- Bahnhof Görlitz
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Görlitz Empfangsgebäude Daten Kategorie 3 Betriebsart Trennungsbahnhof Bahnsteiggleise 6 Reisende/Tag < 50.000 [1] Abkürzung DG Eröffnung 1. September 1847 Profil auf Bahnhof.de Nr. 2194 Architektonische Daten Baustil Jugendstil Architekt Alexander Rüdell Lage Stadt Görlitz Land Sachsen Staat Deutschland Koordinaten 51° 8′ 50″ N, 14° 58′ 45″ O51.14722222222214.979166666667Koordinaten: 51° 8′ 50″ N, 14° 58′ 45″ O Höhe 221,3 m ü. NN Vorlage:Höhe/unbekannter Bezug Eisenbahnstrecken - Berlin Görlitzer Bf – Görlitz (km 207,920)
- Görlitz – Dresden-Neustadt (km 0,000)
- Görlitz – Hagenwerder (– Seidenberg) (km 207,920)
- (Węgliniec–) Staatsgrenze – Görlitz (km 252,997)
Bahnhöfe in Sachsen Bahnhof Görlitz ist der zentrale Personenbahnhof der Stadt Görlitz in Sachsen. Er verknüpft im Eisenbahnknoten Görlitz die Strecken nach Berlin, Dresden, Breslau und Zittau miteinander. Die Strecke in Richtung Jelenia Góra (Hirschberg) ist hingegen im nahe gelegenen polnischen Bahnhof Zgorzelec (früher: Görlitz-Moys) angebunden.
Bis zum Zweiten Weltkrieg war der am 1. September 1847 eröffnete Bahnhof Görlitz ein bedeutender Knotenpunkt im deutschen Fernverkehr. Das steigende Verkehrsaufkommen erforderte in den 1860er Jahren sowie Anfang des 20. Jahrhunderts eine Erweiterung der Bahnhofsanlagen. Nach der Verschiebung der deutschen Ostgrenze an Oder und Neiße kam es zu einem enormen Bedeutungsverlust. Heute ist der Bahnhof Görlitz nur noch ein Regionalknoten im Schienenpersonennahverkehr. Fernverkehr in der einst bedeutsamen Relation (Paris–) Dresden – Breslau (– Warschau) gibt es seit 2004 nicht mehr.
Im grenzüberschreitenden Verkehr hat der Bahnhof Görlitz den Status eines Grenzbahnhofs zwischen Deutschland und Polen. Bis zum EU-Beitritt Polens erfolgte dort in allen internationalen Zügen die Pass- und Zollkontrolle.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Der Görlitzer Bahnhof liegt an Deutschlands Ostgrenze und ist Grenzbahnhof zum Nachbarland Polen. Der Bahnhof Hagenwerder sowie die Haltepunkte in Rauschwalde und Weinhübel sind weitere Bahnstationen der Stadt Görlitz.
Der Bahnhofskomplex befindet sich in der südlichen Innenstadt an der Stadtteilgrenze zur Südstadt. Das Empfangsgebäude steht in der verlängerten Nord-Süd-Achse der Berliner Straße, die den Bahnhof mit dem Stadtzentrum verbindet. Nördlich des Bahnhofs begrenzt die Bahnhofstraße und südlich die Sattigstraße das Bahnhofsareal. Im Osten führt das Neißeviadukt über die Lausitzer Neiße, die die deutsch-polnische Grenze nach Zgorzelec markiert.
Das Bahnhofsgelände gehörte einst zum Jannakschen Vorwerk und befand sich zum Zeitpunkt der Errichtung des Bahnhofs weit vor den damaligen Toren der Stadt. Dort richtete im Jahr 1641 der sächsische Kurfürst Johann Georg I. bei der Belagerung von Görlitz sein Hauptquartier ein. Zuletzt gehörte das Grundstück dem Viaduktbaumeister Gustav Kießler.[2]
Straßenverkehr und Straßenbahn unterqueren im Jakobstunnel östlich des Bahnhofsgebäudes die Bahngleise. Westlich unterführt der Brautwiesentunnel die Bundesstraße 99 unter der Westausfahrt des Bahnhofs. Die Görlitzer Straßenbahn sowie die Busse des Regionalverkehrs besitzen vor dem Empfangsgebäude an der Bahnhofsstraße Haltestellen. Am Südausgang, dem südlichen Aufgang aus der Bahnsteigunterführung, befindet sich die gleichnamige Straßenbahn- und Bushaltestelle als Umsteigehaltestelle im städtischen Nahverkehr.
Geschichte
Der Weg zum Bahnanschluss
Mit dem Einsatz von Dampfmaschinen und dem beginnenden industriellen Aufschwung Mitte des 19. Jahrhunderts in der Region wurde ein effizienteres Transportsystem notwendig, um die Waren auf weitere Absatzmärkte zu verteilen. Pferdefuhrwerke kamen auf den unzureichend ausgebauten Straßen schnell an ihre Leistungsgrenze. Die neue Dampfeisenbahntechnologie aus England versprach hierfür eine Lösung. Noch vor der ersten Eisenbahnlinie in Deutschland schlug der Liegnitzer Regierungsbaurat Krause eine Bahnlinie von der schlesischen Hauptstadt Breslau nach Berlin und Dresden vor. Doch weil das Projekt nicht rentabel erschien, wurde es nicht realisiert. Der preußische Staat, zu dem Görlitz seit dem Wiener Kongress 1815 gehörte, setzte anfangs noch auf den Ausbau von Chausseen und Wasserstraßen.[3]
Wie in anderen Regionen in Deutschland konstituierte sich 1841 ein Eisenbahnverein, der Verein zur Wahrnehmung der Interessen der Stadt Görlitz bei Anlegung einer Eisenbahn zwischen Breslau und der Elbe. Bereits am 7. Januar 1842 erteilte der preußische König der Berlin-Frankfurter-Eisenbahngesellschaft die Konzession für den Bau einer Strecke von Breslau über Liegnitz und Bunzlau nach Görlitz und weiter bis an die sächsisch-preußische Landesgrenze. Die Beschaffung des benötigten Aktienkapitals misslang jedoch und somit erlosch die Konzession am 8. Januar des Folgejahres. Ende des Jahres 1843 erhielt die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (NME) die Konzession für eine Eisenbahn von Frankfurt/Oder nach Breslau und für eine Zweigbahn von Kohlfurt nach Görlitz. Im gleichen Jahr schlossen Preußen und Sachsen einen Staatsvertrag zum Bau der Eisenbahnstrecke von Dresden nach Görlitz.[3]
Der alte Bahnhof
Im sächsisch-preußischen Staatsvertrag war Görlitz als Verknüpfungspunkt zwischen der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn (SSE) und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn (NME) festgelegt. Die anfänglichen Pläne beider Gesellschaften sahen außer separaten Güter- und Lokschuppen auch getrennte Empfangsgebäude vor. Dies wurde jedoch aus Kostengründen verworfen. Man einigte sich auf ein gemeinsames Empfangsgebäude. Der Auftraggeber und Bauausführende war die NME. Dies dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, warum der Haupteingang mit den beiden Türmen in Richtung der Bahnstrecke nach Kohlfurt bzw. damals auch noch in Richtung der preußischen Hauptstadt Berlin zeigte.[4]
Die Grundsteinlegung für den kastellartigen Bahnhof erfolgte im Jahr 1845. Bereits am 1. September 1847 wurde er zeitgleich mit beiden Eisenbahnstrecken feierlich eröffnet.[5][6] Der Neorenaissancebau stand auf einer Grundfläche von ca. 41,8×16,3 Metern und besaß drei Stockwerke. Markant waren seine beiden oktogonalen Türme an der Ostseite des Empfangsgebäudes, die den Haupteingang flankierten. Der heutige polnische Bahnhof in Węgliniec (Kohlfurt) ähnelt dieser Bauform. Der ostseitige Hauptausgang führte über den Vorplatz auf die Jacobsstraße. Der Jakobstunnel existierte damals noch nicht und die Bahntrasse nach Kohlfurt überquerte die Jacobsstraße niveaugleich.[4]
Der Bahnhof wurde in Insellage errichtet. Südlich des Gebäudes verliefen die Gleise der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn und nördlich die der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn. Jede Bahngesellschaft verfügte auf ihrer Bahnhofsseite über einen eigenen Lokomotiv-, Wagen- sowie Güterschuppen. Auch die Drehscheiben und Kohleschuppen waren getrennt. Die sächsische Strecke endete im Osten des Empfangsgebäudes an der Drehscheibe noch vor der Jacobsstraße. Westlich des Empfangsgebäudes verband ein Übergabegleis die beiden Eisenbahnstrecken und ermöglichte den durchgehenden Transport von Gütern zwischen Leipzig und Breslau. Reisende mussten umsteigen.[4]
Die Fahrgäste gelangten durch eine gusseiserne Vorhalle am Haupteingang in die eigentliche Eingangshalle. In ihr befanden sich der Portier, die Polizei, der Fahrkartenschalter und die Gepäckannahme. Von der Eingangshalle führten Durchgänge zum nördlichen und südlichen Bahnsteig und zu den hinteren Wartesälen. Im ersten Stock befanden sich die Büros und die Dienstwohnung des Bahnhofsvorstehers. Im zweiten Stock wohnten weitere hohe Bahnhofsangestellte. Niedrigen Beamten und Tagelöhnern wiederum gehörten die Häuser an der Packhofstraße (heute: Berliner Straße). Der Bahnhof wurde von beiden Bahnbetreibern NME und SSE (ab 1852 Übergang in die preußische bzw. sächsische Staatsbahn) gleichberechtigt verwaltet und genutzt, obwohl die NME weiterhin alleiniger Eigentümer blieb. Im Adressbuch erschienen deshalb auch zwei unterschiedliche Anschriften: Eisenbahnhof der NME, An der Jacobsstraße 844 und Eisenbahnhof der SSE, Salomonstraße 13. Die gemeinsame Bahnhofsverwaltung endete mit dem Friedensschluss nach dem Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich und dessen Verbündeten. Zu den Verbündeten zählte auch das Königreich Sachsen, das sich nun von Preußen nach der Niederlage die Friedensbedingungen diktieren lassen musste. Dazu zählte, dass die Bahnhofsverwaltung nur noch der Preußischen Staatseisenbahn oblag. Da die technischen Einrichtungen der sächsischen Staatsbahn auf dem Bahnhofsgelände, wie z. B. Lokomotiv-, Güterwagen- und Wagenschuppen, trotzdem unter sächsischer Verwaltung blieben, behielten die sächsischen Beamten im Bahnhof weiterhin ein kleines Dienstzimmer[4].
