Goliath (Automobilhersteller)

Goliath (Automobilhersteller)
Hastedter Osterdeich 222 in Bremen-Hastedt. Das Goliath-Haus wurde, wie die Anlagen der Lloyd Motoren Werke in Bremen-Neustadt, von dem Hamburger Architekten Rudolf Lodders entworfen
Goliath Pionier
Goliath GP 700 V
Goliath Jagdwagen,
Baujahr 1959
Goliath GP 1100
Hansa 1100 Coupé
„Goli“, Baujahr 1959

Goliath war ein zum Borgward-Konzern gehörender Automobilhersteller in Bremen-Hastedt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Beginn

Zusammen mit seinem Partner, dem Kaufmann Wilhelm Tecklenborg, gründete Carl F. W. Borgward 1928 die Firma Goliath-Werke Borgward & Co.. Aufgrund eines Gesetzes von 1928 durften Kraftfahrzeuge mit weniger als vier Rädern und einem Hubraum von weniger als 350 Kubikzentimetern ohne Führerschein gefahren werden und waren steuerfrei.[1] Als erste Modelle wurden daher die dreirädrigen Entwicklungen der Firma Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co. gebaut: Goliath Blitzkarren (2,2 PS) und ab 1931 der erste Personenwagen, genannt Goliath Pionier, ebenfalls mit drei Rädern. Der „Pionier“ hat einen Einzylinder-Zweitaktmotor der ILO-Motorenwerke im Heck (198 cm³, 5,5 PS), Dreiganggetriebe und Kardanantrieb; Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Die Karosserie ist aus mit Kunstleder überzogenem Holz gefertigt und ruht auf einem stabilen Rahmen aus U-Profilen. Bis 1934 wurden ca. 4000 dieser Kleinstwagen in verschiedenen Karosserievarianten verkauft. Der Pionier gilt als Vorläufer der heckgetriebenen Hansa-Modelle 400 und 500.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

1944 hatten amerikanische Bomber das Werk zerstört. Doch schon wenige Monate nach Kriegsende begann der Wiederaufbau, um zunächst Handwagen und Fahrradanhänger zu bauen.

Im September 1949 wurde die Goliath-Werk G.m.b.H. als eigenständige Firma der Borgward-Gruppe gegründet. Das Stammkapital von 100.000 DM brachte zur Hälfte Carl F. W. Borgward auf; 40.000 DM gehörten seiner Ehefrau Elisabeth und 10.000 DM stellte Friedrich Kynast. Nach dem Tod Kynasts 1950 übernahm Borgward von dessen Erben den Anteil zum Nennwert.

1949 brachte Goliath den Dreirad-Transporter GD 750 (750 kg Nutzlast) auf den Markt, der mit einem Preis von zunächst 3425,00 DM bei kleinen Gewerbetreibenden großen Anklang fand und schnell zu einem Verkaufserfolg wurde. 1950 kam die Limousine Goliath GP 700 heraus.

Mit einem stromlinienförmigen Dreiradwagen mit 700-cm³-Zweitaktmotor holte Goliath 1951 in Monthléry (Frankreich) 38 Weltrekorde in den neu geschaffenen Klassen für Dreiradfahrzeuge bis 750 und bis 1200 cm³ (gefahren wurde 19-mal). Die bedeutendsten Rekorde waren die zwei Stunden mit einem Durchschnitt von 155 km/h und die 2000 Meilen mit 130 km/h. Als Fahrer wechselten sich Hugo Steiner, Adolf Brudes, Hans Hugo Hartmann, Otto Koch-Bodes und Helmut Polensky ab. Bei einem weiteren Rekordversuch mit dem Dreiradwagen auf dem Hockenheimring verunglückte Hugo Steiner tödlich.

Sinn solcher Rekorde war es, Aufmerksamkeit für die Serienfahrzeuge zu wecken.

Der ab 1954 entwickelte Geländewagen Goliath Jagdwagen Typ 31 sollte dem Unternehmen den militärischen Sektor öffnen, konnte aber bei den Testfahrten in Lübeck beim Bundesgrenzschutz und im Januar 1956 in Andernach bei der Bundeswehr nicht überzeugen. Das nachgebesserte Modell Typ 34 mit Viertakt-Boxermotor im Jahr 1957 kam zu spät, da die Entscheidung bereits zugunsten des DKW Munga gefallen war.


Ab 1958 wurden die Goliath-PKW-Modelle unter dem Namen Hansa 1100 verkauft, um von dem Zweitakt- und Dreiradimage wegzukommen.

