- Hermannstraße (Berlin-Neukölln)
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Die Hermannstraße in Berlin-Neukölln führt vom Hermannplatz rund 2,6 Kilometer in Richtung Süden und setzt sich nach der Ecke Juliusstraße beziehungsweise nach der neuen Autobahnauffahrt des Berliner Stadtrings als Britzer Damm fort. Mit der Weiterführung als Buckower Damm in Richtung Großziethen ist der Straßenzug eine der historischen und größeren Berliner Nord-Süd-Verbindungen. Mehrere Kieze und Kirchhöfe bestimmen das Bild und die Struktur der dicht bebauten Wohn- und Geschäftsstraße. Bei ihrer Anlage um 1900 als sogenanntes „besseres Viertel“ konzipiert, gehören zwei der Kieze heute zu den brisantesten sozialen Brennpunkten Berlins. Auf einem der Friedhöfe wurden in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigt.
Verlauf auf dem Teltowhang
Im ersten Teil verläuft die Hermannstraße – lediglich durch eine kleine Nebenstraße getrennt – parallel zum Volkspark Hasenheide. Auf diesem sanft ansteigenden Teilstück führt sie aus dem Berliner Urstromtal auf den Teltowhang hinauf, einer flachwelligen Hochebene, die sich im Mittel rund 15 Meter über das Niveau des zentralen Berlin erhebt. Der Teltowhang wechselt seine Richtung in der Hasenheide von Ost nach Süd, sodass die Hermannstraße an der Ecke zur Flughafenstraße das Höhenniveau der Teltowplatte erreicht und sich auf ihrem Hang fortsetzt.
Die parallele Neuköllner Magistrale hingegen, die Karl-Marx-Straße, liegt im tieferen Spreetalniveau mit der Folge, dass sämtliche Querverbindungen zwischen den beiden Hauptstraßen abschüssig verlaufen. Besonders anschaulich ablesbar ist diese geologische Gegebenheit an der Rollbergstraße, die vom heute zubetonierten ehemaligen Rollberg „hinunter ins Tal“ führt. Das Gefälle ist – für Berliner Verhältnisse – sehr ausgeprägt: die Bewohner der „oben“, also zur Hermannstraße hin gelegenen Rollbergsiedlung pflegten früher die eher einfachen Behausungen dieser Arbeitergegend ironisch als „ihre Chalets in den Rixdorfer Alpen“ zu bezeichnen.
Getrennt durch den Kiez an der Schillerpromenade und durch den Werner-Seelenbinder-Sportpark (ehemals Sportpark Neukölln) verläuft die Hermannstraße ab Flughafenstraße parallel zum Gelände des Flughafen Tempelhof, der sich südlich an den Volkspark Hasenheide anschließt. In dem Bereich ab U-Bahnhof Leinestraße Richtung Süden passiert die Hermannstraße sechs verschiedene Kirchhöfe, die jeweils als schmale Streifen Richtung Westen zum Flughafen oder Richtung Osten zur Karl-Marx-Straße reichen.
Dabei schließt der St. Thomas-Kirchhof den Schillerpromenadenkiez, kurz Schillerkiez, bis zum Flughafen für den Autoverkehr ab, was zu einer ähnlichen Insellage des Kiezes wie bei der Schöneberger Roten Insel führt. Noch isolierter liegt der anschließende Warthekiez, dessen Südgrenze der St. Jacobi-Kirchhof bildet. Das folgende Viertel um die Emser Straße, das die Hermannstraße bis zur S-Bahn-Trasse begleitet, liegt vergleichsweise wieder etwas offener.
Zwei Namenspatrone
Die bis dahin unbenannte Straße erhielt 1859 die Bezeichnung Straße nach Britz. Ab 1875 wurde sie nach und nach von Norden her in Hermannstraße umbenannt und seit 1899 trägt sie auf der gesamten Länge ihren heutigen Namen. Für die Namensgebung gibt es eine offizielle und eine inoffizielle Version.
Arminius
Offiziell benannt ist die Straße nach Hermann dem Cherusker, der im von Patriotismus und Nationalismus geprägten Deutschland des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen Namensform des Cheruskerfürsten Arminius. Der historische Arminius hatte im Jahr 9 die römischen Legionen unter Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald vernichtend geschlagen. Von ihm ist nur die latinisierte Namensform überliefert, die „Übersetzung“ mit dem modernen Namen Hermann ist aber wahrscheinlich nicht historisch. Der mythisch verklärte und überhöhte Arminius wurde als Hermann eine wichtige Identifikationsfigur des jungen deutschen Kaiserreichs, wofür das 1875 fertiggestellte Hermannsdenkmal bei Detmold das berühmteste Zeugnis ist.
Hermann Boddin
Fast die gesamte Kaiserzeit hindurch war die beherrschende Figur der Lokalpolitik Rixdorfs, das seit 1912 Neukölln hieß und 1920 nach Berlin eingemeindet wurde, der Ortsvorsteher und spätere Bürgermeister Hermann Boddin (1844–1907). Eine Seitenstraße der Hermannstraße, die Boddinstraße, ist nach ihm benannt. Darüber hinaus gibt es den Boddinplatz, den U-Bahnhof Boddinstraße, die Hermann-Boddin-Grundschule, ein Ehrengrab auf dem landeseigenen Friedhof Britz sowie eine Gedenktafel. Die patriarchalische Dominanz, mit der Boddin „seine“ Vorstadtgemeinde beherrschte, führte unter den Rixdorfern zu der Mutmaßung, dass die Namensgebung der viel größeren, bedeutenderen Hermannstraße – für deren Ausbau er sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 1874 massiv eingesetzt hatte – in ihrer Doppeldeutigkeit von Boddin zumindest nicht ungern gesehen wurde. Meyer-Kronthaler und Kramer teilen dazu mit: „[…] bis heute ist nicht hundertprozentig geklärt, welcher Hermann seither als Namenspatron fungiert. […] Glaubt man den Akten des Bezirksamtes, ist Boddin gemeint, obwohl bereits 1924 ein Dementi auf dem Tisch lag, das Boddins Schwager veröffentlichte.“
Auf Boddins Initiative geht die Umbenennung des als Vergnügungsviertel „übel beleumundeten“ Rixdorf (Gassenhauer: In Rixdorf ist Musike) zu Neukölln zurück, die Kaiser Wilhelm II. allerdings erst nach dem Tod des Bürgermeisters bewilligte. Die Umbenennung sollte die Anziehungskraft beispielsweise des neuen Viertels an der Schillerpromenade für „Besserverdienende“ erhöhen. Die Baugenehmigung hatte Boddin als Bürgermeister durchgesetzt, das Viertel entstand nicht zuletzt auf seine Initiative – und er soll von diesen Bauten finanziell nicht unwesentlich profitiert haben.
Aus der Frühzeit der Hermannstraße
Historische Kreuzung am Rollkrug
Lange bevor die Hermannstraße ihren Namen erhielt, stand an ihrem nördlichen Ausgangspunkt mit dem historischen Rollkrug ihr erstes Gebäude, das sich damals noch weit außerhalb der Berliner Stadtgrenze südlich des Cottbusser Tors befand. Die Pferdewechselstation lag zwischen Bruchländereien und Wiesen an der Wegkreuzung, die heute den Hermannplatz bildet. Zu dieser Zeit passierte hier zum einen die West-Süd/Ost-Verbindung vom Halleschen Tor über Rixdorf nach Wusterhausen, die durch die Hasenheide und über die Schlächterwiesen zur alten Wusterhausener Chaussee führte. Diese Verbindung ist heute ab Hermannplatz weitgehend identisch mit der Bundesstraße 179, die 1849 von der Wusterhausen-Lübbener Chausseebau-Aktiengesellschaft als befestigte Kunststraße (Chaussee) erbaut wurde und, ihrem Namen entsprechend, über Wusterhausen bis nach Lübben im Spreewald verlief. Bis zur Berliner Grenze ist dieser Straßenzug dargestellt durch: Hasenheide, Karl-Marx-Straße, Buschkrugallee, Rudower Chaussee, Neuköllner Straße und Waltersdorfer Chaussee. Zum anderen kreuzte die alte Nord-Süd-Verbindung vom Kottbusser Tor nach Mittenwalde, die als Dresdener Heerstraße (heute Kottbusser Damm) begann und sich im heutigen Straßenzug Hermannstraße, Britzer Damm usw. fortsetzte. Der Rollkrug bestand bis zum Jahr 1907 und wurde nach seinem Abriss durch ein Geschäftshaus ersetzt. In den ersten Jahren beheimatete das Gebäude eines der prominentesten Berliner Kinos.
Vier Windmühlen an der Straße
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts standen entlang der Hermannstraße verschiedene Windmühlen. Es gab die Mühle von Hänsche, ferner befand sich an der Ecke zur Leykestraße die Rohleder’sche und nur wenige Schritte weiter südlich gegenüber dem St. Thomas-Kirchhof die Fuhrmann’sche – allesamt Bockwindmühlen. Die einzige Holländermühle der Straße krönte zwischen 1860 und wahrscheinlich 1872 den Rollberg; die Jungfernmühle kam aus Potsdam und wurde dann weiter nach Buckow in die Goldammerstraße 34 umgesetzt, wo sie als einzige erhaltene der ehemaligen „Hermannstraßenmühlen“ noch heute steht.
