Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche
Die zweite Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche

Die evangelische Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche (verkürzend auch: KFG) befindet sich in der Händelallee 20 im Ortsteil Hansaviertel des Berliner Bezirks Mitte. Sie liegt am Rande des Großen Tiergartens. Der moderne Kirchenbau des Architekten Ludwig Lemmer aus dem Jahr 1957 ersetzt einen 1893–1895 von Johannes Vollmer errichteten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten, neugotischen Vorgängerbau.

Eine Parochie im neu angelegten Hansaviertel entstand in den 1880er Jahren. Der Bau der ersten Kirche wurde von Kaiser Wilhelm II. unterstützt, dessen Vater Friedrich III. als Namenspatron diente. Der Sakralbau zeichnete sich vor allem durch die reiche Ausgestaltung des Kircheninnern aus. Der Einweihung der Kirche folgte die Bildung einer eigenständigen Kaiser-Friedrich-Gedächtnisgemeinde.

Der Neubau der Kirche in der Nachkriegszeit fand im Kontext der Internationalen Bauausstellung 1957 statt. Die Materialien Beton, Aluminium und Glas bestimmen das Äußere des Gebäudes. Spenden von Privatpersonen und Körperschaften ermöglichten wie beim Vorgängerbau eine aufwendige Ausschmückung des Kircheninnern unter Beteiligung namhafter Künstler.

Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche gehört neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und der Königin-Luise-Gedächtniskirche zu den drei noch existierenden Gedächtniskirchen Berlins, die Mitglieder des Hauses Hohenzollern ehren.

Die Kirche und das dazugehörige Pfarr- und Gemeindehaus stehen unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Der erste Kirchenbau

Entstehung der Parochie Hansaviertel

Die städtebauliche Entwicklung des Hansaviertels begann 1872, die ersten Bauten entstanden 1875 im Süden des Areals. Von älteren Bauwerken in dem zuvor landwirtschaftlich genutzten Gebiet blieb nur die von Karl Friedrich Schinkel 1824 gestaltete Villa Finkenherd erhalten. Das Ende der 1870er Jahre zum beliebten Gartenlokal Charlottenhof umgewandelte Gebäude lag in der Händelstraße (ab 1935: Händelallee).[1]

Im Hansaviertel lebten überwiegend Protestanten. Sie gehörten zunächst zur Parochie der mehr als zwei Kilometer entfernt liegenden, heute nicht mehr existierenden Dorotheenstädtischen Kirche in der Dorotheenstraße im heutigen Ortsteil Mitte. Ab den 1880er Jahren gab es Bemühungen, für sie einen näher gelegenen Versammlungsort zu schaffen. Einen 1882 gestellten Antrag zur Einrichtung eines Gebetsraums im Schloss Bellevue entschied der preußische Kultusminister jedoch abschlägig. So nutzten die protestantischen Bewohner des Hansaviertels ab Heiligabend 1886 einen Raum des Charlottenhofs als Kirchensaal. Der Gaststättenbetrieb störte jedoch die Gottesdienste, sodass 1891 ein Grundstück in der Bachstraße gepachtet wurde, nahe dem S-Bahnhof Tiergarten. Darauf errichtete die Gemeinde eine Kapelle in Fachwerkbauweise mit 200 Sitzplätzen. Die Einweihung fand am zweiten Adventssonntag 1891 statt. Eine eigene Pfarrstelle für den Bereich Tiergarten war bereits 1890 eingerichtet worden.[2]

Der Bau der ersten Kirche

Pläne und Umsetzung

Grundsteinlegung im Beisein des Kaiserpaares, 1892

Die Kapelle war wegen der raschen Entwicklung des Hansaviertels (etwa 6000 Menschen zählten bereits zur neuen Parochie) nur als Zwischenlösung gedacht. Das Konsistorium der märkischen Kirchenprovinz der altpreußischen Landeskirche und der preußische Kultusminister befürworteten einen Kirchenneubau. Das vom Staat in Aussicht gestellte Baugelände an der Händelstraße, direkt östlich des Charlottenhofs, erwies sich allerdings als sumpfig und daher ungünstig. Die eigentlich begüterte Dorotheenstädtische Gemeinde zögerte wegen finanzieller Risiken, den Bau in Angriff zu nehmen. Man verwarf die Bedenken jedoch, als Kaiser Wilhelm II. 1892 das Vorhaben befürwortete und dafür sorgte, dass das Grundstück von 33a der Gemeinde vom Fiskus kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde. Die feierliche Grundsteinlegung fand am 18. Oktober 1892 statt, dem Geburtstag von Wilhelms Vater, Kaiser Friedrich III., dessen Name die Kirche tragen sollte. Neben Kaiser Wilhelm und Reichskanzler Leo von Caprivi wohnten der Zeremonie viele staatliche, militärische und geistliche Würdenträger sowie Mitglieder der kaiserlichen Familie bei.[3]

Der Namenspatron
Kaiser Friedrich III.

Die Bauarbeiten unterstanden dem Architekten Robert Leibnitz. Kaiser Wilhelm war einer Empfehlung der Kirchengemeinde gefolgt und hatte im September 1892 aus zwei vorgelegten Entwürfen, einer von Johannes Vollmer und der andere von Max Spitta stammend, den ersteren ausgewählt. Probleme verzögerten den Baubeginn aber bis August 1893. Die Fundamentierung des Bauwerks erwies sich aufgrund des hohen Grundwasserspiegels im nördlichen Tiergarten als aufwendig. Die Bauaufsicht verlangte Änderungen an Vollmers Entwürfen, da sie der Statik des Gebäudes misstraute, und die vom Architekten veranschlagten Baukosten stellten sich schnell als unrealistisch niedrig heraus. Sie erreichten trotz Vereinfachung des Entwurfs schließlich hohe 578.000 Mark, die Innenausstattung mitkalkuliert. Ein Antrag des Berliner Magistrats, nachträglich Gelder für den Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (250.000 Mark) und der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche (50.000 Mark) aus kommunalen Mitteln zur Verfügung zu stellen, scheiterte im März 1896 deutlich in der Stadtverordnetenversammlung. Der Sozialdemokrat Ewald Vogtherr fasste die Mehrheitsmeinung zusammen, als er erklärte, man habe nicht das Bedürfnis, sich „an einem Akt der Verherrlichung lebender oder verstorbener Fürsten in irgendeiner Form zu beteiligen.“[4]