Aufgrund der nahen sächsischen Grenze bei Reichenbach war der Görlitzer Bahnhof schon damals eine Grenzstation, an der bis zur Reichsgründung im Jahr 1871 Pass- und Zollkontrollen durchgeführt wurden.[5]
Die Bahnhofserweiterung 1867 bis 1869
Durch den rasch zunehmenden Verkehr und die beiden neu im Bahnhof einmündenden Eisenbahnstrecken, der Schlesischen Gebirgsbahn (Breslau–Waldenburg–Görlitz) und der Berlin-Görlitzer Eisenbahn, war eine Bahnhofserweiterung notwendig. Die niveaugleichen Bahnübergänge am Blockhaus, an der Jakob-, der Salomonstraße und der Rauschwalder Straße stellten ein Hindernis für den innerstädtischen Verkehr dar. Auf der finalen Konferenz mit Angehörigen des städtischen Magistrats und der Eisenbahnen am 8. Dezember 1866 einigte man sich auf die Einzelheiten des Umbaus. Ein für den städtischen Verkehr wichtiger Beschluss war die Unterführung der Jakobsstraße unter den Bahngleisen östlich des Bahnhofs, da der Bahnübergang wegen häufiger Rangier- und Zugfahrten oft geschlossen war. Die ausgehobenen Erdmassen für die 36 Fuß breite Unterführung wurden zur Aufschüttung des Bahnhofsareals und des Brautwiesendammes benutzt. Die im Volksmund als Jakobstunnel bezeichnete Unterführung wurde am 19. November 1868 eingeweiht. Etwa zur gleichen Zeit entstand am Blockhaus eine Straßenbrücke über die Gleise in Richtung des Neißeviadukts. Auch eine schmale Unterführung zwischen innerer (heute Bahnhofstraße) und äußerer Bahnhofstraße (heute Verlängerung der Sattigstraße) wurde angelegt. Sie war die Vorläuferin des Brautwiesentunnels. Andere schienengleiche Überführungen, wie z. B. zwischen Biesnitzer Kommunikationsweg (heute Melanchthonstraße) und Salomonstraße wurden geschlossen. Der Bau eines zusätzlichen Tunnels scheiterte, weil man sich über die Linienführung ab Salomon- oder Krölstraße nicht einig war.[7]
Auch die Einbindung der Berlin-Görlitzer Eisenbahn (BGE) bereitete Schwierigkeiten, da es sich um eine private Gesellschaft handelte. Diese plante anfangs ein separates Empfangsgebäude, einigte sich jedoch später mit der preußischen und der sächsischen Staatsbahn auf einen Anbau an das bestehende Bahnhofsgebäude. Da die Gleisbereiche getrennt bleiben sollten, mussten die Gleisanlagen am Bahnhof umgestaltet werden. Die ehemals sächsische Bahnhofsseite im Norden mit ihrem Bahnsteig wurde von da an von der BGE genutzt. Die sächsische und die preußische Staatsbahn teilten sich den Südperron. Um dem erhöhten Fahrgastaufkommen gerecht zu werden, wurde das Empfangsgebäude durch einem Anbau im Grundriss um das Doppelte auf 1700 Quadratmeter vergrößert. Der neue Mitteltrakt, auch Vestibül genannt, erhielt einen Personentunnel, der die Unterquerung der Gleise bis zur Bahnhofsstraße in einer Achse mit der Packhofstraße (heute Berliner Straße) ermöglichte. Der umgebaute Bahnhofskomplex wurde am 31. Juli 1869 eröffnet.[7]
Der Zugang zum Personentunnel an der Bahnhofstraße erhielt ein repräsentatives Vorempfangsgebäude. Eine breite Treppe führte in die Empfangshalle, deren Wände mit den Wappen von Berlin, Breslau, Cottbus, Dresden, Görlitz und Hirschberg geschmückt waren. Nachts wurden das Gebäude und der Fußgängertunnel durch mehr als hundert kugelförmige Gaslaternen erleuchtet. In der Halle sorgte ein fünfarmiger Leuchter für Licht. Der frühere Haupteingang an der Ostseite wurde verschlossen. Dort befand sich nun das Wachzimmer der Post, die mittlerweile den ganzen östlichen Trakt gepachtet hatte. Westlich folgten die BGE-Büros auf der Nordseite und die Büros der preußischen Staatsbahn auf der Südseite. An der Ostseite des neuen Vestibüls befand sich die Gepäckabfertigung, gegenüber dem Treppenaufgang die Fahrkartenschalter und auf der Westseite des Vestibüls schlossen sich die Wartesäle und ein Bahnhofsrestaurant an. Im Keller befanden sich Vorrats- und Wirtschaftsräume sowie die Restaurantküche. Im Obergeschoss wohnten der Bahnhofsvorsteher, hohe Beamte und der Bahnhofswirt. Die Bahnsteige erhielten Wellblechdächer. Im Jahr 1899 erhielt auch der Zittauer Bahnsteig eine Überdachung. Die Bahnstrecke aus Seidenberg wurde am 1. Juli 1875 eröffnet. Die in Hagenwerder abzweigende Strecke durch das Neißetal nach Zittau folgte am 15. Oktober des gleichen Jahres.[7][8][6]
Mit der Bahnhofsumgestaltung entstanden auch neue Güterschuppen als Typenbauten, an der äußeren Bahnhofstraße (heute Sattigstraße) für die sächsische und preußische Staatsbahn und an der inneren Bahnhofstraße (heute Bahnhofstraße) für die BGE. Nach dem Umbau waren keine Wagenschuppen mehr vorgesehen. Nur die Lokomotiven wurden in Schuppen untergebracht, die für jede Eisenbahngesellschaft neu errichtet wurden. Es wurden drei Ringlokschuppen und jeweils eine Drehscheibe gebaut. Die NME errichtete ihr Lokdepot an der Bahnhofstraße in Höhe der Einmündung der Konsul- und Schillerstraße östlich des Bahnhofs. Die sächsische Staatsbahn baute ihr Depot an der Strecke nach Dresden im östlichen Bahnhofsvorfeld an der Rauschwalder Straße. Auf diesem Areal befindet sich noch das Bahnbetriebswerk Görlitz. Die BGE baute ihren Lokomotivschuppen an der Bahnhofstraße Ecke Jakobsstraße ungefähr dort, wo heute das Postamt steht. Die Stadtverwaltung und die Anwohner kritisierten den Bau wegen der befürchteten Lärm- und Schmutzbelästigung in der Nähe der Wohnhäuser. Die BGE führte als Kompromiss die Rauchabzugskamine überlang aus.[9]
Das Bahnpostamt im Empfangsgebäude erreichte bald seine Kapazitätsgrenzen. Im Jahr 1886 entstand an der Bahnhofstraße zwischen Bahnhofsvorhalle und dem BGE-Lokschuppen für 29.000 Mark ein neues einstöckiges Bahnpostamt. 1877 wurde an der heutigen Sattigstraße etwa auf der Höhe der heutigen Kunnerwitzer Straße eine bahneigene Gasanstalt zur Leuchtgasversorgung des Bahnhofs und der Personenwagen errichtet. Sie verfügte über einen eigenen Gleisanschluss zum Transport von Kohle und Abtransport von Teer über eine Wagendrehscheibe. Bis Juni 1913 blieb das Werk in Betrieb. Neben diesen bahntechnischen Einrichtungen entstanden auch kommunale Einrichtungen in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes, z. B. der städtische Packhof an der Bahnhofstraße Ecke Salomonstraße, der am 1. Oktober 1850 mit einer Lagerfläche von 2892 Quadratmetern eröffnet wurde. Die Stadt besaß seit 1834 das Packhofrecht, also das Recht, ein von der Zollverwaltung kontrolliertes und zur Niederlage von unverzollten Waren der Kaufleute bestimmtes Lager einzurichten. Einige Kaufleute wünschten sich schon bald einen neuen Packhof näher an den Gleisen, der im Jahr 1873 als Anbau an den preußischen und österreichischen Zollschuppen den Betrieb aufnahm. Er war mit 2379 Quadratmetern kleiner als der alte Packhof. Die Lagerflächen wurden mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vermietet. Während des Bahnhofsumbaus zwischen 1906 und 1917 musste der Packhof im Jahr 1913 wieder an seinen Ursprungsort zurückkehren.[9]
