Streitkräfte der Türkei

Streitkräfte der Türkei
Türkische Streitkräfte
Türk Silahlı Kuvvetleri
Bild:TSK Abmlem.JPG
Führung
Oberbefehlshaber: Staatspräsident (im Frieden) (derzeit: Abdullah Gül);
Generalstabschef (im Kriegsfall) (derzeit: İlker Başbuğ)
Verteidigungsminister: Verteidigungsminister
(derzeit Mehmet Vecdi Gönül)
Militärischer Befehlshaber: Ilker Başbuğ
Militärische Führung: Generalstab
Sitz des Hauptquartiers: Genelkurmay Başkanlığı (Ankara)
Militärische Stärke
Aktive Soldaten: 511.000
Reservisten: 990.600
Wehrpflicht: 15 Monate[1]
Wehrtaugliche Bevölkerung: 21.756.323
Wehrtauglichkeitsalter: 20. Lebensjahr
Haushalt
Militärbudget: Voraussichtlich $ 30.936 Mrd. (2009)
Anteil am BNE: 5% (2009)
Geschichte
Gründung: 1923

Die türkischen Streitkräfte (TSK, türkisch: Türk Silahlı Kuvvetleri) umfassen die militärischen Organisationen Heer, Marine und die Luftwaffe. Sie genießen in weiten Teilen der türkischen Bevölkerung hohes Ansehen [2] und verfügen über 511.000 Mann (Stand: 2006), was im internationalen Vergleich den 8. Rang bedeutet. Damit unterhält die Türkei mit weitem Abstand die zweitgrößte Anzahl an aktiven Soldaten in der NATO nach den USA. Das Militärbudget betrug 2006 über 11 Mrd. US-Dollar. 35.000 türkische Soldaten sind derzeit in der Türkischen Republik Nordzypern stationiert. Für das Jahr 2009 stehen den Streitkräften 14,532 Milliarden TL zur Verfügung. [3]

Inhaltsverzeichnis

Kommandostruktur

Der Oberbefehl über die türkischen Streitkräfte liegt beim Generalstabschef, der üblicherweise auf Weisung des Präsidenten handelt, der seinerseits selbst zumindest bis vor ca. 20 Jahren oft zuvor hoher Militär war. Seit August 2008 ist General İlker Başbuğ Generalstabschef. Er ist der 26. Oberbefehlshaber seit Ende des Osmanischen Reiches.

In Friedenszeiten unterstehen Gendarmerie und Küstenwache dem Innenministerium der Türkei, werden im Kriegsfall aber dem Heereskommando bzw. dem Marinekommando unterstellt.

Wehrdienst

Der Wehr- bzw. sogenannte Vaterlandsdienst ist laut Art. 72 der türkischen Verfassung i.V.m. Art. 1 des Gesetzes Nr. 1111 über den Wehrdienst Recht und insbesondere Pflicht jedes männlichen Staatsbürgers.

Nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 1111 über den Wehrdienst beginnt die Wehrpflicht am 1. Januar des Jahres, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Die Wehrpflicht endet mit Beginn des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 41. Lebensjahr vollendet. Geschwister bzw. Kinder von im Dienst getöteten Soldaten sind nicht wehrpflichtig.

Seit dem 15. Juli 2003 dauert der reguläre Militärdienst für Soldaten (er) 15 Monate, für Reserveoffiziersanwärter (yedek subay adayı) 12 Monate und für Kurzzeitsoldaten (kısa dönem er) 6 Monate.[4]

Für türkische Staatsbürger, die sich länger als 3 Jahre (1095 Tage) im Ausland befinden, besteht die Möglichkeit, den Militärdienst durch eine einmalige Zahlung auf insgesamt 21 Tage[5] zu verkürzen. Für Personen unter 38 Jahren beläuft sich der Betrag auf 5.112 Euro, für Personen über 38 Jahren sind es 7.668 Euro.[6]

Teilstreitkräfte

Landstreitkräfte

Das Heer ist mit 391.000 Mann die größte Teilstreitkraft und gliedert sich wie folgt:

Die Truppen sind ausgerüstet mit älteren - zum Teil kampfwertgesteigerten - Kampfpanzern der Typen M-48, M-60 und Leopard 1 sowie modernen Leopard 2, Schützenpanzern, davon 2.249 bei Ankara in den 1990er Jahren hergestellte FNSS: AIFV, AAPC, AMW oder ATV und ältere M-113, Radpanzer (unter anderem BTR-60 und BTR-80), Geschützen, Panzerhaubitzen oder Selbstfahrlafetten, Kampfhubschraubern Bell AH-1P und W und Transporthubschraubern (überwiegend Sikorsky UH-60 Black Hawk, Bell UH-1 und Eurocopter AS-532UL Cougar). Eine mechanisierte Infanteriedivision ist einem multinationalen NATO-Kommando unterstellt.

