24-Stunden-Rennen von Le Mans 1927

24-Stunden-Rennen von Le Mans 1927
Bentley 3 Litre Super Sport
Bentley 4,5 Litre

Das fünfte 24-Stunden-Rennen von Le Mans, der 5éme Grand Prix d'Endurance les 24 Heures du Mans, fand vom 18. bis 19. Juni 1927 auf dem Circuit de la Sarthe statt.

Inhaltsverzeichnis

Das Rennen

Das 24-Stunden-Rennen von 1927 ging insofern in die Geschichte dieses Langstreckenrennens ein, als es für die britischen Fachleute als der „eigentliche“ Beginn dieser Veranstaltung gilt. Fachkundige Journalisten bezeichnen das Rennen von 1927 nicht als das „Beste“, aber das „Klassische“ 24-Stunden-Rennen. Dass spannende Motorsportveranstaltungen nicht immer im Zusammenhang mit der Anzahl der Teilnehmer stehen müssen, zeigt der Umstand, dass 1927 nur 22 Teams am Start waren. Dies bedeutete fast eine Halbierung der Teilnehmerzahl, denn im Jahr zuvor waren noch 41 Wagen ins Rennen gegangen. Ursprünglich sollten es 23 sein, aber einer den beiden Tractas verunfallte bei der Anreise und konnte nicht teilnehmen.

Die großen Favoriten auf den Sieg waren die einzigen drei nichtfranzösischen Wagen. Drei Werks-Bentley. „Old Number 7“, ein 3-Liter-Bentley-Super-Sport, wurde von Dudley Benjafield und Sammy Davis gefahren. Ein zweiter 3-Liter-Super-Sport wurde vom Franzosen André d’Erlanger und dem Briten George Duller gesteuert. Der stärkste Wagen im Feld war der 4,5-Liter-Bentley, Old Mother Gun, den Frank Clement – der Sieger von 1924 – und Leslie Callingham pilotierten. Nach dem Rückzug von Chenard & Walcker schon im Jahr davor, hatte auch Lorraine Dietrich – die Siegermannschaft der letzten beide Jahre – auf eine Teilnahme verzichtet. So blieb als stärkster französischer Wagen nur ein 3-Liter-Ariès, gefahren von Robert Laly und Jean Chassagne. Allerdings konzentrierten sich die heimischen Teams auf den Sieg im Biennial Cup, der durch eine Indexwertung die gefahrenen Kilometer eines Fahrzeugs in ein Verhältnis zur Leistung setzte. Hier waren die hubraumkleineren Fahrzeuge leicht im Vorteil.

Der Maison-Blanche-Unfall (White-House-Desaster)

Das Rennen begann, wie erwartet, mit einer Dreifachführung von Bentley. Bis 21 Uhr 30 am Samstagabend verlief auch alles nach Plan, dann kam es zu einem Massenunfall. Pierre Tabourin verlor in der Maison Blanche Kurve – damals stand knapp an der Rennstrecke ein weißes Haus, das der Kurve ihren Namen gab – die Herrschaft über seinen 2-Liter-Théo Schneider. Er kam mit dem rechten Hinterrad in einen kleinen Graben rechts der Fahrbahn und geriet ins Schleudern. Der Franzose konnte den Wagen noch abfangen, der dann aber quer zur Fahrrichtung und noch halb auf der Straße zum Stehen kam. Der knapp dahinter fahrende Callingham, in „Old Mother Gun“, konnte nicht ausweichen, traf den Théo Schneider im Heck und schob in weiter auf die Straße. In kurzen Abständen prallten ein weiterer Théo Schneider, der 3-Liter-Bentley von Duller und ein 1-Liter-Ariès in beide Fahrzeuge. Als Sammy Davis in „Old Number 7“ zur Unfallstelle kam, standen fünf Wracks auf der Bahn. Davis wurde durch Zuschauer gewarnt und verlangsamte sein Tempo. Ganz stehenbleiben konnte er aufgrund der schlechten Bremsen am Bentley nicht. Er versuchte den Wagen in einen Dreher zu zwingen, rutschte seitlich an den Wracks vorbei und beschädigte sich den Bentley dabei erheblich. Davis blieb stehen und besah sich die Schäden. Als er festgestellt hatte, dass wie durch ein Wunder weder seine beiden Teamkollegen, noch einer der französischen Fahrer, ernsthaft verletzt waren, stieg er wieder ein und fuhr in langsamer Fahrt zurück an die Box,