Zweiter Umbau 1906 bis 1917
Bereits zur Jahrhundertwende reichten die Kapazitäten des Bahnhofs nicht mehr aus, um täglich 112 Reisezüge und 72 planmäßige Güterzüge abzufertigen. Hinzu kamen noch bis zu 26 Sonderzüge an Festtagen und in der Urlaubszeit sowie 24 Bedarfsgüterzüge. Den größten Engpass stellte der zunehmende Güterverkehr dar, weil einzelne Güterabfertigungsbereiche nicht mehr genutzt werden durften, so die Freiladegleise an der Äußeren Bahnhofstraße, da die Rangierabteilungen die Hauptstrecke hätten kreuzen müssen. Vor der Bahnhofserweiterung sollte der Güterverkehr eingestellt werden. Es gab Erwägungen, den Vorortbahnhof Posottendorf-Leschwitz (heute Görlitz-Weinhübel) im Süden als Güterbahnhof auszubauen. Wegen der schwierigen Geländeverhältnisse erhielt ein Standort bei Schlauroth und Rauschwalde den Vorzug. Die Bauarbeiten am Verschiebebahnhof Schlauroth im Westen der Stadt wurden 1906 aufgenommen. 1909 wurde er dem Verkehr übergeben.[10][11]
Auch bei diesem Umbauprojekt gab es in der Planungsphase Schwierigkeiten, die Wünsche von Eisenbahn und städtischem Magistrat unter einen Hut zu bringen. So sollte z. B. der Gepäcktunnel nach dem Umbau als Personentunnel dienen, da laut Vorschrift der Treppenaufgang in der Mitte des Bahnsteigs enden musste. Das Empfangsgebäude hätte sich dann 16 Meter weiter westlich befunden. Dagegen erhob vor allem der damalige Stadtarchitekt Bedenken, denn der Haupteingang sollte sich in der Flucht der Berliner Straße befinden. Im Jahr 1907 einigte man sich auf einen östlichen Personentunnel und einen westlichen Gepäcktunnel. Weitere Kritikpunkte der Stadt waren der fehlende Zugang zur Südstadt in der Salomonstraße, ein fehlender Durchgang für Reisende zur Südstadt und die nur noch auf der Nordseite befindliche Güterabfertigung. Der Personendurchgang zur Südstadt in der Verlängerung des Personentunnels wurde mit dem letzten Plan vom März 1908 verwirklicht. Die anderen von der Stadt geforderten Änderungen wurden wegen des Betriebsablaufs im Bahnhof oder aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt.[10]
Der Umbau begann mit den Gleisanlagen vor allem im westlichen Bahnhofsvorfeld. Am beschrankten Bahnübergang an der Rauschwalder Straße wurde das Gleisniveau durch Aufschüttungen so weit gehoben, dass die Gleise über die Straße geführt werden konnten. Die Dresdner Strecke wurde auf den neuen südlichen Brückenträger verlegt. Der Zugverkehr konnte während der Bauarbeiten auf der heutigen Güterzugstrecke nach Schlauroth aufrechterhalten werden. Der südliche Brückenteil für die Dresdner Strecke konnte am 1. Juli 1907 und der nördliche Brückenteil für die Güterzugstrecke zum Schlaurother Güterbahnhof 1909 eröffnet werden. Auch die Berliner Strecke musste 1911 trotz Protesten auf die neue Brücke verlegt werden, die bis 1913 zweigleisig ausgebaut wurde. Die Bahningenieure entwarfen das Bahnhofsvorfeld nach damals neuesten Gesichtspunkten. Von allen Bahnsteigen sollten Ein- und Ausfahrten zu allen Strecken möglich sein. An Stelle der Ladestraße an der Sattigstraße entstand ein Abstellbereich für Reisezüge. Die neue Ladestraße und die Rampen wurden auf dem ehemaligen Gelände der BGE parallel zur Bahnhofstraße bis zum Brautwiesentunnel angelegt. Weitere Entladeplätze entstanden an der Rauschwalder Straße über der Eisenbahnbrücke. Auch die drei Lokschuppen wurden zum Großteil abgebrochen, dafür wurde auf dem Areal des ehemaligen sächsischen Lokschuppens ein modernes Bahnbetriebswerk (BW) eröffnet. Es verfügte über eine Drehscheibe und eine Schiebebühne. Ab 1912 begannen die Bauarbeiten an den neuen Bahnsteigen südlich des Empfangsgebäudes. Das Gleis 14 erhielt einen Behelfsbahnsteig mit einer Unterführung zum Bahnsteig 12. Dieser trug bis 1945 den Namen Militärbahnsteig, da dort die Militärtransporte abgewickelt wurden und sich die Militärküche befand. Das Gleis 13 diente als Güterzugdurchfahr- und Loklaufgleis. Der vierte neue Bahnsteig konnte erst 1917 nach dem Abriss des alten Bahnhofsgebäudes realisiert werden.[12]
Elektrifizierung
Mit der Wende zum 20. Jahrhundert wurde die elektrische Traktion eingeführt. Bei der Preußisch-Hessischen Staatsbahn entschloss man sich, sie auf einer Flachlandstrecke und einer Gebirgsstrecke zu erproben. Die Wahl fiel auf die Strecke Dessau – Bitterfeld in Mitteldeutschland und die Bahnstrecke Nieder-Salzbrunn – Halbstadt in Schlesien. Ein Argument für die schlesische Strecke war die billige Waldenburger Steinkohle, die sich gut zur Verstromung eignete. Auch das preußische Kriegsministerium stimmte zu unter der Bedingung, dass genügend einsatzfähige Dampflokomotiven auf der Strecke vorzuhalten waren. Mit dem Kreditbewilligungsgesetz zur Elektrifizierung der Schlesischen Gebirgsbahn legte der preußische Landtag am 30. Juni 1911 die finanzielle Grundlage zur Elektrifizierung. Die Bauarbeiten begannen 1912. Schon am 2. April 1914 lieferte das Bahnkraftwerk Mittelsteine den ersten Bahnstrom und der elektrische Probebetrieb zwischen Niedersalzbrunn und Halbstadt konnte aufgenommen werden. Der Erste Weltkrieg verzögerte die Elektrifizierung, da das Kupfer für kriegswichtige Zwecke benötigt wurde. Nach dem Krieg wuchs das elektrifizierte Netz in Schlesien weiter an und Görlitz wurde über die Strecke Strecke Königszelt – Lauban angeschlossen. Am 1. September 1923 traf der erste von einer Elektrolokomotive gezogene Zug in Görlitz ein, der D-Zug 192 von Breslau über Hirschberg nach Berlin. In Görlitz mussten weiterfahrende Züge nach Norden, Süden oder Westen umgespannt werden, da Görlitz bzw. später der Verschiebebahnhof der westlichste Vorposten des elektrifizierten schlesischen Netzes war. Güterzüge aus Richtung Lauban konnten ab März 1924 bis zum Verschiebebahnhof Schlauroth elektrisch fahren.[13]
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Da die Stadt an einer wichtigen Ost-West-Verbindung lag, rollten seit Kriegsbeginn verstärkt Militärtransporte durch den Bahnhof gen Osten. Von direkten Kriegseinwirkungen blieb der Bahnhof jedoch weitgehend verschont. Zwar überflogen bereits im August 1940 englische Flieger die Stadt und bombardierten verschiedene Ziele, der Bahnhof gehörte nicht dazu. Erst am 20. Februar 1945 gegen 11:47 griffen sowjetische Frontflieger den Bahnhof an, hinterließen jedoch nur geringe Schäden. Eine Bombe riss ein Loch in Dach und Wand des Lokschuppens des benachbarten Bahnbetriebswerks Görlitz. Das Werk besaß einen eigenen Luftschutzkeller. Andere Bahnhofsangestellte suchten bei Fliegeralarm den öffentlichen Luftschutzbunker am Südausgang unterhalb der Jakobuskathedrale auf.[14][15]
