wassers, der die komplette Basis des Kühlturmes einnimmt. Durch die teilweise Verdunstung des Wasser an der von unten in den Kühlturm einströmenden Luft, kühlt sich das Wasser dabei um etwa 13 Kelvin ab. Dabei verdunsten etwa 1,5 bis zwei Prozent des Wassers[6]. Nach anderer Quelle 0,035 Prozent[7], im Vergleich zur umgewälzten Menge durch Verdunstung. Von der Kühlturmtasse gelangt das Kühlwasser in den Turbinenkondensator zurück.
97 Prozent der Abwärme des Kernkraftwerks werden über die Kühltürme in Form von Wasserdampf an die Luft abgegeben; etwa drei Prozent werden über den Main direkt abgeleitet. Durch den Kühlkreislauf hat sich das in den Main zurückgeführte Wasser je nach Abfluss des Maines um etwa 0,5 bis ein Kelvin erwärmt. Bei der Entnahme des Mainwassers zur Kühlung wird dieses von Verschmutzungen (Ästen, Laub und Schlamm, aber auch Müll und sonstigem Treibgut) gereinigt. Nach dem Kühlvorgang wird das Wasser dem Main wieder zugeführt, pro Sekunde etwa fünf Kubikmeter. Pro Jahr fallen etwa 4000 Kubikmeter gepresster Filterkuchen und 300 Kubikmeter Rechengut aus dem Treibgutrechen an.[8]
Meteo-Mast Grafenrheinfeld
Der Meteorologie-Mast (Meteo-Mast) Grafenrheinfeld ist ein weithin sichtbarer abgespannter Stahlfachwerkmast für die Messung meteorologischer Parameter. Er befindet sich außerhalb des Werksgeländes etwa 750 Meter südlich des Kernkraftwerks. Der Mast ist 164 Meter hoch und wurde 1977/78 errichtet. Er liefert meteorologische Daten für das Messnetz zur Überwachung der kerntechnischen Anlagen in Bayern (Kernreaktor-Fernüberwachungssystem)[9], das vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) betrieben wird. Die Gamma-Dosisleistung wird auf dem Betriebsgelände und in der näheren Umgebung gemessen. Sämtliche Messdaten werden ohne Beteiligung des Betreibers der Anlage per Datenfernübertragung an die Messnetzzentrale in Augsburg übertragen.
Informationszentrum
Das Informationszentrum steht zwar innerhalb des Kernkraftwerks-Areals, jedoch 300 Meter außerhalb des zentralen Kernkraftbereichs und wurde bereits sechs Jahre vor Inbetriebnahme des Kraftwerks eröffnet. Bis zum Betriebsbeginn im Dezember 1981 besuchten schon mehr als 100.000 Interessierte das Infozentrum. Diese Einrichtung besteht aus einem Flachbau, in dem sich moderne audiovisuelle Informationssysteme, Exponate und Ausstellungsräume befinden. Das Infozentrum wurde 1983 erstmals umgestaltet, 1996 erfolgte ein weiterer größerer Umbau. Seit der Eröffnung im Juni 1975 bis Ende Mai 2007 zählte das Informationszentrum 434.000 Besucher. Die Mitarbeiter führen im Jahr etwa 8000 Personen durch die Kraftwerksanlage. Davon dürfen allerdings nur wenige den Strahlenschutzbereich betreten. Insgesamt wurden bereits über 12.000 Besuchergruppen geführt. [10]
Zwischenlager
Der Bundesgesetzgeber ordnete im Jahr 2000 mit dem novellierten Atomgesetz an, dass auf dem Gelände eines Kernkraftwerkes Zwischenlager zu errichten sind, um die Zahl der Transporte radioaktiven Materials zu reduzieren. Damit entfallen die Atommülltransporte in die Wiederaufbereitungsanlagen von La Hague in Frankreich oder Sellafield in Großbritannien sowie in die norddeutschen Zwischenlager Gorleben und Ahaus. Da das Kernkraftwerk keinen eigenen Gleisanschluss hat, wurden bisher die Castor-Behälter per Tieflader nach Gochsheim transportiert, um dort am Bahnhof in der Ortsmitte vom Tieflader auf den Zug verladen zu werden. Während des Verladezeitraums wurde der Bereich von der Polizei abgeriegelt. Bei diesen Verladungen fanden auch regelmäßig Demonstrationen statt, die immer friedlich abliefen.[11] Mit dem Zwischenlager entfallen bis zur Fertigstellung eines Endlagers in Deutschland die Transporte radioaktiven Materials.
Die Bayernwerk AG reichte am 23. Februar 2000 den Antrag für ein Zwischenlager auf dem Gelände des Kernkraftwerkes ein. Im baurechtlichen Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt Schweinfurt wurde eine förmliche grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Dabei erhielten die österreichische Regierung, die Regierungen der Bundesländer Vorarlberg, Salzburg und Oberösterreich sowie Privatpersonen aus dem Nachbarland Gelegenheit zur Anhörung. Nach der Bekanntgabe des Vorhabens am 7. April 2001, während der öffentlichen Auslegung der Unterlagen vom 24. April bis 25. Juni 2001 und bei der mündlichen Erörterung vom 20. bis 22. September 2001 in Gerolzhofen hatten etwa 44.500 Personen Einwendungen erhoben. Die Einwendungen, die in Form von Unterschriftenlisten und Einzeleinwendungen vorgebracht wurden, bezweifelten die Sicherheit des Zwischenlagers und richteten sich gegen das Konzept der Behälter. Die Einwendungen wurden mit den Antragsunterlagen geprüft und im Genehmigungsbescheid behandelt. Dieser wurde am 3. August 2002 erteilt.[12]
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigte am 12. März 2003 der Betreiberin des Atomkraftwerkes Grafenrheinfeld, der E.ON Kernkraft GmbH, den Betrieb des Zwischenlagers unter der Auflage, den sicheren Einschluss des radioaktiven Materials dadurch zu gewährleisten, dass jeder Behälter mit einem Doppeldeckel-System ausgerüstet ist.[13] Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die Klagen der Stadt Schweinfurt und einiger Privatleute gegen die atomrechtliche Genehmigung durch das BfS kostenpflichtig ab.[14]
Das Zwischenlager, ein Brennelementbehälterlager (BELLA), wurde ab 2003 errichtet und am 26. Februar 2006 mit dem ersten Castor-Behälter mit 19 abgebrannten Brennelementen bestückt.[15] Diese waren eine Woche vorher aus dem Nasslager genommen worden, wo sie der nach Entnahme aus dem Reaktor fünf Jahre zum Abklingen gelagert wurden. Das Zwischenlager dient ausschließlich zur Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente aus dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Auch leere, aber bereits benutzte Behälter, die mit radioaktiven Stoffen kontaminiert sind, können dort gelagert werden.[1] Im Kernkraftwerk sind seit der Inbetriebnahme etwa 522 Tonnen radioaktive und kontaminierte Materialien angefallen, die vorher überwiegend mit Castor-Transporten zu Wiederaufbereitungsanlagen im Ausland transportiert wurden.[16]