Hermannshof
Von 1904 bis 1905 [1] entstand an der Hermannstraße 48 im zweiten Hinterhof der Hermannshof. Dies war nötig geworden, weil es zuvor keine Gewerbehöfe gab, die meisten Anwohner arbeiteten außerhalb des Kiezes. Schon seit seiner Erbauung trägt der Gewerbebau diesen Namen. Im Unterschied zu den für die Zeit typischen Rixdorfer Gewerbe-Hinterhäusern wurde der Hermannshof ebenso bekannt wie der Elisabeth- oder Oranienhof in Kreuzberg, das heißt er erhielt einen individuellen, auf den Standort bezogenen Namen. Auch äußerlich hebt sich das Fabrikgebäude ab, beispielsweise durch die großen, kleinteilig gegliederten Fenster, die lichterfüllte Räume schaffen. Schmuckformen und Namenszug (heute noch im Original erhalten) betonen Mittelachse und Portal in einer für Gewerbebauten ungewöhnlichen Weise. Heute sind in dem denkmalgeschützten [2] Gebäude Vereine, Wohngemeinschaften und Kunstprojekte untergebracht, es dient nicht mehr als Industriegebäude. Neben dem Hermannshof entstand gleichzeitig der Ottilenhof auf dem Grundstück an der Hermannstraße 56/57, der im Jahr 2000 grundlegend saniert wurde.
Kirchhöfe und Zwangsarbeiter
Neben der fast ununterbrochenen Wohn- und Geschäftshausreihe bestimmen mehrere Kirchhöfe das Bild der Hermannstraße, in deren Bereich auf engstem Raum eine einzigartige Ansammlung von acht Friedhöfen zu verzeichnen ist.
Einmalige Konzentration
Die Gründung der Friedhöfe geht überwiegend auf Gemeinden des ehemaligen Stadtteils Luisenstadt zurück. Deshalb befinden sich die Gemeinden nicht in Neukölln, sondern zu einem großen Teil in Kreuzberg. Nach den rasanten Bebauungsmaßnahmen der Gründerzeit (die Einwohnerzahl des alten Berlin, des heutigen Kernbereichs der Stadt, vervierfachte sich von 500.000 im Jahr 1861 auf zwei Millionen 1910) fanden die Berliner Gemeinden in der engen Stadt keinen Platz mehr für ihre Grabstätten und verlegten die Friedhöfe vor die Tore der Stadt. Auf den Feldern und Wiesen vor dem Cottbusser Tor fanden sich freie und preiswerte Flächen, die zudem über die Landstraße Hermannstraße gut zu erreichen waren. Die Kirchhöfe entstanden zu beiden Seiten der Straße, wobei die nach Osten, Richtung Karl-Marx-Straße verlaufenden Anlagen das abschüssige Gefälle der ehemaligen Rollberge aufweisen. Die Hälfte der acht Friedhöfe steht heute als Gartendenkmale unter Schutz.
Schon vor dem großen Bauboom der Stadt legte die katholische St. Jacobi-Gemeinde im Jahr 1852 den ersten der Hermannstraßenkirchhöfe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rollkrug an. Dieser einzige Friedhof im unteren ersten Straßenteil liegt heute im Bereich zur Karl-Marx-Straße. Anders als die schmalen, querliegenden Kirchhofstreifen im mittleren Straßenteil verläuft der Kirchhof für rund einhundert Meter parallel zur Straße und sorgt gegenüber der dichten Häuserreihe des Hermannstraßenkiezes für eine ihrer wenigen grünen und offenen Passagen.
Die große Konzentration liegt im mittleren Straßenbereich um den U-Bahnhof Leinestraße. Zwischen der Oker- und der Emser Straße entstanden hier in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts sechs, gleichfalls schmale und senkrecht liegende, Kirchhöfe. Die Straßenfront dieser Begräbnisstätten ist jeweils nur sehr kurz, in die Tiefe erstrecken sie sich dagegen bis über 600 Meter. Alle diese Kirchhöfe zeichnen sich durch eine lange Mittelallee aus, die durch eine unterschiedliche Anzahl von Rondellen und Querwegen aufgelockert wird. Nur im oberen Bereich findet man einige Erbbegräbnisstätten an den Seitenmauern, was auf die Bevölkerungsstruktur zurückzuführen ist. Die Kapellen und Verwaltungsgebäude stehen meist im Bereich des Eingangstores, die Rondelle besitzen gelegentlich Bildwerke, die die Tiefe der Alleen optisch unterbrechen.
Auch am südlichen Ende der Hermannstraße befindet sich mit dem Emmauskirchhof parallel zum neuen Autobahntunnel ein Friedhof, der gleichfalls senkrecht zur Straße liegt und die Bebauung kaum auflockern kann.
Verwirrende Nummerierung der Hermannstraße
Die Bezeichnung der Kirchhöfe ist nicht einheitlich. So finden sich selbst vor Ort für den katholischen Friedhof St. Michael drei unterschiedliche Namen. Über dem Eingangsportal prangt der alte Schriftzug „Friedhof der St. Michael Gemeinde“, eine moderne Tafel am Portal nennt den Kirchhof „Alter Friedhof der Kath. Gemeinde St. Michael“ und eine historische Tafel 20 Meter neben dem Portal trägt die Aufschrift „Kirchhof der Katholischen St. Michael Gemeinde“. Die nachfolgende Orientierung entspricht der heutigen Namensgebung der jeweiligen Gemeinden.
Die Nummerierung der Häuser beginnt in der Hermannstraße auf der Westseite am Hermannplatz. Wie in Berlin vielfach üblich, wird nicht wechselseitig nach geraden und ungeraden Hausnummern von Straßenseite zu Straßenseite durchgezählt, sondern erst bekommt die vom Schlossplatz im Stadtzentrum gesehen rechte Seite (in diesem Fall also die westliche) fortlaufende Nummern, dann die Ostseite zurück in umgekehrter Richtung bis zur höchsten Hausnummer. Da diese Zählweise nicht nur den Ortsunkundigen, sondern auch alteingesessene Berliner immer wieder zur Verzweiflung bringt, wurden die Friedhöfe in der folgenden Übersicht nach ihrer Lage jeweils von Nord nach Süd sortiert. Dabei ist zu beachten, dass sich die Kirchhöfe des mittleren Bereichs weitgehend und insbesondere die beiden Kirchhöfe der St. Thomas-Gemeinde trotz der vollkommen unterschiedlichen Nummern genau gegenüberliegen.
Acht Kirchhöfe im Einzelnen
Nördlicher Bereich, ein Kirchhof
Alter Kirchhof der St.-Jacobi-Gemeinde, Hermannstraße 234–253 (Ostseite)/Karl-Marx-Straße 4–10
Im unteren Straßenbereich kurz hinter dem Hermannplatz liegt der Alte Kirchhof der St. Jacobi-Gemeinde. Das Gartendenkmal zwischen Hermannstraße und Karl-Marx-Straße ließ die St.-Jacobi-Gemeinde bereits 1852 anlegen. Es handelt sich um eine weitestgehend geometrische Anlage mit Alleen und Einzelbäumen, vor allem Kastanien und Linden. Schmuckplätze sind auf den 40.908 m² nicht vorhanden.An der Friedhofsmauer befinden sich Erbbegräbniswände und im Ostteil des Kirchhofes kam später ein Urnenhain hinzu. Die Kapelle baute von 1911 bis 1912 Stadtbaurat Reinhold Kiehl als einen rechteckigen Putzbau im antik römischen Stil. Die Wandflächen erhielten eine Struktur durch Puttenfries und Pilaster. Die Vorhalle ist offen in der Mittelachse gestaltet, daran schließt sich ein rechteckiger Hauptraum mit einer halbkreisförmigen Apsis, toskanischen Säulen an den Seiten und kleineren Pilaster und Pfeilern im Chorbereich an. Die teilweise farbige Fensterung besteht aus Rundbogenfenstern, die mit Blenden abwechseln und darüber liegenden quadratischen Fenstern. Gemeinsam mit dem Verwaltungsgebäude, dem Eingangstor und dem anschließenden Kirchhofsgitter aus metallenen Speeren und toskanischen Säulen sowie einem Kolonnadenteil ist die Kapelle zu einer Baugruppe vereint, die zur gleichen Zeit zur Ausführung kam. Nach seiner teilweisen Zerstörung im Krieg konnte die St. Jacobi-Gemeinde das Ensemble bereits kurz nach Kriegsende wiederherstellen.
Reinhold Kiehl fand hier 1913 auch seine letzte Ruhestätte, das Grabmal trägt den Schriftzug „SEINEM ANDENKEN DIE STADT NEUKÖLLN“. Das Kiehlufer am Neuköllner Schiffahrtskanal trägt den Namen des Stadtrats, auf den denkmalgeschützte Bauten wie das Rathaus Neukölln und die Königlich-Preußische Baugewerkschule, die spätere Technische Fachhochschule für Bauwesen von 1914 und heutige Carl-Legien-Oberschule in der Leinestraße am Ende der Schillerpromenade zurückgehen. Neben Hermann Boddin dürfte Reinhold Kiehl der heute bekannteste Lokalpolitiker aus der Rixdorfer Zeit sein.