Einschnitte im Betriebsablauf gab es vor allem beim elektrischen Betrieb auf der Schlesischen Gebirgsbahn gegen Ende des Krieges, wo wieder ein Mischbetrieb mit Dampf- und Elektrolokomotiven durchgeführt wurde. Im Februar 1945 wurde beim sowjetischen Vorstoß auf die Stadt das Unterwerk Lauban schwer beschädigt. Auch die Oberleitungen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Rückeroberung Laubans durch Wehrmachtseinheiten am 9. März 1945 konnte kurzzeitig auf der Strecke Görlitz–Lauban noch einmal der Betrieb aufgenommen werden. Der elektrische Betrieb war jedoch aufgrund der zersörten Stromversorgung nicht mehr möglich. Auch die verbliebenen fahrbereiten E-Loks wurden nach Westen überführt, um sie vor der vorrückenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen. Die Sprengung des Neißeviadukts am 7. Mai 1945 bedeutete das Ende des elektrischen Betriebs auf der Strecke in Richtung Hirschberg. Dabei fielen drei Bögen des Viadukts in die Tiefe des Neißetals. Auch der Fahrdraht wurde in das Tal gerissen. Noch bis Ende 1945 hingen die Gleise zwischen den beiden Brückenfragmenten und dienten Flüchtlingen aus dem Osten zur Flucht auf die Westseite der Neiße. Die stromlose Oberleitung zwischen Viadukt und Rangierbahnhof Schlauroth wurde bereits im Herbst 1945 demontiert. Die Fahrleitungsmaste hingegen wurden entweder einer neuen Funktion zugeführt oder fielen der Verschrottungsaktion zwischen 1968 und 1970 zum Opfer. Einige Obermasten wurden als Lademaß genutzt oder dienten noch bis in das Jahr 2011 als Beleuchtungsmasten an der Westausfahrt.[13][16]
Am 8. Mai 1945 besetzte die Rote Armee die Stadt und brachte auch den Bahnhof unter ihre Kontrolle. Unter dem Stadtkommandanten Gardeoberst Iljitsch Nesterow wurde eine sowjetische Bahnhofskommandantur eingerichtet, die bis Mitte August 1945 den Verkehr um den Bahnhof kontrollierte und steuerte. Der Bahnhof lag nach der Sprengung des Neißeviadukts und aller anderen Neißebrücken der Strecken nach Seidenberg und Zittau im Süden, dem gesprengten Löbauer Viadukt im Westen und der durch die Neißeoffensive der Roten Armee im Norden bei Kodersdorf zerstörten Strecke nach Cottbus vollkommen isoliert. Am 23. Juli 1945 verkehrten wieder zwei Zugpaare bis ins nördlich von Görlitz gelegene Horka. Zwei Tage später konnte wieder bis Weißwasser gefahren werden.[17][18] Am 6. August 1945 wurde der Pendelverkehr zwischen Löbau Ost, einem provisorischen Haltepunkt am östlichen Brückenkopf des Löbauer Viadukts, und Görlitz wieder aufgenommen.[19][20] Nachdem das Löbauer und das Bautzner Viadukt wieder provisorisch befahrbar waren, verkehrte am 10. November 1945 der erste Personenzug von Görlitz bis Dresden-Neustadt.[21] Die erste Zugverbindung von und nach Zittau bestand ab dem 9. September 1945. Die Neißetalbahn war damit die erste wieder durchgängig befahrbare Bahnlinie von Görlitz aus. Im Folgejahr sperrte die polnische Verwaltung die Streckenteile auf ihrem Territorium für den Durchgangsverkehr. Zwischen Görlitz und Hagenwerder wurde nun der Pendelverkehr aufgenommen.[22] Während des Wiederaufbaus bis einschließlich 1946 ließ die Sowjetunion das zweite Streckengleis auf allen in den Bahnhof einlaufenden Bahnlinien und auch Gleise im Bahnhof demontieren und die abgebauten Schienen als Reparationsleistung abtransportieren.[23]
Mit einem Befehl der Sowjetischen Militäradministration vom 11. August 1945 wurde der Eisenbahnbetrieb wieder den deutschen Behörden übergeben. Der Bahnhof gehörte nicht mehr zur Reichsbahndirektion Breslau sondern unterstand seitdem der Reichsbahndirektion Dresden. Auch bei der Gründung der Reichsbahndirektion Cottbus im Jahr 1946 verblieb der Bahnhof zunächst unter Dresdner Verwaltung.[24]
DDR-Zeit und politische Wende
Mit einer Umstrukturierung am 1. Januar 1955 gelangte der Bahnhof zum Direktionsbezirk Cottbus; dort verblieb er bis zur Auflösung der Direktion im Oktober 1990. In den 1950er Jahren rollte der Eisenbahnverkehr bereits wieder in alle Richtungen. Seit dem 1. Juli 1948 endeten auch die Züge der Görlitzer Kreisbahn im Görlitzer Bahnhof. Zuvor fuhren die Züge nur bis zum Kreisbahnhof Görlitz West an der Rauschwalder Straße.[24][23]
Der Bahnhof hatte auch zu DDR-Zeiten große Bedeutung im Fern- und Nahverkehr. Im Jahr 1952 begannen polnische Arbeiter mit dem Wiederaufbau des Neißeviaduktes. Grundlage für den Wiederaufbau des zerstörten Viaduktes war das 1950 geschlossene Görlitzer Abkommen, in dem die DDR und die Volksrepublik Polen die Oder-Neiße-Grenze als Staatsgrenze zwischen beiden Staaten anerkannten. Der grenzüberschreitende Reiseverkehr in das „sozialistische Bruderland“ – die Volksrepublik Polen – über das wiedererrichtete Neißeviadukt wurde am 22. Mai 1957 feierlich aufgenommen. Hierzu wurde der Bahnsteig IV mit den Gleisen 11 und 12 verlängert und das Grenzzollgebäude auf der Westseite des Bahnsteiges errichtet. In der Mitte des Bahnsteiges sollte ein Metallzaun den Grenzübertritt ohne Kontrollen unmöglich machen. Deutsche Grenzbeamte und Zöllner kontrollierten die Züge direkt am Bahnsteig. In den 1960er Jahren hielten täglich bis zu sechs internationale Reisezugpaare in Görlitz. Der Lok- und Personalwechsel auf den Zügen fand bis zur Einstellung der letzten lokbespannten grenzüberschreitenden Interregiozugpaare am 11. Dezember 2004 im Bahnhof Görlitz statt.[16][25]
Im Jahr 1956 konnten mit der Zuteilung von Drahtglas die durch den Krieg entstandenen Schäden an der Verglasung der Bahnsteighalle behoben werden. Ab 1985 hielt die Mikroelektronik am Bahnhof Einzug. Sämtliche Stellwerke, Rangierloks und das komplette Rangierpersonal wurden mit Funktechnik ausgerüstet. Die Fahrkartenausgabe erhielt einen rechnergestützten Fahrkartendrucker und Zugang zum elektronischen Platzkartenreservierungssystem. Auch die ersten Fahrkartenautomaten mit Dialogbetrieb kamen in die Bahnhofshalle. Mit der politischen Wende im Osten Deutschlands 1989 begann ein starker Ansturm auf die Züge nach Berlin und in die Bundesrepublik. Ab 1991 sank die Zahl der Reisenden stark, da immer mehr Bürger den Individualverkehr bevorzugten.[25]
Obwohl 1988 die Dampftraktion bei der Deutschen Reichsbahn offiziell aufgegeben wurde, konnte man noch bis Anfang 1990 Dampflokomotiven der Baureihen 52.80 und 50 am Bahnhof Görlitz antreffen. Sie wurden bis zur Einführung einer elektrischen Zugvorheizanlage zum Vorwärmen von Reisezügen verwendet.[26]
Entwicklung ab 1990