Das Zwischenlager befindet sich auf dem Gelände des Kernkraftwerks, etwa 70 Meter östlich des Reaktorgebäudes, und wird durch die äußere Umschließung in das Kraftwerksgelände eingebunden. Dieses ist durch eine Zaunanlage gesichert. Durch die Lage innerhalb des Kraftwerksgeländes sind die Transportwege sehr kurz, wobei keine öffentlichen Verkehrswege berührt werden. Es wird unabhängig vom Kernkraftwerk betrieben. Infrastrukturelle Einrichtungen des Kernkraftwerkes, wie der Eingangsbereich sowie das Straßen- und Wegenetz werden allerdings mitbenutzt. Das Lagergebäude ist besonders widerstandsfähig gebaut und dient der Abschirmung sowie der Wärmeabfuhr. Durch diese Sicherheitsmaßnahmen ist die vom Gesetzgeber geforderte Schadensvorsorge durch die Kombination von Lagerhalle und Brennelementebehälter gewährleistet.[1] Das Lagergebäude besitzt 85 Zentimeter dicke Stahlbeton-Außenwände und umfasst zwei Lagerbereiche mit 62 Meter Länge, 38 Meter Breite und 18 Meter Höhe. Das Dach ist 55 Zentimeter stark. Der Verladebereich an der Südseite ist durch starke, bis zu 8,8 Meter hohe und 80 Zentimeter dicke Abschirmwände von den beiden Lagerbereichen abgetrennt. Dort befinden sich verschiedene Funktionsräume und die Behälter-Wartungsstation. Die beiden Lagerbereiche sind durch eine 50 Zentimeter dicke Betonwand vollständig voneinander getrennt. Die Bodenplatten bestehen aus einer 40 Zentimeter dicken Stahlbetonschicht auf einem festen Unterbau. In den Lagerabteilungen befindet sich jeweils ein Brückenkran, mit dem die Behälter transportiert werden.[1]
Das Zwischenlager hat eine maximale Kapazität von 88 Castor-Behältern mit insgesamt 800 Tonnen Schwermetallmasse[17]. Der Lagerbereich eins hat auf einer Fläche von 670 Quadratmetern 40 Stellplätze, die in fünf Doppelreihen zu jeweils acht Plätzen angeordnet sind. Der zweite Lagerbereich ist 760 Quadratmeter groß und fasst 48 Castor-Behälter auf jeweils acht Stellplätzen in sechs Doppelreihen. Die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager ist auf 40 Jahre begrenzt, bis dahin sollen alle Brennelemente in ein Endlager gebracht worden sein, voraussichtlich in den Salzstock Gorleben.[1]
Im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld werden ausschließlich Castor-Behälter des Typs V/19 genutzt, wobei die römische V für die fünf Jahre des Abklingens der Brennelemente im Nasslager steht und die 19 für die maximale Zahl von Brennelementen, die der Castor aufnehmen kann. Ein Behälter dieser Bauart wiegt unbeladen etwa 126 Tonnen und besteht aus etwa 40 Zentimeter dickem Gusseisen. Die Dichtheit jedes Behälters im Zwischenlager wird kontinuierlich überwacht und protokolliert. Die bei jeder jährlichen Revision anfallenden, bestrahlten Brennelemente werden nach der fünfjährigen Abklingzeit in Castor-Behälter verladen und vom Reaktorgebäude in das Zwischenlager transportiert.
Geschichte
Planung
Die Planungen zum Kernkraftwerk Grafenrheinfeld reichen bis in das Jahr 1969 zurück. Im August 1969 stimmte der Gemeinderat von Grafenrheinfeld mit Bürgermeister Volk dem Bau eines Kernkraftwerkes durch die Bayernwerk AG in den Flurabteilungen Schollenwehr und Dörnig zu. Hierzu verkaufte die Gemeinde 9,7 Hektar eigenes Gelände. Weitere 35 Hektar kamen aus Privatbesitz hinzu. Von Beginn an gab es Gegner des geplanten Kernkraftwerkes. Eine Bürgeraktion gründete sich 1972, die während und nach der Bauzeit gegen die Anlage kämpfte. Im Rahmen des Raumordnungsverfahrens lehnten die Stadt Schweinfurt und einige Nachbargemeinden von Grafenrheinfeld den Bau des Kernkraftwerkes ab. Die Stadt argumentierte unter anderem damit, dass das Kernkraftwerk das Zusammenwachsen der expandierenden Stadt mit den Gemeinden Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld behindern würde. Außerdem wurde befürchtet, dass zwei benachbarte Naturschutzgebiete entwertet werden könnten.
Der damalige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Klaus von Dohnanyi, stellte auf einer Podiumsdiskussion in Schweinfurt unmissverständlich fest, dass es „angesichts des ständig steigenden Energiebedarfs keine Alternative zur Kernenergie gibt“.[18] Der Standort Grafenrheinfeld wurde auch vom seinerzeitigen bayerischen Umweltminister Max Streibl verteidigt. Im Dezember 1972 stimmte der Kreistag für den Bau des Kernkraftwerks.
Die Bayernwerk AG stellte im November 1973 den offiziellen Antrag zur Errichtung eines Kernkraftwerkes bei Grafenrheinfeld. Das Raumordnungsverfahren sah zwei Reaktorblöcke mit vier Kühltürmen vor. Zunächst sollten allerdings nur ein Reaktor und zwei Kühltürme gebaut werden. Die Regierung von Unterfranken gab kurz darauf ihre Zustimmung, allerdings mit 21 Sicherheits- und Umweltauflagen. Nach zwei Jahren hatte das Vorhaben das Raumordnungsverfahren passiert. Die atomrechtliche Genehmigung wurde am 21. Juni 1974 erteilt. Daraufhin klagte die Stadt Schweinfurt gegen den Beschluss und die Arbeiten auf der Baustelle mussten vorübergehend eingestellt werden.
Bau
Mit der zweiten Teilbaugenehmigung durch Landrat Georg Burghardt konnte der Bau der Kühltürme beginnen. Die bayerische Staatsregierung bekräftigte im Frühjahr 1975 die Rechtmäßigkeit der Genehmigung, nachdem es am Bauzaun zu den ersten Demonstrationen gekommen war, die allerdings, wie auch später, friedlich verliefen. Die Anzahl der Beschäftigten auf der Großbaustelle stieg im Juni 1975 auf etwa 340 Personen von über 50 Firmen aus dem unterfränkischen Raum. Zu diesem Zeitpunkt war die Dichtwand fertiggestellt, die ein Eindringen des Grundwassers verhindern sollte. Das Maschinenhaus war bereits fundamentiert, elf Hochkräne waren im Einsatz. Auch bei den Kühltürmen waren die Fundamentabsätze fertig betoniert und am Reaktorgebäude wuchs die äußere Ringwand.
Das Interesse der Bevölkerung war schon in diesem frühen Stadium der Bauarbeiten groß. Deshalb richtete die Bayernwerk AG bis zu vier Busfahrten täglich zur Baustelle ein. Im Herbst 1975 registrierte das Informationszentrum an der Baustelle schon 10.000 Besucher. Ende 1975 standen die 36 V-förmigen Stützen für die Kühltürme sowie der untere Teil der Stahlkugel, in der später der Reaktordruckbehälter eingebaut wurde. Einer der beiden Kühltürme war im Oktober 1976 in Kletterbauweise auf seine endgültige Höhe von 143 Metern hochgezogen worden. Mit der Fertigstellung des ersten Kühlturms sprach Oberbauleiter Eberhard Wild von der Halbzeit der Bauarbeiten. Inzwischen waren schon 850 Personen auf der Baustelle beschäftigt.
