- 62. Internationale Filmfestspiele von Cannes
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Die 62. Internationalen Filmfestspiele von Cannes finden vom 13. bis 24. Mai 2009 statt. Das Filmfestival wird erstmals mit einem Animationsfilm, der Disney-Pixar-Produktion Oben (Originaltitel: Up), eröffnet werden.[1] Als Abschlussfilm wurde Jan Kounens romantisches Drama Coco Chanel & Igor Stravinsky ausgewählt. Beide Filme werden außerhalb des Wettbewerbs gezeigt.
Inhaltsverzeichnis
Internationaler Wettbewerb
Wettbewerbsjury
Als Nachfolger des letztjährigen Jurypräsidenten Sean Penn wurde am 2. Januar 2009 Isabelle Huppert präsentiert. Die französische Film- und Theaterschauspielerin war bereits 1984 Jurymitglied des Filmfestivals gewesen, während sie 1978 für Violette Nozière und 2001 für Die Klavierspielerin mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet worden war. Nach Olivia de Havilland (1965), Sophia Loren (1966), Michèle Morgan (1971), Ingrid Bergman (1973), Jeanne Moreau (1975 und 1995), Françoise Sagan (1979), Isabelle Adjani (1997) und Liv Ullmann (2001) wird damit zum zehnten Mal das Amt der Jurypräsidentin von einer Frau bekleidet. Mit der Entscheidung für die 55-Jährige wurde Hupperts „Dienst am künstlerischen Kino“ anerkannt, wie der Festivalleiter Thierry Frémaux bekannt gab.[2]
Huppert stehen sieben Jurymitgliedern zur Seite. Es handelt sich fast ausschließlich um Filmschaffende:
- Asia Argento – italienische Schauspielerin und Regisseurin
- Nuri Bilge Ceylan – türkischer Regisseur und Drehbuchautor (Großer Preis der Jury 2003, Beste Regie 2008)
- Lee Chang-dong – südkoreanischer Regisseur und Drehbuchautor
- James Gray – US-amerikanischer Regisseur und Drehbuchautor
- Hanif Kureishi – britischer Schriftsteller und Drehbuchautor
- Shu Qi – taiwanische Schauspielerin
- Robin Wright Penn – US-amerikanische Schauspielerin
Konkurrenten um die Goldene Palme
Die übrigen Jurymitglieder wie auch das offizielle Programm wurden am 23. April 2009 auf einer Pressekonferenz in Paris vorgestellt. Bereits im Vorfeld als sicher galt die Teilnahme des Regisseurs Quentin Tarantino mit Inglourious Basterds.[3] Der neue Film des US-Amerikaners, der 1994 für Pulp Fiction die Goldene Palme erhielt, handelt von einer Gruppe jüdisch-amerikanischer Soldaten, die im im Frankreich während des Zweiten Weltkriegs so viele deutsche Besatzer wie möglich töten soll.[4] Inglourious Basterds wurde hauptsächlich in Berlin gedreht und neben Brad Pitt und der Französin Mélanie Laurent sind unter anderem auch die deutschen Schauspieler Diane Kruger, Daniel Brühl und Til Schweiger vertreten.
Nachdem in den vergangenen Jahren die Kritik aufkam, dass amerikanische Produktionen das Filmfestival dominiert hätten,[5][6] stammen wie schon im Vorjahr die meisten Filmproduktionen aus Europa (elf Filme), gefolgt von Asien (fünf Filme) und den Vereinigten Staaten (zwei). Viele US-amerikanische Filmproduktionen hätten aufgrund des Streiks der Hollywood-Drehbuchautoren nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können, so der künstlerischer Leiter Thierry Frémaux.[4] Das Teilnehmerfeld wird durch Beiträge aus Israel und Australien ergänzt, während Filmproduktionen aus Lateinamerika oder Afrika nicht vertreten sind.