Der Gemeindevorstand, der nur 300.000 Mark aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellen konnte, sah sich gezwungen, um Spenden zu werben, ein Umstand, den die Kreuzzeitung aufgrund der Prominenz des Projekts kritisch kommentierte. Nach anfänglicher Zurückhaltung finanzierten eine Reihe von Privatpersonen, Institutionen und die Kaiserfamilie große Teile vor allem der inneren Ausschmückung der Kirche.[5]

Die Kirche, gesehen von der Lessingstraße (um 1900)

Die Weihe der Kirche fand am 21. Oktober 1895 in festlichem Rahmen statt. In den Monaten zuvor waren bereits zwei weitere Berliner Kirchen eingeweiht worden, die zum Gedenken an zwischen 1888 und 1890 verstorbene Mitglieder des Hauses Hohenzollern entstanden waren. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am heutigen Breitscheidplatz erinnerte an Wilhelm I. und die heute nicht mehr existierende Kaiserin-Augusta-Kirche (auch: Gnadenkirche) im Invalidenpark an seine Gattin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach.[6]

Zum Jahreswechsel 1895/1896 löste sich die Parochie der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche von der Dorotheenstädtischen Mutterkirche und bildete eine eigene Gemeinde. Das Eigentum am Kirchengrundstück wurde 1900 auf diese übertragen.[7]

Architektur und Ausgestaltung der Kirche

Vollmers mit wenigen Veränderungen umgesetzter Entwurf für den Grundriss der Kirche, links ebenerdig, rechts das Emporengeschoss

Die erste Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche wurde als einschiffige neugotische Hallenkirche im Stil des Historismus auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes mit kurzen Armen errichtet. Der Abschluss des Chores war gerade. Auf das von zwei gleichhohen Fenstern flankierte nördliche Hauptportal führte die vom Hansaplatz kommende Lessingstraße zu. Portal und Fenster waren spitzbogig mit Wimpergen ausgeführt. Über dem Hauptportal befand sich eine große Rosette. Ein speziell für den Monarchen und seine Familie an der Ostseite der Kirche erbautes Kaiserportal ermöglichte einen direkten Zutritt zur Hofloge seitlich des Altars. Die Sakristei befand sich westlich des Chores. Der auf quadratischem Grundriss stehende, schlanke Turm lag im nordöstlichen Winkel zwischen Lang- und Querhaus. Diese statisch begründete, asymmetrische Position widersprach den Konventionen der zeitgenössischen Kirchenarchitektur. Der Turm war 72 Meter hoch und besaß ein offenes Glockengeschoss mit einem polygonalen Helm. Die hohen Grundmauern bestanden aus Basaltlava, die übrigen Außenmauern waren mit rotem Backstein und schwarzem rheinischem Tuff verblendet. Die waagerechte Gliederung erfolgte durch filigran gearbeitete Sandsteinelemente.[8]

Die Ostseite des ersten Kirchenbaus kurz nach der Fertigstellung (1896)

Das Kircheninnere zeigte sich gewölbt mit einem beherrschenden Chorbogen vor einer fast quadratischen Apsis. Gegenüber lag die große Orgelempore. Auch das Querhaus wies beidseitig Emporen auf. Altar, Taufstein und Kanzel waren aus istrischem Kalkstein gearbeitet. Die mit Säulen und Engelsköpfen verzierte Kanzel befand sich an der westlichen Stirnwand, der Taufstein unter der westlichen Querhausempore. Die östliche Querhausempore besaß einen Zugang zum Glockenturm. Den Altar krönte ein retabelartiger Aufbau mit zwei sitzenden Engelsfiguren. Die Gestaltung des Altars unterstand Paul Nisse, das Kruzifix auf dem Aufsatz stammte von Emil Cauer dem Jüngeren. Eine Bronzebüste von Friedrich III. hatte der Bildhauer Joseph Uphues in Abstimmung mit der Witwe Victoria geschaffen. Der Fußboden der Kirche war mit Mosaiken ausgelegt. Der Kirchenbau bot 800 Besuchern Platz.[9]

Der Innenraum der Kirche mit Hofloge links und Kanzel rechts, darüber der Triumphbogen (um 1895)

Mit Ziegeln ausgeführte Architekturelemente rahmten die hellen Wandflächen des Kircheninnern ein. Über Kanzel- und Hofloge befanden sich Ornamente, darüber erhob sich ein aus Glasmosaik gestalteter Triumphbogen. Er zeigte zwölf Lämmer, je sechs vor den Toren Jerusalems und Bethlehems stehend, mit Jesus als über allen wachendem Guten Hirten. Ein Mosaik im Chorgewölbe gestaltete Szenen aus der Passionsgeschichte mit Jesus auf dem Weg von Gethsemane nach Jerusalem. Die Mosaiken fertigte die Firma Puhl & Wagner aus Neukölln. Das vom Kaiser und seiner Familie gespendete, mehrgliedrige Chorfenster zeigte in der oberen Rose den triumphierenden Christus, darunter die Apostel Paulus und Petrus und in den kleineren Fensterelementen Szenen aus der Apostelgeschichte. Weitere große Glasfenster befanden sich im Querhaus und bildeten andere Apostel sowie alttestamentliche Propheten ab. Die Glasfenster stammten größtenteils aus Londoner Werkstätten.[10]

Die Abweichung von der herkömmlichen Ostung führte zu Nachteilen für die Beleuchtung. Die Farben der Glasfenster im Chor entwickelten erst zur Mittagszeit ihre volle Strahlkraft, wirkten dann aber blendend und störten die Farbwirkung des restlichen Gebäudeschmucks. Das Centralblatt der Bauverwaltung urteilte im November 1895, dieser Fall zeige, „wie wohl man thut, die auf kluger Berechnung und reicher Erfahrung beruhende Überlieferung im Kirchenbau nicht ohne zwingende Gründe preiszugeben.“[11]