Möglichst viele Gebäude wurden winterfest gemacht, damit in der kalten Jahreszeit im Inneren zügig weitergearbeitet werden konnte. Im Januar 1977 war das Maschinenhaus hochgezogen und erhielt ein Dach. Im Reaktorgebäude wurde zu diesem Zeitpunkt in zwei Zwölf-Stunden-Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Das war nötig, da zusätzliche Sicherheitsauflagen sonst den Terminplan durcheinandergebracht hätten. Geplant war, das Kernkraftwerk im Winter 1979/80 ans Netz anzuschließen.
Mit Schiffen wurden im Frühjahr 1977 die ersten schweren Maschinen, wie der Turbinenkondensator angeliefert und im kraftwerkseigenen Hafen entladen. Vor dem Verwaltungsgericht Würzburg fand ein Prozess wegen des Kernkraftwerkes statt, als schon etwa 500 Millionen Deutsche Mark verbaut waren.[19] Die Klagen dreier Privatpersonen, der Stadt Schweinfurt und der Gemeinde Bergrheinfeld gegen den Bau des Kernkraftwerkes wurden allerdings abgewiesen.
In den darauffolgenden Monaten wurde unter Zeitdruck weitergearbeitet. Im August 1977 waren die Rohbauarbeiten an den Gebäuden weitgehend abgeschlossen. Der Sicherheitsbehälter aus 30 Millimeter dickem Stahlblech wurde zusammengeschweißt und die obere Polkappe des Behälters mit einem Kran in ihre Position gehievt. Die Stahlkugel weist einen Durchmesser von 56 Metern auf, hat ein Gewicht von 2000 Tonnen und umschließt den Reaktor luftdicht. Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Kühlturm fast fertig und das Fundament für den schmalen, 160 Meter hohen Abluftkamin entstand.
An der Baustelle waren etwa 1200 Personen beschäftigt. Damit war es die größte Baustelle Süddeutschlands. Die Bauarbeiter wurden nach und nach durch Monteure ersetzt. Äußerlich war das Kernkraftwerk bis zum Ende des Jahres fertiggestellt. Für die reinen Betonierarbeiten wurden 180.000 Kubikmeter Beton und 19.000 Tonnen Armierungseisen verarbeitet. wofür zwei Betonmischanlagen innerhalb der Anlage in Betrieb waren. Dazu kamen noch die beiden Kühltürme mit 22.000 Kubikmeter Beton und 4.000 Tonnen Bewehrungsstahl. Der Termin für die erste Stromproduktion wurde durch Oberbauleiter Wild wegen nachträglicher Auslegungs- und Fertigungsänderungen sowie notwendiger Prüfungen auf Mitte 1980 verschoben.
Im Oktober 1978 traf der 520 Tonnen schwere und 12,8 Meter lange Reaktorbehälter in Grafenrheinfeld ein. Die nahtlosen Schmiederinge dazu waren in Japan hergestellt und auf dem Seeweg nach Schweden transportiert worden. In Schweden wurden diese in mehrjähriger Arbeit zusammengeschweißt. Die Sicherheitsprüfungen beanspruchten allein 40 Prozent der Arbeitszeit. Während der gesamten Herstellung war der TÜV Bayern mit eingebunden. Allein der Deckel des Reaktorbehälters hat ein Gewicht von 120 Tonnen. Der Reaktorbehälter ist das zentrale Bauteil im Primärkreislauf der Kernkraftanlage. Die Kernspaltung findet in den Brennelementen statt. Dieser Behälter steht mit 158 bar unter hohem Druck, damit das Wasser – pro Stunde 68.000 Tonnen –, das ihn mit einer Temperatur von über 300 Grad Celsius durchströmt, nicht verdampft.
Der Reaktorbehälter wurde im November 1978 in das Gebäude eingepasst. Ebenfalls eingebaut waren bereits die vier je 360 Tonnen schweren Dampferzeuger. Auch in der Warte, der Steuerzentrale des Kernkraftwerkes, gingen die Arbeiten an den Steuer- und Kontrollinstrumenten voran. Das künftige Betriebspersonal trainierte den Betrieb bereits an einem Kraftwerk-Simulator in Essen.
Der Primärkreislauf, also der später nuklear beheizte Wasserkreislauf, wurde im August 1979 erfolgreich mit Überdruck geprüft. In diesem Monat wurde südlich des Kernkraftwerkes ein Ausweichbiotop, das durch die Bayernwerk AG mit 400.000 Mark finanziert worden war, von Vertretern der Naturschutzbehörde abgenommen und der Obhut der Gemeinde Grafenrheinfeld übergeben. Das Gebiet, das zuvor aus mehreren Kiesgruben bestanden hatte, wurde Rückzugsort für viele Tier- und Pflanzenarten. 1979 wurden die ersten Probeläufe des Notstromdieselaggregats durchgeführt.
Anfang 1980 war die Steuerzentrale des Kernkraftwerks weitgehend aufgebaut. Die Reaktorgrube und das Brennelementebecken wurden auf Dichtigkeit geprüft. An der Lademaschine probte die Mannschaft das Hantieren mit den Brennelementen. Das TÜV-Gutachten war ebenfalls fertig. Das Informationszentrum wurde bis zu diesem Zeitpunkt von 100.000 Menschen besucht und war für Besuchergruppen bis Mitte Mai 1980 ausgebucht. Im April 1980 stiegen aus den Kühltürmen die ersten Dampfschwaden auf. Das Kernkraftwerk war allerdings noch nicht in Betrieb, es wurde lediglich der Wasserkreislauf der Kühltürme getestet. Ein halbes Jahr später lief der sogenannte Warmprobebetrieb I, noch ohne Brennelemente, an. Hierbei wurden acht Wochen lang neben dem Primärkreislauf 50 verfahrenstechnische Systeme der Anlage auf ordnungsgemäße Funktion überprüft. Dies geschah zunächst einzeln, dann gemeinsam und immer im Beisein eines Gutachters. Die Tests verliefen erfolgreich. Der Primärkreislauf erreichte dabei erstmals seine Betriebstemperatur von 300 Grad Celsius mit Hilfe der Umwälzung des Wassers durch die Hauptkühlmittelpumpen. Im selben Jahr trafen die ersten Brennelemente ein.
Bundespräsident Karl Carstens besuchte am 3. Februar 1981 das Kernkraftwerk und bekundete, dass er die bundesdeutschen Kernkraftwerke für die sichersten in ganz Europa hielte und kein Weg an der Kernenergie vorbeiführe.[20] Der Reaktordruckbehälter wurde im Juni 1981 mit den Brennelementen beladen und es folgte der Wärmeprobebetrieb II, der immer noch ohne nukleare Kettenreaktion durchgeführt wurde. Bei diesem Probebetrieb wurde unter anderem die Turbine im Maschinenhaus auf die Betriebsdrehzahl von 1500 Umdrehungen pro Minute hochgefahren. Die Betriebserlaubnis für die Anlage wurde am 10. November 1981 durch das Bayerische Umweltministerium erteilt.