Mittlerer Bereich, Ostseite, drei Kirchhöfe
Höhe U-Bahnhof Leinestraße, Reihenfolge in Richtung Süden
Kirchhof der St.-Michael-Gemeinde, Hermannstraße 191–195 (Ostseite)
Dieser Kirchhof entstand in den Jahren 1863 bis 1895 in mehreren Etappen auf einer Fläche von 21.537 m² geometrisch entlang einer zentralen Allee mit Eichen und Linden sowie drei Rondellen. Im vorderen Rondell steht ein dominantes Kruzifix (siehe Bild).Die Kapelle des Kirchhofs an der Straße von einem unbekannten Architekten im spätromantischen Stil stammt aus dem Jahr 1884. Die Fassade besteht aus gelben Verblendziegeln, wobei die Straßenfront optisch in drei Bereiche geteilt ist. Im Giebel befindet sich ein Glockenträger, darunter ein Christuskopf, angebaut sind eine Leichenhalle sowie ein Verwaltungsgebäude. 1912 erfolgte eine Umgestaltung der Fassade sowie ein weiterer Ausbau der Kapelle, im Zweiten Weltkrieg kam es zu Beschädigungen und 1954 restaurierte Wilhelm Fahlbusch das Gebäude. In einer Nische im Eingangsbereich fällt eine beeindruckende Skulptur des Erzengels Michael in den Blick (siehe Bild etwas tiefer).
Als Ehrengräber finden sich auf dem Friedhof die Grabstätten der beiden Stadtältesten Alfred Rojek und Richard Schönborn sowie des Schriftstellers und Übersetzers August Scholz.
Neuer Kirchhof der Luisenstadtgemeinde, Hermannstraße 186–190 (Ostseite)
Der Neue Kirchhof der Luisenstadtgemeinde stammt aus dem Jahr 1865. Das 47.996 m² große Gelände besitzt eine Hauptallee, von der mehrere Nebenalleen als Querwege abgehen und ist durch vier Rondelle aufgelockert. Die Bepflanzung besteht hauptsächlich aus Linden.Die Kapelle aus den Jahren 1958/1959 ist ein Werk der Architekten Paul und Jürgen Emmerich. Es handelt sich um einen Bau mit rechteckiger Grundfläche und einem Pultdach, der mit Klinkersteinen und Rauputz gestaltet ist, die Stirnfläche ist verglast. Die Vorhalle besitzt auf den Seitenwänden Putzschnittdarstellungen. Heute wird das Gebäude als Leichenhalle genutzt.
Kirchhof der St.-Thomas-Gemeinde II, Hermannstraße 179–185 (Ostseite)
Der zweite Kirchhof der St. Thomas-Gemeinde entstand 1872 gegenüber dem ersten. Das Gartendenkmal ist 51.635 m² groß und wie alle anderen Kirchhöfe geometrisch angelegt. Das Zentrum bildet eine Platanenallee mit vier Rondellen und vier Queralleen, die von Fichten und Linden gesäumt sind. Die Randbepflanzung stellen ebenfalls Linden dar, außerdem unterteilen Taxus-Hecken die Flächen.Die Kapelle geht auf das Jahr 1870 zurück, der Architekt ist unbekannt. Es handelt sich um einen Backsteinbau mit Kreuzverbund. Die Halle ist seitlich geöffnet und besitzt eine gebrochene Apsis sowie zweiteilige Fenster. Der Innenbereich weist eine halbkreisförmige Altarnische sowie eine Empore auf. Ebenfalls auffällig ist das achteckige Blumenhaus, das wahrscheinlich in den 1920er-Jahren entstand.
Reinhold „Krücke“ Habisch (1889–1964), das Berliner Original und als „Erfinder“ der legendären vier Pfiffe im Sportpalast-Walzer heimlicher Star vieler Sechstagerennen, hat hier seine letzte Ruhestätte. Außerdem befindet sich hier das Grab des ehemaligen Berliner Oberbürgermeisters Robert Zelle, das Grab des Rixdorfer Stadtrats Gustav Leyke, Namensgeber der benachbarten Leykestraße, sowie das Gemeinschaftsgrab der Stadtältesten Marie und Wilhelm Wagner.
Mittlerer Bereich, Westseite, drei Kirchhöfe
Höhe U-Bahnhof Leinestraße, Reihenfolge in Richtung Süden
Kirchhof der St.-Thomas-Gemeinde I, Hermannstraße 79–83 (Westseite)
Der ältere Kirchhof der St.-Thomas-Gemeinde wurde 1865 angelegt. Er besitzt auf der Fläche von 65.697 m² eine Hauptallee mit Platanenbepflanzung sowie ein Rondell, ein weiteres kann vorhanden gewesen sein. Die Randbepflanzung stellen Pyramidenpappeln dar. Eine Kapelle gibt es auf diesem Kirchhof nicht, da die Kapelle auf dem gegenüberliegenden zweiten Kirchhof der Gemeinde für beide Teile des Gartendenkmals ausreicht. Seit Anfang 2007 wird dieser Friedhof abgeräumt.Anita Berber (1899–1928), die Tänzerin („Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“) und Schauspielerin (Fritz Langs „Dr. Mabuse, der Spieler“) war hier bestattet. Das Grab ist nicht mehr vorhanden, da die Friedhofsverwaltung die Ruhestätte nach Ablauf der Belegungsfrist auflöste.
Kirchhof V der Jerusalems- und Neuen Kirche, Hermannstraße 84–90 (Westseite)
Der fünfte Kirchhof der Neuen Gemeinde zu Berlin aus den Jahren 1870 bis 1872 besitzt eine zentrale Lindenallee mit sieben Querwegen und mehreren Rondellen, das Gelände ist 56.024 m² groß.Die Kapelle legte Louis Arndt in den Jahren 1899/1900 als roten Backsteinbau im gotischen Stil an. Nach Kriegsbeschädigungen erfolgte nach Kriegsende ihr Wiederaufbau. Heute nutzt die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche die kleine Kirche als Zentrum. Der Verwaltungsbau und das Tor an der Hermannstraße entstanden bereits 1873, der Architekt ist unbekannt. 1877 erfolgte ein Umbau des Verwaltungsgebäudes zur Leichenhalle, den C. Dammeier vornahm.
Während der letzten beiden Jahre des Zweiten Weltkriegs stand auf dem Gelände des Kirchhofes eine Baracke für Zwangsarbeiter, die auf dem Kirchhof arbeiten mussten. Seit dem Jahr 2002 befindet sich an der Stelle des Lagers ein Gedenkstein des Berliner Bildhauers Rainer Fest (siehe unten Kapitel Zwangsarbeiter der Kirche).
Die Kirchhöfe St. Thomas I und Jerusalems- und neue Kirche V dienen zusätzlich gemeinsam als östliche Einflugschneise des Flughafen Tempelhof und sind aus diesem Grund mit Reihen von Leuchtfeuermasten durchzogen.
Neuer Kirchhof der St.-Jacobi-Gemeinde, Hermannstraße 99–105(Westseite)
Der Neue Kirchhof der St.-Jacobi-Gemeinde aus dem Jahr 1867 verfügt über eine Fläche von 74.048 m², eine zentrale Lindenallee mit mehreren Rondellen und fünf Querwege.Das Baujahr und der Architekt der im romantischen Stil gehaltenen asymmetrischen Kapelle sind nicht bekannt. Sie hat eine Fassade aus gelben Verblendziegeln im Kreuzverbund und besitzt eine halbkreisförmige Apsis sowie mehrere flache Nebengebäude. Im Krieg beschädigt kam es 1952 zum Wiederaufbau der Kapelle.
Auf dem St. Jacobi-Kirchhof befindet sich das Grab des Theologen Bruno Bauer (1809–1882), dessen Arbeiten Karl Marx und Friedrich Engels in Die Deutsche Ideologie (1845/1846) polemisch kritisierten („Sankt Bruno“). Der Grabstein trägt die Inschrift: Er war ein Bürger Rixdorfs (siehe Bild).
In Theodor Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“ (1888 erschienen, spielt in Berlin um 1880) wird dieser Friedhof im 22. Kapitel erwähnt. Botho von Rienäcker, Protagonist dieser Geschichte, besucht hier das Grab der Ziehmutter seiner Geliebten Lene Nimptsch. Interessant, dass es mit der Ruhestätte von Bruno Bauer, gest. 1882, noch ein Relikt aus dieser Zeit gibt.
Im Roman wird, im 21. Kapitel, auch die Anfahrt recht ausführlich beschrieben: Über Kreuzberg geht es dann an der Hasenheide, dem Rollkrug und dem überfüllten Alten Kirchhof der St. Jacobi-Gemeinde vorbei, die Hermannstraße hinunter.Südlicher Bereich, ein Kirchhof
Kirchhof der Emmausgemeinde, Hermannstraße 129–137 (Westseite)
Das Gartendenkmal Emmauskirchhof aus dem Jahr 1888 liegt am Südende der Hermannstraße kurz vor ihrem Übergang in den Britzer Damm, parallel zum neuen Autobahntunnel Richtung Westen (siehe unten „Kapitel Radfahrer“).Der Friedhof ist zugleich der jüngste und mit 128.781 m² der größte Kirchhof an der Hermannstraße. Der Baumeister der Kapelle aus der Zeit um 1900 ist unbekannt. Stilistisch ist das Gebäude im Übergangsbereich zwischen Romantik und Gotik einzuordnen. Es handelt sich um einen unregelmäßigen Bau mit roter Ziegelfassade und grauen Putzflächen, die als Blenden und Bänder die Fassade strukturieren. Auf dem Dach steht ein Dachreiter mit Spitzhelm. Der Innenraum ist dreischiffig, wobei das Mittelschiff mit einem Kreuzgewölbe und einer Halbkreisapis ausgestattet ist. Die Seitenschiffe besitzen Spitztonnengewölbe und an den Säulen befinden sich romanische Figurenkapitelle.
