- Formel-1-Saison 1955
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Die Formel-1-Saison 1955 war wie schon die vorherige von der Dominanz des Mercedes-Teams geprägt, das zusätzlich zum Superstar Juan Manuel Fangio mit dem Briten Stirling Moss einen weiteren Spitzenfahrer verpflichtet hatte. Große Hoffnungen wurde in das neue Lancia-Team gesetzt, für das Doppelweltmeister Alberto Ascari fuhr. Die Saison entwickelte sich jedoch zum Jahr der Katastrophen in der Formel 1. Vier Tage nach einem Unfall im Großen Preis von Monaco verunglückte Ascari bei privaten Testfahrten mit einem Sportwagen Ende Mai tödlich, woraufhin Lancia sein Formel-1-Engagement für beendet erklärte. Weitere vier Tage später verunglückte der zweifache Indy-Gewinner Bill Vukovich tödlich. Und am 11. Juni starben bei der größten Tragödie in der Geschichte des Motorsports bei einem Unfall während des 24-Stunden-Rennens von Le Mans ein Fahrer und über 80 Zuschauer. Die Großen Preise von Deutschland, Frankreich, Spanien und der Schweiz wurden abgesagt. In der Schweiz wurde als Folge ein Gesetz erlassen, das Motorsportveranstaltungen generell verbietet und bis heute in Kraft ist.
Die WM-Läufe
GP Argentinien – Buenos Aires (16. Januar 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Juan Manuel Fangio Mercedes-Benz 3:00:38,6 2 González/Farina/Trintignant Ferrari + 1:29,6 3 Farina/Maglioli/Trintignant Ferrari + 2 Runden 4 Herrmann/Kling/Moss Mercedes-Benz + 2 Runden 5 Roberto Mières Maserati + 5 Runden Der Grand Prix ging als die „Hitzeschlacht“ in die Geschichte der Formel 1 ein. Bei 37 Grad im Schatten und 50 Grad Asphalttemperatur waren Mensch und Maschine gleichermaßen gefordert. In der Ära, die noch keine mitgeführten Trinkflaschen kannte, führte Juan Manuel Fangios „Kamel-Taktik“ zum Erfolg. Während alle anderen im Vorfeld Unmengen an Flüssigkeit zu sich nahmen, hatte er sich Enthaltsamkeit antrainiert. Als fast einziger Pilot hielt er dank mentaler Stärke alleine am Lenkrad aus. Manche der gegnerischen Monopostos wurden von drei, ein Ferrari sogar von fünf Fahrern gelenkt, die sich wegen Erschöpfung abwechselten. Ein Ferrari stand technisch völlig intakt zwei Runden lang an den Boxen, da sich keiner der Crew bereitfand, ihn zu steuern, bis J. F. González weiterfuhr und den Wagen auf den zweiten Rang steuerte. Nur der Lokalmatador Mières, der als versierter Sportwagenpilot ähnliche Ausdauerleistungen gewohnt war, musste in Ermangelung einer größeren Teamunterstützung ebenfalls alleine am Lenkrad aushalten, kam jedoch erst fünf Runden später ins Ziel. Fast ausgetrocknet erkannte Fangio, dass er etwas Ähnliches nicht noch einmal durchmachen wolle.
GP Monte Carlo – Monaco (22. Mai 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Maurice Trintignant Ferrari 2:58:09,7 2 Eugenio Castellotti Lancia + 20,3 3 J.Behra/C.Perdisa Maserati + 1 Runde 4 Giuseppe Farina Ferrari + 1 Runde 5 Luigi Villoresi Lancia + 1 Runde Im Training erlitt Hans Herrmann einen Unfall an einer Hafenmauer und schied infolge der Verletzungen für den Rest der Saison aus. Im Rennen sah zunächst alles nach einem ungefährdeten Mercedes-Doppelsieg aus, da Fangio und Moss bis zur Hälfte des Rennens unangefochten in Führung lagen. Ein Hinterachsschaden stoppte Fangio, bei Moss war es ein schwerer Motorschaden und Ersatzfahrer André Simon fiel mit Ventilschaden aus.