Betrieb
Die erste sich selbst erhaltende Kettenreaktion, die sogenannte erste Kritikalität, fand am 9. Dezember 1981 um 21.11 Uhr im Reaktor des Kernkraftwerkes statt.[21] Es wurde allerdings noch kein Strom ins Netz eingespeist. Das geschah erstmals am 30. Dezember 1981, allerdings nur mit 30 Prozent der Nennleistung. Das Kernkraftwerk ging 43 Monate später als ursprünglich geplant und als elftes kommerzielles Kernkraftwerk in Deutschland in Betrieb. Vor allem die neuen schärferen Sicherheitsbestimmungen führten zu dieser Verzögerung. Die Gesamtkosten des Kernkraftwerkes beliefen sich auf etwa 2,5 Milliarden Mark, wobei man ursprünglich nur von 1,1 Milliarden Mark ausgegangen war.[22]
Die Leistung des Reaktors wurde stufenweise hochgefahren und lief am 20. April 1982 erstmals unter Volllast.[3] An den Bauarbeiten waren etwa 14.000 Menschen beteiligt, in Spitzenzeiten waren auf der Baustelle 1.500 beschäftigt. Der Generalunternehmer Kraftwerk Union, der für den Bau der Anlage zuständig war, übergab am 17. Juni 1982 das Kernkraftwerk nach siebenjähriger Bauzeit an die Bayernwerk AG.[3] Zur Übergabefeier am 23. Juli 1982 kamen etwa 1.000 Gäste nach Grafenrheinfeld und einen Tag später weitere 5.000 aus der Nachbarschaft.
Der Leiter des Kraftwerks, der 49-jährige Eberhard Wild, wechselte im Juli 1986 vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, das er elf Jahre geleitet hatte, in die Hauptabteilung Nukleare Kraftwerke der Bayernwerk AG in München. Er hatte den Bau des Kernkraftwerks von Anfang an begleitet. Peter Michael Schabert wurde sein Nachfolger. Schabert wurde Ende 1991 von Erich K. Steiner abgelöst, der auch zu denjenigen gehörte, die von Anfang an dabei waren. 1992 wurde die hundertmilliardste Kilowattstunde Strom seit der Inbetriebnahme produziert.
In den 1990er Jahren wurde viel Geld in das Kernkraftwerk investiert. Die Generatorleistung der Anlage wurde 1993 durch den Austausch der Hoch- und Niederdruckturbinen von 1299 Megawatt auf 1345 Megawatt um 46 Megawatt erhöht.[21] Es entstanden für fünf Millionen Mark neue Büro- und Schulungsräume. Der Betreiber des Kernkraftwerkes investierte 40 Millionen Mark in ein Entsorgungsgebäude für konventionelle und nukleare Abfälle, das im Frühjahr 1994 fertiggestellt wurde. Zum gleichen Zeitraum wurde der Einbau eines Druckentlastungssystems, das sogenannte Wallmann-Ventil, durchgeführt. Für 80 Millionen Mark wurde mit DARIUS ein zusätzliches Sicherheitssystem für den Primärkreislauf installiert. Am 13. Juli 1996 kamen anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Bayernwerk AG über 25.000 Personen zu einem Tag der offenen Tür nach Grafenrheinfeld. 1997 wurde das neue Zentralgebäudes errichtet. Die technische Leitung des Kernkraftwerks übernahm im Januar 1998 Reinhold Scheuring.
Der Betreiber, die Bayernwerk AG, fusionierte im Sommer 2000 mit der PreussenElektra zur E.ON Energie mit Sitz in München, einer hundertprozentigen Tochter der E.ON AG, die jetzt der Betreiber des Kernkraftwerkes ist.
E.ON beantragte am 16. Mai 2000 die Erhöhung der thermischen Reaktorleistung um fünf Prozent auf 3950 Megawatt. Das Bundesministeriums für Umwelt forderte am 20. Dezember 2002 die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) zur sicherheitstechnischen Bewertung auf. [23] Hierbei erfolgten auch Untersuchungen der Strahlendosis, vor allem der Schilddrüsendosis. Dabei wurden die Werte, die in den Jahren 1987, 1988, 1992, 1993 und 1994 vom KFÜ-Mast gemessen wurden, gemittelt, und in die Untersuchungen einbezogen. Die Untersuchungen der RSK ergaben, dass diesbezüglich keine Probleme zu erwarten seien, wie schon zuvor bei den Reaktoren Philippsburg 2 und Isar 2[24]. Es sollten allerdings verschiedene Änderungen, wie eine Erhöhung der Aufwärmspanne des Kühlmittels und eine Frischdampfdruckerhöhung vorgenommen werden. Weiterhin wurden im Zuge des Genehmigungsverfahrens Strahlenuntersuchungen durchgeführt. Das Bundesministerium lehnte trotz der positiven Stellungnahme der RSK mit Schreiben vom 3. Februar 2004 die Leistungserhöhung ab mit der Begründung, dass nicht alle Nachweise vom Betreiber vorgelegt wurden und somit die Voraussetzungen für die Genehmigung nicht erfüllt seien.[25]
Im Jahr 2006 wurde das Zwischenlager in Betrieb genommen. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld hatte am 20. Februar 2007 seit der Inbetriebnahme 250 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. Am 22. Juni 2007 fand ein Festakt anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld statt, an dem Wirtschaftsminister Michael Glos und der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf teilnahmen. Mehrere tausend Besucher waren bei einem Fest auf dem Betriebsgelände am Sonntag, dem 24. Juni 2007 anwesend.
Geplante Stilllegung
Am 26. April 2002 setzte die rot-grüne Bundesregierung den langfristigen Ausstieg aus der Atomenergienutzung durch. Seit der damit verbundenen Novellierung des deutschen Atomgesetzes dürfen keine neuen Kernkraftwerke mehr gebaut werden und bei allen bestehenden wurden Reststrommengen anhand einer Regellaufzeit von 32 Jahren festgelegt, nach deren Erzeugung die Anlagen stillgelegt werden müssen. Die Novelle legte fest, dass ab dem 1. Januar 2000 in den deutschen Kernkraftwerken insgesamt noch 2,623 Millionen Gigawattstunden Strom erzeugt werden dürfen. Dieser Wert ergibt sich durch die Addition der Reststrommengen, die den einzelnen Anlagen je nach ihrem Alter zugeteilt wurden. Dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld wurde eine Reststrommenge von 150,03 Milliarden Kilowattstunden zugesprochen, davon waren am 1. Januar 2008 69,59 Milliarden Kilowattstunden übrig. Die Reststrommengen dürfen allerdings flexibel gehandhabt werden, das heißt, es dürfen Strommengen einer Anlage an eine andere übertragen werden. E.ON Kernkraft als Betreiber des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld hat beispielsweise das Kernkraftwerk Stade vor dem Erreichen der Reststrommenge abgeschaltet. Das übrige Kontingent der Anlage steht E.ON Kernkraft als Guthaben zur Verfügung und kann für ein anderes Kernkraftwerk in Anspruch genommen werden. Bei unveränderter durchschnittlicher Jahresleistung, ohne längere Stillstandszeiten und ohne Strommengenübertragungen von oder auf andere Kernkraftwerke müsste die Stromproduktion in Grafenrheinfeld voraussichtlich im Jahr 2014 beendet werden. [26] [27]
Proteste
Das Kernkraftwerk hat keinen eigenen Gleisanschluss, weshalb die anfallenden Castor-Behälter per Tieflader nach Gochsheim transportiert werden, um dort am Bahnhof in der Ortsmitte vom Tieflader auf den Zug verladen zu werden. Mit diesem ging es dann weiter zur Wiederaufbereitungsanlage oder zu einem Zwischenlager. Mit dem 2006 fertiggestellten Zwischenlager entfielen daher – bis zur Fertigstellung eines Endlagers in Deutschland – die Transporte radioaktiven Materials. Während des Verladezeitraums in Gochsheim wurde der Bereich von der Polizei abgeriegelt. Bei diesen Verladungen fanden auch regelmäßig Demonstrationen statt, die aber immer friedlich abliefen.[28] In der Nähe des Verladebereiches lebende Familien klagten erfolglos in unregelmäßigen Zeiträumen gegen den Betreiber des Kernkraftwerkes, um diese Verladungen zu unterbinden. Die Klage wurde mit erhöhten Krankheitsfällen wegen der Strahlung begründet. Untersuchungen konnten das jedoch nicht bestätigen.