Nach der Wende verlor der Bahnhof an Bedeutung. Im Jahr 1993 wurde die Güterabfertigung geschlossen, zwei Jahre später das Bahnpostamt. Mitte der 1990er Jahre begann der umfassende Umbau der Gleisanlagen. Der Außenbahnsteig mit den Gleisen 3 und 4, zuletzt vor allem von den Zügen in Richtung Zittau genutzt, wurde im Jahr 2000 aufgegeben. Für die Zittauer Bahnlinie wurden die Gleise 7 und 8 benutzt. Die Umgestaltung des östlichen Gleisfeldes ermöglichte es, den nördlichen Teil des Jakobstunnels abzureißen und den südlichen Teil, über den nun alle nach Osten auslaufenden Gleise führen, durch einen Neubau zu ersetzen. Seit der Inbetriebnahme des Elektronischen Stellwerkes (ESTW) Görlitz am 25. Juni 2000 werden ie Weichen und Signale von der Betriebszentrale in Leipzig aus gesteuert. Die örtlichen Stellwerke verloren damit ihre Funktion und wurden bis auf das Reiterstellwerk B5 im westlichen Gleisvorfeld im ersten Halbjahr 2004 abgebrochen.[27]
Bauwerke
Empfangsgebäude
Das von Architekt Alexander Rüdell und Regierungsbaumeister Gotthard Eckert entworfene Empfangsgebäude ist in seinem äußeren Erscheinungsbild dem früheren Empfangsgebäude des Dortmunder Hauptbahnhofs nachempfunden. Es wurde am 6. September 1917 eingeweiht und kostete 600.000 Mark. Die Haupthalle mit ihrem 13,4 Meter hohen Tonnengewölbe bildet den Dreh- und Angelpunkt des Bahnhofs. Durch jeweils fünf große Hallenfenster auf der Nord- und Südseite fällt Tageslicht in die Halle. Die Fenster auf der Südseite waren früher mit den Wappen von Görlitz, Schlesien und der Oberlausitz und die auf der Nordseite mit den Wappen von Deutschland, Preußen und Sachsen geschmückt. Bei der Restaurierung der Hallenfenster 1993 wurden in die Fenster die Stadtwappen der Städte des Oberlausitzer Sechsstädtebundes eingelassen. 1984 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und die Empfangshalle in ihren Originalzustand zurückversetzt. Nach der Wende wurden 1991 die Toiletten auf den neusten Stand gebracht; 1993 wurde ein modernes Reisezentrum eingerichtet.[28][29]
In der Empfangshalle sind einige Einzelhändler, ein Reisezentrum der Deutschen Bahn mit zwei Schaltern, ein Autovermieter sowie eine kleine Information untergebracht. Der ehemalige südliche Wartesaal wird unter dem Namen Gleis 1 für kulturelle Veranstaltungen, u. a. Lesungen oder Feiern, genutzt. Anfangs gab es zwei getrennte Wartesäle für die Reisenden der 1. und 2. sowie der 3. und 4. Wagenklasse. Der Wartesaal für die 3. und 4. Klasse hatte den rustikalen Charakter einer Bauernstube mit einer grobschlächtigen, grüngebeizten Holzverkleidung. Der Holzkronleuchter war mit einem geschnitzten Bahnhofspförtner, einem Dienstmann, einem Handlungsreisendem und einer Spreewälderin verziert. Über einem Wandbrunnen aus Ton stand der Spruch: In Zuversicht auf Deutschlands Sieg ward hier gebaut trotz Not und Krieg. Der Spruch verweist auf den Ersten Weltkrieg, als das Empfangsgeäude entstand. Der Warteraum für die 1. und 2. Klasse hatte eine rotgebeizte Wandverkleidung, viel Schmuck, bemalte Fenster und stilvolle Leuchten.[28]
Bei der Eröffnung befand sich der Fahrkartenschalter in der Mitte der Südseite der Halle, wie noch über den Türen des Zeitungsladens zu lesen ist. Nach der Wende wurde dort das Reisezentrum eingerichtet,das später in die Verkaufsräume an der Nordseite umzog.
Im Jahr 1954 wurde der mittige Haupteingang teilweise, ab 1958 komplett geschlossen. Die beiden Seiteneingänge dienen als Hauptzugänge der Halle. 1958 wurde die achteckige Hallenuhr verschrottet und es entstanden die nördlich in der Halle befindlichen Containerbauten für die Wechselstube der Staatsbank und ein Kiosk. Bei den denkmalpflegerischen Arbeiten in der Bahnhofshalle 1985 wurde eine neue Hallenuhr im alten Stil angebracht. Dächer und Fassaden wurden erst nach der Wende 1993 im Vorfeld des Tages der Sachsen in der Stadt saniert und kosteten insgesamt 5,8 Millionen Mark.[28][30]
Bahnhofshalle, Bahnsteige und Personentunnel
Dass der Görlitzer Bahnhof eine Bahnhofshalle besitzt, ist dem Stadtrat Hertzog zu verdanken. Zuerst sollte jeder Bahnsteig mit separaten Bahnsteigüberdachungen versehen werden. Hertzog vertrat gegenüber dem Ministerium die Meinung, dass unter den hiesigen Windverhältnissen schwache und betagtere Reisende von einer Windbö erfasst und auf die Gleise geschleudert werden könnten. Man einigte sich auf die Überdachung der südlichen vier Gleise. So entstand anfangs nur eine zweischiffige Halle. Die Stadt bewilligte jedoch einen Zuschuss von 60.000 Mark, um sie um ein weiteres Schiff erweitern zu können. Die Fertigstellung der Hallenkonstruktion war für 1914 geplant. Der Termin konnte jedoch wegen Ersten Weltkrieges nicht eingehalten werden. Die südlichen zwei Hallen wurden 1916 fertiggestellt. Da der Bahnsteig III stark von Militärzügen frequentiert wurde, konnte die komplette Halle erst 1917 übergeben werden.[31]
Die dreischiffige Bahnhofshalle überspannt die Bahnsteige II bis IV mit den Gleisen 7 bis 12. Lediglich der Bahnsteig I mit den Gleisen 3 und 4 liegt außerhalb der Bahnsteighalle und hat eine separate Bahnsteigüberdachung. Der Außenbahnsteig wurde im Juni 2000 geschlossen.[27] Die Gleise 3 und 4 wurden im April 2006 zurückgebaut, somit kann der Bahnsteig nicht mehr für den Personenverkehr genutzt werden.[32] Der Bahnhof verfügt nunmehr über sechs in Betrieb befindliche Bahnsteiggleise, die Gleise 7 bis 12. Die Gleisnummern 1 und 2 sowie 5 und 6 erscheinen nicht auf den Gleisanzeigern. Diese für Rangier- und Durchfahrten vergebenen Gleise befanden sich zwischen dem Außenbahnsteig und der Bahnhofshalle beziehungsweise dem Empfangsgebäude. Das Gleis 6 fiel vermutlich bereits den sowjetischen Reparationsforderungen zum Opfer. Es verlängerte das zweite Streckengleis vom Verschiebebahnhof und Ausbesserungswerk in Schlauroth.
Im Jahr 2010 wurde an den Bahnsteigen 11/12 und 7/8 jeweils ein Lift vom Personentunnel hinauf zur Bahnsteigplattform eröffnet. Der Bahnsteig 9/10 verfügt schon seit längerer Zeit über einen Treppenschrägaufzug. Während des Aufzugsbaus auf der Ostseite des Personentunnels wurden auch die beiden äußeren Flügeltüren vom Personentunnel zur Haupthalle sowie die beiden Türen auf der östlichen Seite von der Haupthalle zum Bahnhofsvorplatz mit elektrischen Türöffnern versehen. Der Personentunnel führt von der Bahnhofshalle vorbei an den Gleisaufgängen zum sogenannten Südausgang, einem kleinen Gebäude, das die ost- und westwärts hinaufführenden 21 Treppenstufen zur Sattigstraße vor der Witterung schützt. In der Mitte des Baus befinden sich auf Straßenniveau Büros. In der Mitte des Personentunnels gegenüber den Aufgängen zu den Bahnsteigen befand sich bis 1962 ein Sanitätsraum des Deutschen Roten Kreuzes. 1962 zog in diese Räume ein Intershop ein, der jedoch 1970 mit der Mitropa in das Empfangsgebäude zog.[33] Zwischenzeitlich befand sich im ehemaligen Sanitätsraum ein Bistro, heute sind dort die Diensträume der Ostdeutschen Eisenbahn (ODEG) untergebracht.
Die folgende Tabelle führt die Bahnsteiggleise des Bahnhofes auf und ordnet ihnen u. a. die früher übliche Bahnsteignummer, ihre nutzbare Länge, ihre Bahnsteighöhe sowie die hauptsächlich angefahrenen Ziele (2010 und vor 1945) zu.