Glocken und Orgel

Die Glocken der Kirche wurden in der Glockengießerei Apolda aus vom Kaiser zur Verfügung gestellter Bronze gegossen, die von im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 erbeuteten Kanonen stammte. Die Glocken erhielten die Bezeichnungen Friedrich, Deutschland, Wörth und Sedan, wobei die letzten zwei Namen auf siegreiche Schlachten des Krieges verwiesen. Die Sedan-Glocke trug ein Eisernes Kreuz und die Aufschrift „Der Sieg kommt vom Herrn“. Die Glocken waren auf die Töne A–C–D–E gestimmt und sollten mit den fünf Glocken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (D–F–A–B–C) einen harmonischen Gesamteindruck bilden.[12] Die Glocken mussten bei einer Metallsammlung während des Ersten Weltkrieges abgegeben werden und wurden eingeschmolzen. Es verblieb nur ein kleines Geläut.[13]

Die Kirche erhielt eine von Ernst Röver geschaffene Orgel mit Röhrenpneumatik-Traktur und 50 Stimmen, das erste Instrument dieser Funktionsweise in Berlin. Es wurde 1929 ersetzt durch eine dreimanualige Orgel der Firma E. F. Walcker & Cie aus Ludwigsburg mit 2825 Pfeifen auf 36 Stimmen und 4 Transmissionen (Opus 2237). Die Bauweise dieses Instruments deutete bereits auf die reformerischen Bestrebungen der sogenannten „Orgelbewegung“ voraus.[14] Die Orgel hatte folgende Disposition:[15]

I Manual C–c4
Weitprincipal 8′
Principalflöte 8′
Bordun 8′
Gemshorn 8′
Oktave 4′
Hohlflöte 4′
Kornett III–V 8′
Rauschquinte II 2²/3
Trompete 8′
II Manual
(schwellbar)
C–c4
Quintatön 16′
Hornprincipal 08′
Konzertflöte 08′
Salicional 08′
Principal 04′
Spitzflöte 04′
Quintflöte 02²/3
Piccolo 02′
Terz 01³/5
Mixtur IV–V
Vox humana 08′
Schwebung
III Manual
(schwellbar)
C–c4
Gedackt 16′
Geigenprincipal 08′
Rohrflöte 08′
Aeoline 08′
Geigenschwebung 08′
Orchesterflöte 04′
Schwiegel 02′
Cymbel III–IV
Horn-Oboe 08′
Schalmei 04′
Schwebung
Pedal C–f¹
Akustischer Bass 32′
Principalbass 16′
Untersatz 16′
Sanftbass (aus III) 16′
Oktavbass 08′
Bassflöte (aus III) 08′
Violoncello (aus III) 08′
Choralbass 04′
Posaune 16′
Horn (aus III) 08′
  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, II/II, I/P, II/P, III/P.
    • Superoktavkoppeln: II/I, III/I, II, III, III/P.
    • Suboktavkoppeln: III/I, III.
  • Spielhilfen:

Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

Gemeindeleben

Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnisgemeinde stand im Ruf, sehr wohlhabend zu sein, ein Eindruck, der durch die Lage im gutbürgerlichen Hansaviertel und die beim Bau der Kirche bewiesene Spendenfreudigkeit ihrer Mitglieder bestärkt wurde. Das Gemeindeleben prägten zahlreiche Vereine und Helferkreise, die sich auch sozial engagierten. So behauptete man anlässlich des Kaufs eines Gemeindehauses im Jahr 1902 stolz von sich, dass keine Not im Hansaviertel ungelindert bliebe. Allerdings lehnte die Gemeinde 1913 die Umpfarrung des Armenhauses der Luisenkirche aus dem benachbarten Charlottenburg ab.[13]

Aufgrund der Größe der Gemeinde, die bereits 10.000 Mitglieder umfasste, richtete man im Jahr 1899 eine zweite Pfarrstelle ein. Die Gottesdienste in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche sowie Vorträge im Gemeindehaus und Veröffentlichungen im Gemeindeblatt waren akademisch ausgerichtet. Dies machte Kirche und Gemeinde über das Gebiet des Hansaviertels hinaus bekannt.[16]

Die soziale Fürsorge trat in Notzeiten während der Weimarer Republik in den Mittelpunkt der Gemeindeaktivitäten. In allen Häusern des Hansaviertels standen Vertrauenspersonen mit der Gemeinde in Kontakt, um auf Hilfsbedürftige aufmerksam zu machen. Ein kirchlicher Vertrauensrat koordinierte Arbeiten zur Kinderlandverschickung, Arbeitslosenfürsorge, dem Unterhalt einer Armenküche und zum Abhalten von Wohltätigkeitsbasaren.[17]

Zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus kam es über die Haltung zu den neuen Machthabern zu starken Konflikten im Gemeindekirchenrat. Pfarrer Gustav Eichstätt trat den Deutschen Christen bei, während sein Amtsbruder Johannes Magerstädt der Bekennenden Kirche angehörte. Nach außen blieb das Erscheinungsbild der Kaiser-Friedrich-Gedächtnisgemeinde aber unpolitisch. So erhob sich in ihr auch kein Protest, als die Verfolgung der jüdischen Bewohner des Hansaviertels einsetzte.[17]

Zerstörung der Kirche und Folgen für die Gemeinde

Die erste Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche wurde im Zweiten Weltkrieg, bei einem Luftangriff der Alliierten am Abend des 22. November 1943, schwer getroffen und teilweise zerstört. Die reiche Innenausstattung der Kirche verbrannte vollständig.[18]