Im Zuge der Baugenehmigungen für das Zwischenlager gab es mehrere Demonstrationen der in Schweinfurt ansässigen Bürgeraktion Umwelt- und Lebensschutz – Bürgerinitiative gegen Atomanlagen (BA-BI), der Ökologisch-Demokratischen Partei und des Bundes Naturschutz gegen den Bau des Zwischenlagers. Zum einen erschien der Strahlenschutz des Zwischenlagers als zu niedrig eingestuft, zum anderen wurde es mit 88 Stellplätzen als überdimensioniert angesehen, da das Kernkraftwerk bei einer Restlaufzeit von 32 Jahren nur etwa 20 Stellplätze nutzen könnte. Die Demonstranten schlossen daraus, dass das Kernkraftwerk länger in Betrieb bliebe oder Behälter aus anderen Kernkraftwerken gelagert werden sollten, was wiederum mit Transporten verbunden gewesen wäre. Manche waren sogar der Ansicht, dass Grafenrheinfeld Planungsstandort für den Bau eines weiteren Kernkraftwerkes werden sollte.
Im Oktober 2001 zogen etwa 250 Demonstranten mit Spruchbändern durch die Fußgängerzone von Schweinfurt. Im Mai 2003 kam es zu einer großen Protestaktion mit etwa 1000 Teilnehmern. Der Marsch der Demonstranten durch die Gemeinde Grafenrheinfeld wurde teilweise von Anwohnern flankiert, lief aber insgesamt friedlich ab und machte nur geringe polizeiliche Aktivitäten notwendig. [29]
Betriebsergebnis
Jährliche Nettostromerzeugung[30] Jahr Millionen
Kilowatt-
stundenJahr Millionen
Kilowatt-
stunden1982 8.139,1 1996 9.528,6 1983 9.412,0 1997 10.131,0 1984 9.590,0 1998 9.147,0 1985 9.741,6 1999 8.336,7 1986 8.718,2 2000 9.600,9 1987 8.360,6 2001 10.573,9 1988 8.799,9 2002 9.889,9 1989 9.401,7 2003 10.270,2 1990 7.910,3 2004 10.129,4 1991 9.753,5 2005 10.106,0 1992 9.657,2 2006 9.424,9 1993 8.845,9 2007 10.311,5 1994 9.674,5 2008 9.763,0 1995 9.946,0 Die produzierte Strommenge des Kernkraftwerkes hängt hauptsächlich davon ab, an wie vielen Tagen es im Normalbetrieb am Netz ist. Im Normalbetrieb läuft es immer unter Volllast und könnte theoretisch im Jahr 11,78 Milliarden Kilowattstunden Bruttostrom produzieren. Diese maximal mögliche Stromproduktion wird allerdings durch die jährlich durchzuführende Revision, die zwischen zwei und sechs Wochen dauern kann, nicht erreicht. Hinzu kommen noch gelegentliche Abschaltungen wegen Unregelmäßigkeiten in der Anlage und unvorhergesehener Reparaturen.
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld wurde gleich im ersten vollständigen Betriebsjahr Kraftwerksweltmeister. Im Jahr 1983 produzierte es 9,96 Milliarden Kilowattstunden Bruttostrom (9,41 Milliarden Kilowattstunden Nettostrom) und damit mehr als jede andere Anlage weltweit.[31] Im nächsten Jahr, 1984, war es erneut das leistungsfähigste Kernkraftwerk weltweit und erhielt wieder diesen Titel. Zudem stellte es einen neuen Weltrekord auf: Mit 10,15 Milliarden produzierten Kilowattstunden Bruttostrom (9,59 Milliarden Kilowattstunden Nettostrom) wurde zum ersten Mal weltweit von einem Kernkraftwerk die Grenze von zehn Milliarden Kilowattstunden überschritten.[31]
Auch in den darauffolgenden Jahren zählte das Kernkraftwerk zu den leistungsstärksten weltweit und platzierte sich insgesamt 15 mal in der internationalen Top-Ten-Liste.[32] Im Jahr 2001 produzierte es den meisten Strom in seiner Betriebsgeschichte. Mit 11,15 Milliarden Kilowattstunden Bruttostrom kam es mit Platz sieben letztmalig in die internationale Top-Ten-Liste.[33] Seit 2002 befindet sich das Kernkraftwerk nicht mehr unter den zehn leistungsstärksten, obwohl die produzierte Strommenge gesteigert wurde. Im Jahre 2007 erzielte das Kernkraftwerk mit 10,9 Milliarden Kilowattstunden Bruttostrom (10,31 Milliarden Kilowattstunden Nettostrom) das zweitbeste Ergebnis in der Betriebsgeschichte[34]
Am 20. Februar 2007 konnte Grafenrheinfeld sein Energie-Jubiläum feiern. An diesem Tag erreichte das Kraftwerk die Menge von 250 Milliarden erzeugten Kilowattstunden seit der Inbetriebnahme im Dezember 1981. Das gelang Grafenrheinfeld als drittes Kernkraftwerk in der Welt nach Unterweser und Grohnde. Diese Strommenge würde ausreichen, um Deutschland etwa neun Monate lang mit Strom zu versorgen. Das Kernkraftwerk produziert seit der Leistungssteigerung 1993 durchschnittlich etwa 10,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich, was etwa dem jährlichen Strombedarf von 3,8 Millionen Haushalten oder einem Fünftel des Bedarfs von Bayern entspricht.