Dort stellten Benjafield und er fest, dass die Vorderachse verzogen war und auf der rechten Seite sowohl der Kotflügel als auch die Lampe fehlten. Nach damaligen Reglement durften nur die Fahrer am Fahrzeug arbeiten, und beide brauchten mehr als ein halbe Stunde, um den Wagen wieder flott zu machen. Mit einem Rückstand von sechs Runden nahm Benjafield das Rennen wieder auf. Obwohl die Lenkung auf der Geraden schief stand und die Windschutzscheibe fehlte, konnte Davis bis Sonntag, knapp nach Mittag, den Rückstand auf den führenden Ariès von Chassagne auf eine Runde verkürzen. Ein Sieg schien jedoch nicht mehr möglich. Der Ariès wurde aber von Problemen mit dem Zündverteiler geplagt, die schließlich zum Ausfall des Wagens führten.

Der Sieg von Davis und Benjafield wurde von der britischen Presse mit großem Jubel aufgenommen und führte in den nächsten Jahren zu einer Flut an britischen Zuschauern in Le Mans. Auch immer mehr Teams kamen in Folge an die Sarthe. Bis heute hält die Begeisterung auf der britischen Insel für diese Rennen an, die 1927 ihren Anfang nahm. Hätte allerdings Davis den Bentley nicht mehr zum Laufen gebracht, wäre mit einem kleinen Salmson der bis heute kleinste Rennwagen Gesamtsieger des 24-Stunden-Rennens geworden.

Hotel Savoy

1927 begann auch die Tradition, den siegreichen Bentley des 24-Stunden-Rennens im Foyer des Londoner Savoy Hotel auszustellen, um dem Fahrzeug die Ehre zu erweisen. Was mit „Old Number 7“ 1927 begann, fand 2003 mit dem Bentley EXP Speed 8 von Tom Kristensen, Rinaldo Capello und Guy Smith seinen bisherigen Abschluss.

Ergebnisse

Piloten nach Nationen

FrankreichFrankreich 39 Franzosen Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich 5 Briten