Die Kirchengemeinde löste sich mit der breitflächigen Zerstörung des Hansaviertels und der anschließenden Flucht zahlreicher Bewohner praktisch auf. Die beiden Geistlichen wurden ins ländliche Brandenburg zur Vertretung von Amtsbrüdern delegiert, die als Feldgeistliche dienten. Die Schwesterpfarrei der Heilandskirche im benachbarten Moabit führte die verbleibenden Amtsgeschäfte aus.[18]

Der heutige Kirchenbau

Die Gemeinde in der Nachkriegszeit

Da der mit der kommissarischen Leitung der Pfarrei beauftragte Magerstädt nicht die Kraft besaß, das Gemeindeleben neu zu organisieren, ruhte dieses nach Kriegsende zunächst vollständig. Erst im Januar 1947 kam es auf Anstoß des neuen Gemeindepfarrers Fritz Schmidt-Clausing zur Wiedergründung der Kirchengemeinde.[18]

Diese benutzte in den Folgejahren mehrere Notunterkünfte. Eine zwischen Oktober 1947 und Juli 1956 verwendete Kaiser-Friedrich-Gedächtniskapelle lag im ehemaligen Reichsgesundheitsamt in der Klopstockstraße, in der vormaligen Dienstwohnung von dessen Präsidenten. Die Einrichtung der Notkapelle war teils mit Steinen verblendet, die man dem Schiff des zerstörten Kirchenbaus entnommen hatte. Als Kirchengeläut diente zunächst die einzig erhaltene Glocke im Turmrest der alten Kirche. Schmidt-Clausing ließ sie öffentlichkeitswirksam auch zur Begrüßung von aus der Sowjetunion heimkehrenden deutschen Kriegsgefangenen anstimmen, eine Praxis, die in dieser Frühphase des Kalten Krieges selbst einer amerikanischen Wochenschau berichtenswert erschien.[18]

Pläne zur Wiederherstellung der alten Kirche gab der Gemeindekirchenrat nach dem Beschluss des West-Berliner Senats zur Neugestaltung des Hansaviertels im Jahr 1953 auf. Die Reste des Bauwerks mitsamt dem Turm wurden in den Jahren 1953 und 1954 gesprengt und abgetragen.[19]

Errichtung im Kontext der Interbau 57

Bauten der Interbau 57 am Hansaplatz

Auf Initiative des Architekten Otto Bartning entstand im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 ein neues Gotteshaus, das an den „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III. erinnert. Senatsbaudirektor Ludwig Lemmer entwarf die Pläne des als „Objekt Nr. 26“ im neugestalteten Hansaviertel geführten Bauwerks. Die moderne Bauausführung der Kirche war trotz der Abstimmung auf den städtebaulichen Kontext der Interbau 57 zeitgenössisch umstritten. Gegner des Projekts forderten einen historisierenden Kirchenneubau, fanden in Pfarrer Schmidt-Clausing aber einen überzeugten Widersprecher. Der Grundstein der zweiten Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche wurde am 15. August 1955 gelegt, Kirchenweihe war am 30. Juni 1957. Am Eröffnungsgottesdienst am 10. Juli 1957 nahm der damalige Bundespräsident Theodor Heuss teil.[20]

Briefmarke von 1957 mit schematischer Darstellung der Neubebauung des Hansaviertels; die KFG findet sich unten rechts

Das Bauwerk war das einzige des Hansaviertels, das auf den Grundmauern eines im Krieg zerstörten Vorgängerbaus neu errichtet wurde. Diese Beschränkung zwang Lemmer, von seinem ursprünglichen Plan Abstand zu nehmen, der Kirche einen freistehenden Glockenturm zu geben. Jedoch konnten so die ohnehin hohen Baukosten gesenkt werden, denn eine neue Fundamentierung auf dem ungünstigen Baugrund wäre aufwendig gewesen. Dennoch brachte die finanzielle Belastung durch das Bauvorhaben die Kirchengemeinde in Schwierigkeiten, die sich auch durch Spenden aus dem In- und Ausland nicht beseitigen ließen. Der West-Berliner Senat musste nachträglich ein Viertel der Kosten übernehmen. Überdies stritt die Gemeinde mit mehreren an der Ausgestaltung der Kirche beteiligten Künstlern über die Höhe der Honorore. Einige Prestigeprojekte zur weiteren Ausschmückung konnten nicht verwirklicht werden. Dazu zählte auch die Errichtung eines sieben Meter hohen Aluminium-Kreuzes am Vorplatz der Kirche.[21]

Die Kirche steht wie der zerstörte Vorgängerbau an der seit dem 19. Jahrhundert den südlichen Abschluss der Bebauung des Viertels markierenden Händelallee. Der frühere Verlauf der einst auf die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche zulaufenden Lessingstraße ist bis zum genau nördlich gelegenen Hansaplatz nur noch als Blickachse zu erkennen. In die Flucht schiebt sich der Flachbau der südlichen Eingangshalle des 1961 eröffneten U-Bahnhofs Hansaplatz. Eine direkte Verbindung zwischen KFG und Hansaplatz stellt jedoch ein Fußweg her.[22]

Architektur der Kirche

Lemmer schuf auf 660 m² Baufläche in Stahlbeton-Skelettbauweise eine nach außen schlichte, einschiffige Saalkirche mit westlich angeschlossener Seitenkapelle (Grauer Saal). Zusammen mit Beton bestimmen die Materialien Aluminium und Glas das moderne Erscheinungsbild des Kirchenbaus. Der Glockenturm erhebt sich wie beim Vorgängerbau östlich nahe der Stirnseite der Kirche. Ein Innenhof mit Garten verbindet die Kirche mit dem östlich gelegenen Pfarr- und Gemeindehaus, dessen markantes Pultdach ohne Dachüberstand steil nach Osten geneigt ist. Eine Stützmauer trennt den Innenhof im Süden von den tiefer liegenden Wiesen des Tiergartens ab. Der Innenhof war zusammen mit dem dreistufig erhobenen Vorplatz als erweiterter Sakralbereich gedacht, der bei besonderen Anlässen mehr Menschen Platz bieten sollte als das Kircheninnere fassen kann. Dies spiegelt den Zukunftsoptimismus der Wiederaufbaujahre, erwies sich aufgrund der stetig sinkenden Mitgliederzahlen der Gemeinde allerdings als überflüssig.[23]