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld zählt weltweit zu den Kernkraftwerken mit der höchsten Verfügbarkeitsrate. Seit der Inbetriebnahme 1982 hat es bis Ende 2006 eine durchschnittliche Betriebszeit von 88,77 Prozent. Im Jahre 2001 hatte es mit 8392 Betriebsstunden die höchste Verfügbarkeit, was einer Verfügbarkeit von 95,8 Prozent entsprach. Die geringste Verfügbarkeit lag im Jahre 1990 mit 6743 Betriebsstunden und 76,97 Prozent. Die durchschnittliche Zeit, in der Strom in das Netz eingespeist wurde, der sogenannte Nettobetrag, lag von 1982 bis Ende 2006 bei 85,88 Prozent. [3]
Sicherheit
Die Planung, der Bau und der Betrieb des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld unterlagen und unterliegen wie alle kerntechnischen Anlagen in Deutschland strengsten Vorschriften, die weltweit zu den höchsten Sicherheitsstandards zählen. Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) fasst alle sicherheitstechnischen Anforderungen, die bei der Auslegung, dem Bau und dem Betrieb eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor erfüllt werden sollen, in Leitlinien zusammen. Deren dritte Ausgabe vom 14. Oktober 1981 wurde zuletzt am 15. November 1996 berichtigt und ergänzt.[35]
Das nach westlichem Standard gebaute Kernkraftwerk ist mit mehreren aktiven und passiven Barrieren ausgestattet, die das Austreten von Radioaktivität auch bei schwersten Betriebsstörungen verhindern sollen. Der kerntechnische Bereich und das Zwischenlager sind mit einer äußeren Umschließung, einem Sicherheitswall umgeben. Das gesamte Kraftwerksareal wird zusätzlich von einer Sicherungszaunanlage umschlossen.
Passives Sicherheitssystem
Die passiven Barrieren wirken durch ihre Konstruktion. Bei der ersten Barriere, im Reaktorkern gelegen, umschließen gasdichte Hüllrohre aus Metall den eigentlichen Kernbrennstoff, das Kristallgitter des Uranoxids. Als zweite Barriere dient der Reaktordruckbehälter, in dem sich die Brennelemente befinden und dessen Stahlwände eine Stärke von 25 Zentimetern haben. Dieser Behälter ist von der dritten Barriere, einer zwei Meter starken Betonkammer, umgeben, die Neutronen- und Gammastrahlung abschirmt. Die vierte Barriere besteht aus einem kugelförmigen Sicherheitsbehälter, der den gesamten nuklearen Teil des Kernkraftwerks umschließt. Dieser Behälter ist aus drei Zentimeter dicken Stahlplatten zusammengeschweißt. Das Volumen dieses Behälters ist so bemessen, dass er bei einem Störfall das radioaktive Kühlmittel in Dampfform aufnehmen kann. Die letzte Barriere, die einzige, die von außen sichtbar ist, ist die zwei Meter dicke Stahlbetonhülle, die den Zweck hat, das Kraftwerk vor äußeren Einflüssen zu schützen.
Die letzte Barriere des passiven Sicherheitssystems, die äußerlich sichtbare Stahlbetonhülle, ist für den Fall eines Flugzeugabsturzes ausgerichtet. Die deutschen Kernkraftwerke weisen in diesem Punkt unterschiedliche Standards auf. Das Kraftwerk Grafenrheinfeld weist eine Wandstärke von mehr als 100 Zentimetern auf, die einer Phantom standhalten können.[36] 1981 trat eine Leitlinie der RSK für den Fall eines Absturzes eines Militärflugzeugs in Kraft, die bei der Planung des Kernkraftwerks bereits vorher verwendet wurde.[36] Das Flugzeug entspricht einer Aufprallmasse von 26 Tonnen und hat eine im Tiefflug erreichbare Geschwindigkeit von etwa 900 Kilometern pro Stunde. Auch größere Flugzeuge durchbrechen nicht zwangsläufig den Mantel[37], da die kinetischen Parameter dieses Militärflugzeugs bereits die höchste Stoßbelastung bei einem Aufprall darstellen. Größere Nebenwirkungen wie Brände und Splitterwirkungen können aber auch außerhalb des Reaktorgebäudes zu großen Schäden an umgebenden Kraftwerksaufbauten führen. Für den Brandfall selbst gelten in einem KKW besonders strenge Anforderungen. Innerhalb des Gebäudes gibt es festgelegte Brandabschnitte, die verhindern, dass ein Brand sich ausbreiten kann. Selbst ein vollständiger Verlust des Maschinenhauses und der Hilfsanlagengebäude hat keinerlei Auswirkungen auf die sichere Abschaltung des Reaktors. [38]
Der brennende Treibstoff eines abgestürzten Flugzeugs würde am Reaktorgebäude herunterfließen und in der umlaufenden Kiesschüttung versickern. Durch die große Wandstärke des Reaktorgebäudes von zwei Meter Stahlbeton wird im Inneren kaum eine Wärmeentwicklung zu verzeichnen sein.[39]
Sollte die äußere Hülle durchbrochen werden – was beim gezielten Absturz eines einzelnen vollgetankten Großraumflugzeuges unwahrscheinlich ist[40][39] –, so sind Schäden im Inneren die wahrscheinliche Folge. Fragmente der Triebwerke könnten den Betonmantel mit der Stahlarmierung und den Sicherheitsbehälter durchbrechen.[40] Es ist möglich, dass der Kühlkreislauf des Reaktors beschädigt wird und auch andere Sicherheitssysteme Schäden erleiden. Sollten größere Zerstörungen an den Rohrleitungen, am Reaktordruckbehälter oder im Kühlkreislauf erfolgen, könnten die Notkühlsysteme jedoch noch genügend Wasser einspeisen. Siehe auch Aktives Sicherheitssystem. In einem solchen Fall würde das Reaktorschutzsystem eine RESA auslösen. Der Austritt von Radioaktivität wäre hierbei nicht auszuschließen.
Aktives Sicherheitssystem
Hierzu zählen Sicherheitssysteme, die bei einem Störfall aktiv werden, den Reaktor abschalten und eine zuverlässige Kühlung durch Not- und Nachkühlsysteme und Notstromanlagen gewährleisten sollen. Diese sicherheitstechnischen Anlagen entsprechen allen Auflagen, die vom Kerntechnischen Ausschuss (KTA) erteilt wurden. Für die Notkühlung sind mehrere unterschiedliche, voneinander unabhängige Systeme zuständig, durch die die Wärme in jedem Betriebszustand abgeführt werden soll. Durch diese Diversität ist weitgehend sichergestellt, dass beim Versagen eines oder mehrerer Sicherheitssysteme die anderen Systeme wirksam bleiben. Die kraftwerksinterne Stromversorgung wird mit einem eigenen Generator, dem doppelten Anschluss an das Verbundnetz sowie mehreren Stromaggregaten und großen Batterieanlagen gesichert.[41]
Alle aktiven Sicherheitsvorkehrungen werden durch das Reaktorschutzsystem geschaltet, das auf die Komponenten des Sicherheitssystems, wie beispielsweise die Nachkühlpumpen, zugreift. Dieses arbeitet unabhängig vom Betriebssystem. Dadurch soll bei einem störungsauslösenden Ereignis im Betriebssystem die Funktion des Reaktorschutzsystems immer gewährleistet sein. Es überwacht und vergleicht ständig alle wichtigen Betriebskenngrößen der Anlage, wie Temperatur und Druck. Erreicht ein System einen zuvor festgelegten Grenzwert, soll das Sicherheitssystem unabhängig vom Bedienungspersonal automatisch Schutzmaßnahmen (Reaktor-Schnellabschaltung und Nachkühlung des Reaktors) auslösen. Der Grenzwert ist so gewählt, dass noch genügend Zeit vorhanden ist, den Reaktor abzuschalten, bevor es zu größeren Problemen wie einer Kernschmelze kommen kann.[41] Kommt es zu einer Reaktorabschaltung durch das Reaktorschutzssystem, soll die Nachzerfallswärme, die durch den langsam abklingenden radioaktiven Zerfall der Spaltprodukte weiterhin erzeugt wird, abgeführt werden, damit es nicht zu einer Überhitzung der Brennstäbe kommt. Diese Aufgabe soll das Nachwärmeabfuhr- und Notkühlsystem beispielsweise bei einem Störfall im Primärkreislauf durch Kühlmittelverlust übernehmen. Damit soll immer eine ausreichende Kühlung des Reaktorkerns gewährleistet sein. Die Nachwärmeabfuhr- und Notkühlsysteme sind viermal vorhanden und bestehen jeweils aus Pumpe, Wasserspeicher, Wärmetauscher und gesicherter Stromversorgung.[42]
Betriebsstörungen
Seit der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 1982 kam es vereinzelt zu Störfällen, die zu einer Abschaltung der Anlage führten oder die jährliche Revision über den Zeitplan hinaus verlängerten. Größere Störfälle in Kernkraftwerken werden in der siebenstufigen Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES), die unter der Kontrolle der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) steht, eingestuft. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld hat wie jede kerntechnische Anlage einen Sicherheitsbeauftragten, der für die gesetzlich vorgeschriebenen Überwachungen und die Meldung von Ereignissen, die vom normalen Betriebszustand abweichen, an die zuständigen Behörden verantwortlich ist. Diese Meldungen müssen unmittelbar beim Eintritt des Ereignisses durchgeführt werden. Seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes gab es mehrere Zwischenfälle, die als meldepflichtige Ereignisse nach der Strahlenschutzverordnung galten, aber fast alle unterhalb der niedrigsten Stufe der INES lagen. Es gab einen Vorfall, der in die INES-Stufe 1 eingeordnet wurde, was keinem Unfall, sondern einer Betriebsstörung entspricht.