Da zum ersten Mal die Technik aller „Silberpfeile“ streikte, schien Alberto Ascari im Lancia als sicherer Sieger. Doch er kam bald darauf in der Hafenschikane von der Strecke ab und stürzte ins Meer, aus dem ihn die Mannschaft der Luxusjacht des griechischen Reeders Onassis mit leichten Blessuren sofort barg. Maurice Trintignant gewann das Rennen. Es war der einzige Sieg, den Ferrari in diesem Jahr erzielte. Der 55-jährige Louis Chiron verabschiedete sich mit einem Lancia und einem sechsten Platz, für den es damals keine Weltmeisterschaftspunkte gab, vom Motorsport.
500 Meilen von Indianapolis – Indianapolis (30. Mai 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Bob Sweikert Kurtis-Offenhauser 3:53:59,53 2 T. Bettenhausen/P. Russo Kurtis-Offenhauser + 2:43,56 3 Jimmy Davies Kuzma-Offenhauser + 3:32,36 4 Johnny Thomson Kuzma-Offenhauser + 3:38,91 5 W. Faulkner/B. Homeier Kurtis-Offenhauser + 5:17,17 Das Rennen, das unter wechselhaften Bedingungen stattfand, wurde von dem tödlichen Unfall des Trainingsschnellsten Bill Vukovich überschattet, dessen Wagen mit dem Fahrzeug seines Kontrahenten Al Keller kollidiert und nach einem Überschlag in Brand geraten war.
GP Belgien – Spa-Francorchamps (5. Juni 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Juan Manuel Fangio Mercedes-Benz 2:39:29,0 2 Stirling Moss Mercedes-Benz + 8,1 3 Giuseppe Farina Ferrari + 1:40,5 4 Paul Frère Ferrari + 3:25,5 5 R. Mières/J. Behra Maserati + 1 Runde Beim Großen Preis von Belgien trat das Werksteam von Lancia nicht an, nachdem sein erster Fahrer Alberto Ascari am 26. Mai bei privaten Testfahrten nach seinem Monaco-Unfall ums Leben gekommen war. Der Teameigner zog sich vom Motorsport zurück. Eugenio Castellotti überzeugte jedoch den Eigentümer der Wagen, ihn auf eigene Verantwortung starten zu lassen und ließ mit der Pole-Position aufhorchen. Nach einem Getriebedefekt musste er allerdings zur Hälfte des Rennens aufgeben, sodass Fangio und Moss einen ungefährdeten Doppelsieg einfahren konnten.
GP Niederlande – Zandvoort (19. Juni 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Juan Manuel Fangio Mercedes-Benz 2:54:23,8 2 Stirling Moss Mercedes-Benz + 0,3 3 Luigi Musso Maserati + 57,1 4 Roberto Mières Maserati + 1 Runde 5 Eugenio Castellotti Ferrari + 3 Runden Der Grand Prix der Niederlande fand nur wenige Tage nach dem verheerenden Unfall beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans statt, bei dem neben dem Piloten Pierre Levegh über 80 Zuschauer zu Tode gekommen waren. Der Große Preis der Schweiz in Bremgarten war von den Veranstaltern bereits abgesagt und auch in Zukunft sollten in der Schweiz Autorennen verboten bleiben. Hier jedoch fand die Mercedes-Armada nach dem werksseitigen Rückzug von Lancia kaum Widerstand. Das Interessanteste an dem Rennen war die Art und Weise, wie sich Roberto Mières gegen starke Konkurrenz durch das Feld nach vorne auf den vierten Platz kämpfte. Zum Ende des Rennens kam Regen auf, sodass sich Luigi Musso drehte, ohne jedoch seinen dritten Rang einzubüßen.