Luftwaffe

F-4E Phantom II der türkischen Luftwaffe
Die Türkischen Sterne fliegen einen „Tunnel“

Die Luftstreitmacht ist mit 65.000 Mann die zweitgrößte Teilstreitkraft. Sie verfügt über zwei Taktische Luftkommandos in Eskişehir und Diyarbakır, ein Trainingskommando und ein Unterstützungskommando. Das Hauptquartier befindet sich in Ankara. Die türkischen Luftstreitkräfte haben 411 Kampfflugzeuge (General Dynamics F-16, McDonnell Douglas F-4 und Northrop F-5), 7 Boeing KC-135 - Tankflugzeuge und 86 taktische Transportflugzeuge (u.a. CN-235, Transall C-160 und Lockheed C-130). Als Nachfolger für ältere Jets hat das türkische Verteidigungsministerium 116 [7] F-35 „Joint Strike Fighter“ (JSF) ausgewählt und sich somit aus technischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen gegen den Eurofighter entschieden, welcher u.a. keine „Tarnkappentechnik“ besitzt. Trotzdessen wurde die Türkei wieder in das Eurofighter-Projekt eingeladen. Außerdem laufen umfassende Maßnahmen, in Kooperation mit Israel und den USA, einen erheblichen Teil der türkischen F-4- und F-16-Bestände zu modernisieren. Zusätzlich zu den bisher nahezu allen in der Türkei, im Zeitraum von 1987 bis 1999 in Lizenz hergestellten 240 F-16-Jagdbombern, bereitet sich die Türkei auf die Bestellung von 30 weiteren F-16-Kampfflugzeugen vor, um die Übergangszeit bis zur Einführung der neuen F-35-Jets zu überbrücken.[8]

Die Staffel Türk Yıldızları (Türkische Sterne) oder auch Turkish Stars sind eine in Konya stationierte türkische Kunstflugstaffel. Aktuell besteht dieses Akrobatikteam (kurz Akroteam, türkisch akrotim) der 134. Flotte der türkischen Luftwaffe (Türk Hava Kuvvetleri) aus 11 Piloten. Für die Flugvorführungen werden acht Northrop F-5 Kampfflugzeuge genutzt. Sie ist damit eines der wenigen und ältesten Kunstflugteams, das Überschallflugzeuge fliegt.

Marine

Die türkische Fregatte TCG Gazi’antep, April 2007

Die Marine ist in vier Kommandos eingeteilt, ihr Hauptquartier befindet sich seit dem großen Erdbeben bei Gölcük im August 1999 nun in Izmir. Die Marine hat eine Stärke von 55.000 Mann. Sie verfügt über moderne und/od. modernisierte Fregatten, Korvetten, U-Boote (sowohl in Deutschland als auch mit deutscher Lizenz in der Türkei gebaute Typ 209/1200 und 1400), meist moderne Schnellboote (Rüzgar-, Kılıç I-, Kılıç II- Yıldız-, Doğan-, Kartal-Klasse), 19 Minensuch- u./od. Jagdboote, amphibische Landungsschiffe und Patrouillenboote. Zu den türkischen Marinefliegern zählen 13 Flugzeuge verschiedener Art (CASA CN 235 D/K sowie TB-20 Ausbildungsflugzeuge) und Hubschrauber ( Agusta Bell AB-212 und Sikorsky S-70 Sea Hawk).[9]

Im September 2008 nahm die Marine die erste eigenständig entwickelte Tarnkappenfregatte (die Heybeliada) in Dienst.

Ausrüstung

  • Liste der Kriegsschiffe der Türkischen Kriegsmarine

Gendarmerie

Die 180.000 Mann starke Gendarmerie (Jandarma) ist neben ihren Aufgaben als Militärische Polizei auch für innere Sicherheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Strafverfolgung und Grenzschutz, insbesondere in den ländlichen Regionen zuständig. Sie ist jedoch in Friedenszeiten dem Innenministerium unterstellt und nicht direkt dem Militär.