Bahnsteige Gleis ehem. Bahnsteignr. Ort Nutzbare Länge [m][34] Bahnsteighöhe [cm][34] Aktuelle Nutzung Ursprüngliche Nutzung[31] 3 I Außenbahnsteig - - aktuell keine Nutzung von/nach Zittau und Seidenberg 4 I Außenbahnsteig - - aktuell keine Nutzung von/nach Zittau und Seidenberg 7 II Bahnhofshalle 343 76 von Cottbus/nach Zittau von/nach Berlin und Hirschberg 8 II Bahnhofshalle 343 76 von Zittau/nach Cottbus von/nach Berlin und Hirschberg 9 III Bahnhofshalle 324 76 von/nach Hoyerswerda und Bischofswerda von/nach Dresden und Breslau 10 III Bahnhofshalle 324 76 nach Breslau und von/nach Bischofswerda von/nach Dresden und Breslau 11 IV Bahnhofshalle 385 76 von/nach Dresden von/nach Kohlfurt (Nahverkehr) und Hirschberg 12 IV Bahnhofshalle 385 76 von/nach Dresden von/nach Kohlfurt (Nahverkehr) und Hirschberg Bahnpostamt
Die Post eröffnete bereits am 15. September 1847 eine Zweigstelle im damaligen Bahnhofsgebäude. Ihre Hauptaufgabe war es, die Post im Wechselverkehr zwischen NME und SSE auszutauschen. Die Dienststelle wurde 1850 wegen zu geringem Postaufkommen geschlossen und am 1. Dezember 1863 wiedereröffnet. Die Post nutzte mittlerweile den gesamten östlichen Flügel des alten Empfangsgebäudes. Während des Deutschen Krieges zwischen Preußen und Österreich und Sachsen als österreichischem Bündnispartner stellte das Grenzpostamt bis zum 1. Januar 1869 seinen Dienst ein. Nach der Reichsgründung 1871 erhielt das nun kaiserliche Reichspostamt am 1. April die amtliche Bezeichnung Görlitz 3. Die starke Bevölkerungszunahme in den Wohnvierteln um den Bahnhof erforderte größere Räumlichkeiten. So baute die Post für 29.000 Mark zwischen Bahnhofsgebäude und BGE-Lokschuppen ein eigenes Domizil. Auch dieses Gebäude musste dem Bahnhofsneubau 1913 weichen. Am 15. Mai 1915 wurde das Hauptpostamt 1 trotz des Kriegsausbruches 1914 nach etwa zwei Jahren Bauzeit eröffnet. Es war eines der ersten neuen Gebäude des Bahnhofskomplexes an der Bahnhofsstraße und kostete die Post vom Grundstückserwerb bis zum fertiggestellten Gebäude mehr als 660.000 Mark. Am Gebäude befinden sich schmiedeeiserne Gitter mit Bildern aus der Postgeschichte. Neben den Schalterräumen im Erdgeschoss lagen die Amtszimmer des Postdirektors. Seine Wohnräume befanden sich im ersten Stock, wo auch der Briefträgersaal, der Entkartungssaal und die Räume für die Vorsteher der Briefträger, der Geldbriefträger und der Postanweisungsverrechungsstelle waren. Im zweiten Stock befanden sich große Lagerräume und weitere Dienstwohnungen dienstniederer Beamter.[35]
Ein Kuriosum war die druckluftbetriebene Rohrpostanlage. Die Messingrohre führten vom Bahnhofspostamt bis zum Postamt am Postplatz in der Innenstadt. Die Anlage ist nicht mehr betriebsfähig. Die Post verfügte auch über einen eigenen Posttunnel östlich vom Personentunnel. Zwei Bahnsteige besitzen an ihrem östlichen Ende noch Aufzüge aus dem Jahr 1914. Die übrigen drei Aufzüge wurden 1957 erneuert. Das Bahnpostamt wurde 1995 geschlossen.[35][27]
Verwaltungsgebäude
An das Empfangsgebäude schließt sich westlich das Verwaltungsgebäude im gleichen Stil an. Der westliche Teil des Gebäudes steht jedoch im Gegensatz zum Empfangsgebäude direkt an der Bahnhofstraße. Der östliche Teil ist einige Meter zurückgesetzt in einer Achse mit dem Empfangsgebäude. Es war nach der Fertigstellung Sitz des Betriebsamtes I und II – später Reichsbahnamt Görlitz I und Reichsbahnamt Görlitz II. Das Betriebsamt II zog 1918 in die Konsulstraße 57 um. Dafür zogen das Maschinenamt und das Verkehrsamt von der Krölstraße 45 in das Haus ein. Die Reichsbahnämter waren verwaltungstechnische Mittelbehörden der Reichsbahndirektion Breslau. Dem Reichsbahnamt I waren der Bahnhof Görlitz, der Rangierbahnhof Schlauroth, die Bahnmeistereien I und II und das Amt I unterstellt. Dem Reichsbahnamt II unterstanden die Bahnmeisterei Moys, die Bahnbetriebswerke Görlitz und Schlauroth sowie das Amt II. Das Verkehrsamt war unter anderem für die Bahnhofskasse, die Fahrkartenausgabe sowie für die Gepäck- und Güterabfertigung zuständig. Nach der Auflösung der Reichsbahndirektion Breslau infolge des Zweiten Weltkrieges kam der Bahnhof Görlitz zur Reichsbahndirektion Dresden. Die Reichsbahnämter Görlitz I und II wurden aufgelöst und die bisher unterstellten Ämter dem Reichsbahnamt Bautzen zugeordnet.[24]
Nach der Wende zog kurzzeitig eine Filiale der Sparda Bank in das Gebäude ein. Heute befinden sich in dem Gebäude eine Zweigstelle der DB Services Südost und eisenbahnfremde gewerbliche Mieter.
Güterabfertigung
Am Standort des ehemaligen NME-Güterschuppens an der Südseite der Bahnsteighalle hinter den Durchfahrtsgleisen entstand nach der zweiten Bahnhofsumgestaltung ein Güterschuppen für Eilgüter. Er besaß eine unterirdische Verbindung zur Eilgutannahme im Empfangsgebäude. Firmen aus der Südstadt wünschten sich Verlademöglichkeiten an der Südseite, was aus Gründen des Betriebsablaufes jedoch abgelehnt wurde. Sie wurden auf den baldigen Ausbau des Vorortbahnhofes in Posottendorf-Leschwitz zum Güterbahnhof vertröstet.[36]
1906 war ein zweiteiliger Güterschuppen mit getrenntem Empfangs- und Versandteil an der Bahnhofstraße vorgesehen, jedoch wurde dem Drängen der Görlitzer Firmen nachgegeben, die sich geeignete Lagerräume in der Nähe des Bahnhofes wünschten. Zwischen dem Empfangs- und Versandteil entstanden Lagerräume mit 18 Ladeluken. Den östlichen Abschluss bildete das zweistöckige Güterabfertigungsgebäude, den westlichen die Zollabfertigung mit Zollschuppen. Weitere Gebäude waren der kleinere Lagerschuppen u. a. für Militärausrüstung und den österreichischen Zoll sowie der Aufenthaltsraum des Rangierpersonals. Auch ein Ladebockkran sowie Straßen- und Gleiswaagen waren auf dem Gelände vorhanden. An der Rauschwalder Straße befanden sich einzelne Laderampen für Holz, Möbel und Vieh. Der Güterbahnhof und die Ladestraßen nahmen fast das ganze Areal zwischen den Gleisen der Dresdner Strecke, der Bahnhofstraße, dem Brautwiesenplatz und der Rauschwalder Straße ein. 1988 wurden an der Möbelladerampe die Tatra KT4D für den städtischen Straßenbahnbetrieb abgeladen und über ein provisorisches Schmalspurgleis auf die Straßenbahnstrecke auf der Rauschwalder Straße überführt. Nach 80-jährigem Betrieb wurde der Güterbahnhof am 31. Dezember 1993 geschlossen. Der Güterknoten für Ostsachsen war ab 1994 Bautzen.[36]
Stellwerke
Sämtliche Weichen auf dem Bahnhofsgleisfeld wurden bis zum zweiten Umbau des Bahnhofs vor Ort bedient. Das Personal befand sich in mehr als 20 Weichenstellerbuden auf dem Gleisfeld verteilt. Nach dem Umbau verschwanden diese Buden bis auf wenige in gering frequentierten Rangierbereichen. Die restlichen Weichen wurden elektrisch bedient. Der Görlitzer Bahnhof galt bis in die 1960er Jahre bei der Hochschule für Verkehrswesen Friedrich List in Dresden als Musterbeispiel für einen rationellen Betriebsablauf. In dem Befehlsstellwerk Gt (ab 1960 B5) westlich der Bahnhofshalle saß der Fahrdienstleiter und regelte von dort alle Zugein- und -ausfahrten. In der Kurzbezeichnung Gt steht das G für Görlitz und das t für Turm. Ein eventueller Buchstabe dazwischen gibt die Himmelsrichtung des Stellwerkes an. Das Stellwerk Gt und Got (ab 1960: W2) sind sogenannte Reiterstellwerke, d. h. sie überspannen mit ihrem brückenartigen Stellwerksraum eines oder mehrere Gleise. Das Stellwerk B5 überspannte die Gleise 13 und 14. Das Stellwerk W2 unterquerte an der östlichen Ausfahrt zur Abstellgruppe die Gleise 15 und 16.[37] Auf die Inbetriebnahme des Elektronische Stellwerks (ESTW) Görlitz am 25. Juni 2000 folgte im ersten Halbjahr 2004 der Abriss der überflüssig gewordenen Stellwerke. Nur das ehemalige Befehlsstellwerk B5 (Gt) blieb im veränderten Bahnhofsbild erhalten. Im Herbst 2008 lagen auf dem Gleisfeld des Bahnhofes noch maximal 9 Gleise nebeneinander, die durch 30 elektrisch betriebene Weichen miteinander verbunden waren.[27]
Funktion des Verkehrsbauwerks
Bahnstrecken
In Görlitz treffen sich folgende fünf Bahnstrecken: Berlin – Görlitz, Görlitz – Dresden, Görlitz – Hagenwerder (– Zittau), Węgliniec (ehemals Kohlfurt) – Görlitz und Wałbrzych (ehemals Waldenburg-Dittersbach) – Görlitz (Schlesische Gebirgsbahn). Die beiden letztgenannten Trassen vereinigen sich bereits westlich des Bahnhofs Zgorzelec (ehemals Bahnhof Görlitz-Moys) vor dem Neißeviadukt, führen dann gemeinsam über den Viadukt und befinden sich seit Kriegsende 1945 auf polnischem Territorium. Gemäß der deutschen Kilometrierung des Streckenabschnittes zwischen Viadukt und Bahnhof mündet in Görlitz die Bahnstrecke aus Węgliniec ein und folgt damit der Kilometrierung vor dem Krieg. Nach der Neukilometrierung nach dem Krieg auf polnischer Seite verläuft jedoch die Schlesische Gebirgsbahn bis zum Viadukt und nicht die Węgliniecer Strecke.