Die Wendeltreppe im Seelenbohrer-Turm

Der 68 Meter hohe, offene Turm aus Stahlbetonstabwerk besitzt eine Mittelstütze und vier orthogonal angeordnete Außenstützen. Letztere wechseln sich mit acht, mit Aluminiumblech verkleideten, je paarweise angeordneten, dünneren Stahlstreben ab. In 32, 44 und 51 Metern Höhe ist jeweils eine Plattform eingearbeitet. Auf der oberen Plattform sitzt ein helmartiger offener Abschluss mit zehn Meter hohem Kreuz auf. Eine auffällige Wendeltreppe führt bis zur unteren der drei übereinander hängenden Glocken. Auf diese Treppe geht der Spottname Seelenbohrer zurück, der dem Turm seit den 1950er-Jahren anhaftet. Gemeindepfarrer Schmidt-Clausing hatte sich bei der Planung der Kirche dafür eingesetzt, einen noch höheren Turm zu errichten, dessen angestrahltes Kreuz „in den Ostsektor hineinleuchten“ sollte. Diesem Vorschlag folgte man jedoch nicht.[24]

Westseite der Kirche mit hervortretender Seitenkapelle

Die gegen Norden gerichtete, 21 Meter lange, hohe Stirnseite der Kirche wird durch acht Stege vertikal in sieben schmale Flächen gegliedert und durch drei niedrige Portale in den mittleren drei Flächen sowie durch ein Rundfenster hoch über dem Mittelportal geöffnet. Über den drei Portaltüren sind Wandleuchten angebracht. Den Eingangsbereich überwölbt das weit auskragende, gefaltete Dach aus dünnem Schalenbeton. Sein Zickzack-Profil erinnert an eine Giebelreihe. Die Dächer der Vorhalle und des Kirchenschiffs steigen gegenläufig an, was an der Westseite der Kirche, die sich einem offenen Bereich des Tiergartens zuwendet, gut zu beobachten ist.[25]

Die Portaltüren leiten in eine Eingangshalle, wo sich rechts die Treppe zur Empore befindet. Glastüren führen zum Kirchensaal, in dem die Raumhöhe von neun Meter am Eingang auf elf Meter ansteigt. Dies lenkt den Blick auf den dreistufig erhöhten Altarraum, der – gemäß dem Typus der Wegekirche – vom Gemeindebereich deutlich abgegrenzt ist. Dort befinden sich neben dem Altar auch die Kanzel, der Taufstein und das Lesepult. Die Sakristei schließt sich in der Südwestecke des Gebäudes an. Über der abtrennbaren Seitenkapelle liegt die Empore, die sich bis zum Bereich über der Eingangshalle hinzieht, wo in der östlichen Ecke die Orgel steht. Wegen der hervortretenden Kanzelecke, einer östlichen Lichtwand und der über die Seitenkapelle hinausragenden Empore wirkt der Raum trotz des Gangs auf der Mittelachse asymmetrisch geschnitten. Die Bestuhlung bietet Platz für 230 Personen.[26]

Die natürliche Beleuchtung des Kirchensaals erfolgt vor allem durch das 10 × 12 Meter große Glasornamentfenster an der Ostseite sowie – bei geöffneter Schiebewand – durch ein großes rechteckiges Fenster in der westlichen Seitenkapelle. Drei Rundfenster liegen an der Westseite über der Empore, ein weiteres Rundfenster befindet sich über dem Mittelportal. Die Stirnwand des Alterraums ist geschlossen, auf sie fällt aber das Licht eines verdeckten, langen Rechteckfensters in der östlichen Apsis.[27]

Ausgestaltung und Ausstattung

Die reiche Ausgestaltung des Kircheninnern sowie der Fenster und Türen der neuen Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche ist ungewöhnlich für die 1950er Jahre. Sie bildet einen Kontrast zum schlichten, von Sichtbeton geprägten Äußeren des modernen Gebäudes. Die beteiligten Künstler wählten sowohl abstrakte als auch figurative Darstellungsformen, ein Gegensatz, der in Beschreibungen des Kircheninnern gelegentlich kritisch hervorgehoben wird.[27] Vor allem die künstlerische Ausgestaltung zog in den Anfangsjahren viele interessierte Besucher an und machte das Gotteshaus zu einer beliebten Hochzeitskirche West-Berlins.[17]

Die Ausstattung der Kirche geht zum kleineren Teil auf Sammlungen in der Gemeinde zurück, deren Mitglieder beispielsweise seit 1947 Gold und Silber für die Abendmahlsgeräte zusammengetragen hatten. Wichtiger jedoch waren Einzelspenden von Persönlichkeiten und Körperschaften, die mit ihren Beiträgen ein Prestigeprojekt des Wiederaufbaus in West-Berlin unterstützen wollten. Diese Spenden kamen unter anderem von Konrad Adenauer (Altar), Theodor Heuss (Altarbibel), Louis Ferdinand von Preußen und seiner Gattin Kira (Altarkruzifix), Axel Springer (Lesepult), dem Land Niedersachsen (Kanzel), der Berliner Zahlenlotto-Gesellschaft (Orgel), der Stadt Bonn und der Firma Bayer (Portale), Otto Dibelius und dem Evangelischen Hilfswerk (Fenster in Seitenkapelle), Ludwig Lemmer, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart (Rundfenster über Westempore), der Victoria-Versicherungsgesellschaft (Rundfenster über Mittelportal), dem Land Hessen (Rundfenster im Treppenhaus), den Städten Hamburg, Bremen und Lübeck (Glocken) und der Bundesregierung (Turmkreuz).[28]