Hier ist Walter Bromme (1885–1943) bestattet, der in den Goldenen Zwanzigern beliebte Operetten und Schlager komponierte und in der Spielzeit 1923/1924 zeitweilig als Direktor des Metropol-Theaters in der Behrenstraße fungierte. Die Operetten Brommes reichten von Die Dame im Frack (1919) über Dolly (1924) bis zu Spiel nicht mit der Liebe (1934).
Zwangsarbeiter der Kirche
Erst in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts trat zu Tage, dass die Kirchen in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs in erheblichem Ausmaß Zwangsarbeiter [3] angefordert und deutschlandweit beschäftigt hatten. Im Sommer 2000 räumte der Berlin-Brandenburgische Bischof Wolfgang Huber ein, dass auch in Berlin auf dem Kirchhof der Jerusalems- und Neuen Kirche an der Hermannstraße 84–90 in den letzten drei Kriegsjahren ein Barackenlager für rund 100 Zwangsarbeiter bestand, die überwiegend zur Grabpflege und zur Bestattung von Bombenopfern zum Einsatz kamen. Mit aktiver Unterstützung der obersten Kirchenleitung bekam das Lager eine so genannte „Rüstungsnummer“ und war damit als „kriegswichtig“ anerkannt. Die Kirchen sollen zudem die Ermordung von Kindern der Arbeiter stillschweigend in Kauf genommen haben.
Beteiligt an diesem dunklen Kapitel der deutschen Kirchengeschichte waren 39 evangelische und drei katholische Gemeinden. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat inzwischen ein Schuldbekenntnis abgelegt, außerdem beteiligten sich die Kirchen an Entschädigungszahlungen.
Unter welchen Gräuel und Entbehrungen die überwiegend russischen und ukrainischen Arbeiter, in der nationalsozialistischen Ideologie slawische Untermenschen, litten, beschreibt Wasyl Timofejewitsch Kudrenko, der mit 16 Jahren aus der Ukraine nach Berlin verschleppt wurde und im Jahr 2005 ein Tagebuch über den Alltag und das Überleben im Lager veröffentlichte. Darin heißt es: „Die schweren Bomben fielen auf den Friedhof und schleuderten die zuvor Begrabenen wieder empor […] Leichenteile, Eingeweide – alles auf dem Baum – schrecklich. Es war ein Horror. Wir „Ostarbeiter“ legten sie in die Gräber zurück. Aber nicht jeder konnte das ertragen, psychisch aushalten.“
Unter ständiger Todesangst und ausgezehrt durch eine völlig unzureichende Ernährung gingen die „Sklaven“ der Kirchen den Arbeiten nach, denn das Lager lag unmittelbar neben dem kriegswichtigen Flughafen Tempelhof, der besonderes Ziel der Flüge der Alliierten war. Kudrenko schreibt: „Wir suchten bei den Angriffen dort Schutz, wo der Alarm uns überraschte: zwischen den Särgen, in der Kanalisation, in Rohren“. Mehrfach kam es zu Bombentreffern im Barackenlager, im Jahr 1944 brannte es in kürzester Zeit vollständig aus. Zuflucht zu Schutzräumen war den Zwangsarbeitern verwehrt.
Zwangsarbeiter im Alter zwischen 53 und 64 Jahren kamen namentlich als „wegen ihres körperlichen Zustandes nicht mehr verwendbar“ auf eine Liste und wurden in ein Sammellager abgeschoben. In dem Lager fand mit einiger Sicherheit keinerlei medizinische Versorgung mehr statt, zudem gab es hier so gut wie keine Ernährung – eine hohe Sterblichkeitsrate war die Folge. Das Kriegsende befreite die Überlebenden im Sammellager und auf dem Kirchhof.
Eine Informationssäule im Kirchhof der Jerusalems- und Neuen Kirche mit acht Bild- und Schrifttafeln listet alle beteiligten Berliner Gemeinden auf. Die Tafeln verzeichnen ferner die Namen der 96 Zwangsarbeiter, die namentlich bekannt sind. Seit dem Jahr 2002 befindet sich an der Stelle des Lagers ein Gedenkstein des Berliner Bildhauers Rainer Fest, der auf der Oberfläche gleichfalls die beteiligten Gemeinden per Gravur festhält. Eine Schicht des Findlings, aus dem der Stein gearbeitet ist, schnitt Fest heraus und teilte sie in 42 Einzelteile – mit je einem Namen der beteiligten Gemeinden. Jede Gemeinde erhielt zur Erinnerung an ihre Verantwortung „ihren“ Stein, eine Verantwortung, die sich an der Oberfläche des Gedenksteins mit allen Namen zur Gesamtverantwortung zusammenfügt. Der Informationssäule entstammt ein Großteil der Informationen für diesen Abschnitt. Die Zitate von Kudrenko sind diesen Tafeln entnommen.
Von der Pferdebahn zur U-Bahn
Die Poststraße Berlin-Mittenwalde-Dresden, deren Einweihung im Jahr 1712 stattfand, führte über die heutige Hermannstraße. Schon früh begann die Einbindung der bevölkerungsreichen Viertel an der Straße in das Berliner Verkehrsnetz. Am 6. Juni 1885 eröffnete die Stadt Rixdorf eine Pferdeeisenbahn-Linie vom Hermannplatz zur Hermannstraße/Ecke Knesebeckstraße (heute Silbersteinstraße). Betreiber war die Pferdebahn der Gemeinde Rixdorf, die bereits gut zwei Jahre später in der Großen Berliner Pferde-Eisenbahn A.-G. aufging. Heute führt die aus Wittenau kommende U-Bahnlinie 8 unter der Straße entlang. Über die U-Bahnhöfe Hermannplatz, Boddinstraße und Leinestraße verläuft die Linie bis zum Endbahnhof Hermannstraße, der rund einhundert Meter vor dem Übergang der Hermannstraße in den Britzer Damm liegt. An gleicher Stelle kreuzt die Ringbahn, die hier den stark frequentierten S-Bahnhof Hermannstraße unterhält.
S-und Güterbahnhof Hermannstraße
Ringbahnbau
Am 15. November 1877 nahm die Stadt den ersten Teil der Berliner Ringbahn in Betrieb: die Strecke führte von Moabit, über Weißensee, Rixdorf nach Schöneberg. Am darauffolgenden 1. Januar fuhren die ersten Personenzüge auf der neuen Strecke. Vor allem während des viergleisigen Ausbau zwischen 1887 und 1910 kamen weitere Haltepunkte an der Ringbahn hinzu, darunter auch der Bahnhof an der Rixdorfer Hermannstraße.
Am 1. Februar 1899 war der Vorortbahnhof Hermannstraße fertig gestellt, vorerst sollten hier 29 Jahre lang dampfbetriebene Züge fahren. Ein Zugang war damals nur zum Ostende, das heißt in Richtung Bahnhof Neukölln, vorhanden. Ein kleines, mit roten Ziegeln verblendetes Eingangshäuschen empfing die Fahrgäste. 1910 kam ein Eingang von der parallel zur Ringbahn verlaufenden Siegfriedstraße hinzu. In den darauffolgenden Jahren änderte sich relativ wenig an der Bahnhofsstruktur. Nach der von der Reichsregierung beschlossenen „Großen Elektrisierung“ sollten auch auf der Ringbahn die rot-gelben S-Bahn-Züge fahren. Während die erste S-Bahnstrecke 1924 nach Bernau führte, dauerte die Aufnahme des S-Bahn-Verkehrs auf der Ringbahn bis zum 6. November 1928.
Die Rixdorf-Mittenwalder Eisenbahn
Im Jahr 1895 gründeten Mittenwalder Bürger um den Gutsbesitzer Richter-Falkenberg das sogenanntes „Bahn-Comité“ mit dem Ziel, eine Kleinbahnverbindung zwischen dem Berliner Vorort Rixdorf und der märkischen Kleinstadt zu bauen. Der Grund lag darin, dass bereits gebaute Bahnstrecken wie die Dresdener Bahn und Görlitzer Bahn nur mühsam per Pferdekutschen zu erreichen waren und nicht das Stadtzentrum Mittenwaldes erschlossen. Für den Bau der Verbindung errechnete das Comité nach einem Kostenvoranschlag einen Preis von rund zwei Millionen Goldmark, den die Mittenwalder Mitglieder nicht aufbringen konnten. Deshalb suchte sich das Comité mit der Gesellschaft Vering & Waechter einen finanziell gut ausgestatteten Partner. Die Gesellschaft war eine vom Kommerzienrat Carl Vering und vom Königlich-preußischen Baurat Carl Waechter gegründete Firma, die überall in Deutschland neue Eisenbahnstrecken baute. Das Bahn-Comité aus Mittenwalde übertrug die komplette Planung und Bauausführung an Vering und Waechter.