Auf dem östlichen Bahnhofsvorfeld mündet auch die Strecke von Zittau – Hagenwerder ein, nachdem sie durch den Blockhaustunnel die Strecke aus Zgorzelec unterquert hat. Im westlichen Bereich vereinigen sich die Strecken aus Berlin und Dresden etwa in Höhe der Straßenunterführung der Rauschwalder Straße. Der Personenverkehr auf der Görlitzer Kreisbahn nach Königshain wurde am 22. Mai 1993 eingestellt und Strecke am 31. Dezember 1994 stillgelegt. Nach der Demontage der Gleise und Schwellen wurde am 30. April 2009 ein Fahrradweg auf dem ehemaligen Bahndamm eröffnet.
Auf der Bahnstrecke Görlitz–Seidenberg werden nur noch einzelne Streckenabschnitte befahren. Nach der Sprengung der Neißebrücke südlich von Hagenwerder war kein durchgehender Verkehr mehr möglich. Die Lücke wurde nie geschlossen. Der auf der deutschen Seite verbliebene Ast bis zum Bahnhof Hagenwerder wird auch von den Zügen der Relation von Görlitz nach Zittau genutzt. Das nach dem Zweiten Weltkrieg demontierte zweite Streckengleis bis Hagenwerder bekam die Strecke aufgrund der nun geringeren Auslastung nie zurück. Auch die einst zweigleisige Bahnstrecke nach Berlin ist seit Ende des Krieges zwischen Cottbus und Görlitz nur noch eingleisig befahrbar.
Personenverkehr
Mit der Eröffnung des Bahnhofs am 1. September 1847 verkehrten täglich jeweils vier Zugpaare von Görlitz nach Dresden und Kohlfurt. Etwa fünf Jahre später stieg die Zahl der durchgehenden Reisezugverbindungen auf fünf je Richtung. Wenig später im Jahr 1854 folgte auch die erste Eilzugverbindung nach Dresden. Mit der Eröffnung der Berlin-Görlitzer-Eisenbahn im Jahr 1867 kamen zwei Personen- und ein gemischtes Zugpaar nach Berlin hinzu. Zu einem weiteren starken Anstieg des Personenverkehrs kam es mit der Eröffnung der Strecken nach Seidenberg und Zittau im Jahr 1875. Anfangs verkehrten vier Reisezugpaare nach Seidenberg und fünf nach Zittau. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verkehrten bereits jeweils ein Schnellzugpaar nach Breslau und nach Hirschberg sowie zwei Schnellzugpaare nach Berlin und drei nach Dresden.[38]
Die 1920er und 1930er Jahre waren die Glanzzeit des Bahnhofs. So fuhren täglich sechs D-Zug-, zwei Eilzug- und 14 Personenzugpaare über Kohlfurt zum großen Teil auch weiter bis nach Breslau, sieben Schnellzug-, zwei Eilzug- und neun Personenzugpaare durchgehend nach Dresden, zwei D-Zug-, vier Eilzug- und neun Personenzugpaare nach Berlin sowie jeweils maximal sieben Personenzüge nach Seidenberg bzw. Zittau. Auch ein Schnellzug zwischen Berlin und Wien, der D 293, hielt in Görlitz, ebenso die Wintersportzüge ins Riesengebirge, die Touristenzüge nach Oberschreiberhau und die sogenannten Bäderzüge von Berlin nach Bad Kudowa. Während des Zweiten Weltkriegs sank die Anzahl der Zugverbindungen auf manchen Relationen fast bis auf die Hälfte.[38]
Nach dem Krieg lief der Bahnverkehr angesichts der starken Schäden schnell wieder an. Anfänglich fuhren nur wenige Zugpaare, doch schon bald konnten sich die Zahlen bei den Zugverbindungen auf höherem Niveau stabilisieren. In den 1960er und 1970er Jahren verkehrten bereits wieder bis zu sechs grenzüberschreitende D-Zugpaare von und nach Polen, jeweils drei D-Zug-, Eilzug- und durchlaufende Personenzugpaare in Richtung Berlin sowie drei Schnellzug-, ein Eilzug und vier durchlaufende Personenzugpaare in Richtung Dresden. Die Zahlen blieben jedoch insgesamt weit hinter denen der Vorkriegsjahre zurück. Auch nach Zittau verkehrten durch das Neißetal nur noch fünf Personenzugpaare. Weitere Züge nach Zittau fuhren jedoch über Löbau und Ebersbach.[38]
Nach der Wende wurden die meisten D-Zug- in Interregioverbindungen umgewandelt. Nach Dresden verkehrten die Interregios im Zweistundentakt und es gab in den 1990er Jahren auch Interregioverbindungen nach Berlin, Oberstdorf im Allgäu oder Wilhelmshaven. Aus der D-Zugära blieben lediglich die D-Zugpaare D 450/451 und D 452/453 auf der Relation Warschau – Breslau – Görlitz – Leipzig – Frankfurt am Main – Saarbrücken – Paris sowie für kurze Zeit das D-Zugpaar D 2352/2353 von Zittau über Görlitz nach Rostock bestehen, dagegen entfiel beispielsweise die Schnellzugverbindung nach Köln. Aber auch die Zeit der Interregioverbindungen endete mit dem Fahrplan 2000/2001. Die zweistündlichen Interregioverbindungen nach Dresden wurden durch fünf lokbespannte Regionalexpresszüge ersetzt, andere Verbindungen wurden ersatzlos gestrichen.[39] Einen kurzzeitigen Aufschub bei der Abschaffung des Interregiolinien in Deutschland erhielten die drei verbliebenen Interregiozugpaare Dresden – Görlitz – Breslau. Am 11. Dezember 2004 wurden auch die letzten Interregiozüge zwischen Dresden und Breslau eingestellt. Sie waren neben einem InterCityzugpaar Görlitz - Nürnberg die letzten drei Fernverkehrszugpaare mit Halt in der Neißestadt. Bis zum 1. März 2009 sorgte lediglich die Polnische Staatsbahn grenzüberschreitenden Reisezugverkehr. Die Züge begannen und endeten jedoch alle in Görlitz. Im März 2009 nahm der Dresden-Wrocław-Express seinen Betrieb auf. Er verbindet die sächsische Landeshauptstadt mit der niederschlesischen Woiwodschaftshauptstadt.[38]
Reisezugverbindungen im Fahrplan 2010 Linie Linienverlauf Taktfrequenz Betreiber RE 1 Dresden Hbf − Bischofswerda − Bautzen − Löbau (Sachs.) − Görlitz Zweistundentakt DB Regio Südost RE 100 Dresden Hbf − Bautzen − Görlitz − Legnica − Wrocław Główny 3 Zugpaare täglich DB Regio Südost RB 60 Dresden Hbf − Bischofswerda − Bautzen − Löbau (Sachs.) − Görlitz Zweistundentakt DB Regio Südost OE 60V Bischofswerda − Bautzen − Löbau (Sachs.) − Görlitz (Verstärkerzüge werktags) Zweistundentakt Ostdeutsche Eisenbahn OE 64 Görlitz − Niesky − Hoyerswerda Zweistundentakt Ostdeutsche Eisenbahn OE 65 {Forst (Lausitz) –} Cottbus − Weißwasser (Oberlausitz) − Görlitz − Zittau Stundentakt Ostdeutsche Eisenbahn Verkehrsanbindung
Öffentlicher Verkehr
Der Bahnhof ist ein wichtiger Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs. Auf der Nordseite des Bahnhofes befinden sich fünf Bussteige. Von den Bussteigen 1 bis 4 fahren die Regionalbuslinien der Niederschlesischen Verkehrsgesellschaft (NVG) und der Kraftverkehrsgesellschaft Dreiländereck (KVG) und verbinden den Bahnhof mit dem näheren Umland; der Bussteig 5 ist für den Schienenersatzverkehr reserviert.