Mosaiken

Die weitgehend geschlossenen Wände des Altarbereichs sind mit auffälligen Mosaikflächen gestaltet. An der Stirnwand über dem Altar ist eine von Ludwig Lemmer und Hans Wagner geschaffene, monumentale Mosaikwand mit abstrakten Mustern zu sehen, deren Farbwirkung durch eingestreute Blattgoldsteine erhöht wird. Das in Brauntönen gehaltene, abstrakte Mosaik an der westlichen Altarwand stammt von Charles Crodel, der am Fuß eine figürliche Darstellung von Johannes den Täufer beifügte.[29]

Das an der vortretenden Kanzelwand befindliche Rundmosaik vom apokalyptischen Christus schuf der Baseler Kunstmaler Hans Stocker. An eine Beschreibung im Buch der Offenbarung (Offb 1,14-15 LUT) anknüpfend, zeigt das Kunstwerk Christus allen irdischen Farben enthoben. Körper, Gewand und Gloriole sind vorwiegend in Blautönen gehalten. Ein weiteres Mosaik von Charles Crodel findet sich an der südlichen Emporenwand über der Seitenkapelle. Es zeigt das Himmlische Jerusalem.[29]

Die Mosaiken fertigte die Firma August Wagner – vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei, Nachfolgerin der Firma Puhl & Wagner, die für den Triumphbogen des ersten Kirchenbaus verantwortlich gewesen war.

Fenster

Rundfenster mit Lutherrose über dem Mittelportal

Die fünf Rundfenster der Kirche schuf Ludwig Peter Kowalski. Die über der Westempore gelegenen Fenster tragen die Titel Verkündigung, Der Engel zeigt den Frauen das leere Grab und Die sieben Gaben des heiligen Geistes. Das Fenster über dem Mittelportal zeigt eine Lutherrose und trägt die Umschrift „Vivit“ („Er lebt“). Ein fünftes, ornamental gestaltetes Rundfenster Kowalskis befindet sich im südwestlichen Treppenaus.[30]

Ein großes Fenster in der Seitenkapelle stellt Christus an der Mauer dar und stammt von Willy Fries. Diese Kreuzigungsgruppe war in der Entstehungszeit stark umstritten, da Fries die römischen Soldaten mit Wehrmachtshelmen versah und als Hintergrund des Geschehens eine Backsteinmauer andeutete. Dies verstand man als Anspielung auf die Hinrichtungen der gerade ein Jahrzehnt zurückliegenden Zeit des Nationalsozialismus.

Die Wirkung des Mosaiks an der Altarstirnwand wird variiert durch den seitlichen Lichteinfall des von Heinz Trökes geschaffenen Regenbogenfensters in der östlichen Apsis, dessen fünf größere Segmente jeweils in einer der Grundfarben des Regenbogens gehalten sind. Die große Lichtwand Sieg des Lichts dominiert die Ostseite der Kirche. Der Maler und Glasfensterkünstler Georg Meistermann gestaltete sie mit grünen und grauen Glasflächen. Die als hohe Bahnen mit abschließenden Rundbögen ausgeformten, helleren Glasflächen erinnern gleichzeitig an parallel angeordnete, traditionelle Kirchenfester und – durch die grünen Farbflächen – an Blickachsen in einer Waldlandschaft.[31]

Türen

Portaltür mit Kampf des Hl. Georg gegen den Drachen und Luther-Zitat

Die drei doppelflügeligen Aluminium-Portaltüren gestaltete der Bildhauer Gerhard Marcks. Das mittlere Portal zeigt auf der Außenseite in Reliefform den Kampf des Heiligen Georg gegen den Drachen.[32] In erhabenen Lettern erscheinen vier Zeilen aus dem Kirchenlied Ein feste Burg ist unser Gott von Martin Luther aus dem Jahr 1529:

„Und wenn die Welt voll Teufel wär
Und wollt' uns gar verschlingen,
So fürchten wir uns nicht so sehr,
Es soll uns doch gelingen.“

Martin Luther: Ein feste Burg ist unser Gott

Die mit einem mittelalterlichen Emblem versehene Sakristeitür schuf der Berliner Künstler Otto Haake.[17]

Glocken und Orgel

Die von Bochumer Verein hergestellten drei Stahlgussglocken aus dem Jahr 1955 erklingen in den Tönen F–Es–C. Sie sind 780, 1080 und 2070 Kilogramm schwer. Als Stifter traten die drei Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck auf, was jeweils in Inschriften am Wolm der Glocken vermerkt und auf einer Glockentafel in der Vorhalle der Kirche näher erläutert ist. Das Geläut der KFG ist mit dem der benachbarten, katholischen St.-Ansgar-Kirche (F–Gis–H) abgestimmt.[33]

Die dreimanualige Orgel der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche stammt aus der Karl Schuke Berliner Orgelbauwerkstatt. Sie besitzt 3122 Pfeifen, die zwischen einem Zentimeter und 5,6 Meter lang sind. Die Orgel hatte zunächst 40 Register; bei einer 1964 von der Erbauerfirma vorgenommenen Dispositionsveränderung wurde ein weiteres Register hinzugefügt. Die mit Aluminium gerahmten Plexiglas-Verkleidungen der Pfeifen, die in freier Ordnung turmartig nebeneinander gruppiert sind, fügen dem ansonsten streng gegliederten Kirchensaal ein auffälliges raumgestalterisches Element hinzu. Das Instrument, dessen auf den begrenzten Innenraum der Kirche abgestimmter Klang ohne den typischen Nachhall auskommen muss und dennoch eine eindrucksvolle Wirkung erzielt, gilt als ein Meilenstein in der Entwicklung des modernen Berliner Orgelbaus.[34] Die Orgel hat folgende Disposition:

I Rückpositiv C–
Gedackt 8′
Principal 4′
Flûte douce 4′
Feldpfeife 2′
Sifflöte 11/3
Sesquialtera II 13/5
Oberton II 11/7′+8/9
Scharf IV–V 1′
Trichterregal 8′
II Hauptwerk C–
Quintade 16′
Principal 08′
Koppelflöte 08′
Oktave 04′
Blockflöte 04′
Nasat 022/3
Oktave 02′
Mixtur V–VI 011/3
Scharf IV 02/3
Dulcian 16′
Trompete 08′
III Brustwerk (schwellbar) C–
Gedackt 8′
Rohrflöte 4′
Principal 2′
Spitzflöte 2′
Oktave 1′
None 2/9
Terzian II 2/5
Cymbel III 1/4
Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–
Principal 16′
Subbass 16′
Oktave 08′
Gedackt 08′
Oktave 04′
Pommer 04′
Bauernflöte 02′
Bass-Sesquialtera III 051/3
Mixtur V 02′
Posaune 16′
Trompete 08′
Schalmei 04′