Am 23. Februar 1899 kam es zur Gründung der Rixdorf-Mittenwalder Eisenbahn Aktiengesellschaft, deren Startkapital bei gut 1,7 Mio. Goldmark lag und die – unter leicht verändertem Namen – noch heute existiert. Die Eisenbahningenieure planten eine 27 Kilometer lange Strecke mit den neun Bahnhöfen Mittenwalde Nord, Brusendorf, Groß Kienitz, Selchow, Schönefeld, Rudow, Buckow, Britz und dem Endbahnhof Hermannstraße.
Durch den Bau des Ringbahnhofes Hermannstraße mussten Vering & Waechter die Pläne noch einmal komplett umstellen, was zu dem Bau eines großen Umsteigepunktes zwischen der Ringbahn der Deutschen Reichsbahn und der Rixdorf-Mittenwalder Eisenbahn (RME) führte. Die Zwischenstation Britz wurde zu einer Betriebsstation umgebaut, so war dieser Bahnhof nun Hauptpunkt der Strecke. Nach einem raschen Baufortschritt konnte der damals zuständige Potsdamer Regierungspräsident bereits am 21. Juli 1899 die Betriebsgenehmigung für die Strecke erteilen. Dennoch eröffnete erst am 28. September 1900 ein Sonderzug von Mittenwalde nach Rixdorf die neue Kleinbahn, deren Vollendung die örtlichen Honoratioren gebührend feierten. Bereits vier Jahre später erfolgte eine Verlängerung von Mittenwalde Nord nach Schöneiche Plan.
Die Umbenennung von Rixdorf zu Neukölln im Jahr 1912 fand ihren Niederschlag auch im Namen der Eisenbahnstrecke, die seitdem Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn heißt.
Zweiter Weltkrieg und spätere Bahnhofsschließung
Der 1939 beginnende Zweite Weltkrieg hatte weitreichende Folgen für das Bahnnetz der Reichshauptstadt. Während der Bahnhof von Bombentreffern verschont blieb, kam es zu schweren Beschädigungen des Eingangsgebäudes, als die Kampfhandlungen bereits in Berlin stattfanden. Die Einstellung des Betriebs an der Station Hermannstraße erfolgte im April 1945. Anschließend waren gelegentlich Dampfzüge auf der Strecke unterwegs und die ersten Regelzüge fuhren wieder am 18. Juni 1945.
Die Mittenwalder Eisenbahn jedoch hatte zu Kriegszeiten durch Rüstungstransporte eine hervorragende Auslastung, die im Jahr 1942/1943 mit einer Güterbeförderung von über einer Million Tonnen sowie Fahrgastzahlen von gut drei Millionen ihren Höhepunkt erreichte.
Nach dem Krieg kam es wegen der gesprengten Teltowkanalbrücke vorübergehend zur Einstellung des Betriebs. Schon kurz darauf machten Pioniere der Roten Armee die Teltowkanalbrücke behelfsmäßig befahrbar, so dass ab dem 17. Mai 1945 (!) wieder Gütertransporte aufgenommen werden konnten. Im September 1946 erfolgte eine Enteignung durch die sowjetischen Machthaber, die jedoch nur für den brandenburgischen Teil der Bahnstrecke wirksam war. Die Betriebsführung für diesen Abschnitt erhielt per SMAD-Befehl die Brandenburgische Landesbahn. Der Berliner Innenstadtteil der Strecke betrug damit nur noch 11,5 Kilometer Hauptgleis sowie einige Nebengleisanlagen.
Die Berlin-Blockade von 1948/1949 hatte erheblichen Einfluss auf die NME-Strecke sowie die S-Bahn. Sowjetische Soldaten trennten die Gleise der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn an der Sektorengrenze zwischen der sowjetischen und amerikanischen Zone. Damit war der Betrieb außerhalb Berlins endgültig nicht mehr in den Händen der NME-Gesellschaft. Dies führte jedoch nicht zum wirtschaftlichen Niedergang für die kurze Strecke innerhalb der Stadt. Denn 1936 hatte die Gesellschaft eine fünf Kilometer lange Verlängerung zum Flughafen Tempelhof angelegt, über die nun – unter Umgehung der durch die DDR betriebenen Reichsbahn – die durch Amerikaner eingeflogene Kohle sofort an die Versorgungsbetriebe weitergeleitet werden konnte.
Die Auswirkungen der Berlin-Blockade auf die S-Bahn waren relativ gering. Zwar wurden die sektorenüberschreitenden Strecken stillgelegt, der Betrieb jedoch lief wie gewohnt ab. Denn Betreiberin der S-Bahn war die DDR-Reichsbahn, die auch in dieser Zeit eine ausreichende Stromversorgung erhielt. Nach der Spaltung Berlins verkehrte die S-Bahn also, jetzt unter der Regie der Deutschen Reichsbahn, weiter. Allerdings gab es einen auf die Streckenführung zwischen Gesundbrunnen und Sonnenallee beziehungsweise Köllnische Heide verkürzten Betrieb. Diese Einschränkung führte dazu, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund, unterstützt durch weitere Organisationen, zu einem Fahrgastboykott der „DDR-S-Bahn“ aufrief, der Erfolg hatte und zum wirtschaftlichen Niedergang der S-Bahn in West-Berlin führte.
1961 – im Jahr der Teilung Berlins – schlossen die Behörden am historischen Bahnhof Hermannstraße den 1910 eröffneten Eingang zur Siegfriedstraße, im Oktober 1976 folgte der Abriss. Zwar ließ die Deutsche Reichsbahn das zerstörte Empfangsgebäude bis 1968/1969 sanieren, jedoch bereits im Jahr 1971 erneut abreißen und durch einen schlichten Neubau im Stil der 1970er-Jahre ersetzen. Im September 1980 streikten die Mitarbeiter der West-Berliner S-Bahn aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen. Die Deutsche Reichsbahn reagierte mit einer Quasi-Kompletteinstellung des S-Bahnnetzes im Westen. Nur noch wenige Strecken waren in Betrieb – die Ringbahn mit dem Bahnhof Hermannstraße gehörte nicht dazu.
Nicht betroffen von diesen Vorgängen war die West-Berliner NME-Strecke. Mit dem Bau des Heizkraftwerkes Rudow durch die Bewag bekam die Gesellschaft sogar einen neuen Großauftrag zur Beförderung von Kesselwagen zum Hafen Britz, in die Gradestraße und nach Rudow selbst, der noch heute Bestand hat und für Auslastung der Züge sorgt.
Neuer Start 1993
Der Bahnhof und mit ihm die gesamte Ringbahn fielen in einen „Dornröschenschlaf“. Auch die Übergabe der S-Bahn von der Reichsbahn an die BVG änderte daran vorerst nichts. Im Jahr 1989 – die S-Bahn gewann in West-Berlin zunehmend an Popularität – begannen die ersten Arbeiten für die Reaktivierung der Ringbahn. Die Strecke sollte von Westend nach Köllnische Heide fahren, die fehlenden Abschnitte zur Sonnenallee und nach Gesundbrunnen sollten später folgen. Die Ereignisse des November 1989 und die Wiedervereinigung änderten die S-Bahn-Planungen.
Der für 1992 geplante Start der Ringbahn verzögerte sich um ein Jahr. Die BVG verlängerte die Strecke im Südosten von Köllnische Heide bis zum Bahnhof Baumschulenweg, einem Ost-Berliner-S-Bahnhof. Der Bahnhof Hermannstraße wurde komplett umgebaut und unter die Hermannstraßenbrücke gesetzt, sodass heute kaum noch Spuren der historischen Station vorhanden sind. Die beiden Empfangsgebäude, die direkt in die Hermannstraße münden, bekamen einen Anstrich mit zwei Farben – blau und grün. Diese Farbgebung in Anlehnung an die Farben der U- und S-Bahn sollte symbolisieren, dass hier ein wichtiger Knotenpunkt entstand, denn die U-Bahn unter der Hermannstraße sollte eine Verlängerung vom bisherigen Endpunkt U-Bahnhof Leinestraße bis zum S-Bahnhof Hermannstraße bekommen. Nach gut 60-jährigem Baustopp war der U-Bahn-Anschluss an die Ringbahn und damit an das S-Bahn-Netz mit der Eröffnung am 13. Juli 1996 hergestellt.
Die feierliche Einweihung fand am 17. Dezember 1993 mit einer Parallelfahrt von zwei Zügen der Baureihe 485 statt. Seit diesem Zeitpunkt fahren zwei neue S-Bahnlinien, die S45 vom Flughafen Schönefeld und die S46 von Königs Wusterhausen, auf dem neuen Ring. Heute befahren mit S45, S46, S47 drei S-Bahnlinien, die aus dem Südosten kommen, den Ring. Hinzu kommen die beiden Ringlinien (S41 und S42). Hinter dem Bahnhof Hermannstraße befindet sich eine neue zweigleisige Kehranlage, auf der die Züge vom Flughafen Schönefeld enden.