26. Juni und 5. Juli 2000
Am 26. Juni 2000 kam es im Kernkraftwerk zu einem Zwischenfall der Stufe eins der INES.[43] Bei der jährlichen Revision wurde festgestellt, dass fünf von acht Steuerventilen, die ein Jahr zuvor eingebaut worden waren, Mängel aufwiesen. Bei der Herstellung der Buchsen war es zu Verunreinigungen und durch Einwirkung der Luftfeuchtigkeit bei einem längeren Anlagenstillstand zur Korrosion an den Buchsen gekommen, was die Leichtgängigkeit der Ventilspindeln beeinträchtigte. Dieser Mangel wurde deshalb in die INES-Stufe 1 eingeordnet, weil mehrere Komponenten in gleichartigen Einrichtungen mit gleichen Sicherheitsfunktionen davon betroffen waren. Im selben Jahr, am 5. Juli 2000 kam es zu einem Brand im Kernkraftwerk, der den Motor einer Hauptkühlmittelpumpe, die in unmittelbarer Nähe des Reaktordruckgefäßes saß, beschädigte.[44][45]
2./3. April 2002
In der Nacht vom 2. April zum 3. April 2002 kam es zu einem Störfall, woraufhin das Kernkraftwerk heruntergefahren wurde.[46] Wegen eines defekten Bauteils wurde es automatisch abgeschaltet; die Dieselaggregate sprangen an und übernahmen die Stromversorgung des Kernkraftwerks in allen vier Redundanzen. Die Ursache der Störung war ein defektes Elektronik-Bauteil im nichtnuklearen Teil. Bei der Abschaltung der Anlage kam es zur Unterbrechung der Stromlieferung in das Netz, was aber keine sicherheitsrelevante Auswirkung hatte. Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) in Bonn forderte daraufhin eine umfassende Darlegung aller Vorkommnisse in Grafenrheinfeld für die letzten drei Jahre an, um eventuelle weitere, nicht bekanntgegebene Vorkommnisse im Kernkraftwerk aufzudecken. Für die Untersuchung des Störfalles wurde vom Umweltministerium der TÜV Süddeutschland eingeschaltet. Nach dem Zwischenfall und der Wiederherstellung der Eigenbedarfsversorgung wurde der Reaktor nur verzögert und nicht mehr bis auf Volllast hochgefahren, da eine Woche später, ab dem 8. April, die planmäßige Revision der Anlage vorgesehen war, die planmäßig durchgeführt wurde.
Strahlendosis
Die Strahlendosis des Kernkraftwerkes wird regelmäßig gemessen und in jährlichen Berichten von der Kerntechnischen Gesellschaft veröffentlicht.[47] In den letzten Jahren bewegte sich die Strahlendosis unterhalb des festgesetzten Grenzwertes und erreichte eine Spanne von 0,56 mSv im Jahre 2003 und den höchsten Wert mit 3,04 mSv im Jahre 1999. Diese Werte liegen unterhalb der für die Strahlenkrankheit festgelegten Grenze. Die durchschnittliche Strahlenbelastung des Menschen in Deutschland beträgt durch Umwelteinflüsse sowie durch medizinische Untersuchungen etwa 2,4 mSv pro Jahr, wovon Radon etwa die Hälfte verursacht.
Revision
Einmal im Jahr, meistens im April/Mai, findet im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld die Revision statt. Das Kernkraftwerk wird dabei vollständig überprüft und gewartet. Bei der Revision kommen zu den etwa 300 Beschäftigten noch mehr als 1000 Spezialisten aus 200 Firmen, wie Elektriker, Physiker, Chemiker, Schlosser, Ingenieure, Strahlenschützer, Sicherheitsfachleute des TÜV und andere. Für die jährliche Revision gibt E.ON jeweils etwa 15 Millionen Euro aus. Jeder Tag, an dem das Kernkraftwerk keinen Strom produziert, bedingt für den Betreiber einen Verdienstausfall von mehreren hunderttausend Euro. Die Revision kann, wenn größere Arbeiten anfallen, vier bis sechs Wochen dauern. Die bisher kürzeste Revision dauerte 15 Tage.[48]
Die jährliche Revision bedeutet für den Raum Schweinfurt einen zusätzlichen Wirtschaftsfaktor. Für die Dauer der Revision müssen über 1000 Personen verpflegt werden. Sie übernachten teilweise in den umliegenden Ortschaften. Für das zusätzliche Personal werden Container auf dem Betriebsgelände aufgestellt und die Werkskantine wird mit einem Zelt erweitert. Zudem wird der Sicherheitsdienst verstärkt.
Bei jeder Revision werden etwa 40 der 193 Brennelemente durch neue ersetzt. Zum Schutz vor der Strahlung findet dieser Wechselvorgang komplett unter Wasser statt. Der Reaktordruckbehälter wird dazu oben geöffnet, der Bereich darüber geflutet und die Brennelemente entnommen. Das geschieht mit einer Lademaschine, die die senkrecht stehenden und knapp fünf Meter langen Brennelemente, die zuvor aus der Verankerung gelöst wurden, herausheben. Sie werden unter Wasser durch eine Schleuse zum benachbarten Abklingbecken befördert. Die ausgetauschten Brennelemente verbleiben dort noch mehrere Jahre, damit Radioaktivität und Wärmeentwicklung erheblich zurückgehen. Bei manchen Revisionen, wie zuletzt 2006, werden alle Brennelemente herausgenommen, um die Wände und Nähte des Reaktorbehälters gründlich zu überprüfen. Diese Aufgabe wird von einem mit einer Kamera ausgestatteten ferngesteuerten Mini-U-Boot übernommen.