Küstenwache

Die türkische Küstenwache umfasst etwa 2.500 Mann. Sie war von 1982 bis 1995 der Gendarmerie unterstellt, seit 1995 dem türkischen Innenministerium. Die Ausrüstung umfasst 34 Schnellboote und 22 sonstige Küstenschutzboote sowie Hubschrauber.

Spezialeinheiten

Neben den 5 regulären Teilstreitkräften, besitzt das türkische Militär mehrere Spezialkräfte, die allesamt dem ÖKK (Özel Kuvvetler Komutanlığı; dt.: Oberkommando der Spezialkräfte), ehemals ÖHD (Özel Harp Dairesi; Abteilung für Besondere Kriegsführung), unterstellt sind. Die Spezialkräfte setzen sich ausschließlich aus Offizieren und Unteroffizieren zusammen; diese durchlaufen eine gesonderte Ausbildung. Folgende Spezialeinheiten gehören hierzu:

  • Bordo Bereliler: Die Bordo bereliler (dt. bordeauxrote Barettträger) sind eine Spezialeinheit, die zu Land eingesetzt werden. Diese Einheit hat den Korps-Status (zuvor Brigade und Division) und gilt als die Eliteeinheit zu Land. Die Ausbildung dauert 3 1/2 Jahre. Die Bordo bereliler waren auch an der Festnahme Abdullah Öcalans in Kenia beteiligt. Aktuell werden sie an der Grenze zum Irak zur Bekämpfung der PKK eingesetzt.
  • SAT / SAS: Die SAT (Su Altı Taaruz; dt. Unterwasser-Offensive) und SAS (Su Altı Savunma; dt. Unterwasser-Abwehr) sind Kampftaucher-Einheiten

Militärpolizei

Für die Aufrechterhaltung der Sicherheit innerhalb des Militärs, der Bewachung von Offizieren in Kriegszeiten und die Verfolgung von Fahnenflüchtigen ist die türkische Militärpolizei Askeriye İnzibat zuständig. Sie bilden keine Teilstruktur des Militärs und haben daher lediglich eine einheitliche Uniform. Das wichtigste Erkennungsmerkmal der türkischen Militärpolizei ist die Aufschrift "AS.İZ" (für Askeriye İnzibat) auf einer roten Armbinde und auf dem Helm. Zur türkischen Militärpolizei werden nur ausgewählte Soldaten berufen. Es ist nicht möglich, dass man durch das Losverfahren (wie bei den Teilstreitkräften) zum Dienst bei der Militärpolizei beordert werden kann.

Geschichte

Der Beginn der Geschichte des modernen türkischen Militärs lässt sich auf das Ende des Ersten Weltkrieges und den dadurch ausgelösten Zusammenbruch des Osmanischen Reiches festlegen, nachdem das bereits geschwächte Sultanat noch auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg gezogen war. Mit dem Verlust des Ersten Weltkrieges wurde das türkische Kernland durch die Briten, Franzosen, Italiener und Griechen besetzt und die Osmanische Armee wurde aufgelöst. Mustafa Kemal Pascha (später Atatürk genannt), der siegreiche Oberkommandierende im Türkischem Befreiungskrieg im Jahre 1922, formierte nach der Gründung der neuen Republik im Jahre 1923 die Streitkräfte neu.

Während des Zweiten Weltkriegs unterhielt die Türkei mit den Achsenmächten und den Alliierten Vertragsbeziehungen und blieb fast bis Kriegsende neutral. Auf Druck der Alliierten erklärte die Türkei März 1945 dem Deutschen Reich symbolisch den Krieg, um einen Sitz in den Vereinten Nationen zu erhalten und etwaige kriegerische Akte gegen das Land abzuwehren.

Am 17. Oktober 1950 trat die Türkei mit einer Brigade, bestehend aus 5.090 Mann, auf Seiten der UNO in den Koreakrieg ein. Im Laufe des Krieges starben 731 türkische Soldaten, etwa 2.000 wurden verwundet. Insgesamt wurden etwa 50.000 türkische Soldaten nach Korea entsandt.

Am 27. Mai 1960 putschten sich die türkischen Streitkräfte - angeführt durch General Cemal Gürsel - ein erstes Mal an die Macht. Das Militär setzte Adnan Menderes ab, stellte ihn vor Gericht und ließ ihn hinrichten. Am 12. März 1971 griff die Armee, per Memorandum, erneut in die Politik ein und setzte so ihre politischen Forderungen durch.