„Das ist ein Jahr mit den großen Namen des Kinos“, so Frémaux über den diesjährigen Wettbewerb.[4] Mit Ausnahme der spanischen Filmregisseurin Isabel Coixet (Map of the Sounds of Tokyo) waren die übrigen 19 Regisseure mindestens einmal im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten. Neben Tarantino wurden drei weitere von diesen bereits mit dem Hauptpreis ausgezeichnet: die Neuseeländerin Jane Campion (1993 für Das Piano), der Brite Ken Loach (2006 für The Wind That Shakes the Barley) und der Däne Lars von Trier (2000 für Dancer in the Dark). Campion erhielt für Bright Star eine Einladung nach Cannes. Der Film schildert die unglücklich endende Liebesbeziehung zwischen dem 23-jährigen Lyriker John Keats (1795–1821) und der fünf Jahre jüngeren Fanny Brawne, dargestellt von dem Briten Ben Wishaw und der Australierin Abbie Cornish. Loach stellt in seinem Wettbewerbsbeitrag Looking for Eric einen fußballbegeisterten Briefzusteller (gespielt von Steve Evets) in den Mittelpunkt, der in einer Lebenskrise gerät und Hilfe durch den ehemaligen Fußballspieler Éric Cantona erhält. Von Trier erzählt in seinem zwischen Drama und Horrorfilm angesiedelten Antichrist dagegen von einem Paar (gespielt von Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe), das versucht während eines gemeinsamen Urlaubs in einem abgelegenen Wald seine Ehe zu retten. Neben Coixet und Campion ist mit Andrea Arnold eine dritte Regisseurin im Wettbewerb vertreten. In dem Drama Fish Tank erzählt die Britin die Geschichte einer 15-Jährigen, deren Leben sich durch den neuen Freund der Mutter zu verändern beginnt.
Ebenfalls als einer der Mitfavoriten gilt der Österreicher Michael Haneke, der für die deutsche Koproduktion Das weiße Band eine Einladung nach Canes erhielt. Der Film ist am Vorabend des Ersten Weltkriegs angesiedelt und schildert die mysteriösen Vorfälle in einem dörflichen Schulchor. Haneke ist zum fünften Mal im Wettbewerb vertreten, nachdem er 2001 für Klavierspielerin und 2005 für Caché den Großen Preis der Jury beziehungsweise den Regiepreis gewann. Ein deutscher Regisseur ist nicht vertreten. Fatih Akıns Film Soul Kitchen hatte zwar eine Einladung ins offizielle Programm erhalten, jedoch brauche der Regisseur mehr Zeit für den Schnitt und einen möglichen Nachdreh und sagte daher den Festivalleitern ab.[7] Im letzten Jahr hatte Wim Wenders erfolglos mit Palermo Shooting um die Goldene Palme konkurriert.
Nach dem Sieg im Vorjahr sind französische Regisseure mit insgesamt vier Filmproduktionen am häufigsten im Wettbewerb vertreten. Neben Xavier Giannolis À l'origine und Les herbes folles von Alain Resnais kann sich auch Jacques Audiard auf den Hauptpreis Hoffnungen machen. In seinem Krimidrama Un prophète zeichnet er den Weg eines Waisenjungen maghrebinischer Abstammung nach, der mit Hilfe der korsischen Mafia zum einflussreichen Kriminellen avanciert. Gaspar Noé, der 2002 in Cannes mit den Gewaltdarstellungen seines Films Irreversibel für Aufruhr sorgte, ist mit dem englischsprachigen Drama Enter the Void vertreten, der die Beziehung eines Geschwisterpaars zum Thema hat. Die asiatischen Beiträge sind Lóu Yès heimlich inszenierter Film Chun Feng Chen Zui De Ye Wan (Spring Fever), die Vampirgeschichte Bak-Jwi (Thirst) des Südkoreaners Park Chan-wook, der philippinische Krimi Kinatay von Brillante Mendoza und Johnnie Tos Vengeance, in dem Johnny Halliday einen ehemaligen Berufskiller in Hongkong darstellt, während der Taiwanese Tsai Ming-liang für seinen Film Visage (Face) so bekannte Akteure wie Mathieu Amalric, Jeanne Moreau oder Fanny Ardant verpflichten konnte.[8] Tsais Landsmann Ang Lee, Oscar-Preisträger und zweifacher Gewinner des Goldenen Löwen stellt mit der US-amerikanischen Produktion Taking Woodstock eine Komödie über das gleichnamige Musikfestival vor.
Bereits in Spanien angelaufen ist Pedro Almodóvars Wettbewerbsbeitrag Los abrazos rotos (dt.: „Gelöste Umarmungen“) in dem er Penélope Cruz wiederholt mit der Hauptrolle betraute. Der bislang teuerste Film des Regisseurs erzählt von den Beziehungen einer erfolglosen Schauspielerin die tragisch endet und fand in Almodóvars Heimatland vor allem aufgrund der starken Männerrollen Anerkennung.[9] Der Italiener Marco Bellocchio nimmt sich mit Vincere dem Schicksal eines geheimgehaltenen Sohnes von Benito Mussolini an, während der palästinensische Regisseur Elia Suleiman Menschen aus seiner Heimatstadt Nazaret folgt.