Die Wende bedeutete aber auch für die Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn große Veränderungen. So beschloss die Berliner Stadtreinigung, in Übereinstimmung mit einem Senatsbeschluss, den Haushaltsmüll nur noch per Eisenbahn zu befördern. Das hatte zur Folge, dass Müllcontainer seitdem von der BSR-Verladestation am Teltowkanal zum Bahnhof Hermannstraße gebracht werden, wo sie von der DB Cargo weiter transportiert werden. Somit war die Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn wieder in ihrem ursprünglichen Geschäftsfeld – dem Güterverkehr – aktiv geworden.
Im Dezember 2005 gab das Bezirksamt Neukölln bekannt, dass Teile der Fläche des Güterbahnhofes zu einem kleinen Gewerbegebiet umgebaut werden sollen. Betroffen sind ungenutzte Gleise, der Betrieb der NME wird zukünftig am Bahnhof Hermannstraße abgewickelt.
U-Bahnhof Hermannstraße
Im Jahr 1927 eröffnete die Stadt Berlin, zu der Neukölln seit sieben Jahren zählte, die erste Teilstrecke der damaligen U-Bahnlinie D, heute U-Bahnlinie 8, zwischen Schönlein- und Boddinstraße. Die Ausdehnung auf die Strecke Gesundbrunnen ↔ Leinestraße erfolgte etappenweise in den folgenden drei Jahren. Baupläne für eine U-Bahn zum S-Bahnhof Hermannstraße gab es bereits seit 1910. 1929 begannen die ersten Arbeiten in Richtung Süden, damals war die Fertigstellung für März 1930 geplant, doch die Wirtschaftskrise verhinderte die weitere Ausführung. 1931 stellte die Stadt Berlin als Bauherr die Arbeiten endgültig ein. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Tunnel zum Bahnhof Leinestraße und mit 23 Metern etwa ein Fünftel des zukünftigen Bahnsteigs fertig gestellt.
Die tiefe Lage aufgrund der Unterquerung der S-Bahn prädestinierte den noch im Rohbau befindlichen Bahnhof zum Ausbau als Luftschutzbunker, zu dem es im Jahr 1940 kam. Noch heute erinnern Relikte an diesen Bunker. Nach 1961 verfolgte der Senat die Verlängerungspläne nicht weiter, da eine Umsteigeverknüpfung mit der von der zur DDR gehörenden Reichsbahn betriebenen S-Bahn nicht erwünscht war. Den bereits errichteten Tunnel benutzte die BVG als Abstellanlage für nicht mehr gebrauchte Züge.
Nach der Wiedervereinigung kam es zur Verwirklichung der alten Pläne mit der Zusammenführung von U- und S-Bahn am Bahnhof Hermannstraße. Die für den 17. Dezember 1993 vorgesehene Wiederöffnung des S-Bahnrings, den die Deutsche Reichsbahn 1980 nach einem S-Bahner-Streik stillgelegt hatte, setzte den Senat und die BVG unter Zeitdruck, denn die Bauarbeiten des U-Bahnhofes mussten vor der Wiedereröffnung des S-Bahnrings beginnen. Die Arbeiten umfassten die Sanierung des Altbautunnels und des schon vorhandenen Bahnsteigs, den Neubau des restlichen Bahnsteigs und die Errichtung einer 320 Meter langen Kehranlage. Außerdem waren Übergänge zum darüber liegenden S-Bahnsteig sowie mögliche Treppen zu einem geplanten Regionalbahnhof zu berücksichtigen.
Am 13. Juli 1996 feierte Berlin die Eröffnung des 168. U-Bahnhofs, des U-Bahnhofs Hermannstraße. Wie bei fast allen Bahnhofsneubauten der jüngeren Zeit war Rainer Gerhard Rümmler, übrigens zum letzten Mal, für die Gestaltung des Bahnhofes zuständig. Er orientierte sich in der Gestaltung weitgehend an den Bahnhöfen, die vor der Hermannstraße liegen und die Alfred Grenander konzipiert hatte. Sein Entwurf führte zu einem sehr sachlichen, mit türkisfarbenen Fliesen versehenen Bahnhof. An verschiedenen Aussparungen der Fliesenwände erinnern Tafeln mit den erhaltenen historischen Bunkerhinweisen an einen Teil der Baugeschichte.
Individualverkehr in der Hermannstraße
Autoverkehr
Trotz der ausgezeichneten Einbindung in den öffentlichen Personennahverkehr der Stadt mit U- und S-Bahn ist die Hermannstraße aufgrund ihrer Struktur nicht in der Lage, den Verkehr des bevölkerungsreichen Ballungsgebietes zufriedenstellend aufzunehmen; eine Erweiterung der Straße ist aufgrund der dichten Bebauung kaum möglich.
Die Dichte des Individualverkehrs liegt nicht höher als bei ähnlich stark frequentierten Straßen. Ferner hat die Anbindung an den Berliner Stadtring mit der Anschlussstelle Britzer Damm im Jahr 2000 zu einer spürbaren Entlastung des Durchgangsverkehrs nach Britz und Buckow geführt. Dennoch fließt der Verkehr nach wie vor überaus zähflüssig durch die Straße und ihr Durchfahren bringt für die Verkehrsteilnehmer eine hohe Stressbelastung mit sich. Gründe dafür sind:
Die vier Spuren und zwei Parkstreifen sind unterbrochen durch mehrere Verkehrsinseln für U-Bahnhöfe und Bushaltestellen, an denen sich die Fahrbahn verengt. Die hohe Zahl der Nebenstraßen nimmt die Links- und Rechtsabbieger nur schleppend auf, da das große Fußgängeraufkommen in den Grünphasen nur wenige Fahrzeuge passieren lässt. Die Ampelanlagen folgen in einigen Abschnitten überaus kurz hintereinander. Die dichte Bebauung mit Wohnblocks und Geschäften lässt sowohl Anwohner wie Lieferanten sehr häufig in der zweiten Spur halten oder kurzzeitig parken. Insgesamt führen diese Faktoren dazu, dass die Fahrt durch die Hermannstraße insbesondere in den Hauptverkehrszeiten in der Regel einem Slalomrennen gleicht. Ein Ausweichen ist so gut wie unmöglich, denn der Verkehr fließt in der parallelen Karl-Marx-Straße nicht viel anders. Die Straßen der östlichen Kiezgebiete führen aufgrund ihrer Insellagen zudem zum Teil wieder zurück auf die Hermannstraße und bieten durch die Abtrennungen durch die Kirchhöfe keine abkürzenden Durchfahrten; zudem unterliegen sämtliche angrenzenden Wohnviertel dem Tempolimit von 30 km/h.
Dieser Stop-and-Go-Verkehr verursacht für Anwohner und Verkehrsteilnehmer eine hohe Lärmbelästigung und Gefährdung durch Schadstoffkonzentrationen.
Radfahrer
Die umweltbelastete Slalomstrecke verfügt lediglich im unteren Teil zwischen Hermannplatz und U-Bahnhof Boddinstraße über einen Fahrradweg. Die übrigen Straßenbereiche sind für Radfahrer nicht zu empfehlen. Dennoch gibt es im Ballungsgebiet Hermannstraße eine angenehme und – trotz Innenstadtlage – abwechslungsreiche sowie landschaftlich reizvolle Radverbindung in die benachbarten Ortsteile Britz, Schöneberg und Kreuzberg. Diese – auch hinsichtlich des Belages – sehr gute Verbindung spart die Hermannstraße aus und verläuft durch die Kieze direkt neben dem Flughafen Tempelhof zum Columbiadamm. Radfahrer und Fußgänger kommen an den Stellen, die dem Autoverkehr versperrt sind, weiter.
Aus Richtung Britz (der Britzer Damm führt einen Radweg) beginnt die Strecke an der neuen Autobahnanschlussstelle Britzer Damm. Die Autobahn wird hier in dem 1,7 Kilometer langen, hochmodernen und bislang permanent störanfälligen Tunnel Ortskern Britz aus dem Jahr 2000 unter den westlichen Neuköllner Wohngebieten und unter dem Britzer Damm in Richtung Dreieck Neukölln hindurchgeführt; die Anschlussstelle führt hinunter in den Tunnel. Nach Fertigstellung legte das Land Berlin auf der Tunneldecke eine langgezogene Grünanlage mit Spiel- und Sportplätzen an, die parallel zum Gartendenkmal Emmauskirchhof verläuft. Dieser langgestreckte Streifen ist für Radfahrer gut zu durchfahren. Auf Höhe des Mariendorfer Wegs gelangt man über die wenig befahrene Eschersheimer Straße über die S-Bahn-Trasse in die Oderstraße und damit in den Kiezbereich. Ein Radweg verläuft zweispurig zwischen Oderstraße und dem Sportpark Neukölln, der seit einigen Jahren zu Ehren des 1944 hingerichteten Widerstandskämpfers und erfolgreichen Ringers Werner Seelenbinder dessen Namen trägt. Der Weg führt an der renovierten Eissporthalle, den folgenden Sportgebäuden und -plätzen sowie an der Gedenkstätte für Werner Seelenbinder vorbei.