Durch die strategisch günstige Lage zwischen Europa, Asien und Afrika, umringt vom Schwarzen, Ägäischen und Mittelmeer steht die Türkei in einer besonderen geopolitischen Situation. Diese birgt aufgrund der Nähe zu den permanenten Krisenherden Balkan, Naher Osten und dem Kaukasus auch besondere Risiken. Aus diesem Grund wurde die Türkei am 18. Februar 1952 Mitglied der NATO. Auf Initiative der USA wurde ein NATO-Südostkommando eingerichtet, welches von einem amerikanischen General und jeweils einem türkischen und einem griechischen Stellvertreter geführt wurde. Im Zuge der Eingliederung in die NATO-Struktur begann die Türkei mit der Modernisierung ihrer Streitkräfte.

Am 20. Juli 1974 besetzten türkische Truppen, im Rahmen der Operation Kıbrıs Barış Harekatı (Friedensbewegung Zypern), den Nordteil der Insel Zypern aufgrund der dortigen politischen und ethnischen Turbulenzen im Zusammenhang mit ihrem international anerkannten Status als Garantiemacht im Londoner Garantievertrag.

Am 12. September 1980 führte General Kenan Evren den dritten Militärputsch der türkischen Geschichte an. Kenan Evren begründete den Putsch damit, „zu den Quellen des Kemalismus zurückkehren“ zu wollen. Hintergrund waren Kämpfe zwischen linken und rechten Gruppierungen, die in einen Bürgerkrieg mit 50 bis 70 Toten täglich ausgeartet waren. Später gab das Militär die Macht wieder an eine demokratisch gewählte Regierung ab.

Am 9. November 2005 verübten Unteroffiziere der Gendarmerie einen Bombenanschlag auf eine Buchhandlung in der Stadt Şemdinli. Eine Person wurde getötet. Nachdem die große Strafkammer in Van die Unteroffiziere zu langjährigen Haftstrafen verurteilt hat, wird der Prozess in der Revision vom Militärgericht in Van neu aufgerollt. Die Soldaten wurden am ersten Verhandlungstag aus dem Gefängnis entlassen.[10][11]

Kritik an den Streitkräften kann gesetzlich belangt werden.[12]

Geschichte der Luftwaffe

Mit dem militärischen Zusammenbruch des Osmanischen Reiches erfolgte die Demobilisierung der osmanischen Fliegertruppe. Behelfsmäßig bildeten sich jedoch ab März 1920 erneut Fliegereinheiten; insgesamt griff man auf 17 Flugzeuge der Typen Albatros, Breguet, Fiat, De Havilland und SPAD vorwiegend aus alten Kriegsbeständen zurück.

Ab dem 1. Juli 1932 wurde die Luftwaffe eine eigenständige Teilstreitkraft der türkischen Streitkräfte und verwendete ab 1933 die türkische Symbolfarbe Blau als Waffenfarbe. 1940 besaß sie bereits über 500 Flugzeuge, die am 31. Januar 1944 alle unter ein Kommando gestellt wurden („Türk Hava Kuvvetleri Komutanlığı“).

Eines der wichtigsten Veränderungen in der Geschichte der türkischen Luftwaffe war der Wechsel von den Propellerflugzeugen zu den Düsenflugzeugen nach dem NATO-Beitritt 1952.

1950 wurden die ersten türkischen Düsenflugzeuge in Betrieb genommen, wobei die 191., 192. und 193. Flotte (türkisch filo) die ersten Luftflotten der Türkei waren. In diesem Jahr begannen auch die ersten öffentlichen Kunstflüge in der Türkei.

Kritik

Die Rolle des Militärs

Die türkischen Streitkräfte begreifen sich seit Jahrzehnten als Wächter der von Atatürk eingeführten Staatsordnung. [13] 1960, 1971 und 1980 griffen die türkischen Generäle jeweils aktiv in das politische Geschehen ein, erließen eine neue Verfassung und ließen dann über Neuwahlen wieder eine Regierung wählen, ohne sich ein Letztentscheidungsrecht in zentralen Fragen nehmen zu lassen. [14]

Menschenrechtsverletzungen

Den Aussagen des Buchauthors Jürgen Grässlin zufolge dokumentierte Amnesty international in der Vergangenheit für die Region Südosttürkei Menschenrechtsverletzungen großen Ausmaßes. [15]

Siehe auch

Quellenangaben

Literatur

  • The World Defence Almanac 2006. Mönch Publishing Group, Bonn 2006

Weblinks


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