Spielfilme
Eine Übersicht über die 20 Spielfilmproduktionen, die im internationalen Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten sind. Diese wurden aus 1670 eingesendeten Vorschlägen aus 120 Ländern ausgewählt.[10]
Film Regie Land Darsteller (Auswahl) À l'origine Xavier Giannoli Frankreich Gérard Depardieu, François Cluzet, Emmanuelle Devos Los abrazos rotos Pedro Almodóvar Spanien Penélope Cruz, Lluís Homar, Blanca Portillo Antichrist Lars von Trier Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien, Polen Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg Bak-Jwi (Thirst) Park Chan-wook Südkorea, USA Eriq Ebouaney, Song Kang-ho, Shin Ha-kyun Bright Star Jane Campion Australien, Vereinigtes Königreich, Frankreich, USA Ben Whishaw, Abbie Cornish Chun Feng Chen Zui De Ye Wan (Spring Fever) Lóu Yè China, Frankreich Enter the Void Gaspar Noé Frankreich Nathaniel Brown, Paz de la Huerta Fish Tank Andrea Arnold Vereinigtes Königreich, Niederlande Michael Fassbender, Harry Treadaway, Jason Maza Les herbes folles Alain Resnais Frankreich, Italien André Dussollier, Sabine Azéma, Emmanuelle Devos Inglourious Basterds Quentin Tarantino USA, Deutschland Brad Pitt, Diane Kruger, Mélanie Laurent Kinatay Brillante Mendoza Philippinen Looking for Eric Ken Loach Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien, Belgien Steve Evets, Éric Cantona, Stephanie Bishop Map of the Sounds of Tokyo Isabel Coixet Spanien Rinko Kikuchi, Sergi López, Manabu Oshio Un Prophète Jacques Audiard Frankreich Tahar Rahim, Niels Arestrup, Maeva Blue Taking Woodstock Ang Lee USA Demetri Martin, Jonathan Groff, Eugene Levy The Time That Remains Elia Suleiman Israel, Frankreich, Belgien, Italien Ali Suliman, Saleh Bakri, Elia Suleiman Vengeance Johnnie To Hongkong, Frankreich, USA Simon Yam, Johnny Hallyday, Sylvie Testud Vincere Marco Bellocchio Italien, Frankreich Giovanna Mezzogiorno, Filippo Timi, Corrado Invernizzi Visage (Face) Tsai Ming-liang Taiwan, Frankreich, Belgien Mathieu Amalric, Laetitia Casta, Jean-Pierre Léaud Das weiße Band Michael Haneke Österreich, Frankreich, Deutschland Susanne Lothar, Ulrich Tukur, Burghart Klaußner Un Certain Regard
In der Reihe Un Certain Regard werden vornehmlich Werke von wenig bekannten Filmemachern gezeigt, die mit einem 30.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet werden. 2009 ist kein Spielfilm aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten, nachdem im Vorjahr Andreas Dresens Drama Wolke Neun vertreten war und preisgekrönt wurde.