Weiteres

In die Wandverkleidung aus Limbaholz ist unter der Orgelempore ein Relief von Kaiser Friedrich III. eingelassen, dem Namenspatron der Kirche. Geschaffen hat es der Holzbildhauer Otto Flath. Das Relief trägt die gleiche Inschrift wie die Büste Friedrichs im ersten Kirchenbau: „Friedrich III., dem deutschen Kaiser und König von Preußen, gestorben am 15. Juni 1888 im Alter von 57 Jahren, zum ehrenden Gedächtnis. Seine Frau.“[17]

Der Altar besteht aus geschliffenem Sellenberger Muschelkalk. Im Altarkruzifix nach Maria Laacher Vorbild sind fünf Edelsteine in liturgischen Farben eingelegt. Die Altarbibel trägt eine handschriftliche Widmung von Bundespräsident Heuss mit dem Motto „Weiter, liebe Brüder, betet für uns, daß das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei Euch.“ (2 Thess 3,1 LUT) Den Taufstein aus rohem Sellenberger Muschelkalk fertigte der Kieler Bildhauer Walter Rössler.[17]

„St. Aluminium“

Dank einer Spende der deutschen und schweizerischen Leichtmetallindustrie, die für die architektonische Verwendung von Aluminium werben wollte, griff man bei Bau und Ausgestaltung der Kirche umfangreich auf dieses Metall zurück, so neben den Portaltüren und den Verkleidungen der Orgel auch bei der Sakristeitür, bei Fensterrahmungen, Altar und Altarkruzifix, Kanzel mit Schalldecke, Lesepult, Emporenbrüstung, Treppengeländer, Turmrippen und -kreuz sowie der Akustikdecke, die den Beton verkleidet. Das Material erscheint an verschiedenen Stellen der Kirche silber-, bronze- oder goldfarbig eloxiert. Insgesamt wurden 30 Tonnen des Metalls im und am Kirchenbau verarbeitet.[35] Fritz Schmidt-Clausing bezeichnete sich in einer Schrift zur Eröffnung des neuen Gotteshauses im Jahr 1957 selbst scherzhaft als „Pfarrer von St. Aluminium“.[36]

Probleme der Erhaltung

Die Erhaltung der Kirche im ursprünglichen Zustand erwies sich im Laufe der Jahrzehnte als Belastung für die von sinkenden Mitgliederzahlen geprägte Kirchengemeinde. In einer Internet-Selbstdarstellung der KFG-Gemeinde wird Klage geführt, dass die Innengestaltung im Stil der 1950er Jahre „einer lebendigen Liturgie oft nicht mehr gerecht“ werde: „[V]iele Besucher fassen den Raum der Gemeinde fast wie ein kunst-historisches Museum auf, in dem noch der Geist des Wiederaufbaus glänzt.“[13]

Die offene Ausführung hat den Turm der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche und dessen Glocken anfällig gemacht für witterungsbedingte Schäden. Eine erste größere Sanierung der Betonstruktur erfolgte bereits 1981. Seit 2004 werden aufgrund von Bedenken wegen der starken Eigenschwingung des Turms die beiden größeren Glocken nicht mehr geläutet. Ein von der Kirchengemeinde, dem Kirchenkreis und dem Landesdenkmalamt Berlin in Auftrag gegebenes Sanierungsgutachten stellte 2006 fest, dass der Turm zwar grundsätzlich standfest sei, die Frequenz der größten Glocke aber im unzulässigen Bereich liege und alle drei Glocken im Zusammenspiel eine Turmbewegung auslösten, die den Grenzwert übersteige. Um die ursprüngliche bauliche Ausführung bewahren, aber auch wieder alle Glocken nutzen zu können, sind umfangreiche Renovierungsarbeiten notwendig, deren Kosten auf 460.000 Euro veranschlagt werden. Da sie diese Mittel nicht allein aufbringen kann, ruft die Kirchengemeinde zu Spenden auf.[37]

Kaiser-Friedrich-Gedächtnisfriedhof

Erhaltenes Kriegerdenkmal zu Ehren gefallener Gemeindemitglieder

Zur Kirchengemeinde gehörte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnisfriedhof am Dohnagestell im heutigen Ortsteil Wedding. Nach der Zerstörung der ersten Kirche ging er im von der Stadt unterhaltenen Friedhof am Plötzensee auf. Dieser ist mittlerweile abgeräumt und in eine Grünanlage umgewandelt worden. Eine kleine Ehrenanlage für gefallene Soldaten, das Haus des Friedhofswärters sowie das von Emil Cauer gestaltete Kriegerdenkmal aus den 1920er Jahren haben sich jedoch erhalten.

Literatur

  • Aluminium-Zentrale e. V. (Hrsg.): Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. Aluminium-Verlag, Düsseldorf 1957.
  • Iselin Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Der Bär von Berlin. Nr. 44, 1995, ISSN 0522-0033, S. 71–90.
  • Fritz Schmidt-Clausing: Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. In: Ders.: Das Hansa-Viertel. Von den Schöneberger Wiesen zur „Stadt von morgen“. 3., ergänzte Auflage. Großmanndruck, Berlin 1957, S. 29–33.
  • Andrea Schulz, Klaus Bock: Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, Händelallee 20. Das Sanierungskonzept für den Kirchturm. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Das Hansaviertel in Berlin. Bedeutung. Rezeption. Sanierung. Imhof, Petersberg 2007, ISBN 978-3-86568-287-1 (Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin. Bd. 26.), S. 78–82.
  • Friedrich Weichert: Ein versunkenes Juwel. Die Geschichte der ersten Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche zu Berlin. Lettner-Verlag, Berlin 1970.