Die Revision erstreckt sich auch auf den nichtnuklearen Teil der Anlage. Bei der Revision 2006 wurde im Maschinenhaus der Generatorläufer, eine 204 Tonnen schwere Welle, ausgetauscht. Diese Arbeiten übernehmen Spezialisten, die auch in Kohle- und Gasturbinenkraftwerken im Einsatz sind, da es bei den Bauteilen, die den Strom erzeugen, wie dem Generator, kaum Unterschiede gibt.
Nach Abschluss aller Arbeiten wird der Reaktor wieder hochgefahren. Dieser komplexe Vorgang wird von der Warte aus gesteuert und dauert etwa 60 Stunden. Beim Hochfahren wird unter anderem die Stellung der Steuerstäbe zwischen den Brennelementen geregelt und damit die Stärke der nuklearen Kettenreaktion und die Reaktorleistung beeinflusst. Diese wird von null auf einhundert Prozent hochgefahren und zwischendurch immer wieder kontrolliert. Der Reaktor wird zunächst auf 30 Prozent Leistung hochgefahren und die Anlage mit dem Netz synchronisiert, sobald der Generatorläufer 1500 Umdrehungen pro Minute erreicht hat. Der Vorgang des Hochfahrens wird vom TÜV überwacht.
Rezeption
Im Anti-Atomkraftroman Die Wolke von Gudrun Pausewang von 1987 ist ein fiktiver Super-GAU im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, bei dem eine radioaktive Wolke freigesetzt wird, der Auslöser der Handlung.[49] Die daraus resultierende Panik der Bevölkerung wird dramatisch anhand des Schicksals der 14-jährigen Janna-Berta geschildert. Im gleichnamigen Film, der 2006 unter der Regie von Gregor Schnitzler im Stile eines Katastrophenfilms entstand, wird dagegen ein fiktives Kernkraftwerk genannt.[50]
Literatur
- E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Mediengruppe Main-Post, Würzburg 2007.
- E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): Grafenrheinfeld – Informationen zum Kernkraftwerk. Druckerei Schmerbeck GmbH, Tiefenbach 2005.
- Bayernwerk AG (Hrsg.): Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. München 1995.
Siehe auch
- Liste der Kernkraftwerke
- Liste der produktivsten Kernreaktoren
- Liste der meldepflichtigen Betriebsereignisse in deutschen kerntechnischen Anlagen
Weblinks
- Kernkraftwerk Grafenrheinfeld bei E.ON Kernkraft
- Dezentrale Zwischenlager beim Bundesamt für Strahlenschutz
- Meldepflichtige Ereignisse beim Bundesamt für Strahlenschutz
- Informationen zum Kernkraftwerk Grafenrheinfeld – (pdf-Datei: 1,1 MB)
- Reaktorsicherheit in Bayern beim Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
- Greenpeace, Zusammenfassung – (pdf-Datei)
Einzelnachweise
Die Informationen dieses Artikels entstammen zu einem großen Teil aus den unter Literatur genannten Werken, darüber hinaus werden einzelne, zentrale Textpassagen mit folgenden Quellen abgedeckt.
- ↑ a b c d e f Kurzbeschreibung für das Brennelementbehälterlager Grafenrheinfeld – KKG BELLA (pdf-Datei: 5,7 – MB)
- ↑ a b Bayernwerk AG: Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. S. 3.
- ↑ a b c d IAEO – Internationale Atomenergieorganisation
- ↑ Reaktorsicherheitskommision vom 18. September 2003 (pdf-Datei)
- ↑ EO.N Kernkraft GmbH (Hrsg.): Grafenrheinfeld – Informationen zum Kernkraftwerk. Seite 15.
- ↑ Udo-Leuschnerde - Energie-Wissen
- ↑ Karl Strauß: Kraftwerkstechnik: zur Nutzung fossiler, nuklearer und regenerativer Energiequellen. Springer-Verlag, Berlin 2006. ISBN 3-540-29666-2. Seite 287.
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 15.
- ↑ KFÜ
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 23.
- ↑ Pressebericht vom 19. Februar 2002
- ↑ Pressemitteilung vom 12. Februar 2003 des Bundesamtes für Strahlenschutz
- ↑ Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager in Grafenrheinfeld der E.ON Kernkraft GmbH (pdf-Datei – 0,7 MB)
- ↑ Aktenzeichen: 22 A 03.40020
- ↑ Standort Grafenrheinfeld (Bayern) beim Bundesamt für Strahlenschutz (BSF)
- ↑ Atomkraftwerke in Deutschland bei Greenpeace
- ↑ Deutsches Atomforum e. V.: Kernenergie - Aktuell 2007, Kapitel Zwischenlager/Transporte. Berlin, September 2007.
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 4.
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 6.
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 8.
- ↑ a b E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 9.
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 8–9.
- ↑ Reaktorsicherheitskommision vom 18. September 2003 (pdf-Datei)
- ↑ Strahlenschutzkommision am 12. September 2003 (pdf-Datei – 0,2 MB)
- ↑ Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- ↑ Atomaustieg bei Agenda 21
- ↑ Atomkraftwerke in Deutschland Reststrommengen / erzeugte Energie 2004
- ↑ Pressebericht vom 19. Februar 2002
- ↑ Pressearchiv der ödp-Schweinfurt
- ↑ Grafenrheinfeld bei der IAEO
- ↑ a b Pressemeldung vom 14. Februar 2001 bei kernenergie.de
- ↑ Top-Ten-Liste bei kernenergie.de
- ↑ Pressemeldung vom 25. Februar 2002 bei kernenergie.de
- ↑ Betriebsergebnis bei der PRIS
- ↑ RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren (pdf-Datei – 0,3 MB)
- ↑ a b Gefährdung deutscher Atomkraftwerke durch den Absturz von Verkehrsflugzeugen (pdf-Datei – 0,1 MB)
- ↑ Atomterror bei Zeit.de
- ↑ KTA 2201.4
- ↑ a b Verband deutscher Ingenieure-Stellungnahme Die sicherheitstechnische Auslegung von kerntechnischen Anlagen in Deutschland gegen Terrorismus (pdf-Datei – 0,1 MB)
- ↑ a b Zur Widerstandsfähigkeit von Sicherheitsbehältern für Kernkraftwerke gegen Terrorattacken mit großen Verkehrsflugzeugen (pdf-Datei – 0,7 MB)
- ↑ a b Reaktorschutzsystem und Überwachungseinrichtungen des Sicherheitssystems (pdf-Datei – 0,8 MB)
- ↑ Das Mehrstufenkonzept zur Sicherheitsvorsorge
- ↑ Bundesamt für Strahlenschutz – Jahresbericht 2000 (pdf-Datei – 0,5 MB)
- ↑ Störfälle in Deutsche Kernkraftwerken – Stand: Juni 2006 (pdf-Datei – 0,9 MB)
- ↑ Meldepflichtige Ereignisse in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland – Jahresbericht 2000 (pdf-Datei – 0,5 MB)
- ↑ Bundesamt für Strahlenschutz – Jahresbericht 2002 (pdf-Datei – 0,5 MB)
- ↑ Kerntechnische Gesellschaft – Jahresberichte
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 16–17.
- ↑ Rezension zu dem Buch Die Wolke
- ↑ Der Film Die Wolke bei Filmstarts.de
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