Produzierte Fahrzeuge

Im Produktionsprogramm befanden sich nach dem Zweiten Weltkrieg:

Personenkraftwagen

  • Goliath GP 700 V/E (ab 1950; 1951/52 auch Cabrio-Limousine und ab Januar 1952 als Kombi): Limousine mit 688 cm³ Zweizylinder-Zweitakt-Vergasermotor und 24/25,5 oder 29 PS. Der GP 700 E mit Benzindirekteinspritzung und ebenfalls 29 PS wurde ab Juli 1952 ausgeliefert. Der Wagen bietet mit der 1950 noch ungewöhnlichen Pontonkarosserie Platz für fünf Personen bei einem Radstand von 2,30 Meter. Die Ganzstahlkarosserie ist mit einem Zentralrohrrahmen verschweißt. Motor und Getriebe des frontgetriebenen GP 700 sind quer vor der Vorderachse eingebaut; das Vierganggetriebe mit Krückstockschaltung ist ab Dezember 1952 vollsynchronisiert. Vorn hat der GP 700 eine Einzelradaufhängung an Querblattfedern, hinten eine Starrachse mit zwei Längsblattfedern und Teleskopstoßdämpfer an allen vier Rädern sowie hydraulische Bremsen. Die Produktion der Zweitaktmodelle lief ím Januar 1957 zugunsten des Goliath GP 1100 aus. Preis der Limousine: 1950 6.420 DM – 1955: 5.115 DM.
  • GP 700 E Sportcoupé (1951/52): nur 26-mal gebautes Coupé mit Alukarosserie zur Propagierung der neuen Benzindirekteinspritzung, 688 cm³ Zweizylindermotor mit 29 PS. Preis: 9.700 DM
  • Goliath GP 900 V/E (1955–1957): Limousine und Kombi mit 886 cm³ Hubraum. Preis: 5.670 DM - 38 PS Vergaserversion, 5.750 DM mit 40 PS Direkteinspritzung
  • Goliath GP 1100 (1957−1958): Limousine, Cabriolimousine, Coupé und Kombi mit neuem Vierzylinder-Viertakt-Boxermotor, 1093 cm³ Hubraum und 40 PS. Der Goliath 1100 Luxus mit 55 PS kostete 7.165 DM (Juli 1957); Preis des Kombi: 6.135 – 6.615 DM
  • Hansa 1100 (1958–1961): Limousine, Coupé und Kombi mit 40 oder 55 PS, Nachfolger des GP 1100. Preis des 55 PS starken Coupés : 7.785 DM (1959)
  • Hansa 1300 (1961): Der letzte Versuch aus dem Hause Goliath war der Hansa 1300, eine Limousine, deren Karosserie bei Frua in Italien entworfen wurde. Der Wagen ist noch erhalten und befindet sich in Privatbesitz.

Kleintransporter

  • Goliath GD 750 (1949–1955): Dreiradlieferwagen mit Zweizylinder-Zweitaktmotor, 396 cm³, 13 bzw. 14 PS (Angaben in Werksunterlagen variieren von 13 bis 14,5 PS), 50 km/h, Vierganggetriebe, Antrieb auf die Hinterachse (im Gegensatz zu den frontgetriebenen „Tempo“-Dreirädern). Wahlweise und gegen Aufpreis war ein 465-cm³-Motor mit 15 PS, 55 km/h, erhältlich. Der Wagen hat einen Dreiecks-U-Profilrahmen; das Vorderrad ist an einer geschobenen Schwinge aufgehängt, die Hinterräder an einer Starrachse. Der GD 750 war als Pritschen- oder Kastenwagen sowie mit Kofferaufbau und mit verschiedenen Sonderaufbauten lieferbar. Die Typbezeichnung deutete auf eine Nutzlast von bis zu 750 kg hin. Ausgeliefert wurde der Wagen von April 1949 bis Juni 1955. Preise 1950: kleinste Hochladerpritsche 3475 DM, Kombiwagen 4300 DM, der „Spezialwagen für Viehtransport“ kostete 4805 DM; Heizung 65,00 DM, hydraulische Bremsen 115,00 DM.
  • Goliath Goli (1955–1961): Nachfolger des GD 750 mit modernerer Karosserie, Zweizylinder-Zweitakt, 493 cm³, 16 PS, 70 km/h, wurde bis zum Konkurs von Borgward produziert
  • Goliath GV 800 (1951–1953): erster Vierradlieferwagen von Goliath, Zweizylinder-Zweitakt, 465 cm³ und 16 PS bzw. 586 cm³ und 21 PS, Antrieb auf die Hinterräder. Der Wagen kostete 1200 DM mehr als der GD 750 und bot nur 50 kg mehr Nutzlast. Der wirtschaftliche Erfolg blieb daher gering - nur 4016 Stück wurden gebaut.
  • Goliath Express (1953–1961): völlig neuer und viel modernerer Vierradlieferwagen, basiert auf den PKW-Modellen, Frontantrieb, Bis 1957 mit den Zweitakt-Motoren aus dem PKW-Programm (1953–1955: 688 cm³, 29 PS; 1955–1957: 886 cm³, 40 PS) 1957–1961 mit dem Viertakt-Motor des GP 1100 (1093 cm³, 40 PS)
  • Goliath Express „Luxus-Bus“ (1955): Achtsitzer (gegen Aufpreis auch als Zehnsitzer lieferbar) mit 1,1-l-Viertaktmotor (ab 1957), 40 PS, und Frontantrieb. Zur Ausstattung gehörten Kunstlederpolster, stoffbespannte Seitenteile, eine Dachrandverglasung (Panoramaverglasung) und ein 1,44 m langes Schiebedach von Golde. Obwohl der Goliath mit 8070 DM rund 400 DM weniger kostete und stärker war als das ähnliche Sondermodell des Volkswagen-Transporters („Samba-Bus“), blieb ihm der Erfolg auf dem Markt versagt. Nur rund 500 „Luxus-Busse“ wurden verkauft.