Seit Juni 1882 verkehrt die Straßenbahn zum Bahnhof. Anfangs fuhren die Reisenden noch mit einer Pferdestraßenbahn vom Bahnhof in die Stadt, aber bereits im Dezember 1897 waren die Tramlinien durch die AEG auf den elektrischen Betrieb umgestellt.[40]
Heute biegen die Straßenbahnen von der Berliner Straße, aus dem Stadtzentrum kommend, vor dem Haupteingang in Richtung Osten ab. Dort befindet sich die Straßenbahnhaltestelle Bahnhof. Auf ihrer Weiterfahrt in Richtung Süden unterquert die Straßenbahn die Bahnhofsgleise im Jakobstunnel und trennt sich vor Erreichen der Haltestelle Südausgang in die Linien nach Biesnitz und Weinhübel. Die Haltestelle Südausgang befindet sich auf der Südseite des Bahnhofs am Südaufgang des Personentunnels. Sie ist eine bedeutende Umsteigehaltestelle im städtischen Nahverkehrsnetz der Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG). Im städtischen Nachtverkehr treffen sich dort halbstündlich beide Nachtlinien, um das Umsteigen in alle Richtungen zu ermöglichen. Die Haltestelle Südausgang wird ebenso wie die Haltestelle Bahnhof am Tage durch die Straßenbahnlinien 2 und 3 bedient. Die Stadtbuslinie B hält nur am Südausgang.
Seit längerer Zeit beabsichtigen die Stadt und der Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien am Bahnhof eine Nahverkehrsschnittstelle zwischen Bus und Bahn einzurichten. Anfängliche Pläne, den Busbahnhof am Standort des Außenbahnsteiges I (Gleis 3 und 4) einzurichten, scheiterten bisher. Die letzten Entwürfe im Jahr 2010 sehen einen Standort westlich des Bahnhofs in der Nähe des Güterabfertigungsgebäudes vor.
Individualverkehr
Die Bahnhofstraße und die Zittauer Straße verbinden den Bahnhof mit der Bundesstraße 99, die unweit westlich und südlich verläuft. Auf dem Bahnhofsvorplatz im Norden gibt es einige Stellplätze für PKW. Auch ein Taxistand befindet sich dort. Östlich des Jakobstunnels entstand nach der Wende ein Parkhaus eines privaten Betreibers.
In der DDR-Zeit gab es Pläne der Hochbaumeisterei der Deutschen Reichsbahn, den Bahnhofsvorplatz vom Autoverkehr zu befreien. Die Bahnhofstraße sollte zwischen Salomonstraße im Westen und Jakobstraße im Osten den Vorplatz unterführen. Die Fußgängerzone entlang der Berliner Straße hätte direkt vor dem Mitteleingang des Empfangsgebäudes enden sollen. Lediglich die Straßenbahn sollte noch von der Berliner Straße auf den Bahnhofsvorplatz einbiegen. Die Pläne wurden jedoch wegen fehlender finanzieller Mittel nie realisiert.[41]
Literatur
- Wilfried Rettig: Eisenbahnknoten Görlitz. Bufe-Fachbuch-Verlag, Egglham 1994, ISBN 3-922138-53-5.
- Wilfried Rettig: Eisenbahn im Dreiländereck. Ostsachsen (D) / Niederschlesien / (PL) / Nordböhmen (CZ). Teil 1: Geschichte der Hauptstrecken, Betriebsstellen, Elektrifizierung und Fahrtbeschreibungen. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 2010, ISBN 978-388255-732-9.
Weblinks
Commons: Bahnhof Görlitz – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Umfangreiche Bildersammlung auf schlesische-eisenbahnen.de
- Pläne des „Locomotivschuppens“ in der „Allgemeinen Bauzeitung“ auf Anno (Austrian Newspapers Online)
- Gleisplan der DB-Netz
- DB-Netz: Gleise in Serviceeinrichtungen (Stand: 1. Oktober 2011)
- Interaktive Ansicht der Bahnhofshalle
Einzelnachweise
- ↑ Bahnhofsentwicklungsprogramm Sachsen. Aktueller Stand und Konzeption 2006. November 2006, S. 17, abgerufen am 3. November 2010 (PDF).
- ↑ Jecht, Richard: Geschichte der Stadt Görlitz, Band 1, Halbband 2. 1. Auflage. Verlag des Magistrates der Stadt Görlitz, 1934, S. 704.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 7.
- ↑ a b c d Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 14.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 16.
- ↑ a b Jecht, Richard: Geschichte der Stadt Görlitz, Band 1, Halbband 2. 1. Auflage. Verlag des Magistrates der Stadt Görlitz, 1934, S. 705.
- ↑ a b c Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 18.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 100.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 19.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 20.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 144.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 20f.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 39.
- ↑ Stadtverwaltung Görlitz – Untere Denkmalschutzbehörde (Hrsg.): Kriegsschäden 1945 in Görlitz. In: Denkmalpflege in Görlitz. Nr. 11, Verlag Gunter Oettel, Görlitz–Zittau 2002, S. 31ff.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 234.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 9.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 89.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahn im Dreiländereck, Teil 1. 2010, S. 103.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 70.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahn im Dreiländereck, Teil 1. 2010, S. 28.
- ↑ von Polenz, Hans: Eisenbahnen im Bautzener Land. 1 Auflage. Lausitzer Druck- u. Verlagshaus, 2006, ISBN 3-00-018243-8, S. 146.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahn im Dreiländereck, Teil 1. 2010, S. 155.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 88.
- ↑ a b c Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 43f.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 49.
- ↑ fotogalerieseiten.de: Bahnbetriebswerk Görlitz. Abgerufen am 15. Januar 2011.
- ↑ a b c d Rettig, Wilfried: Eisenbahn im Dreiländereck, Teil 1. 2010, S. 17.
- ↑ a b c Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 23ff.
- ↑ C. Cornelius: Dr. Ing. Alexander Rüdell †. In: Finanzministerium Preußen (Hrsg.): Zentralblatt der Bauverwaltung mit Nachrichten der Reichs- und Staatsbehörden. Nr. 41, Berlin 1. Januar 1921, S. 3 (online, abgerufen am 6. September 2011).
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 181.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 21.
- ↑ Der Bahnhof Görlitz und seine weitere Entwicklung. Abgerufen am 4. Januar 2011.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 24.
- ↑ a b deutschebahn.com: Görlitz Bahnsteiginformationen. Abgerufen am 4. Januar 2011.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 216.
- ↑ a b Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 30ff.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 35.
- ↑ a b c d Rettig, Wilfried: Eisenbahn im Dreiländereck, Teil 1. 2010, S. 11ff, 29ff, 76, 102f, 125ff, 153ff.
- ↑ DB Regio AG Regionalbereich Sachsen (Hrsg.): RE 1. 5 x täglich Görlitz – Dresden und zurück. Dresden 2000.
- ↑ Andreas Riedel: Die Chronik der Görlitzer Straßenbahn. Schweers + Wall, 1997, ISBN 3-89494-106-5, S. 10ff.
- ↑ Rettig, Wilfried: Eisenbahnknoten Görlitz. 1994, S. 30.
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- Bauwerk des Jugendstils in Görlitz
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