Am Ostende des Kirchhofs der Jerusalems- und Neuen Kirche stößt der Weg direkt auf das Feld des Flughafens und führt in einem – für den Autoverkehr nicht passierbaren – Bogen um das Feld herum in den zweiten Teil der Oderstraße. Hier besteht parallel zum Flughafen ein alter Radweg, der vielfach aufgeplatzt und unpassierbar ist. Ausgleichend steht dem Radverkehr die gesamte Oderstraße zur Verfügung, die so gut wie keinen Kfz-Verkehr mehr aufweist. Am Nordende der Oderstraße, an dem der motorisierte Verkehr wiederum abbiegen muss, führt ein breiter Rad- und Fußgängerweg zwischen dem Sommerbad Columbiadamm und den Freizeitanlagen an der Jahnsporthalle weiter zum Columbiadamm. Am Damm verlaufen Radwege nach Westen Richtung Tempelhof und Schöneberg oder nach Osten Richtung U-Bahnhof Boddinstraße, an dem der Anschluss zur Hermannstraße hergestellt ist. Über den einzigen Radwegabschnitt der Hermannstraße gelangen die Radlfahrer hinunter zum Hermannplatz. Landschaftlich noch reizvoller lässt sich der Hermannplatz erreichen, wenn man den Columbiadamm überquert und in den gegenüberliegenden Volkspark Hasenheide einfährt. Wahlweise asphaltierte Wege oder feste Sandwege leiten durch den Park Richtung Nordosten zum Hermannplatz und Richtung Nordwesten zum Kreuzberger Südstern.
Strukturentwicklung und Kieze
Die soziale Struktur der Geschäfts- und Wohnstraße bestimmen kleine Gewerbebetriebe, eine Vielzahl an Geschäften, darunter zahlreiche türkische Märkte und Bäckereien, sowie Wohnhäuser und Wohnblocks, die teilweise aus der Gründerzeit stammen. Auf der Ostseite der Hermannstraße 214–216 entstand im Jahr 1996 das moderne Büro- und Geschäftszentrum Kindl-Boulevard, das sich tief in die Fläche der ehemaligen Rollberge erstreckt. Neben Geschäften, Restaurants, den Rollberg-Kinos und Ausstellungsräumen findet hier auch das Frauenwirtschaftszentrum Neukölln Platz, das insbesondere Existenzgründerinnen Raum geben soll. Das Zentrum, in das eine Münchner Baufirma 400 Mio. Euro investiert hatte, steht im Kontrast zu der sonstigen Geschäftsstruktur der Straße, die zu einem erheblichen Teil von Einzelhändlern und Billigläden mit häufigen Inhaberwechseln gekennzeichnet ist.
Die Hermannstraße wird im gesamten westlichen Teil von drei Kiezen begleitet. Im unteren Teil von dem Hermannstraßenkiez, der westlich vom Volkspark Hasenheide, nördlich von der Straße Hasenheide und südlich vom Columbiadamm begrenzt wird. Jenseits des Columbiadamms schließen sich an den Volkspark die Gelände des Flughafens Tempelhof beziehungsweise des Sportparks Neukölln an, die die südlich folgenden Kieze, den Schillerkiez, den Warthekiez und das Viertel an der Emser Straße nach Westen abgrenzen.
Hermannstraßenkiez
Der Hermannstraßenkiez um die Wissmann- und Karlsgartenstraße am Volkspark Hasenheide entstand in der Gründerzeit als Vergnügungsviertel mit Biergärten, Theatern und Tanzsälen. In den 1920er-Jahren entwickelte sich die Hermannstraße von dieser Gegend ausgehend zu einer bedeutenden „Kinomeile“ und blieb dies auch bis zum großen Kinosterben der 1960er-Jahre. Heute ist der Kiez ein reines Wohnviertel mit einigen kleineren Gartenlokalen. Für ein vielfältiges Flair sorgt die Werkstatt der Kulturen in der Wissmannstraße, die mit zahlreichen Ausstellungen Besucher anzieht und sich als Dialog- und Kooperationspartner der Migrantenszene in Berlin versteht und Forum für eine multikulturelle Bürgergesellschaft sein will. Die Werkstatt der Kulturen besteht seit dem 22. Oktober 1993 in dem sehenswerten historischen Gebäude der ehemaligen Löwenbrauerei – Böhmisches Brauhaus.
Ein weiteres Stück des alten Vergnügungsviertels findet sich mit dem Kino Neues Off direkt an der Hermannstraße 20, das 1919 als Theater und Varieté gegründet und seit 1926 unter dem Namen Rixi (Rixdorfer Lichtspiele) als Kino genutzt wurde. Trotz Restaurierung versprüht das Haus noch viel Charme vergangener Zeiten – im Foyer fällt beispielsweise ein roter Sarotti-Tresen im Design der 1950er-Jahre ins Auge. Das Kino ist Teil eines vierstöckigen Wohnhauses und eines der letzten alten Lichtspielhäuser, die in Berlin bis heute überleben konnten.
Auch das Palastkino Stern gehörte zu den kleineren Filmtheatern der Zwischenkriegszeit. Es wurde in den Jahren 1925 bis 1926 von Max Bischoff und Heinrich Möller sowie dem Ingenieur Gustav Heun durch einen Umbau eines ausgebrannten Hinterhaus-Saales in der Hermannstraße 49 aufgebaut. Der breite Eingangsbereich bestand aus dem erneuerten Erdgeschoss und ersten Obergeschoss des Wohnhauses, neben der Tür befanden sich Schaukästen mit dem Kinoprogramm. Die Vorhalle bildete ein Raum mit dunkler Holzverkleidung und blaugoldener Decke. Der rechteckige Zuschauerraum bot im Parkett 638, auf dem Rang 464 und in den in den Saal ragenden Logen 98 Zuschauern Platz. 1935 baute Heinrich Möller die Fassade um, im Zweiten Weltkrieg wurden Teile des Gebäudes zerstört, die 1946 wiederhergestellt werden konnten. 1956 wurde das Kino vom Architekten de Born umgebaut, 1973 endete die Nutzung als Kino, und ein erneuter Umbau machte aus dem Gebäude einen Selbstbedienungsladen.
Das größte Kino Europas
In den Jahren 1926 bis 1927 entstand an der Hermannstraße 214 Ecke Rollbergstraße inmitten des Arbeiterbezirks Neukölln unter der Leitung des Architekten Fritz Wilms mit dem Mercedes-Palast das seinerzeit größte Filmtheater Europas. Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich dort der geräumige Biergarten der Kindl-Brauerei, der vor allem zur Jahrhundertwende überregional bekannt war. Fritz Wilms hatte sich in Berlin durch eine Reihe weiterer Theaterbauten einen Namen gemacht, insbesondere durch das Piccadilly in Charlottenburg. Seine Bauten waren wenig strukturierte, klare Blockbauten. Beim Mercedes-Palast verzichtete er erstmals auf allzu expressionistische Details, wie man sie von anderen seiner Bauwerke kannte. Ob dieser Trend dem Geschmack der Zeit oder den zur Verfügung stehenden Geldern geschuldet war, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Das Gebäude hat eine Baufläche von rund 3773 m², wobei die Vorderfront an der Hermannstraße eine Länge von etwa 50 Metern und die Seitenfläche an der Rollbergstraße von etwa 72,5 Metern aufweist. Beiderseits des hervorgezogenen Eingangsbereichs befanden sich Ladengeschäfte und oberhalb der vier Eingänge fünf Meter hohe Plakatwände, getrennt durch vierkantige Halbsäulen. Den oberen Abschluss bildete ein Gesims mit grünen Laternen.
Die Innenausstattung führte diese Schlichtheit nicht fort. Im großräumigen Foyer dominierten die Farben Gold, Silber, Blau und das Scharlachrot der Wände, der Fußboden bestand aus gelbbraunen Steinplatten aus Solnhofen. Der anschließende Vorführraum hatte eine kuppelförmige, blaugrüne Decke, die, von Strahlern oberhalb der Logenbekrönung azurblau angestrahlt, einen Abendhimmel imitieren sollte. Während der Vorführung wandelte sich die Wölbung durch kleine, beleuchtete Öffnungen in einen sternenübersäten Nachthimmel. Das Zentrum der Decke bildete eine sternförmiges Rosette aus buntem Kristallglas, die von innen beleuchtet und am Rand mit Blattgold verziert war. Nach hinten schloss sich durch eine halbrunde Projektionsfläche die Bühne mit einem Orchestergraben an. Der Raum stellte den Besuchern 2320 Parkett- und 180 Logenplätze zur Verfügung.