Richtungweisende Konstruktionen

Die Autos aus dem Hause Borgward/Goliath waren zu ihrer Zeit modern: Pontonkarosserie, vorn angeschlagene Türen, Blinkeranlage statt Winker, Innenkotflügel und geteilte Rücksitzbank beim Kombi. Auch gab es die Zweitaktmotoren in einer Direkteinspritzerversion; zusammen mit Gutbrod (die nur einen Monat vor Goliath damit auf den Markt kamen) war Goliath Vorreiter in dieser erst in jüngerer Zeit wieder eingeführten Technik. Durch Spülverluste verbrauchte der herkömmliche Zweitaktmotor relativ viel, sobald die Hubräume größer wurden – durch die Direkteinspritzung (dadurch notwendige Getrenntschmierung mit Frischöl) ließ sich der Verbrauch um rund ein Drittel verringern. Willkommener Nebeneffekt war neben einem verbesserten Leerlauf auch eine Schubabschaltung. Da die Technik relativ komplex und damals völlig neu war, waren die Goliath-Werkstätten und die Boschdienste bei Problemen mitunter überfordert, sodass mancher Einspritzer zu einer Vergaserversion umgebaut wurde.

Das Goliath-Werk ging 1961 im Zuge der Borgward-Krise in den Konkurs, fertigte jedoch unter der Regie des Konkursverwalters Hans Richard Schulze bis 1963 aus Restbeständen weitere Personenwagen.

Bilder

Zeitleiste

Borgward-Konzern bis zum Konkurs 1961
Marke/Firma 1900er 1910er 1920er 1930er 1940er 1950er 1960er
Borgward / Goliath Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co Fahrzeugwerke Borgward & Co.
„Goliath“ als Marke
Goliath-Werke
Borgward & Co.
Hansa-Lloyd und
Goliath-Werke
Borgward & Tecklenborg
Hansa-Lloyd-Goliath Werke AG Hansa-Lloyd-Goliath Werke Carl F. W. Borgward Goliath-Werk GmbH Dr. Carl F.W. Borgward Holding
Hansa / Borgward Hansa Automobil Gesellschaft Hansa-Lloyd AG Kooperation in Gemeinschaft Deutscher Automobilfabriken (GDA) Mehrheitlich an
Bogward und Tecklenborg
Carl F. W. Borgward GmbH
Lloyd Norddeutsche Automobil und Motoren AG (NAMAG),
„Lloyd“ als Marke
Lloyd Maschinenfabrik GmbH Lloyd Motoren Werke GmbH
NAG A.A.G. Neue Automobil GmbH Nationale Automobil AG Kooperation in Gemeinschaft Deutscher Automobilfabriken (GDA) an Büssing AG
als „Büssing-NAG“
Brennabor Brennabor-Werke
  •  Marke/Firma im Borgward-Konzern
  •  Marke/Firma, die später zum Borgward-Konzern gehörte
  •  Marke/Firma, die später zum Borgward-Konzern gehörte (in GDA-Kooperation)
  •  Unabhängige Firma (in GDA-Kooperation)
  •  Unabhängige Firma

Literatur

  • Birgid Hanke: Carl F.W. Borgward – Unternehmer und Autokonstrukteur. Delius-Klasing, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-7688-3145-1.
  • Werner Kroll: Der quicklebendige Goliath. Goliath-Werk, Bremen 1952. - 40 Bl.
  • Peter Kurze: … und wer das Leben über hat, fährt Goliath. Kurze, Schönholz und Ziesemer Verlag, Bremen 1996, ISBN 3-931148-95-5.
  • Peter Kurze: Prototypen und Kleinserienfahrzeuge der Borgward-, Goliath- und Lloyd-Werke. Verlag Peter Kurze, Bremen 2008, ISBN 978-3-927485-53-2.
  • Georg Schmidt: Borgward – Carl F. W. Borgward und seine Autos. 4. Auflage, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-87943-679-7.
  • Christian Steiger: Typenkompass Borgward – Goliath – Lloyd Personenwagen 1931-1970. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-613-01946-9.
  • Christian Steiger, Thomas Wirth, Alexander Weinen: Transporter der Wirtschaftswunderzeit. Heel Verlag GmbH, Königswinter 1996, ISBN 3-89365-464-X.

Einzelnachweise

  1. Michail Hengstenberg:Als ganz Deutschland Dreirad fuhr. In:einestages Zeitgeschichten auf SpiegelOnline

Weblinks

 Commons: Goliath-Wagen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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