Film Regie Land Darsteller (Auswahl) À Deriva (Adrift) Heitor Dhalia Brasilien Camilla Belle, Vincent Cassel Amintiri din Epoca de Aur (Tales From The Golden Age) Hanno Höfer
Razvan Marculescu
Cristian Mungiu
Constantin Popescu
Ioana UricaruRumänien Demain dès l'aube Denis Dercourt Frankreich Vincent Perez, Jérémie Renier, Adeline Zarudiansky Eyes Wide Open Haim Tabakman Israel Independencia (Independence) Raya Martin Philippinen, Frankreich, Deutschland Tetchie Agbayani, Sid Lucero Irène Alan Cavalier Frankreich Kasi az gorbehaye Irani Khabar Nadareh (Nobody Knows About The Persian Cats) Bahman Ghobadi Iran Kūki ningyō (Air Doll) Hirokazu Koreeda Japan Bae Doo-na, Jō Odagiri, Susumu Terajima Kynodontas (Dogtooth) Yorgos Lanthimos Griechenland Morrer como um homem (Mourir Comme Un Homme) Joao Pedro Rodrigues Portugal Mother Bong Joon-ho Südkorea Bin Won, Ku Jin, Hye-ja Kim Nang Mai (Nymph) Pen-ek Ratanaruang Thailand Le père de mes enfants Mia Hansen-Love Frankreich, Deutschland Chiara Caselli, Louis-Do de Lencquesaing, Dominique Frot Politist, Adjectiv (Policier, Adjectif) Corneliu Porumboiu Rumänien Precious Lee Daniels USA Samson and Delilah Warwick Thornton USA Rowan McNamara, Marissa Gibson The Silent Army Jean van de Velde Niederlande Skazka Pro Temnotu (Tale In The Darkness) Nikolai Chomeriki Russland Tzar (Le Tsar) Pawel Lungin Russland, Frankreich Los Viajes del Viento (Les Voyages Du Vent) Ciro Guerra Kolumbien Kurzfilm-Wettbewerb und Cinéfondation
Die Teilnehmer des Kurzfilmwettbewerbs und der Reihe Cinéfondation sind noch nicht bekannt. Den beiden Sektionen steht eine Jury vor, die in diesem Jahr von dem britischen Regisseur und Drehbuchautor John Boorman geleitet wird. Boorman, 1970 und 1988 in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet, stehen der französische Regisseur Bertrand Bonello, sein tunesischer Berufskollege Ferid Boughedir und die Schauspielerinnen Leonor Silveira aus Portugal und Zhang Ziyi aus China zur Seite. Während im Kurzfilmwettbewerb ebenfalls eine Goldene Palme vergeben wird, hilft die im Jahr 2005 ins Leben gerufene Reihe Cinéfondation jungen Filmstudenten bei der Förderung und Fertigstellung ihrer Kurzfilmprojekte.
Filme außerhalb des Wettbewerbs
Außerhalb des offiziellen Wettbewerbs werden neben dem Eröffnungsfilm Oben und dem Abschlussfilm Coco Chanel & Igor Stravinsky auch Alejandro Amenábars Agora, Robert Guédiguians L'Armée du crime und Terry Gilliams The Imaginarium of Doctor Parnassus zu sehen sein. Gilliams Regiearbeit stellt den letzten Film des 2008 verstorbenen Heath Ledger dar. Nach dem Tod des australischen Schauspielers, der 2009 für seine Leistung in The Dark Knight postum mit dem Oscar ausgezeichnet worden war, wurden Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law verpflichtet, die in den noch nicht abgedrehten Szenen Ledgers Part übernahmen.
In Mitternachts- und Spezialaufführungen sind unter anderem die neuesten Arbeiten von Souleymane Cissé (Min ye), Sam Raimi (Drag Me to Hell) und Michel Gondry (Épine dans le cœur) zu sehen.
Weblinks
- Offizielle Webpräsenz (französisch/englisch)
- Offizielles Presskit 2009 (PDF-Datei, englisch; 207 KB)
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Westphal, Anke: Filmfestival Cannes eröffnet mit 3D-Animationsfilm. In: Berliner Zeitung, 20. März 2009, Ausg. 67, S. 23
- ↑ vgl. Isabelle Huppert leitet Jury beim Filmfestival von Cannes. Agence France-Presse, 2. Januar 2009
- ↑ vgl. Siegel, Tatiana: Cannes berth for 'Basterds' . In: Daily Variety, 2. April 2009, S. 1
- ↑ a b c vgl. Altmeister und Kultregisseure streiten in Cannes um Goldene Palme. Agence France-Presse, 23. April 2009, Paris
- ↑ vgl. Akbar, Arifa: Cannes Film Festival snubs British movies for the second year running. In: The Independent, 24. April 2008, S. 4
- ↑ vgl. Germain, David: Spielberg joins regulars for Cannes film fest. Associated Press, 13. Mai 2008, 1:41 PM GMT
- ↑ vgl. Fatih Akin gibt Cannes einen Korb. In: Berliner Morgenpost, 17. April 2009, Ausg. 104/2009, S. 14
- ↑ vgl. Wetzel, Johannes: Wer kriegt die Goldene Palme?. In: Berliner Zeitung, 24. April 2009, S. 31
- ↑ vgl. Kramer, Brigitte: Gelöste Umarmungen bei perlentaucher.de, 18. März 2009 (aufgerufen am 25. April 2009)
- ↑ vgl. Yeoman, Fran: Cantona plays for England in big match against Tarantino for top Cannes prize. In: The Times, 24. April 2009, S. 24
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