Schlussklassement

Pos. Klasse Nr. Team Fahrer Chassis Motor Reifen Runden
1 3.0 3 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Bentley Motors Ltd. Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Dudley Benjafield
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Sammy Davis
Bentley 3 Litre Super Sport „Old Number 7“ Bentley 2.9L I4 137
2 1.1 25 FrankreichFrankreich Émile Salmson et Cie FrankreichFrankreich André de Victor
FrankreichFrankreich Joseph Hasley
Salmson GS Salmson 1.1L I4 116
3 1.1 23 FrankreichFrankreich Émile Salmson et Cie FrankreichFrankreich George Casse
FrankreichFrankreich André Rousseau
Salmson GS Salmson 1.1L I4 115
4 1.5 15 FrankreichFrankreich Lucien Desvaux
FrankreichFrankreich Fernand Vallon
S.C.A.P. 1,5 Litre S.C.A.P 1.5L I4 110
5 1.1 26 FrankreichFrankreich Etablissements Henri Precioux FrankreichFrankreich Guy Bouriat
FrankreichFrankreich Pierre Bussienne
E.H.P DS C.I.M.E 1.1L I4 106
6 1.1 21 FrankreichFrankreich André Marandet
FrankreichFrankreich Gonzaque Lécureul
S.C.A.P BDE S.C.A.P 1.1L I4 108
7 1.1 20 FrankreichFrankreich Tracta FrankreichFrankreich Jean-Albert Grégoire
FrankreichFrankreich Lucien Lemesle
Tracta S.C.A.P 1.1L I4 97
Nicht klassiert
8 1.5 16 FrankreichFrankreich Henri Giulbert
FrankreichFrankreich André Clemet
S.C.A.P S.C.A.P 1.5L I4
Ausgefallen
9 2.0 4 FrankreichFrankreich Ariès FrankreichFrankreich Robert Laly
FrankreichFrankreich Jean Chassagne
Ariès Surbaissée 3 Litre Ariès 3.0L I4 122
10 2.0 8 FrankreichFrankreich Raymond Leroy
FrankreichFrankreich Pierre Mesnel
Fasto A3S Fasto 2.0L I4 96
11 2.0 10 FrankreichFrankreich Michel Doré
FrankreichFrankreich Roger Hellot
Fasto A3S Fasto 2.0L I4 75
12 2.0 9 FrankreichFrankreich „Brosselin“
FrankreichFrankreich Frédéric Thelluson
Fasto A3S Fasto 2.0L I4 72
13 1.5 4 FrankreichFrankreich Gaston Motteto
FrankreichFrankreich Emile Maret
S.A.R.A. SP7 S.A.R.A 1.5L I6 50
14 1.1 22 FrankreichFrankreich Henri Armand
FrankreichFrankreich Gaston Duval
S.A.R.A ATS S.A.R.A 1.4L I4 42
15 5.0 1 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Bentley Motors Ltd. Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Frank Clement
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Leslie Callingham
Bentley 4,5 Litre „Old Mother Gun“ Bentley 4.4L I6 35
16 2.0 12 FrankreichFrankreich Théo Schneider FrankreichFrankreich Jacques Chenterelle
FrankreichFrankreich René Schiltz
Théo Schneider 25SP Théo Schneider 2.0L I4 34
17 3.0 2 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Bentley Motors Ltd. FrankreichFrankreich André d’Erlanger
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich George Duller
Bentley 3 Litre Super Sport Bentley 3.0l I4 34
18 2.0 11 FrankreichFrankreich Théo Schneider FrankreichFrankreich Robert Poitier
FrankreichFrankreich Pierre Tabourin
Théo Schneider 25SP Théo Schneider 2.0L I4 26
19 1.1 29 FrankreichFrankreich Fernand Gabriel
FrankreichFrankreich Louis Paris
Ariès 8-10CV Ariès 1.1L I4 23
20 1.1 24 FrankreichFrankreich Émile Salmson et Cie FrankreichFrankreich Lionel de Marmier
FrankreichFrankreich Pierre Goutte
Salmson GS Salmson 1.1L I4 21
21 1.1 28 FrankreichFrankreich Arthur Duray
FrankreichFrankreich Roger Delano
Ariès 8-10CV Ariès 1.1L I4 16
22 1.1 27 FrankreichFrankreich Etablissements Henri Precioux FrankreichFrankreich Henri de Costier
FrankreichFrankreich Georges Guignard
E.H.P DS C.I.M.E. 1.1L I4 40
Nicht gestartet
23 1.1 19 FrankreichFrankreich Tracta FrankreichFrankreich Pierre Fenaille
FrankreichFrankreich Boussoud
Tracta S.C.A.P 1.1L I4 1

1 Unfall bei der Anreise

Klassensieger

Klasse Fahrer Fahrer Fahrzeug Platzierung im Gesamtklassement
3. Biennial Cup – Index of Performance FrankreichFrankreich George Casse FrankreichFrankreich André Rousseau Salmson GS Rang 3
Prix le Saint-Didier FrankreichFrankreich André de Victor FrankreichFrankreich Joseph Hasley Salmson GS Rang 2
2001-3000 cm³ Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Dudley Benjafield Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Sammy Davis Bentley 3 Litre Super Sport Gesamtsieg
1101-1500 cm³ FrankreichFrankreich Henri Devaux FrankreichFrankreich Fernand Vallon S.C.A.P. 1,5 Litre Rang 4
750-1100 cm³ FrankreichFrankreich André Victor FrankreichFrankreich Joseph Hasley Salmson GS Rang 2

Renndaten

  • Starter: 22
  • Wetter am Rennwochenende: Regen in der Nacht
  • Streckenlänge: 17,262 km
  • Distanz des Siegerteams: 2269,807 km
  • Siegerschnitt: 98,740 km/h
  • Schnellste Rennrunde: Frank Clement - Bentley 4,5 Litre (#1) - 8.46.000 = 118,142 km/h

Literatur

  • R. M . Clarke: Le Mans. Die Bentley & Alfa Years 1923–1939. Brocklands Books, Cobham 1999, ISBN 1-85520-465-7.

Weblinks

 Commons: 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1927 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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