Die Deutsche Bauzeitung lobte in einem Bericht aus dem Jahr 1927 weniger die Ausstattung als vielmehr ein ganz anderes, nicht minder wichtiges Detail des Kinos:
„Jeder Platz kostet bei der ersten Vorstellung 0,60 M und bei den späteren Vorstellungen 1 M. Auf diese Weise ist der Mercedes-Palast im wahrsten Sinne des Wortes ein Volkstheater, da es der minderbemittelten Bevölkerung möglich ist, große Filme, die meist noch von kleinen Revuen begleitet sind, zu erschwinglichen Preisen zu sehen“
– Deutsche Bauzeitung Jahrgang 1927, Seite 638; zitiert aus Riedel 1983
Doch wurden diese Eintrittspreise für das Gros der Bevölkerung im Gefolge der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise schnell unerschwinglich: im Jahr 1930 wurde das Kino trotzdem aufgrund zu geringer Besucherzahlen erstmalig geschlossen und diente in der Folgezeit als Festsaal für Veranstaltungen in Konkurrenz zu den benachbarten Kindl-Sälen. So fand hier etwa die Zwölfjahresfeier der Roten Fahne statt; ebenso gastierte der Kabarettist Leon Hirsch mit seinem Ensemble „Die Wespen“ im Mercedes-Saal. 1932 nahmen der Architekt Gustav Neustein und sein künstlerischer Mitarbeiter Bruno Meltendorf die ersten Umbauten vor. Während der nationalsozialistischen Zeit war das Kino die meiste Zeit geöffnet und war der Aufführungsort für eine Reihe von Filmpremieren wie etwa dem Film Der unendliche Weg von 1942 (Regie: Hans Schweikart). Nach 1943 kam es zu einer starken Beschädigung durch Fliegerbomben.
Die Wiederherstellung erfolgte in den Jahren 1948 bis 1951, diesmal erneut unter der Leitung von Fritz Wilms. Auch während der Bauphase fanden Vorstellungen statt, das dafür als Vorführraum unter dem Namen Metro-Palast genutzte Foyer bot immerhin noch Platz für 854 Zuschauer. Die Arbeiten gaben dem Vorführraum durch neue Wände eine trapezförmige Gestalt. Nach seiner Fertigstellung 1951 verfügte er im Parkett über 1426 und im Hochparkett noch einmal über 634 Plätze und nahm als Europa-Palast erneut den Filmbetrieb auf.
1955 zog der Architekt de Born eine Zwischendecke in das Foyer ein – in der oberen Etage entstand das Kino Roxy mit 750 Plätzen. Weitere Umgestaltungen nahm 1966 Hans Joachim Woyke vor und 1969 ließ Woolworth das gesamte Gebäude zu einem Warenhaus umbauen, wobei vor allem die Fassade massive Veränderungen erfuhr. 1992 zog Woolworth in die benachbarten Kindl-Säle um und der ehemalige Mercedes-Palast musste dem Neubau des Kindl-Boulevard weichen.
Schillerkiez, Warthekiez und Rollbergsiedlung
Auch das Viertel um die Schillerpromenade, das auf altem Ackerland entstand, war von der Stadt Rixdorf und ihrem Bürgermeister Hermann Boddin um 1900 als „Wohnquartier für Besserverdienende“ und als Gegenpol zu der Arbeitersiedlung auf den Rollbergen konzipiert, die bereits in den Jahrzehnten zuvor errichtet worden war. Mit seinen alten Bauten und dem nach wie vor großzügigen und begrünten Mittelstreifen der 50 Meter breiten Schillerpromenade steht das Viertel seit 1996 unter Ensembleschutz. Die Promenade führt vom Columbiadamm über den zentralen Herrfurthplatz mit der Genezarethkirche aus dem Jahr 1906 direkt auf das historische Gebäude der ehemaligen Ingenieurschule für Bauwesen zu und endet dort; das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1914 in der Leinestraße beherbergt heute die Carl-Legien-Oberschule. In den 1920er-Jahren ergänzte Bruno Taut, der Architekt der Britzer Hufeisensiedlung, den Kiez um preiswerte Arbeiterwohnungen an der Oderstraße, die im Stil seiner sozialreformerischen, nicht-kommerziellen Konzepte gehalten waren.
Zählt schon der Schillerkiez in seiner Bevölkerungsstruktur heute zu den eher benachteiligten Vierteln mit einem hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern, ist im Warthekiez die strukturelle Arbeitslosigkeit und insbesondere auch die Langzeitarbeitslosigkeit besonders ausgeprägt. Die sozial-räumliche Polarisierung ist in beiden Vierteln dem Verlust der altindustriellen Arbeitsstätten sowie der unmittelbaren Nachbarschaft zum Flughafen Tempelhof geschuldet, dessen Lärmbelästigung das Mietpreisniveau und in der Folge die Qualität der Wohnungen beträchtlich senkte. Erst in den letzten Jahren wird in diesem Bereich eine leichte Erholung spürbar, die in der weitgehenden Verlagerung des Luftverkehrs zu den Flughäfen Tegel und Schönefeld begründet ist. Mit der Schließung des Flughafens am 30. Oktober 2008 fand diese benachteiligte Situation ein Ende.
Durch Maßnahmen wie Quartiersmanagement, intensivierter Jugendarbeit, Modellprojekte zur Gewaltprävention oder Verbesserung der Freizeitangebote versucht der Bezirk Neukölln in Zusammenarbeit mit kirchlichen und freien Trägern, gegenzusteuern. Investitionen wie in den Sportpark an der Oderstraße sollen das Viertel aufwerten, beispielsweise konnte im Herbst 2005 das mit erheblichen Mitteln restaurierte und erweiterte Eisstadion Neukölln wiedereröffnet werden. Da sich diesen westlich der Straße gelegenen Kiezen noch die östlich angrenzende Rollbergsiedlung zugesellt, die als ganz besonderer sozialer Brennpunkt gilt, ist resümierend festzustellen, dass die Hermannstraße einen besonders benachteiligten Teil Berlins durchläuft.
Seiten- und Querstraßen (stadtauswärts gesehen)
- Hasenheide/Karl-Marx-Straße
- Karlsgartenstraße
- Biebricher Straße
- Flughafenstraße
- Mahlower Straße
- Boddinstraße
- Selchower Straße
- Rollbergstraße
- Herrfurthstraße
- Werbellinstraße
- Briesestraße
- Kienitzer Straße
- Kopfstraße
- Allerstraße
- Leykestraße
- Okerstraße
- Leinestraße
- Thomasstraße
- Jonasstraße
- Warthestraße
- Schierker Straße
- Nogatstraße
- Emser Straße
- Siegfriedstraße
- Silbersteinstraße
- Kranoldstraße
- Mariendorfer Weg
- Delbrückstraße
- Glasower Straße
- Juliusstraße
Literatur, Verweise und Weblinks
Belege
- ↑ Denkmale in Rixdorf – Hermannshof
- ↑ PDF: Denkmalliste Berlin
- ↑ Informationssäule im Kirchhof der Jerusalems- und Neuen Kirche mit acht Bild- und Schrifttafeln. Die Zitate von Kudrenko sind diesen Tafeln entnommen.
Literatur
- Christiane Borgelt, Regina Jost: Architekturführer Berlin-Neukölln. Stadtwandel Verlag Berlin 2003, ISBN 3-933743-9-15
- Bezirksamt Neukölln von Berlin, Abt. Bauwesen (Hrsg.): 100 Jahre Bauen für Neukölln – Eine kommunale Baugeschichte. Berlin 2005, ISBN 3-00-015848-0
- Udo Dittfurth: Strecke ohne Ende – Die Berliner Ringbahn. GVE Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-89218-074-1
- Willy Grigat: Britz einst und jetzt, 1932. Auszugsweise wiedergegeben und hier benutzt in: Britzer Heimatgeschichte, Veröffentlicht im Gemeindebrief der Dorfkirche Britz. Ausgaben Februar 1979 bis Dezember 2000. online als pdf zum Rollkrug Seite 36, zu den Windmühlen Seite 31
- Wasyl Timofejewitsch Kudrenko: Bist Du Bandit? Das Lagertagebuch des Zwangsarbeiters Wasyl Timofejewitsch Kudrenko. Wichern Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-88981-173-6 Zitate nach den Informationstafeln, siehe „sonstige Quellen“
- Jürgen Meyer-Kronthaler: Berlins U-Bahnhöfe – Die ersten hundert Jahre. be.bra Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-930863-16-2
- Jürgen Meyer-Kronthaler, Wolfgang Kramer: Berlins S-Bahnhöfe – Ein dreiviertel Jahrhundert. be.bra. verlag, Berlin 1998, ISBN 3-930863-25-1 Zitat zu Hermann Boddin Seite 120
- Robert Riedel (Hrsg): Berlin und seine Bauten. Teil V: Bauwerke für Kunst, Erziehung und Wissenschaft, Band A: Bauten für die Kunst. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1983, ISBN 3-433-00944-9
- Erich Schuppan (Hrsg.): Sklave in Euren Händen. Zwangsarbeit in Kirche und Diakonie Berlin-Brandenburg. Wichern Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-88981-155-8
- Klaus Konrad Weber, Peter Güttler, Ditta Ahmadi (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil X Band A: Anlagen und Bauten für die Versorgung (3) Bestattungswesen. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 1981, ISBN 3-433-00890-6
Weblinks
- Schockwellenreiter, Kiez Schillerpromenade
- Neukölln online, Siedlung Schillerpromenade
- rbb-online, 07.05.2005: Vor 60 Jahren: Befreiung der kirchlichen Zwangsarbeiter in Berlin
- Kindl-Boulevard
- Frauenwirtschaftszentrum Neukölln
- Bahnhof Hermannstraße bei stadtschnellbahn-berlin.de
- Beschreibung des U-Bahnabschnitts Heinrich-Heine-Straße ↔ Hermannstraße mit genauen (architektonischen) Bahnhofsbeschreibungen und Bildern
52.472713.428169444444Koordinaten: 52° 28′ 22″ N, 13° 25′ 41″ O
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