GP Großbritannien – Aintree (16. Juli 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Stirling Moss Mercedes-Benz 3:07:21,2 2 Juan Manuel Fangio Mercedes-Benz + 0,2 3 Karl Kling Mercedes-Benz + 1:11,8 4 Piero Taruffi Mercedes-Benz + 1 Runde 5 Luigi Musso Maserati + 1 Runde Das Rennen in Aintree sah einen für die damalige Zeit denkbar knappen Zieleinlauf: Lediglich zwei Zehntelsekunden trennten den Sieger Moss von Fangio, sodass die Frage diskutiert wurde, ob Fangio ihn in dem von Mercedes-Benz dominierten Rennen nur habe gewinnen lassen, da ihm der zweite Platz zum Titelgewinn ausreichte. Erstmals startete Jack Brabham in der Formel 1 mit einem Cooper-Bristol, der über eine stromlinienförmige Karosserie und einen Mittelmotor verfügte; doch nach 31. Runden streikte der Wagen.
GP Italien – Monza (11. September 1955)
Platz Fahrer Team Zeit 1 Juan Manuel Fangio Mercedes-Benz 2:25:04,0 2 Piero Taruffi Mercedes-Benz + 0,7 3 Eugenio Castellotti Ferrari + 46,2 4 Jean Behra Maserati + 2:56,0 5 Carlos Menditéguy Maserati + 1 Runde Wegen der Le-Mans-Katastrophe waren viele Rennen gestrichen worden. So fand das letzte Saisonrennen in Italien statt. Nach der aufwendigen Renovierung des alten Monza-Kurses von 1922 wurde auf dem zirka 10 km langen Kurs mit zusätzlichem Hochgeschwindigkeitsoval gefahren, das um 38 Grad überhöhte Kurven aufwies. Moss, der die Pole-Position erzielt hatte, und Fangio lieferten sich einen beherzten Zweikampf um den Sieg, der aber durch einen unfreiwilligen Boxenstopp wegen einer zerbrochenen Windscheibe und eines erneuten Motorschadens des Briten gestoppt wurde. Die schnellste Runde, für die es damals einen Punkt gab, reichte Moss jedoch zum Gewinn seiner ersten Vizeweltmeisterschaft.
Fahrerwertung
1 Juan Manuel Fangio
Mercedes-Benz 40 2 Stirling Moss
Mercedes-Benz 23 3 Eugenio Castellotti
Lancia/Ferrari 12 4 Maurice Trintignant
Ferrari 11,3 5 Giuseppe Farina
Ferrari 10,3 6 Piero Taruffi
Mercedes-Benz 9 7 Bob Sweikert
Kurtis-Offenhauser 8 8 Roberto Mières
Maserati 7 9 Luigi Musso
Mercedes-Benz 6 10 Jean Behra
Maserati 6 11 Karl Kling
Mercedes-Benz 5 12 Jimmy Davies
Kurtis-Offenhauser 4 13 Tony Bettenhausen
Kurtis-Offenhauser 3 14 Johnny Thomson
Kurtis-Offenhauser 3 15 Paul Frère
Ferrari 3 16 Paul Russo
Kurtis Kraft-Offenhauser 3 17 José Froilán González
Ferrari 2 18 Cesare Perdisa
Maserati 2 19 Luigi Villoresi
Lancia 2 20 Carlos Menditéguy
Maserati 2 21 Umberto Maglioli
Ferrari 1,3 22 Hans Herrmann
Mercedes-Benz 1 23 Walt Faulkner
Kurtis-Offenhauser 1 24 Bill Vukovich
Kurtis-Offenhauser 1 25 Bill Homeier
Kurtis-Offenhauser 1 Die ersten fünf jedes Rennens bekamen 8, 6, 4, 3 bzw. 2 Punkte, einen weiteren Punkt gab es für die schnellste Rennrunde. Die besten fünf Resultate wurden gewertet. Die 0,3 Punkte rühren daher, dass sich bei der „Hitzeschlacht“ von Argentinien bis zu drei Fahrer in den meisten Wagen abwechselten.
Weblinks
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