Weblinks

 Commons: Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bertram Janiszewski: Das alte Hansa-Viertel in Berlin. Gestalt und Menschen. Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8370-7244-0, S. 25–28, 34–43.
  2. Friedrich Weichert: Ein versunkenes Juwel. Die Geschichte der ersten Kaiser Friedrich-Gedächtniskirche zu Berlin. Lettner-Verlag, Berlin 1970, S. 9–12.
    Iselin Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Der Bär von Berlin. Nr. 44, 1995, ISSN 0522-0033, S. 71–90, hier S. 75–76.
  3. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 14–16.
    Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 75–77.
  4. Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 75–82, Zitat S. 78–79.
    Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 16–31, 34–35.
  5. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 22–31.
    Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 75–82.
  6. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 35–44. Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 71, 79–85.
  7. Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 79–85, 88 (Fußnote 19).
  8. Architekten- und Ingenieur-Verein Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil IV: Sakralbauten. Ernst & Sohn, Berlin 1997, ISBN 3-433-01016-1, S. 105, 375.
    Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 31–35.
    Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 78–81.
    Angela Beeskow: Die Ausstattung in den Kirchen des Berliner Kirchenbauvereins (1890–1904), mit einem Beitrag zur Ikonographie des Protestantismus. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-7861-1765-9, S. 375–376.
  9. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 26–27, 32–35.
    Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 81–83.
    Beeskow: Die Ausstattung in den Kirchen des Berliner Kirchenbauvereins. S. 375–376.
  10. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 26–27, 32–35.
  11. Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Centralblatt der Bauverwaltung. XV. Jahrgang, Nr. 44, 2. November 1895, S. 464–464, Zitat S. 464.
    Vgl. Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 80.
  12. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 26.
    Gundermann: Hundert Jahre Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, S. 90 (Fußnote 39).
  13. a b c Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. Auf: Oekumene-Tiergarten.de, Website der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Berlin-Tiergarten (sic). Abgerufen am 17. April 2009.
  14. Weichert: Ein versunkenes Juwel. S. 27.
    Berthold Schwarz (Hrsg.): 500 Jahre Orgeln in Berliner Kirchen. 2 Bände. Pape, Berlin 1991, ISBN 3-921140-34-X (Veröffentlichungen der Gesellschaft der Orgelfreunde. Nr. 134), Band 2, S. 362.
    Reinhold Kurth: Die Orgel in der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche zu Berlin. In: Zeitschrift für Instrumentenbau, Jg. 50, 1929/1930, S. 157–158.
  15. Homepage der Firma Walcker
  16. Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
    Fritz Schmidt-Clausing: Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. In: Ders.: Das Hansa-Viertel. Von den Schöneberger Wiesen zur „Stadt von morgen“. 3., ergänzte Auflage. Großmanndruck, Berlin 1957, S. 29–33, hier S. 30.
  17. a b c d e f Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. Auf: Oekumene-Tiergarten.de, Website der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Berlin-Tiergarten (sic). Abgerufen am 18. April 2009.
  18. a b c d Schmidt-Clausing: Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. S. 30.
    Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  19. Schmidt-Clausing: Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. S. 30–31.
  20. Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
    Aluminium-Zentrale e. V. (Hrsg.): Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. Aluminium-Verlag, Düsseldorf 1957, S. 1–3.
  21. Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 1–3.
    Schmidt-Clausing: Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche. S. 32. Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  22. Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Denkmale in Berlin. Bezirk Mitte. Ortsteile Moabit, Hansaviertel und Tiergarten. Imhof, Petersberg 2005, ISBN 3-86568-035-6, S. 187–188.
    Schwarz (Hrsg.): 500 Jahre Orgeln in Berliner Kirchen. S. 362.
  23. Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 3. Gabi Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. Internationale Nachkriegsmoderne in Berlin. Verlag Bauwesen, Berlin 1999, ISBN 3-345-00639-1, S. 146–149.
    Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 187.
    Geschichte der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  24. Berlin und seine Bauten. Sakralbauten. S. 215–216, Zitat S. 215.
    Vgl. Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 146–149.
    Andrea Schulz, Klaus Bock: Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche, Händelallee 20. Das Sanierungskonzept für den Kirchturm. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Das Hansaviertel in Berlin. Bedeutung. Rezeption. Sanierung. Imhof, Petersberg 2007, ISBN 978-3-86568-287-1 (Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin. Bd. 26.), S. 78–82.
  25. Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 146–149.
  26. Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 146–149. Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 1.
  27. a b Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 146–149. Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 187.
  28. Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  29. a b Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 148–149.
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  30. Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 332 (Fußnote 442).
    Gemeindebrief der Evangelischen Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirchengemeinde im Hansaviertel. Oktober/November 2008.
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  31. Dolff-Bonekämper: Das Hansaviertel. S. 148–149.
    Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 188.
  32. Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 188, 332 (Fußnote 442).
  33. Klaus Dieter-Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Gebr. Mann, Berlin 1987, ISBN 3-7861-1443-9 (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Beiheft 16). S. 97–99.
    Schulz, Bock: Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 78.
    Die Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche.
  34. Schwarz (Hrsg.): 500 Jahre Orgeln in Berliner Kirchen. S. 299, 362–364.
    Gemeindebrief der Evangelischen Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirchengemeinde im Hansaviertel. Dezember 2008/Januar 2009. (PDF)
  35. Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche.
    Eintrag Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. In: Denkmale in Berlin. S. 332 (Fußnote 442).
  36. Aluminium und die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 2.
  37. Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. Hansaviertel, Berlin-Tiergarten (sic). Händelallee 20. 1. geänderte Nachauflage. Landesdenkmalamt, Berlin 2007 (Faltblattreihe Erkennen und Erhalten).
    Spendenprojekt zur Kirchturmsanierung. Auf: Oekumene-Tiergarten.de. Website der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Berlin-Tiergarten (sic). Abgerufen am 17. April 2009.
    Schulz, Bock: Die Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche. S. 78–82.
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